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Die
Eigentumsstruktur in der Wirtschaftsordnung Israels
Eine institutionentheoretische Analyse
Vorgelegt von Christoph Penkhues
Diplomarbeit
Geprüft von Prof. Alfred Schüller
Fachgebiet Ordnungstheorie
Philipps Universität Marburg
Bewertung: sehr
gut (1,3)
1.1 Thema
und Ziel der Untersuchung
1.2 Theoretischer
Rahmen der Arbeit
1.2.1 Handlungsrechte als ordnungsbestimmende Kraft
1.2.2 Die Theorie der Institutionen von North
2 Wurzeln der
israelischen Gesellschaftsordnug -
Entstehung
und Entwicklung formloser Institutionen
2.1 Eigentumsrechte
im Alten Testament
2.2 Kultur
und Wirtschaft in der Diaspora
2.4 Bodenkauf
und Besitzverteilung im entstehenden Staat
2.5 Parteien
und der Primat der Politik
3 Die
Eigentumsverfassung in der Wirtschaftsordnung Israels -
Entstehung
und Entwicklung formgebundener Institutionen
3.1 Verfassungsrechtlicher
Rahmen des neuen Staates
3.2 Gesetzliche
Bestimmungen zu Privateigentum und Vertragsfreiheit
3.3 Die
wichtigsten Rechtsformen für Unternehmen
3.4 Staatliche
Regulierung und Kontrolle verschiedener Wirtschaftssektoren
3.4.2 Industrie, Handel und Dienstleistungen
4 Die
Eigentumsverteilung in der Wirtschaftsordnung Israels -
Wirkung von formlosen und
formgebundenen Institutionen
4.2 Staatsbetriebe
und Parteiunternehmen
4.4 Ländliche
Kooperationsformen
4.4.1 Die kooperative Kleineigentümersiedlung (Moschav Ovdim)
4.4.2 Der Kollektiv-Moschav (Moschav Schitufi)
5 Die Institutionenanalyse als Instrument zur Erklärung von Ordnungen
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Partnerschaften (Personengesellschaften) in Israel |
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Die Interdependenz gesellschaftlicher Ordnungen |
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Genossenschaften in Israel |
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Schema der politischen Lager und ihrer wichtigsten Parteien |
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Einzelunternehmen, private- und öffentliche |
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Das Regierungssystem Israels |
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Anteil privater Unternehmen an der Gesamtzahl industrieller Unternehmen |
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Die Struktur des Histadrut Wirtschaftssektors |
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Output und Kapitalstock je Beschäftigten im privaten-,
staatlichen- und gewerkschaftlichen Sektor der Industrie |
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Struktur und Verwaltung des Kibbutz |
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Produktivitätsindex in Kibbutzunternehmen und privaten Industrieunternehmen |
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Profitabilitätsindex in Kibbutzunternehmen und privaten Industrieunternehmen |
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Profit je Arbeiter in der Produktion in Kibbutzunternehmen und privaten Industrieunternehmen |
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A |
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F |
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B |
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G |
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C |
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H |
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Verflechtung
von Banken mit Parteien und öffentlichen Organisationen |
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I |
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E |
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J |
AC |
Zionistisches
Aktionskomitee |
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LSI |
Law Of The State Of Israel |
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APC |
Anglo
Palestine Company |
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MAPAI |
Sozialdemokratische
Arbeitspartei |
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COLA |
Cost Of Living Allowance |
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NIS |
Neuer
Israelischer Schekel |
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CPI |
Consumer Price Index |
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NRP |
Nationalreligiöse
Partei |
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EAC |
Engeres
Aktionskomitee |
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PEA |
Private
Employers' Association |
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IAP |
Israelische
Arbeiterpartei |
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PJCA |
Palestine Jewish Colonisation Association |
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JA |
Jewish Agency |
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PLDC |
Palestine Land Development Company |
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JCA |
Jewish Colonisation Association |
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ZWO |
Zionistische
Weltorganisation |
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JNF |
Jewish National Fund |
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1.1 Thema
und Ziel der Untersuchung
Die
Wirtschaftsordnung Israels unterscheidet sich, bezüglich der ihr zugrunde liegenden
Eigentumsstruktur, deutlich von den Ordnungen anderer Länder. Elemente zweier
weltanschaulicher Richtungen sind hier miteinander vereint, die sich sonst
gegenseitig auszuschließen scheinen. Besonders in der Frage nach dem Eigentum
an Produktionsmitteln wird dieser Gegensatz deutlich.
Ist für
die Befürworter kapitalistischer Ordnungen[1] der
private Besitz an Produktionsmitteln die unabdingbare Voraussetzung für das
Funktionieren des Wirtschafts- und Gesellschaftssystems, so ist für die
Kritiker jener Auffassung genau dies die Ursache für Ausbeutung und
Unterdrückung. Umgekehrt sehen Vertreter sozialistischer Ordnungen[2] im
kollektiven Besitz der Produktionsmittel den Weg zur klassenlosen Gesellschaft,
während die Gegner darin die Ursache für gesellschaftliche Mißstände ausmachen.[3]
Folglich sind in sogenannten kapitalistischen Wirtschaftsordnungen die
Produktionsmittel größtenteils in privater Hand, während in sogenannten
sozialistischen Wirtschaftsordnungen das Kollektiv- bzw. Staatseigentum
dominiert.[4]
Leipold (1987, S. 39) bezeichnet daher die Eigentumsordnung als "die
entscheidende Trennungslinie zwischen den Wirtschafts- und
Gesellschaftssystemen" von Staaten.
Für
Israel gilt diese Trennung nicht. Anfang der neunziger Jahre befanden sich hier
etwa 50% der Produktionsmittel in privater Hand, 25% waren in Staatseigentum
und 25% in Gewerkschaftsbesitz (vgl. Ben-Porat, 1993, S. 160).[5]
Das
Eigentum an Produktionsmitteln kann also nicht überwiegend einem
Sektor zugeordnet werden. Vielmehr existieren Privateigentum, Staatseigentum
und Gesellschaftseigentum nebeneinander.[6] Damit
sind scheinbar nicht zu verbindende Elemente zweier Weltanschauungen in Israel
seit über vierzig Jahren miteinander verknüpft.
Dieser
Zustand gibt Anlaß zu verschiedenen Fragen, die in den folgenden Kapiteln
präzisiert, untersucht und, soweit möglich, beantwortet werden. Ausgangspunkt
soll die Fragestellung sein, warum eine klare Zuordnung des
Produktionsmitteleigentums zu einem einzigen Sektor nicht stattgefunden hat.
Wieso hat sich also eine Wirtschaftsordnung entwickelt, die als 'Gemischte
Wirtschaft' bezeichnet wird, in der Privat-, Staats- und Gesellschaftseigentum
nebeneinander existieren (vgl. Ben-Porat, 1993, S. 187)? Weiterhin wird
erörtert, wie sich diese spezielle Eigentumsstruktur auf die wirtschaftliche
Entwicklung im allgemeinen und auf das wirtschaftliche Verhalten der einzelnen
Menschen im besonderen auswirkt.
Ziel
der Untersuchung ist damit die Erklärung von Entstehung, Entwicklung und
Wirkung der Eigentumsstruktur in der Wirtschaftsordnung Israels.
Dazu
wird im folgenden Abschnitt die leitende These von der Interdependenz der
gesellschaftlichen Ordnungen entwickelt. Dies erfolgt unter Berücksichtigung
zweier Aspekte:
Eine
fundierte Erklärung der in Israel entstandenen Eigentumsstruktur läßt sich nur
durch einen Blick in die Geschichte des Judentums finden.[7] Der
Focus soll hierbei auf wenige, relevante Aspekte der Geschichte gelenkt werden,
und so eine hinreichende Begründung ermöglichen. Dazu ist die Einordnung der
Eigentumsstruktur in den Rahmen des gesellschaftlichen Gesamtsystems
erforderlich. Die These soll die notwendige Verbindung herstellen.
Gleichzeitig
ist die These das Kriterium zur Auswahl einer geeigneten ökonomischen Theorie.
Diese Theorie soll zum einen als Fundament der These selbst dienen und zum
anderen das analytische Werkzeug zur Untersuchung der gestellten Fragen
bereithalten.
1.2 Theoretischer
Rahmen der Arbeit
1.2.1 Handlungsrechte als
ordnungsbestimmende Kraft
Der
Begriff Eigentum bezeichnet Verfügungs- und Aneignungsrechte, die Personen
bezüglich Gütern haben.[8] Die
Güter können materiell oder immateriell sein. Verfügungsrechte erlauben den
Erwerb, die Veränderung und das Veräußern von Gütern zum Zweck der Produktion
oder des Verbrauchs. Aneignungsrechte gestatten das exklusive Aneignen der
Erträge aus der Verfügungsmacht über Güter, beziehen aber auch die Haftung, als
eine in die Verantwortung nehmende Folge der Verfügungsmacht, mit ein (vgl.
Leipold, 1987; S. 39, 1988, S. 35).[9]
Diese
Rechte werden Eigentumsrechte, allgemein Handlungsrechte und im englischen
Sprachraum Property Rights genannt (vgl. Schüller, 1985, S. 259; Leipold,
1988, S. 21). Für die weitere Untersuchung wird in der Regel der
Begriff Handlungsrechte, der einer allgemeinen Definition von Institutionen am
ehesten entspricht,[10]
verwendet. Die Begriffe Eigentumsrechte bzw. Property Rights finden dann
Verwendung, wenn Rechte im oben definierten, engeren Sinn beschrieben werden.[11]
Die zu
untersuchende Eigentumsstruktur spiegelt also eine bestimmte Verteilung von
Eigentumsrechten wieder. Um den Zusammenhang zwischen dieser Verteilung und dem
gesellschaftlichen Gesamtsystem herzustellen, soll zunächst die Eigentumsordnung
als Gesamtheit der Regeln bzw. Handlungsrechte definiert werden, die dieser
Verteilung zugrunde liegen. Die Eigentumsordnung ist konstitutives Element der
Wirtschaftsordnung. Diese wiederum "bezeichnet die Gesamtheit der
gesetzten und gewachsenen Regeln des Rechts, des sittlich-kulturellen und
politischen Verhaltens, der Tradition und Konvention, die sich zu bestimmten
ökonomischen Sachverhalten ausformen können und zusammen mit diesen
Ordnungsformen den wirtschaftlichen Entscheidungs- und Handlungsspielraum der
Menschen auf Dauer begrenzen" (Schüller, 1992a, S. 1; vgl. ausführlich
Hensel, 1992, S. 18 - 26). Neben der Wirtschaftsordnung besitzt ein
Gesellschaftssystem noch eine kulturelle und eine politische Ordnung. Diese
spiegeln ebenfalls eine bestimmte Verteilung von Handlungsrechten wieder(vgl.
Schüller, 1992a, S. 7).
Es
stellt sich nun die Frage, ob die verschiedenen Ordnungen des
gesellschaftlichen Gesamtsystems getrennt nebeneinander bestehen können und
Veränderungen innerhalb der Teilbereiche autonom erfolgen, oder ob
Interdependenzen vorhanden sind. Ist eine getrennte Existenz der Fall, dann
kann die Untersuchung der Eigentumsstruktur auf den Bereich der Wirtschaftsordnung
beschränkt werden. Ansonsten müssen auch die übrigen Teilordnungen des
Gesellschaftssystems Berücksichtigung finden. Folgende These soll den Verlauf
der Untersuchung bestimmen:
Die gesellschaftlichen Ordnungen sind
voneinander abhängig. Verändert sich eine Ordnung, so zieht dies, aufgrund der
Interdependenz, Veränderungen der anderen Ordnungen nach sich.
Werden solche Veränderungen als sich
wandelnde Handlungsrechte aufgefaßt, dann sind die Handlungsrechte
ordnungsbestimmende Kraft.
Zwei
Beispiele sollen diese Vermutung verdeutlichten und untermauern:
Im
Alten Testament,[12] der
religiösen und kulturellen Grundlage des heutigen Judentums,[13] finden
sich im Buch Levitikus verschiedene Aussagen über 'reine' und 'unreine' Tiere.[14] Neben
anderen Tieren wird das Schwein wegen seiner gespaltenen Klauen als unreines
Tier klassifiziert. Aus diesem Grund ist der Verzehr von Schweinefleisch
untersagt: "Ihr dürft von ihrem Fleisch nicht essen."[15] Von
gläubigen Juden wird die Regel bis heute befolgt.
Die Regel ist zur Sitte bzw. zum
Brauch geworden und damit zum Bestandteil der jüdischen Kultur. Nach Gründung
des Staates Israel hat sie ihren Niederschlag im Gesetz zur Verbesserung der
landwirtschaftlichen Produktion[16]
gefunden. Es regelt insgesamt den Handel, die Haltung und das Schlachten von
Vieh. Infolge der darin enthaltenen restriktiven Bestimmungen zur Schweinezucht
existiert dieser Wirtschaftszweig in der israelischen Landwirtschaft nicht.
In
diesem Fall hat die religiös-kulturelle Ordnung Einfluß auf die politische
Ordnung genommen.[17] Durch
ein Gesetz wurde eine Sitte übernommen und hat dadurch wirtschaftspolitisch
gestaltend gewirkt. Der Berufszweig Schweinezüchter, der Verfügungs- und
Aneignungsrechte bezüglich Schweinen voraussetzen würde, kommt in Israel nicht
vor. Es wird deutlich, daß hier die kulturelle Ordnung die politische Ordnung
prägt und diese wiederum die Wirtschaftsordnung bestimmt.
Anhand
eines anderen Beispiels läßt sich zeigen, daß auch handlungsrechtliche Veränderungen
der politischen bzw. der Wirtschaftsordnung Auslöser für einen Wandel der
übrigen Teilordnungen sein können:
Während
in den alttestamentarischen Büchern Exodus[18] und
Levitikus[19] ein
Verbot der Zinsnahme von armen Volksgenossen ausgesprochen wird, ist im später
geschriebenen Deuteronomium ein generelles Verbot der Zinsnahme von Angehörigen
des eigenen Volkes zu finden. Gleichzeitig wird an dieser Stelle die Zinsnahme
von Fremden ausdrücklich erlaubt: "Du darfst von deinem Bruder keine
Zinsen nehmen: weder Zinsen für Geld noch Zinsen für Getreide noch Zinsen für
sonst etwas, wofür man Zinsen nimmt. Von einem Ausländer darfst du Zinsen
nehmen, nicht aber von deinem Bruder."[20]
Es ist
anzunehmen, daß die wirtschaftliche Entwicklung von der reinen Agrarwirtschaft
zu vermehrtem Handel den Anlaß zur Veränderung dieser Regel gab. Die
kulturell-sittliche Ordnung ist aufgrund des Wandels wirtschaftlicher
Handlungsabläufe modifiziert und präzisiert worden (vgl. auch Paraskewopoulos,
1989, S. 152 ff.).
Indem
Handlungsrechte das allgemeine Verhalten von Menschen, und Eigentumsrechte vor
allem das wirtschaftliche Handeln bestimmen, sind sie ordnungsbestimmende
Kraft. Da viele dieser Regeln nicht einer spezifischen Ordnung zugeordnet
werden können[21] und
die Veränderung einer Regel den Wandel anderer Regeln nach sich zieht,[22] kann
die oben formulierte These graphisch wie folgt dargestellt werden:
Abbildung
1: Die Interdependenz
gesellschaftlicher Ordnungen.
Eigene Darstellung
In den
Schnittmengen der jeweiligen Teilordnungen sind dabei sowohl jene Handlungs-
bzw. Eigentumsrechte angesiedelt, die nicht eindeutig zugeordnet werden können,
als auch jene, deren Wandel die Veränderung mehrerer Teilordnungen zur Folge
hat.[23]
Es ist
zu vermuten, daß in Israel die Interdependenz der Ordnungen besonders intensiv
ist. Dies deutet sich beispielsweise dadurch an, daß noch heute
Personenstandsfragen wie Ehe, Unterhalt und Erbschaft ausschließlich von den
religiösen Gerichten geregelt werden (vgl. Wolffsohn, 1995, S. 331).
Die
zuvor formulierte Fragestellung kann nun dahingehend weiterentwickelt werden,
daß zur Erklärung der Eigentumsstruktur Israels die Entstehung, Entwicklung und
Wirkung von Handlungsrechten untersucht werden muß. Erkenntnisziel ist damit
die Erklärung der Wahl von Regeln (Choice of rules) und die Erklärung der
Wirkung von Regeln (Choice within rules) (vgl. Leipold, 1989, S. 15).
Dieses
Ziel verfolgt die 'Neue ökonomische Institutionentheorie', eine Weiterentwicklung
der von Eucken begründeten Ordnungstheorie (vgl. Leipold, 1989, S. 13).[24] Im
folgenden wird der institutionentheoretische Ansatz von North (1992)
dargestellt. Da North eine brauchbare Theorie des institutionellen Wandels
aufzeichnet, eignet sich dieser Ansatz zu Erläuterung der vorliegenden
Fragestellung. Andere Ansätze, wie der vertragstheoretische von Buchanan
(1984), der Internalisierungsansatz von Demsetz (1957), oder das
evolutionstheoretische Konzept von von Hayek (1971), bieten ebenfalls einen
möglichen theoretischen Ausgangspunkt.[25]
1.2.2 Die
Theorie der Institutionen von North
Im
Gegensatz zum Historischen Materialismus[26]
beschreibt North den Geschichtsprozeß als variabel und offen. Er sieht die
Vergangenheit als Geschichte institutioneller Evolution (North, 1992, S. VII).
Durch den Wandel von Handlungsrechten, deren Gesamtheit den institutionellen
Rahmen eines Gesellschaftssystems darstellt,[27]
erklärt er die Entwicklung von Gesellschaften. Handlungsrechte sind damit für
ihn der "Schlüssel zum Verständnis historischen Wandels" (North,
1992, S. 3 und S. 39).[28]
Handlungsrechte
bzw. Institutionen werden bewußt geschaffen oder entstehen von selbst.[29] Als
Spielregeln menschlicher Interaktion haben sie die Aufgabe, "durch die
Schaffung einer stabilen (...) Ordnung, die Unsicherheit menschlicher
Interaktion zu vermindern." Das Problem menschlicher Kooperation steht
somit im Mittelpunkt. Während effiziente Institutionen[30] zu
einer Senkung von Transaktionskosten[31]
beitragen und dadurch individuelle Tauschgewinne und allgemeines
Wirtschaftswachstum ermöglichen, können ineffiziente Institutionen zu
wirtschaftlichem Stillstand bzw. Rückgang führen (North, 1992, S. 4 - 9).
Diese
Feststellung ist Ausgangspunkt der Kritik von North am neoklassischen Ansatz,
der nach seinem Erachten den Fortbestand ineffizienter Tauschformen über
Jahrtausende hinweg nicht erklärt. Die neoklassische Theorie gehe hier von der
falschen Grundannahme aus, daß "Eigentumsrechte vollkommen und kostenlos
spezifiziert sind und Information ebenfalls kostenlos ist." Er widerlegt
diese Sichtweise, indem er das Coase-Theorem[32]
umformuliert und feststellt, "daß dann, wenn Transaktionen etwas kosten,
es auf die Institutionen ankommt" (North, 1992, S. 14).
Institutionen
werden in formlose (informale) und formgebundene (formale) Beschränkungen bzw.
Regeln getrennt. Durch formlose Regeln ist der Fortbestand vieler
Teilerscheinungen einer Gesellschaft zu erklären, obwohl eine vollständige
Veränderung der formalen Regeln - beispielsweise nach einer Revolution - stattgefunden
hat. Formlose Regeln "entstehen aus Information, die in der Gesellschaft
weitergegeben wird, und sind Teil jenes Erbes, das wir Kultur nennen"
(North, 1992, S. 44).[33] In
Verbindung mit formgebundenen Regeln haben sie eine erweiternde, ausarbeitende
und beschränkende Funktion.[34] Sie
können als gesellschaftlich sanktionierende Verhaltensnormen und intern
bindende Verhaltenscodizes aufgefaßt werden (vgl. North, 1992, S. 47 f.).
Indem
"tiefe religiöse Überzeugungen" oder "die Bindung an den
Kommunismus" menschliche Entscheidungen beeinflussen, ist die Motivation,
welche den Fortbestand oder Wandel solcher Regeln begründet, durch das einfache
Modell des Erwartungsnutzens[35] nicht
zu erklären (North, 1992, S. 50). Die der North'schen Institutionentheorie
zugrunde liegende Verhaltensannahme läßt lediglich die Aussage zu, daß das
Gewicht des Einflusses von Überzeugungen und Ideologien zunimmt, je niedriger
der dafür zu zahlende Preis ist: "Dort wo es den einzelnen wenig kostet,
seine eigenen Wertvorstellungen und Interessen zum Ausdruck zu bringen, werden
diese großen Einfluß auf die zu treffenden Entscheidungen haben; ist aber der
Preis, den man für die Artikulierung seiner eigenen Weltanschauung, Normen oder
Präferenzen bezahlt, extrem hoch, so werden sie das menschliche Verhalten viel
weniger beeinflussen" (North, 1992, S. 26 f., 49).[36]
Mit
formalen Beschränkungen, die politische, judizielle und wirtschaftliche Regeln
und Verträge umfassen, bringt North den Staat ins Spiel. Die Aufgabe der
Gestaltung, Überwachung und Durchsetzung, die bei informalen Beschränkungen von
der Familie bzw. dem Stamm geleistet wird, ist bei formalen Regeln in der Hand
des Staates (vgl. North, 1992, S. 46; 55 ff.). Demzufolge ist die herkömmliche
Transaktionskostenökonomik auf die Analyse politischer Prozesse auszudehnen.
Damit können ineffiziente Eigentumsrechte auch als Resultat politischer
Vorgänge aufgefaßt werden (vgl. Herrmann-Pillath, 1992, S. 509; North, 1992 S.
129 ff.). Indem politische Regeln wirtschaftliche Regeln nach sich ziehen,
werden auch Eigentumsrechte im Zuge politischer Entscheidungen bestimmt und
durchgesetzt (vgl. North, 1992, S. 58).
Wesentliche
Änderungen dieser formalen Regeln kommen dann zustande, wenn die
Verhandlungsmacht, der am politischen Entscheidungsprozeß beteiligten Personen
oder Gruppen, die eine Änderung anstreben, groß genug ist (vgl. North, 1992, S.
82). Die Mittel, die dabei für intermediäre Organisationen (Lobbys) verwendet
werden, steigen in Relation zum Anteil volkswirtschaftlicher Mittel, auf den
staatliche Entscheidungen Einfluß nehmen (vgl. North, 1992, S. 110).
Innerhalb
dieses institutionellen Rahmens, bestehend aus kulturell tradierten Normen und
in politischen Prozessen entwickelten formalen Regeln, bewegen sich Unternehmer
und deren Organisationen. Institutionen bestimmen dabei die Chancen, die eine
Gesellschaft bietet, während Organisationen geschaffen werden, um solche
Chancen zu nutzen (vgl. North, 1992, S. 8). Durch die Verfolgung von
Maximierungszielen[37] sind
ökonomische Organisationen "ursächlich und richtungsweisend für den
institutionellen Wandel." Das Wechselspiel der Veränderung
formal-institutioneller Rahmenbedingungen und der Weiterentwicklung
ökonomischer Organisationen gestaltet sich dann folgendermaßen: "Der institutionelle
Rahmen wird die Richtung mitbestimmen, die beim Erwerb von Wissen und
Fertigkeiten eingeschlagen wird (...) [und] diese Richtung wird der
entscheidende Faktor in der langfristigen Entwicklung der betreffenden
Gesellschaft sein."[38] Der
einmal eingeschlagene Weg wird aufgrund der "Verlaufsabhängigkeit
technischen Wandels" auch langfristig beibehalten (North, 1992, S. 87 -
93).[39]
Die
Mitgestaltung des institutionellen Wandels durch ökonomische Organisationen
vollzieht sich dann über die "abgeleitete Nachfrage nach Investitionen in
Wissen (...), die (...) Wechselwirkungen zwischen organisierter
Wirtschaftstätigkeit, Wissensstand und institutionellen Gegebenheiten und (...)
die schrittweise Änderung der formlosen Beschränkungen" (North, 1992, S.
93 f.).
Da
North alle Teilbereiche des Gesellschaftssystems einbezieht und "kulturell
tradierte Normen als wesentliche Determinante langfristiger Entwicklung"
und als stabilisierendes Element der Gesamtordnung betrachtet, erscheint diese
Theorie als besonders geeignet (Herrmann-Pillath, 1992, S. 503). Mit Begriffen
wie Religion, Ideologie, Familie und Macht erweitert er das ökonomische
Blickfeld und zeigt neue
Erklärungsmöglichkeiten für die Analyse von Institutionen bzw. Handlungsrechten
auf. Durch die Unterscheidung in formale und informale Handlungsbeschränkungen
erklärt er den institutionellen Wandel "über eine komplexe Wechselwirkung
zwischen individuellen Wahlhandlungen, Organisationen, kulturellen Normen und
den formalen Institutionen wie etwa Eigentumsrechten" (Herrmann-Pillath,
S. 509). Damit sind Handlungsrechte, die er Institutionen nennt, auch für ihn
ordnungsbestimmende Kraft.
Für die
eingangs entwickelte Fragestellung ergibt sich durch die Verbindung der These
von der Interdependenz der Ordnungen mit der Institutionentheorie von North
folgender Aufbau der weiteren Untersuchung:
Ausgangspunkt
ist die kulturelle Ordnung des Judentums und die hier begründeten informalen
Regeln. Mit dem Schwerpunkt auf eigentumsrechtlichen Bestimmungen werden
Wurzeln dieser Ordnung betrachtet. Handlungsrechtliche Bedingungen für die
Kolonisation Palästinas und für die während der englischen Mandatszeit
entstehende politische Ordnung, stehen im Vordergrund (Kapitel 2).
Mit der
Gründung des Staates Israel gewinnt diese politische Ordnung, die bisher vor
allem auf informalen Regeln basierte, im Zusammenhang mit formalen Regeln an
Bedeutung. Formale Regeln für politische Prozesse und formale Eigentumsrechte
als Ergebnis politischer Prozesse werden untersucht. Die Art der gesetzlichen
Ausgestaltung von Eigentumsrechten in der Wirtschaftsordnung Israels steht im
Mittelpunkt. Vom Gesetzgeber zugebilligte individuelle eigentumsrechtliche
Freiheiten und ihre Einschränkungen werden beleuchtet (Kapitel 3).
Im
anschließenden Kapitel werden die ökonomischen Wirkungen des
handlungsrechtlichen Rahmens untersucht, der in den beiden vorangehenden
Kapiteln skizziert wurde. Die Betrachtung der realen Eigentumsverteilung zeigt,
inwiefern informale Regeln erweiternd, ausarbeitend und beschränkend zum
formalen Regelwerk wirken. Die Entwicklung dieser Verteilung nach
Eigentumssektoren und Wirtschaftsbranchen wird aufgezeigt, und die Wirkung von
Handlungsrechten auf das menschliche Verhalten untersucht (Kapitel 4).
Ob der
theoretische Rahmen die notwendigen Instrumente zur Beantwortung der
Fragestellung geliefert hat, ob also die Institutionenanalyse geeignet zur
Erklärung von Ordnungen ist, wird schließlich in einem Rückblick kritisch
betrachtet (Kapitel 5).
2 Wurzeln
der israelischen Gesellschaftsordnung -
Entstehung
und Entwicklung formloser Institutionen
Der
folgende Überblick über die Kultur- und Wirtschaftsgeschichte Israels soll den
Einstieg in die Thematik erleichtern.[40]
Insgesamt liegt der Focus der Betrachtung auf den Wurzeln der kulturellen
Ordnung des Judentums und der Entwicklungsgeschichte der politischen Ordnung
des Staates Israel. Nach der eingangs formulierten Interdependenzthese sollen
die dort begründeten informalen Regeln bzw. kulturell tradierten Normen die
Entstehung von Eigentumsrechten erklären.
Ausgangspunkt
ist das Alte Testament, das im Hinblick auf handlungsrechtliche Bestimmungen
bezüglich Eigentum und Erwerb betrachtet wird (Abschnitt 2.1).[41] Es
folgt ein kurzer Abriß der jüdischen Geschichte bis zum Anfang des 20.
Jahrhunderts. Institutionelle Bedingungen in der Diaspora und kulturell
prägende, externe Einflüsse, stehen dabei im Mittelpunkt (Abschnitt 2.2). Die
Anfänge des Zionismus, damit verbundene religiöse und politische Weltanschauungen,
sowie die Institutionalisierung der Zionistischen Bewegung auf dem Baseler
Kongreß (1897) werden anschließend betrachtet (Abschnitt 2.3). Mit der
Darstellung der beginnenden jüdischen Kolonisation Palästinas und den zu diesem
Zweck entstandenen Organisationen und Institutionen werden dann die ersten
konkreten Determinanten der heutigen Eigentumsstruktur aufgezeigt (Abschnitt
2.4). Anhand der Programmatik der um die Jahrhundertwende entstandenen Parteien
wird schließlich untersucht, inwieweit sich der kultur- und
wirtschaftsgeschichtliche Hintergrund - besonders im Hinblick auf
Eigentumsfragen - in den Zielen der politischen Organisationen widerspiegelt.
Gleichzeitig sind die Parteien für die Untersuchung der formalen
Eigentumsverfassung (Kapitel 3), die ein Ergebnis politischer Prozesse ist
(vgl. North, 1992, S. 58), von Bedeutung (Abschnitt 2.5).
2.1 Eigentumsrechte
im Alten Testament
Der
jüdische Glaube beinhaltet das tägliche Befolgen einer Vielzahl von Regeln und
Handlungsanweisungen.[42] Ursprung
dieser Regeln ist die Torá (Gesetz), deren Lesung auch heute noch den
Mittelpunkt jedes jüdischen Gottesdienstes bildet. Shapiro (1993, S. 66) betont
die Bedeutung der jüdischen Religion und damit auch die Bedeutung des Alten
Testaments als Grundlage derselben. Er bezeichnet die Religion als Kern (core
belief) der israelischen Kultur.[43] Aus
diesem Grund ist anzunehmen, daß auch Aussagen, die im Alten Testament
bezüglich Eigentum und Erwerb formuliert sind, heute noch Bedeutung besitzen.
Um das
Jahr 1300 v. Chr. ist das Alte Testament entstanden. Juden wie Christen
verstehen es als Offenbarungsurkunde. Sie glauben an die Inspiration der
Verfasser durch den Geist Gottes. Die Juden unterscheiden im Alten Testament
die fünf Bücher der Torá (Exodus, Genesis, Levitikus, Numeri und
Deuteronomium), die Moses verfaßt haben soll, die Bücher der Propheten und die
übrigen Schriften.[44] In der
Torá ist das Gesetz enthalten, das Moses auf dem Berg Sinai von Gott für Israel[45]
empfangen hat. Es bildet die Grundlage für den Bund zwischen Gott und Israel.
Daraus geht hervor, daß Gott Alleineigentümer der Erde und des Volkes Israel
ist.[46]
Weiterhin wird den Israeliten das Land Kanaan[47] als
"erblicher Besitz"[48]
zugesprochen. Der Begriff des irdischen Eigentums ist damit grundsätzlich auf
Gott hin relativiert (vgl. Paraskewopoulos, 1989, S. 149).[49]
Lediglich
ein zeitlich begrenzter Besitz von Grund und Boden ist möglich. Um diesen
Besitz auch zu behalten, muß das Volk Israel als Erbpächter, den
handlungsrechtlichen Vorgaben des Eigentümers folgen. Ist dies der Fall, dann
werden die Pächter mit Erträgen belohnt, sonst bleiben die Erträge aus.[50] Die
hinter dem Erbpachtvertrag stehende Idee des Eigentums beschreibt Kuebel (1870,
S. 29) als gänzliche "Loslösung von materiellem Besitz und bloßes Annehmen
aus der Hand des Herrn" und sieht damit "das Prinzip des Egoismus
lahmgelegt."[51]
Neben
Grund und Boden nennt van Oyen (1967, S. 173) noch bewegliches Vermögen, Beute
aus Jagd und Krieg, und Menschen (Sklaven) als mögliche 'Besitzgüter', die
damals von Bedeutung waren. Da aber erkennbare Zusammenhänge zwischen den
damaligen Eigentumsrechten und der heutigen Eigentumsstruktur am ehesten im
Bereich der Regeln zu Grund und Boden zu finden sind, bleiben die übrigen
Besitzarten hier ausgeklammert.
Die
Primärverteilung des Landes Kanaan nach der Landnahme[52] durch
die Israeliten wird im Buch Numeri geschildert: "Wer mehr Namen zählt, dem
sollst du einen größeren Erbbesitz geben; wer weniger zählt, dem sollst du einen
kleineren Erbbesitz geben (...). Der Erbbesitz soll durch das Los zwischen den
großen und kleinen Stämmen aufgeteilt werden."[53]
Innerhalb der Stämme wird der Grundbesitz dann nach den gleichen Regeln
zwischen den einzelnen Geschlechtern und Familien weiter aufgeteilt.[54]
Insgesamt kann auf diese Weise, neben Gott als Gesamteigentümer, in vier
Besitzebenen unterschieden werden: Das Land als Ganzes befindet sich im Besitz
des Volkes Israel. Es ist aufgeteilt in Stammes-, Geschlechter- und
Familienbereiche, die jeweils die Untereinheiten der vorher genannten Ebene
bilden.
Die Art
der Aufteilung ist weniger unter dem Aspekt der Verwaltung zu betrachten, als
vielmehr unter dem Gesichtspunkt der Besitzkonservierung (vgl. Kuebel, 1870, S.
30). So finden sich im Alten Testament eine Reihe von handlungsrechtlichen
Bestimmungen, die alle eine Besitzkonservierung auf der jeweiligen Besitzebene
(Volk, Stamm, usw.) zum Ziel haben:
Der
einmal von einer Familie erhaltene Besitz soll auch in derselben verbleiben,
und in der Regel an den zuerst geborenen Sohn vererbt werden. Für den Fall, daß
nur Töchter als Nachkommen existieren, erhält die älteste Tochter den
Familienbesitz mit der Auflage, nur einen Mann aus dem eigenen Stamm zu heiraten
(vgl. Kuebel, 1870, S. 33).[55]
Ist
eine Ehe kinderlos, dann soll der Bruder des verstorbenen Ehemannes (Levir) die
Witwe zur Frau nehmen (sog. Leviratsehe). Der aus dieser Ehe hervorgehende
erste Sohn führt dann den Namen des Verstorbenen und damit den Namen der
Familie fort (vgl. Kuebel, 1870, S.34).[56]
Hat
jemand wegen Verarmung sein Grundstück verkaufen müssen, dann hat ein naher
Verwandter (Göl) das Recht, jenes Grundstück für sich einzulösen. Dieses Recht
steht auch jederzeit dem ursprünglichen Besitzer zu, vorausgesetzt "er
erwirbt genug zu dessen Einlösung."[57] Der
Kaufpreis bemißt sich dann nach dem Wert, zu dem der Verarmte das Grundstück
verkauft hat, abzüglich der Summe der Erträge, die der zwischenzeitliche
Besitzer während seiner Besitzzeit aus dem Boden gezogen hat (vgl. Kuebel,
1870, S. 15 ff., 36; Paraskewopoulos, 1989, S. 151).[58] Der
Sinn dieser Wertermittlung wird deutlich, wenn eine weitere Institution, die
ebenfalls der Besitzkonservierung dient, berücksichtigt wird:
Das
Jubeljahr[59] ist
ein im fünfzigjährigen Turnus wiederkehrendes Festjahr, das eine
"restitutio in integrum", eine vollkommene Wiederherstellung der
ursprünglichen Lage für den gesamten Besitz an Grund und Boden bewirkt
(Kuebel, 1870, S. 36). "In diesem Jobeljahr kehrt ihr zurück, ein jeder zu
seinem Besitz."[60] Der
Begriff des Verkaufs ist damit sinngemäß eine Verpachtung auf Zeit. Ein
Grundstück an sich kann nicht erworben werden, sondern lediglich die Nutzung
bzw. die Erträge desselben und dies auch nur für eine begrenzte Zeitspanne. Je
größer bei einem solchen 'Erwerb' die Zahl der Erntejahre bis zum nächsten
Jubeljahr ist, desto höher ist der entsprechende Kaufpreis.[61]
Ausgenommen von der Jubeljahr-Regel sind Wohnhäuser in den Städten[62], für
die eine Rücklösefrist von einem Jahr besteht. Nach dieser Frist gehen sie
vollkommen in den Besitz des Käufers über (vgl. Kuebel, 1870, S. 35 ff.,
Paraskewopoulos, 1989, S. 151).
Durch
die aufgezeigten Regeln wird "die Absicht des Gesetzgebers, die
Institutionen des privaten Eigentums zu schützen" zum Ausdruck gebracht
(Paraskewopoulos, 1989, S. 150).[63] Kuebel
(1870, S. 34) begründet die Notwendigkeit des Schutzes bzw. der Konservierung
von Besitz, indem er die "Idee der Zusammengehörigkeit des Hauses"
formuliert und die "Verbindung eines (...) Individuums mit einem eigenthümlichen
Besitz als natürliche und stetige Basis seiner Existenz" hervorhebt.
Die
verfügungsrechtlichen Beschränkungen, die einerseits zu diesem Schutz führen,
begrenzen andererseits aber auch die Möglichkeiten der Nutznießerschaft aus
privatem Besitz. "Da Gott der absolute Eigentümer ist, (...), kann der
einzelne nicht grenzenlos über sein Eigentum verfügen. Die sittlich eingrenzende
Forderung besteht darin, daß der private Gebrauch des Eigentums Rücksicht auf
die Rechte der Volksgemeinschaft zu nehmen hat" (Paraskewopoulos, 1989, S.
150; vgl. auch van Oyen, 1967, S. 172 f.).[64]
Dieser
soziale Aspekt ist auch in verschiedenen aneignungsrechtlichen Beschränkungen
zu finden: Am Sabbat, dem siebten Tag der Woche, in jedem siebten Jahr
(Sabbatjahr) und auch im Jubeljahr ist jegliche agraische Nutzung des Bodens
und auch die Ernte der Erträge untersagt (vgl. Kuebel, 1870, S. 38 f.;
Paraskewopoulos, 1989, S. 150 f.).[65] Zu
diesen Zeiten hat die gesamte Gemeinschaft, Menschen und Tiere, das Recht, sich
von den Früchten des Landes zu ernähren: "Für das Land soll es ein Jahr
der Sabbatruhe sein. Der Sabbat des Landes selbst soll euch ernähren: dich,
deinen Knecht, deine Magd, deinen Lohnarbeiter, deinen Halbbürger, alle, die
bei dir leben.[66]
Diese
und andere[67]
Mitnutzungsrechte der Gemeinschaft unterstreichen die Abwesenheit der
Institution Privateigentum[68], verstanden
als weitgehende, exklusive, handlungsrechtliche Freiheit des Einzelnen
bezüglich eines Gutes.[69] Da der
einzige Weg zum Erwerb von Grund und Boden über die Erbschaft führt, folgert
Kuebel (1870, S. 44), "daß der Reichtum überhaupt nicht selbstthätig zu
gewinnen war." Aus den Bestimmungen zur Zinsnahme[70] und
den wenigen Aussagen über andere Erwerbszweige neben der Landwirtschaft kommt
er dann zu dem Schluß, daß das Gesetz als "gesunde volkswirtschaftliche
Basis des Erwerbslebens, (...), nicht die Geldwirtschaft sondern die
Feldwirtschaft" vorsieht.
Insgesamt
ist damit festzuhalten, daß das Alte Testament als Gesetz eines Agrarvolkes
aufgefaßt werden muß. Es enthält eine vertragsmäßige Regelung der Beziehungen
zwischen Gott, Gemeinschaft und Individuum. Darin ist Einzelbesitz zwar
einerseits geschützt, wird aber andererseits durch konservierende und
kollektivierende Regeln auf Gott und die Gemeinschaft hin relativiert (vgl.
auch Gross, 1975, S. 19 - 24).[71] Daher
kann der Argumentation von Paraskewopoulos (1989, S. 152) gefolgt werden, wenn
er im Zusammenhang mit "der jüdischen Eigentumsordnung (...) von einer
theokratischen Vergesellschaftung" spricht. Für die weitere Untersuchung
erscheinen folgende Aspekte dieser Betrachtung als relevant:
Der
hohe Grad der Institutionalisierung und Regelung aller Lebensbereiche,
die
konservierenden und kollektivierenden Regeln bezüglich Grund- und Bodenbesitz
und in diesem Zusammenhang auch
die
enge Verbindung der Familie mit ihrem Besitz, und der Schutz dieser Beziehung.
Weiterhin
sind auffallend viele Parallelen zu sozialistischen Ideen festzustellen.
2.2 Kultur
und Wirtschaft in der Diaspora
Als
Juden wurden die Hebräer bezeichnet, die sich in babylonischer Gefangenschaft
(586 - 536 v. Chr.) zu religiösen Gemeinschaften zusammengeschlossen hatten, um
an der Tradition ihrer Väter festzuhalten. Dieser Tradition zufolge hat Moses zwölf
hebräische Volksstämme[72] um
1300 v. Chr. aus Ägypten nach Palästina (Kanaan) geführt, wo sich diese vor
allem in der Gegend von Juda niederließen (Landnahme der Israeliten). Im
Exodus, dem zweiten Buch Moses, wird der Auszug der Israeliten aus Ägypten
geschildert. Dabei kommt es während der Flucht vor den Ägyptern auf dem Berg
Sinai zum Bundesschluß zwischen Gott und Moses. Aus der Exklusivität[73] der
dort eingegangenen Verbindung werden Handlungsvorgaben ("Ihr sollt mir
sein ein Reich von Priestern und ein heilig Volk"[74]) und
Handlungsrechte ("Wenn ihr in das Land Kanaan kommt, so soll euch dies das
Land sein, das euch als Erbteil zufällt"[75]) für
die Israeliten abgeleitet. Somit basiert die heutige Verknüpfung zwischen dem
Staat Israel und dem jüdischen Volk auf einer Verbindung, die durch religiöse
Überlieferungen geschaffen und begründet worden ist. Wichtigste normative
Grundlage für den heutigen Staat ist damit das Alte Testament, das sowohl die
Landesgrenzen als auch die Volkszugehörigkeit regelt (vgl. Wolffsohn,
1995, S. 47 ff.; Shapiro, 1993, S. 66 f.).
Der
erste jüdische Staat entstand um 1050 v. Chr. unter König Samuel. Es folgten
die Könige Saul (1020), David (1000) und Salomo (970). Im Jahr 586 wurde die Hauptstadt
Jerusalem von Nebukatnezar erobert. Es folgte die oben beschriebene
babylonische Gefangenschaft, in der sich die emotionale Bindung zu Palästina
und zu Jerusalem als Zion (hebr.), der Burg Davids, entwickelte.[76] Zwar
wird den Juden nach ihrer Rückkehr (536 v. Chr.) der Bau eines zweiten Tempels[77]
gestattet, doch maßgebenden Einfluß, der zu einer erneuten Staatsgründung
geführt hätte, konnten sie nicht mehr erlangen. Mit der Eroberung Palästinas
durch die Römer und der Zerstörung der Festung Massada am Toten Meer (70 n.
Chr.), war die Periode der politisch-religiösen (Mit)Bestimmung durch Juden in
Palästina für knapp 2000 Jahre vorüber (vgl. Ben-Sasson, 1978, Bd. I, S. 115 -
137).
Es
folgte die Vertreibung aus der Heimat, die Zerstreuung über die Kontinente und
ein Leben im Exil. Kennzeichnend für die Zeit in der Diaspora ist die
"Kontinuität der geistig-seelischen Verbindung der Judenheit (...) mit
Erez[78]
Israel, wonach unter allen Völkern und Ländern das Volk Israel und das Land
Israel von Gott zu seinem Volk und zu seinem Land miteinander verbunden
werden" (Sontheimer, 1968, S. 10; vgl. auch Böhm, 1935, Bd. I, S. 50 ff.). Weiterhin ist während dieser Zeit
eine Abgrenzung der Juden in eigene Wohnbezirke festzustellen. Vor allem in
Westeuropa findet eine Spezialisierung auf bestimmte Berufe, wie Handel und
Geldverleih statt. Böhm (1935, Bd. I, S. 15) faßt die Situation treffend
zusammen: "Innerhalb ihrer Wohnbezirke, scharf getrennt von der übrigen
Bevölkerung, führten sie ein nationales Leben mit eigener Religion, Sitte,
Sprache, ja auch als Steuerkörper ein Ganzes mit innerer Autonomie und waren
wirtschaftlich in einigen Berufen zusammengedrängt." Diese Umstände
machten sie einerseits noch mehr zur gesellschaftlichen Randgruppe, führten
andererseits aber auch zu einem stark ausgeprägten Gemeinschaftsgefühl.
Exkurs
Die
Ursachen, die zu jener Situation führten, gaben den Anlaß zu verschiedensten
Erklärungsansätzen. Sombart (1927, Bd. II, S. 349) beschränkt sich in seinem
Analyseversuch darauf, "die jüdische Rasse (...)[als] die Inkarnation
kapitalistisch-kaufmännischen Geistes" zu bezeichnen.[79]
Pinkus
(1905, S. 5 - 15) - wie Sombart der Tradition der Historischen Schule[80]
zuzurechnen - beschreibt in seiner Untersuchung das Altertum als
selbstständige, abgeschlossene Kulturperiode. Er betrachtet das Mittelalter als
eigentliche Kindheitsperiode der modernen Kultur. In den Juden sieht er jene
Gruppe, die den Altkapitalismus des Altertums, aufgrund ihrer eigenen, stark
ausgeprägten Kultur, als einzige ins Mittelalter hinübergerettet haben. Indem
Pinkus die kulturellen Besonderheiten des Judentums betont, betrachtet er zwar
einen wichtigen Teilaspekt, übersieht aber das politisch-wirtschaftliche
Umfeld.
Farbensteins
Erklärungsansatz (1897, S. 94 - 108) geht in diese Richtung. Er begründet in
seinem Aufsatz 'Das jüdische Wirtschaftsleben', vorgetragen auf dem ersten
Zionistischen Kongreß in Basel,[81] die
Entwicklung vom rein landwirtschaftlichen Volk zum Händlervolk. Dabei zeigt er
auf, wie der Jude im Mittelalter zum Geldwechsler bzw. "Wucherer"
werden mußte, da Juden und Ehrlosen das Zunftrecht verwehrt wurde. Grundbesitz
war aber nur mit der Mitgliedschaft in einer Zunft möglich, während die
Zinsnahme als zunftunwürdig galt.
Indem
Farbenstein auch in seiner weiteren Argumentation das
politisch-wirtschatftliche Umfeld und die darin enthaltenen formalen und
informalen Regeln berücksichtigt, folgt er der eingangs formulierten
Interdependenzthese. Die Handlungsrechte der Juden, vor allem diejenigen, die
das wirtschaftliche Handeln bestimmten, wurden von dritter Seite, nämlich einer
fremden politischen Ordnung bestimmt. Dies wirkte sich in der oben beschriebene
Weise auf die inneren und äußeren Ordnungen aus, in denen die Juden lebten. Die
kulturelle innere Ordnung war in dieser Zeit identitäts- und
gemeinschaftsstiftend. Sie bildete das selbstbestimmte, autonome Gegengewicht
zum weitgehend fremdbestimmten politisch-wirtschaftlichen Bereich als äußere
Ordnung (vgl. auch Böhm, Bd. I, 1935, S.237).
Mit der
Entstehung der modernen Rechtsstaaten in Westeuropa und der einhergehenden
rechtlichen Gleichstellung der Juden[82] begann
ein Emanzipations- und Assimilationsprozeß. Die Gettomauern fielen und viele
Juden versuchten sich durch Ablegen der religiösen Sitten und der äußeren
Unterscheidungsmerkmale in die Gesellschaft zu integrieren (Sontheimer, 1968,
S. 12). Die Emanzipation hatte aber "in ihrem Keime schon die Bedingung,
daß der Jude Händler bleibe", da die wirtschaftliche Entwicklung Europas
in der Mitte des 19. Jahrhunderts einen umfangreichen Handel notwendig machte
(Farbenstein, 1897, S. 101).
In
Osteuropa war die Situation der Juden ähnlich. Sie lebten ebenfalls in eigenen
Wohnbezirken bzw. jüdischen Dörfern und sie waren auch hier Verfolgungen
ausgesetzt. Ein großer Teil war im (Geld-)Handel beschäftigt, der Anteil der
Handwerker und ungelernten Fabrikarbeiter war allerdings höher als im Westen
Europas. Ein Assimilations- bzw. Emanzipationsprozeß fand hier aufgrund anderer
politischer und wirtschaftlicher Umstände nicht statt (vgl. Böhm, 1935,
Bd. I, S. 142 ff.; Sontheimer, 1968, S. 13; Ben-Sasson, 1978, Bd.
III, S. 111 - 125).
Stellt
man die beiden Gruppen der west- und osteuropäischen Juden am Anfang des 20.
Jahrhunderts direkt gegenüber, dann waren die Juden im Westen eher bürgerlich,
städtisch und angepaßt im oben beschriebenen Sinn, sowie in der Mehrzahl
gebildeter und insgesamt reicher, während im Osten die Juden eher ländlich
(nicht landwirtschaftlich), kulturell-religiös eigenständig, in der Mehrzahl
ungebildeter und insgesamt ärmer waren (vgl. Böhm, 1935, Bd. I, S. 151; Shapiro, 1993, S. 65 f.; Wolffsohn, 1992, S.
229 - 234; Ben-Porat, 1993, S. 50 f.).
Die
(sehr verallgemeinerte) Unterscheidung der west- und osteuropäischen Situation
ist in diesem Zusammenhang insofern von Bedeutung, als daß mit den späteren
Einwanderungswellen (hebr. Alija = Aufstieg) nach Palästina, bis in die
dreißiger Jahre dieses Jahrhunderts hauptsächlich Juden aus Osteuropa kamen.
Erst mit dem aufkommenden Nationalsozialismus in Deutschland sind auch vermehrt
Juden aus Westeuropa nach Palästina ausgewandert (vgl. Wolffsohn, 1992, S. 226
f.).[83]
Unter
dem Eindruck der anhaltenden Verfolgungen und durch den Dreyfus Prozeß[84]
aufgebracht, schrieb Theodor Herzl das Buch 'Der Judenstaat' (1896). Mit der
Veröffentlichung des Buches und der Werbung Herzls für seine darin entwickelten
Ideen, war der Anfang der Zionistischen[85]
Bewegung, die 1948 zur Staatsgründung Israels führen sollte, geschaffen.
In
seinem Buch beschreibt er die Situation der Juden in der Welt und kommt zu dem
Schluß, daß Antisemitismus auch nicht durch Assimilation überwunden bzw. verhindert
werden könne. Die einzige Lösung sah er in der Gründung eines Judenstaates.
"Die Judenfrage ist eine nationale Frage, (...). Wir sind ein Volk, ein Volk" (Herzl, 1896, S. 16).
Wichtig für ihn war die Überwindung der politischen Passivität und der
introvertierten Betrachtungsweise des Judentums. Er wollte aktive Politik zur
Lösung der Judenfrage betreiben. Dabei war für ihn die Frage, ob der
angestrebte Staat in Palästina oder in einer anderen Region entstehen würde,
zweitrangig (vgl. Sontheimer, 1968, S. 19).[86]
Eine
noch zu gründende 'Jewish Company'[87] sollte
die Liquidierung der Vermögen auswandernder Juden und die Organisation des
wirtschaftlichen Verkehrs im neuen Land gewährleisten (vgl. Herzl, 1896, S.
37). Um Preistreiberei zu vermeiden, sollte die Jewish Company "den
nötigen Boden durch zentralisierten Kauf sichern" (Herzl, 1896, S. 46). Ob
der Boden dann an einwandernde Juden verkauft oder verpachtet werden sollte,
bleibt unklar. Zum einen spricht Herzl davon, daß der "ganze riesige
Gewinn aus der Landspekulation (...) der Company zufließen soll", zum
anderen bezieht er deutlich Stellung für freie Unternehmungen und
Privateigentum als "wirtschaftliche Grundlage der Unabhängigkeit."
Die Aussage: "Wir sind nur dort Kollektivisten, wo es die ungeheuren
Schwierigkeiten der Aufgabe erfordern", bringt seine Einstellung zu
Eigentums- und Wirtschaftsordnung für den neuen Staat deutlich zum Ausdruck
(Herzl, 1896, S. 66).
Unter
dem Begriff 'politische Zionisten' wurden Herzl und seine Anhänger treibende
Kraft zur Gründung der Zionistischen Weltorganisation (ZWO) im Jahr 1897.
Später waren dann hauptsächlich Zionisten aus Westeuropa, die "die
politisch-staatliche Idee als Wesenskern des Zionismus ansahen", im
Engeren Aktionskomitee (EAC) vertreten, dem obersten Exekutivorgan neben dem
jährlich stattfindenden Kongreß (Böhm, 1935, Bd. II, S. 233).
Liberale
Denker wie Martin Buber oder Achad Haam[88] sahen
im Zionismus die Möglichkeit, jüdische Kultur, Literatur, Sprache, Erziehung
und Bildung zu erhalten. Für sie stand folglich das geistige Zion im
Vordergrund, das sich durch die Qualität der moralischen, kulturellen und
seelischen Werte auszeichnet und nicht die Anzahl seiner Ansiedlungen (Buber,
1950, S. 7 ff.). Zwar sahen auch sie die Notwendigkeit der landwirtschaftlichen
Betätigung[89]:
"Der Weg zur Natur ist der Weg zur Auferstehung des Volkes" (Buber,
1950, S. 200), aber gleichzeitig auch die Gefahr der Verweltlichung des
Zionismus: "Israel verliert sich selber, (...) wenn es Zion durch
Palästina ersetzt" (Buber, 1950, S. 181).
Viele
aus ganz Europa stammende Juden sahen im Zionismus den Schlüssel zur
Überwindung antijüdischer Pogrome. Es war also eher ein existentieller
Rettungsanker als politische oder religiöse Überzeugung, der diese Gruppe zu
Unterstützern des Zionismus werden ließ.
Orthodox-religiöse
Juden, vor allem aus Polen und anderen osteuropäischen Ländern, wollten mit der
Rückkehr nach Palästina die Ankunft des Messias vorbereiten.[90] Sie
lehnten den politischen Zionismus ab und sahen im Ziel der Staatsgründung eine
Gotteslästerung (vgl. Wolffsohn, 1983, S. 34 - 37, 156; Sontheimer, 1968, S.
16).
Durch
die Organisation des ersten Zionistischen Weltkongresses (1897) wurde die Idee
des Judenstaates institutionalisiert. Mit der Einrichtung der Zionistischen Weltorganisation
und der Verabschiedung des Baseler Programms waren die ersten Schritte in
Richtung Staatsgründung getan. Darüber, welche Schritte folgen sollten, gibt
das Baseler Programm Auskunft:
"Der
Zionismus erstrebt für das jüdische Volk die Schaffung einer
öffentlich-rechtlich gesicherten Heimstätte in Palästina. Zur Erreichung dieses
Zieles nimmt der Kongreß folgende Mittel in Aussicht:
1. Die
zweckdienliche Förderung der Besiedlung Palästinas mit jüdischen Ackerbauern,
Handwerkern und Gewerbetreibenden.
2. Die
Gliederung und Zusammenfassung der gesamten Judenschaft durch geeignete
örtliche und allgemeine Veranstaltungen nach den Landesgesetzen.
3. Die Stärkung
des jüdischen Volksgefühls und Volksbewußtseins.
4. Vorbereitende
Schritte zur Erlangung der Regierungszustimmungen, die nötig sind, um das Ziel
des Zionismus zu erreichen."[91]
Welche
konkreten Folgen der Kongreß tatsächlich haben würde, sah Herzl damals selbst
am deutlichsten: " Fasse ich den Baseler Kongreß in ein Wort zusammen
(...): in Basel habe ich den Judenstaat gegründet. Wenn ich das heute laut
sagte, würde mir ein universelles Gelächter antworten. Vielleicht in fünf
Jahren, jedenfalls in fünfzig wird es jeder einsehen."[92] 51
Jahre später wurde am 14.05.1948 der Staat Israel gegründet.
In
diesem Zeitraum von 50 Jahren entstand in Palästina eine Eigentumsstruktur, die
hinsichtlich der prozentualen Anteile am Produktionsmitteleigentum bis heute im
wesentlichen gleich geblieben ist (vgl. Barkai, 1964, S. 26; Ben-Porat, 1994,
S. 160).[93] Die
Ursachen, die zu dieser Struktur führten, wurden teilweise in den vorhergehenden
Abschnitten angesprochen, liegen aber hauptsächlich in der Art und Weise
begründet, wie sich die jüdische Kolonisation Palästinas in der ersten Hälfte
dieses Jahrhunderts abspielte. Diese Periode bildet den Untersuchungsgegenstand
der beiden folgenden Abschnitte.
2.4 Bodenkauf
und Besitzverteilung im entstehenden Staat
Bis zur
Jahrhundertwende existierten in Palästina 21 landwirtschaftliche Ansiedlungen
von Juden. Sie umschlossen ein Gebiet von etwa 25 ha, das von 4500 Siedlern
bewohnt wurde. Hauptsächlich osteuropäische Initiativen und Vereine der Choveve
Zion Bewegung[94] hatten
das Land von arabischen Großgrundbesitzern (Effendis) erworben. Die Siedler
betrieben vor allem Weinbau, konnten aber wegen des mangelnden Absatzes nur
durch Zuwendungen von Baron Rothschild ihre Existenz erhalten (vgl. Ruppin,
1919, S. 35 f.). Das übrige Land in Palästina gehörte größtenteils der
türkischen Regierung und arabischen Großgrundbesitzern oder es war herrenlos.
Der Boden war überwiegend versumpft, versteinert und teilweise von verarmten
arabischen Bauern (Fellachen) bebaut (vgl. Ruppin, 1919, S. 114). Wichtiger
Grund für die wirtschaftlich rückständige Situation war die Bodengesetzgebung,
die weitgehend auf dem Koran, der Heiligen Schrift des Islam, basierte.
"Es fehlte an einem Grundbuch europäischer Art. Jeder Kauf von Boden, jede
Errichtung von Baulichkeiten war an eine spezielle Genehmigung gebunden. Die
Agrarsteuern wurden in natura erhoben, nominell betrug der 'Oscher' ein Zehntel
des Ertrages, in Wirklichkeit ein Achtel" (Böhm, 1935, Bd. I, S. 232).[95]
In
einer detaillierten Aufzählung nennt Ruppin (1919, S. 85 - 90) verschiedene
Regeln, die das türkische Immobilienrecht zu einem hemmenden Faktor für die
angestrebte Kolonisation machten.[96] Die
dort geschilderte Gesetzeslage hatte aber auch zur Folge, daß viele Bauern
verarmten und zum Verkauf ihrer Grundstücke an Großgrundbesitzer gezwungen
waren. Das brachte für die jüdischen Kolonisten den Vorteil, daß sie nicht mit
vielen Kleinbauern verhandeln mußten, sondern in der Regel mit einem
Vertragspartner, dem Effendi oder der türkischen Regierung (vgl. Böhm, 1935,
Bd. I, S. 233).[97]
Als
Käufer fungierte vor allem die Palestine Land Development Company (PLDC). Sie
wurde 1908 vom Palästina-Amt in Jaffa gegründet; der Vertretung des Engeren
Aktionskomitees (EAC)[98] in
Palästina.[99]
Während das Palästina-Amt versuchte, "junge Leute aus Osteuropa nach
Palästina heranzuziehen und ihnen die Existenz als landwirtschaftliche Arbeiter
zu ermöglichen", kaufte die PLDC Boden von Großgrundbesitzern und
verkaufte ihn an bemittelte Juden oder Gesellschaften (Ruppin, 1919, S. 42).[100] Diese
Vermittlerfunktion war erforderlich, da der Erwerb von Land - wegen der komplizierten
Rechtsverhältnisse[101] und
sprachlicher Schwierigkeiten - für einzelne Juden kaum möglich war. Welche
Bedeutung die PLDC für das Kolonisationswerk in Palästina insgesamt hatte,
beschreibt Böhm (1935, Bd. I, S. 616):
"Trotz des geringen Kapitals hat die PLDC eine außerordentlich
fruchtbringende Tätigkeit entfaltet. Sämtliche jüdischen Bodentransaktionen ab
1908, ausgenommen für die J.C.A,[102] wurden
von ihr durchgeführt."
Die
geringe Kapitalausstattung dieser und ähnlicher Organisationen,[103] wie
auch der ersten Einwanderer[104],
machte einen hohen Kapitalimport erforderlich. Zu diesem Zweck wurde auf dem
fünften Zionistischen Kongreß (1901) der Jüdische Nationalfonds (JNF)[105]
gegründet. Bei fast allen Aktivitäten, welche die jüdische Besiedlung
Palästinas förderten, stand der Fonds als Kapitalgeber im Hintergrund. Durch
die Organisationsform nach englischem Genossenschaftsrecht war gewährleistet,
daß die Leitung stets in Händen des Zionistischen Aktionskomitees[106] blieb.
Gleichzeitig hatten die Spender die Gewißheit, daß die zur Verfügung gestellten
Gelder nicht in falsche Hände gerieten (vgl. Böhm, 1935, Bd. I, S. 228).
Mit den
Einnahmen wurde über die PLDC Land in Palästina erworben, das dadurch in
Gemeineigentum der jüdischen Weltgemeinde, repräsentiert durch die ZWO,
überging. Der Boden durfte laut Statut weder verkauft noch beliehen werden. Er
war ausschließlich zur Verpachtung an Juden bestimmt. Böhm (1935, Bd. I, S.
228) nennt die "Ausschaltung der Bodenspekulation, Verhinderung der
Bildung von Großgrundbesitz, Beteiligungsrecht der Gemeinschaft über
Bodenverteilung und Verwertung, [und den] Heimfall der Grundrente an die
Allgemeinheit" als Vorzüge dieser Bodenpolitik.
Allerdings
war man sich in der Frage, wie die zukünftige Eigentumsstruktur bei der
Landverteilung aussehen sollte, nicht einig. Auf der Londoner Jahreskonferenz
der ZWO im Jahr 1920 wurde die Bodenpolitik des JNF zentral und kontrovers
debattiert. Im Kern drehte sich die Diskussion um die Frage des Privateigentums
an Boden. Während "rechte Gruppen" für "die völlige Freiheit des
privaten Bodenkaufs eintraten", brachten "linke Gruppen" einen
Antrag ein, um "den privaten Bodenkauf durch Juden gesetzlich zu
verbieten." Böhm stellt schließlich heraus, daß "Privateigentum am
Boden mit Privatinitiative verwechselt" wurde, und macht deutlich, daß
"eine Verpachtung auf 49 Jahre[107] mit
Vorrecht auf Verlängerung auch für die Erben (...) die Sicherung einer für
privates Interesse genügend langen Besitzzeit" sei (Böhm, 1935, Bd. II, S.
122 - 132).[108]
Auf
diese Weise gingen bis 1949 insgesamt 93.300 ha Land in das Eigentum des JNF
bzw. das Gemeineigentum des jüdischen Volkes über. Die PJCA, mit der Verwaltung
der Rothschild Ländereien beauftragt,[109] besaß ein
Gebiet von 43.500 ha. Weitere 19.500 ha wurden von jüdischen Gesellschaften mit
unterschiedlicher Organisationsform verwaltet.[110] In
jüdischem Privateigentum befanden sich zu dieser Zeit lediglich 3.660 ha.
Insgesamt umfaßte das von jüdischen Organisationen und Privatpersonen erworbene
Gebiet 173.400 ha. Das entsprach etwa 1/20 des Landes, das 1949 aufgrund
militärischer Vereinbarungen zum Staat Israel zählte. Der Rest, vor allem
kultiviertes Land, gehörte nach wie vor Arabern (vgl. Granott, 1956, S.28).[111]
Die vom
Nationalfonds (JNF) über die PLDC erworbenen Terrains "wurden in der
ersten Zeit nach ihrer Besitznahme durch Arbeitergenossenschaften / Okkupationsgenossenschaften
bewirtschaftet" (Ruppin, 1919, S. 34). Im Jahr 1909 entstand im Jordantal
bei Degania der erste Kibbutz[112] und
1921 in Nahalal der erste Moschav Ovdim[113]. Bei
beiden handelt es sich um landwirtschaftliche Gemeinschaftssiedlungen, die sich
vor allem durch den Grad der Besitzkollektivierung unterscheiden (vgl.
Sontheimer, 1968, S. 105; Pallmann, 1966, S. 54).[114] Die
Entstehung und Verbreitung[115] dieser
kollektiven Eigentumsformen ist unterschiedlichen Faktoren zuzuschreiben:
Nach
der gescheiterten russischen Revolution von 1905 kamen mit der zweiten
Einwanderungswelle (Alija) etwa 40.000 Menschen, vor allem aus Osteuropa, nach
Palästina. Sie waren ideologisch durch das sozialrevolutionäre Rußland geprägt
und versuchten, ihre Ideen durch die Gestaltung der strukturellen Ordnung in
Palästina zu verwirklichen (vgl. Wolffsohn, 1995, S. 259). Da die Einwanderer
dort weitgehend mittellos ankamen, waren sie auf Hilfe aus Westeuropa
angewiesen.[116] Zum
Zweck der Zusammenführung von Arbeit und Kapital eigneten sich die
Gemeinschaftssiedlungen in besonderem Maße. Die Arbeiter konnten ihre
sozialistischen Ideen verwirklichen, während die Kapitalgeber eine, im
Vergleich zur Unterstützung von Einzelinitiativen, leichtere und bessere
Kontrolle über die zur Verfügung gestellten Gelder hatten (vgl. Sontheimer,
1968, S. 24 f.).
Auch
unter Sicherheitsaspekten hatte die Gemeinschaftssiedlung ihre Vorzüge. Um das
erworbene Land auch tatsächlich in Besitz zu nehmen, mußte es gegen eine
weitgehend feindliche Umwelt verteidigt werden. Raubüberfälle von Beduinen
waren keine Seltenheit (vgl. Sontheimer, 1968, S. 26).[117]
Das
aus der zionistischen Arbeiterbewegung stammende Motiv der 'Eroberung der
Arbeit' ist ein weiterer Aspekt.[118] Da die
wenigsten Einwanderer mit den notwendigen landwirtschaftlichen Methoden und
Kenntnissen vertraut waren, mußten diese Fertigkeiten relativ schnell
vermittelt werden, um eine Versorgung der jüdischen Bevölkerung mit
Grundnahrungsmitteln zu gewährleisten. Eine 'Eroberung' der landwirtschaftlichen
Arbeit war nötig.[119] Auch
in diesem Zusammenhang erwies sich die Gemeinschaftssiedlung als geeignet, da
sowohl produziert als auch gleichzeitig unterrichtet werden konnte.[120]
Die
Handlungsregeln innerhalb der Siedlungen entsprachen in vielen Bereichen den
Regeln des Alten Testaments.[121] Durch
die Parallelität sozialistischer Ideen mit kulturell bzw. religiös tradierten
Normen war kein Bruch mit bisher geltenden informalen Regeln notwendig.
Religiöse und ideologische Ziele stimmten überein (vgl. Barkai, 1982, S. 45).
Mit der
dritten Alija (1919 - 1923) kamen 35.000 Menschen, die Wolffsohn (1994, S. 260)
als "die eigentliche 'Generation der Bolschewisten'" bezeichnet. Sie
strebten eine 'Arbeiter-Klassen-Demokratie' an, die unter anderem durch die
Gründung der Histadrut-Gewerkschaft verwirklicht werden sollte.[122] Die
Einwanderer waren insgesamt eher städtisch orientiert und trugen
"entscheidend dazu bei, daß auch in den Städten die 'Eroberung der Arbeit'
gelang und eine städtische Arbeiterschaft entstand" (Sontheimer, 1968, S.
107). Zwischen 1924 und 1931 kamen im Zuge der vierten Alija 82.000 überwiegend
bürgerlich-orthodoxe Handwerker und Kleinhändler aus Polen, die schon mit
bescheidenem Eigenkapital ausgestattet waren. Die fünfte Alija von 1932 - 1939
brachte mit über 260.000 Einwanderern aus Osteuropa und Deutschland
Wissenschaftler, Ingenieure, Finanz- und Geschäftsleute und vor allem Kapital
nach Palästina (vgl. Shapiro, 1993, S. 70; Wolffsohn, 1995, S. 261).
Insgesamt
legten die Einwanderer der zwanziger und dreißiger Jahre "die Grundlagen
für eine private Leichtindustrie, vor allem Textilindustrie. In der
Landwirtschaft investierten sie ihr Kapital vor allem auf dem Gebiet der
Zitrusproduktion, die weitgehend für den Export bestimmt ist. Die gemischte
Wirtschaftsform, das Nebeneinander verschiedener Eigentumsformen und
verschiedener Träger wirtschaftlicher Aktivität, ist also nicht nur
charakteristisch für die gegenwärtige Wirtschaftsordnung, sondern bestimmte
auch schon den Aufbau der jüdischen Wirtschaft in der Mandatszeit"
(Sontheimer, 1968, S. 108; vgl. auch Ben-Porat, 1993, S. 46 f.).
Zusammenfassend
kann damit festgehalten werden, daß die Einwanderer der zweiten und dritten
Alija - in der Mandatszeit und auch nach der Staatsgründung - die
gesellschaftlich wichtigen Positionen besetzten.[123] Sie
formten den sozialistischen Eigentumssektor mit kollektivem Eigentum an
Produktionsmitteln. Dazu zählen sowohl die Unternehmungen der Histadrut in
allen Bereichen der Wirtschaft, als auch später die staatlichen Betriebe, die
neben der öffentlichen Verwaltung und dem Angebot meritorischer Güter auch
"zahlreiche reine Wirtschaftsunternehmen" umfaßten (Sontheimer, 1968,
S. 126).[124] Der
private Wirtschaftssektor wurde demgegenüber von den Einwanderern der vierten
und fünften Alija geformt. Durch die bessere Kapitalausstattung, eine andere
Berufsstruktur, ein insgesamt unterschiedliches soziales Umfeld und durch
andere Motive, die zur Auswanderung führten,[125]
unterschieden sich diese Olim von denen der ersten Alijas, und wurden
überwiegend im privaten Wirtschaftssektor tätig (vgl. Wolffsohn, 1995, S. 260
f.).
2.5 Parteien
und der Primat der Politik
Das
entstandene Muster der Eigentumsverteilung ist, wie teilweise schon gezeigt
wurde, nicht nur durch rein praktisch-ökonomische Notwendigkeiten zu erklären.
Der kulturell-religiöse Hintergrund, die Ideologie der Einwanderer, aber auch
die Macht der Kapitalgeber und der Entscheidungsträger sind zu berücksichtigen.
Art und Richtung des Einflusses dieser Faktoren werden besonders deutlich, wenn
die Rolle der Parteien im besonderen und die Rolle der Politik im allgemeinen
näher beleuchtet wird.
Wolffsohn
(1994, S. 13) beginnt sein Buch mit der Überschrift: "Israel als Parteienstaat"
und weist darauf hin, daß " die politischen Strukturen, vor allem die
Parteien (...) vor Wirtschaft und Gesellschaft entstanden sind. Die Parteien,
besonders die sozialistischen, begnügten sich nicht mit der Errichtung der
Organisationen, sie bauten ein Netzwerk auf,[126] das ihre
Mitglieder und Anhänger 'von der Wiege bis zur Bahre' versorgen sollte.
Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur, ja auch der militärische Bereich,
waren mit Parteipolitik von Anfang an nicht nur verflochten, sie wurden durch
sie bedingt" (Wolffsohn, 1995, S. 13). Indem Bernstein (1957, S. 55) die
Parteien als "Gesellschaften zur Kolonisierung des Landes"
bezeichnet, unterstreicht er deren tragende Rolle beim Aufbau des Staates. Sie
ersetzten den fehlenden Staat, bis dieser sich aus den Parteien bilden konnte.
Damit liegt der Schluß nahe, daß sich die Parteien nicht als
Interessenvertretungen einzelner Gruppen definierten, sondern Weltanschauungen
und gesamtgesellschaftliche Ordnungsvorstellungen verwirklichen wollten (vgl.
Pirker, 1965, S. 28 f.).[127]
Der
Einteilung von Wolffsohn (1994, S. 133) folgend, lassen sich drei größere
politische Lager unterscheiden:[128] Das
Lager der religiösen Parteien, das der bürgerlichen bzw. rechten Parteien und
das der Arbeiter- bzw. linken Parteien (Abb. 2):
Abbildung
2: Schema der politischen Lager
und ihrer wichtigsten Parteien
Quelle: Wolffsohn, 1995, S. 89.
Die
religiösen Parteien strebten nach einem Gemeinwesen, das als geistiges Zentrum des
Weltjudentums verstanden werden sollte. Sie vertraten Ideen der Choveve Zion
Bewegung[129], die
in Osteuropa unter der Führung von Leon Pinsker die "Rückkehr zur
landwirtschaftlichen Arbeit als Mittel zur physischen und seelischen Erneuerung
des jüdischen Volkes erstrebten" (Sontheimer, 1968, S. 14; vgl. auch
Ben-Sasson, 1978, Bd. III, S. 213 - 216). Während die National-Religiösen
(NRP/HPM) den Aufbau in Palästina unterstützten und durch Partizipation Einfluß
zu gewinnen suchten, lehnten die Orthodoxen jegliche Zusammenarbeit mit der ZWO
ab, und sahen im politischen Zionismus
eine Gotteslästerung: "Der zionistische Nationalgedanke ähnelt
(...) mehr dem englischen als jenem des Gottesvolkes" (Wolffsohn, 1983, S.
34).
Bis
1992 waren die National-Religiösen in der Regel als kleiner Koalitionspartner
an der Regierung beteiligt (vgl. Wolffsohn, 1995, S. 120). Ihr Einfluß
beschränkte sich dabei auf den Bereich religiöser Vorschriften. Wurden ihre
diesbezüglichen Forderungen erfüllt, dann hatte der große Koalitionspartner bei
allen übrigen politischen Entscheidungen freie Hand: "Being the junior
partner with a growing dependence on the major party, the religous party was
required to make some major concessions. It gave up the demand to have a Jewish community and the
future Jewish state administered in accordance with traditional rabbinic laws.
Instead it restricted its demands to the enforcement of the observance of the
Sabbath and the religous dietary laws in public places. It also agreed to
accept some of the ideological premises of the Zionist-socialist doctrine,
namely the public economic sector shall be preferred to the private economic
sector since its contribution to the attainment of Zionism is greater. It
therefore agreed that all land purchased by the Jewish National Fund be
nationalized and that most of the money collected by the WZO[130] be invested in agricultural settlements and in
other Histadrut activities rather than in private enterprises" (Shapiro,
1993, S. 74 f.).
Die
bürgerlichen Parteien unterstützten grundsätzlich die Bestrebung, in Palästina
eine Heimstätte für das jüdische Volk zu errichten. Sie plädierten allerdings
für "den Vorrang des Zionismus allen Schichten-, partei-, religiös- oder
gesellschaftspolitischen Interessen gegenüber" und waren für "die
Forderung der Privatinitiative beim Aufbauwerk sowie im Handel in Palästina,
wobei dem Mittelstand eine Schlüsselrolle zukommen sollte" (Wolffsohn,
1983, S. 64). Inhaltlich definierten sie sich durch negative Abgrenzung, als
nicht-sozialistisch und nicht-religiös. Bis 1977 beschränkte sich ihr
politischer Einfluß auf die Rolle der Opposition (vgl. Wolffsohn, 1995, S. 147
- 151).[131]
Die
Arbeiterparteien hatten den weitaus größten Einfluß auf die gesellschaftliche und
wirtschaftliche Entwicklung Palästinas. Seit den ersten Parlamentswahlen (1920)
bildeten sie die größte Gruppe und konnten in der Regel gemeinsam mit den
National-Religiösen bis 1977 die Regierung bilden (vgl. Wolffsohn, 1995, S. 114
- 121). Mit Ausnahme der Kommunisten[132]
vertraten alle Arbeiterparteien zionistische und sozialistische Ziele. Die
Unterschiede resultierten aus "verschiedenen ideologischen
Interpretationen des Sozialismus" (Pirker, 1965, S. 31). Bis zum
Zusammenschluß zur MAPAI[133] im
Jahr 1929 konkurrierten vor allem zwei Gruppen um die Stimmen im Arbeiterlager.
Auf der einen Seite die Ahdut Hawoda[134], die
aus einem Zusammenschluß von Poale Zion[135] und
unabhängigen Sozialisten entstanden war, auf der anderen Seite der Hapoel
Hazair[136], der
wie die Poale Zion von Mitgliedern der zweiten Alija gegründet worden war (vgl.
Pirker, 1965, S. 31; Wolffsohn, 1995,S. 142 - 151).
In der
Ahdut Hawoda wurde eine stark sozialistische Ideologie vertreten, "sie
verstand sich als Teil der internationalen Arbeiterbewegung" und wollte
über den Klassenkampf vom Kapitalismus zum Sozialismus gelangen (Wolffsohn,
1983, S. 40). Im Programm stand folglich, daß die Partei die Vergesellschaftung
der Produktionsmittel und den Aufbau der Gesellschaft auf sozialistischer Basis
anstrebt (vgl. Preuss, 1965, S. 28).[137]
In der
Hapoel Hazair dominierte hingegen eine eher pragmatische Sichtweise. Ziel des
Zionismus, den diese Gruppe verfolgte, war "die Erringung der Einheit von
Land, Volk, Arbeit und Sprache, (...). Notwendige Voraussetzung zur
Verwirklichung des Zionismus [war dazu], die Eroberung aller Berufe durch
jüdische Arbeit" (Böhm, 1935, Bd. I, S. 427). Es sollte eine Wirtschafts-
und Gesellschaftsstruktur geschaffen werden, in der Juden alle Bereiche selbst
besetzen. Einerseits war das Motiv 'Eroberung der Arbeit' wegen der schlechten
Erfahrungen in der Vergangenheit entwickelt worden, andererseits wurde es zum
notwendigen Baustein zur Verwirklichung der staatlichen Autonomie in Palästina
(vgl. Preuss, 1965, S. 17 ff.; Ruppin, 1919, S. 92 ff.).
Insgesamt
deutet die Programmatik der Parteien schon an, daß bei der Kolonisierung
Palästinas politische Faktoren den wirtschaftlichen Kurs bestimmten (vgl.
Wolffsohn, 1983, S. 559). Die Entscheidung nach Palästina zu gehen,
"konnten nur Menschen fällen, die bereit waren, um geistiger und
politischer Ziele willen wirtschaftliche Nachteile in Kauf zu nehmen"
(Sontheimer, 1968, S. 132).[138]
Die
wirtschaftlichen Nachteile lagen zum einen in den Gegebenheiten der Region, und
zum anderen in der (politischen) Zielsetzung, dort eine Heimstätte für das
jüdische Volk zu schaffen, begründet:
Israel
ist arm an Bodenschätzen, das Wasser ist knapp, Außenhandel ist nur über den
Seeweg möglich, Binnenhandel ist durch Fläche und Bewohnerzahl begrenzt -
kurzum, die Produktionskosten waren und sind in dieser Region höher als in
anderen Gebieten. Aus rein ökonomischen Überlegungen würde daher kein Unternehmer
den Standort Israel wählen (vgl. Wolffsohn, 1983, S. 558 f.).
Um
dort das Land tatsächlich 'in Besitz' zu nehmen, und auch um die militärische
Sicherheit zu erhöhen, mußten Entwicklungsgebiete in Galliläa und im Negev
besiedelt und wirtschaftlich erschlossen werden (vgl. Sontheimer, 1968, S.
133).
Damit
sich - in der auf diese Weise geschaffenen Heimstätte - das jüdische Volk auch
tatsächlich sammeln konnte, bestand die Notwendigkeit, genügend Arbeitsplätze
anzubieten. Was passieren würde, wenn dieser politischen Forderung auf
wirtschaftlicher Seite nicht entsprochen wird, wurde in der Wirtschaftskrise
vom Februar 1927 deutlich, als 11.500 Einwanderer das Land wieder verließen
(vgl. Sontheimer, 1968, S. 45).
Der
Wille zur 'Eroberung der Arbeit' beinhaltete schließlich auch, daß zum einen in
wenig profitablen Wirtschaftsbereichen investiert, und zum anderen teure
jüdische Arbeit, trotz des Angebots billiger arabischer Arbeit, vorgezogen
werden mußte.
"Einerseits wird also der
Primat der Politik deutlich, andererseits aber wiederum auch die Verknüpfung
beziehungsweise die 'Interdependenz' der 'Systeme', des wirtschaftlichen und
politischen. Auf jeden Fall ist eine 'ökonomische Interpretation' der Struktur
und Entwicklung der israelischen Wirtschaft höchst unzureichend, man muß die
Dominanz des politischen Faktors beachten" (Wolffsohn, 1983, S. 560).[139]
Shapiro (1993, S. 75 f.) spricht in diesem Zusammenhang von einem
'Partei-dominierten System', da innerhalb der politischen Ordnung den Parteien
die größte Macht zukommt, und darüber hinaus bis 1977 die Parteien des
Arbeiterlagers regierten und dominierten (vgl. auch Wolffsohn, 1995, S. 120 und
135 ff.).
Ausgehend von der These, daß die
kulturelle Ordnung prägenden Einfluß auf die Entstehung von Eigentumsrechten
hat, wurden - der Theorie von North folgend - zu Beginn religiöse und
geschichtliche Dimensionen dieser Ordnung aufgezeigt. Der Ausgangspunkt und der
Verlauf der institutionellen Entwicklung, die zur Verteilung von
Eigentumsrechten führte, stand im Blickpunkt der beiden vorhergehenden
Abschnitte. Die Art und Weise in der diese Verteilung durch politische Faktoren
und Parteien bestimmt wurde, brachte dieser Abschnitt zum Ausdruck.
Insgesamt wurde der Einfluß informaler Regeln,
religiöser, kultureller und ideologischer Natur, auf die Entstehung und
Verteilung von Eigentumsrechten deutlich. Im nächsten Kapitel werden formale
Regeln, die nach der Staatsgründung zusammen mit den hier beschriebenen
informalen Regeln die Eigentumsstruktur und damit die Wirtschaftsordnung
bestimmen, untersucht.
3 Die
Eigentumsverfassung in der Wirtschaftsordnung Israels -
Entstehung
und Entwicklung formgebundener Institutionen
Bisher wurde
deutlich, wie sich kulturell tradierte Normen und Ideologien in der
Programmatik der Parteien widerspiegeln. Da die Parteien eine machtvolle
Stellung innerhalb der vorstaatlichen Gesellschaft besaßen, übten sie starken
Einfluß auf die entstehende Wirtschaftsordnung und die damit verbundene
Eigentumsstruktur aus. Für die Analyse der weiteren Entwicklung von
Eigentumsrechten nach der Staatsgründung sind sie somit von zentraler
Bedeutung. Im folgenden steht daher die politische Ordnung als Rahmen für den
Ablauf politischer Prozesse und die formale Eigentumsverfassung als Ergebnis
politischer Prozesse im Blickfeld der Betrachtung.
Der
Institutionentheorie von North folgend kommt damit der Staat ins Spiel:
"Der Staat bestimmt und sichert die Eigentumsrechte auf dem
wirtschaftlichen Markt, und die Wesensmerkmale des politischen Marktes sind der
Schlüssel zum Verständnis von Marktunvollkommenheiten" (North, 1992, S.
129). Im theoretischen Idealfall würde der Staat die Zuordnung und Sicherung
von Eigentumsrechten als dritte - neutrale - Partei gewährleisten. Die Praxis
zeigt jedoch, daß es problematisch ist, den Staat zu einem solchen Verhalten zu
veranlassen. Durch die Zwangsgewalt, die ihm zur Durchsetzung der genannten
Aufgaben zukommt, "werden diejenigen, die den Staat lenken, solche
Zwangsgewalt in ihrem eigenen Interesse auf Kosten der übrigen Gesellschaft
gebrauchen" (North, 1992, S. 77 ff.).
In
diesem Moment wird die Verfassung des Staates relevant. Als
handlungsrechtlicher Rahmen für staatliche Aktivität innerhalb und außerhalb
der Gesellschaft entscheidet ihr Aufbau und Inhalt über die Frage, inwieweit
der theoretische Idealfall in der Praxis erreicht wird. North (1992, S. 72)
zitiert in diesem Zusammenhang einen Aufsatz von Vincent Ostrom[140], in
dem jener argumentiert, daß "die formal richtigen Verfassungsnormen (...)
die willkürliche Ausübung von politischer Macht unterbinden." North kommt
später dann selbst zu dem Schluß, daß eine "moderne demokratische Gesellschaft
mit allgemeinem Wahlrecht" am ehesten das "Modell effizienten
ökonomischen Tausches mit Transaktionskosten von Null annähert" (North,
1992, S. 129).
Diese -
sehr allgemein gehaltene - Aussage zeigt, daß die Wissenschaft hier zur Zeit
keine konkreteren Antworten hat. Wie definiert North in diesem Zusammenhang
eine demokratische Gesellschaft mit allgemeinem Wahlrecht? Was heißt
demokratisch?[141] Welche
formal richtigen Verfassungsnormen müssen zu Grunde liegen? Die Liste der in
diesem Feld noch offenen Fragen läßt sich leicht verlängern. Das bedeutet, daß
nur vage Vorstellungen darüber existieren, welche Konstruktionen von
Machtverteilung auf politischer Ebene zu ökonomisch effizienten Institutionen
auf wirtschaftlicher Ebene führen.
In einem früheren Aufsatz beschreibt North den
diesbezüglichen Stand der Forschung: "It is for this reason that the whole
development of the new institutional economics must be not only a theory of
property rights and their evolution but a theory of the political process, a
theory of the state, and of the way in which the institutional structure of the
state and its individuals specify and enforce property rights" (1986,
S. 233). Die ökonomische Institutionentheorie muß folglich den
politischen Bereich einer Gesellschaft mit einbeziehen, um die Evolution von
Handlungs- bzw. Eigentumsrechten zu erklären. Eine neue Theorie, die eine
solche Verbindung herstellt, müßte mit den Begriffen Religion, Ideologie und
Macht als einschätzbare Faktoren ausgestattet sein. Inwieweit dies überhaupt
möglich ist, bleibt fraglich.
Trotz
dieser Schwierigkeit soll im folgenden versucht werden, aus dem Blickwinkel
einer idealen, demokratischen Gesellschaft mit allgemeinem Wahlrecht und
angenäherten Transaktionskosten von Null, die israelische Verfassungs- und
Gesetzgebungsrealität zu betrachten. Die mit dem Blickwinkel verbundene
Positionsbestimmung ist notwendig, da schon die Auswahl der zu untersuchenden
Gesetze eine Wertung bedeutet. Wird beispielsweise festgestellt, daß die
Regierung ein bestimmtes Recht hat oder nicht hat, dann hängt es vom
Betrachtungsstandpunkt ab, ob dieses Recht als förderlich oder hinderlich für
eine Transaktionskostenannäherung von Null ist.
Die
Staatsgründung und das in diesem Zuge entstandene Staatssystem bilden den
Ausgangspunkt der Betrachtung. Der in diesem System verankerte handlungsrechtliche
Rahmen für den Ablauf von Politik und damit verbundene verfassungsrechtliche
Besonderheiten werden hier beleuchtet (Abschnitt 3.1).
Es
folgt die Untersuchung der Frage, inwieweit Privateigentum und Vertragsfreiheit
als formal garantierte, allgemeine, handlungsrechtliche Freiheiten vorliegen.
Dazu werden verschiedene Gesetze zum Besitz und Transfer von Immobilien und
beweglichen Gütern betrachtet (Abschnitt 3.2).
Weiterhin
wird geprüft, inwieweit Gewerbefreiheit durch eine Unternehmensverfassung
garantiert ist. Es stellt sich die Frage, ob verschiedene Arten von
Privateigentum, Haftung und Vertragsfreiheit im Rahmen unterschiedlicher
unternehmerischer Rechtsformen vorliegen. Dazu werden die wichtigsten
Unternehmensformen kurz dargestellt (Abschnitt 3.3).
Daß die
garantierten Handlungsrechte, wie sie in den beiden vorangegangenen Abschnitten
dargestellt sind, ihre Funktion auch erfüllen können, hängt wesentlich davon
ab, ob diese Rechte selbst wiederum durch andere Gesetze eingeschränkt sind.
Daher werden anschließend regulierende und kontrollierende Gesetze für
verschiedene Wirtschaftssektoren betrachtet (Abschnitt 3.4).[142]
3.1 Verfassungsrechtlicher
Rahmen des neuen Staates
Am 14.
Mai 1948 endete das britische Mandat in Palästina. Noch am gleichen Tag
verkündete Ben-Gurion vor den Mitgliedern des Volksrates[143] die
Errichtung eines jüdischen Staates[144] in
Erez Israel. In der Nacht zum 15. Mai begann der Unabhängigkeitskrieg. Der
eben gegründete Staat mußte sich gegen alle arabischen Nachbarländer und die im
Staatsgebiet lebenden Araber verteidigen. Ein erfolgreicher Existenzkampf
zeigte, daß alle für einen Staat lebenswichtigen Organisationen und
Institutionen schon vorhanden waren.[145]
Die
bisher durch viele Organisationen[146]
ausgeübte Macht mußte auf den Staat übertragen und in diesen eingegliedert
werden.[147]
Der
handlungsrechtliche Rahmen, bisher von englischer Seite und eigenen informalen
Regeln geprägt, war vom jüdischen Souverän neu zu definieren (vgl. Sontheimer,
1968, S. 66).
Es
wurde eine repräsentative Demokratie mit einem auf vier Jahre gewählten Parlament
(Knesset) gebildet. Diese Legislative wählte eine, vom Regierungsbildner[148]
vorgeschlagene, Regierung. Das Verfahren der Richterwahl durch besondere Ausschüsse
gewährleistete die politische Unabhängigkeit der Justiz und führte zu einem
Staatssystem mit Gewaltenteilung, das in dieser Form bis heute Bestand hat. Im
Aufbau und in der Struktur ist es den Systemen westlicher Demokratien ähnlich
(vgl. Wolffsohn, 1995, S. 59 - 76; Scheftelowitz, 1984, S. 28; Abb. 3):
Abbildung
3: Das Regierungssystem Israels[149]
Quelle: Wolffsohn, 1995, S. 71.
Das
israelische Verfassungsrecht weist allerdings verschiedene Besonderheiten auf,
die - bezüglich der im Anschluß zu betrachtenden eigentumsrechtlichen
Gesetzgebung - von Bedeutung sind:
Eine
geschriebene Verfassung existiert bis zum heutigen Tag nicht.[150] Zwar
wurden verschiedene 'Grundgesetze' (Basic Laws), die in ihrer Gesamtheit als
Verfassung gelten, verabschiedet, allerdings besitzen diese keinen
konstitutionellen Rang.[151] Ihre
Änderung oder Aufhebung kann - mit Ausnahme weniger Artikel[152] -
durch eine einfache Knesset-Mehrheit herbeigeführt werden (vgl. Wolffsohn,
1995, S. 62 ff.; Sontheimer, 1968, S. 170). Privateigentum und damit verbundene
wirtschaftliche Freiheiten, in der Bundesrepublik Deutschland mit dem Rang
elementarer Grundrechte versehen (vgl. Leipold, 1987, S. 39), sind in Israel,
soweit als gesetzliche Handlungsfreiheit definiert, nur schwach gegen
staatliche Eingriffe geschützt (vgl. Kretzmer, 1990, S. 8 f.; 1992, S. 239 ff.;
Baker, 1968, S. 11 f.).
Als
Folge der fehlenden Verfassung ist auch die Normenkontrollklage nicht möglich.
Eine Verfassungsgerichtsbarkeit, wie beispielsweise in der Bundesrepublik
Deutschland, die ein Staatsorgan vor den Übergriffen eines anderen schützt,
kennt man in Israel nicht (vgl. Sontheimer, 1968, S. 171;
Wolffsohn, 1995, S. 64 f.).
Weiterhin
hat die Regierung das Recht, Notverordnungen zu erlassen, Gesetze zu ändern
oder aufzuheben. Das kann im Interesse der Staatsverteidigung, der allgemeinen
Sicherheit oder zur Aufrechterhaltung lebenswichtiger Belieferungen und Dienstleistungsbetriebe
erfolgen (vgl. Sontheimer, 1968, S. 161). Der Staatsnotstand, welcher diese
Möglichkeiten eröffnet, wurde im Jahr der Staatsgründung ausgerufen und ist bis
zum heutigen Tag in Kraft (vgl. Wolffsohn, 1995, S. 66). Die Exekutive ist damit
in die Lage versetzt, jeden Bereich ökonomischer Aktivität zu kontrollieren und
zu regulieren (vgl. Rubinstein, 1992, S. 20).
Personenstandsfragen
werden durch die einzelnen Religionsgruppen nach religiösen Vorschriften
behandelt. Diese Fragen beinhalten Eheschließung, Ehescheidung,
Unterhaltszahlung, Vormundschaft, Adoption und Erbschaft. Hier regeln und
entscheiden im Konfliktfall die verschiedenen religiösen Gerichtsbarkeiten.
Durch die häufig konkurrierende Zuständigkeit zwischen staatlichen und
religiösen Gerichten, oder unter den verschiedenen religiösen Gerichten selbst,[153] kommt
es regelmäßig zu Konflikten, die eine Beschränkung individueller
(wirtschaftlicher) Handlungsrechte zur Folge haben (vgl. Sontheimer, 1968, S.
173 f.; Wolffsohn, 1995, S. 331).[154]
Insgesamt
hat die Regierung durch die Abwesenheit einer echten Verfassung und die
Notstandsgesetzgebung eine weitreichende Legislativ- und Exekutivmacht. Sowohl
individuelle wirtschaftliche Freiheiten, als auch ökonomische Aktivitäten von
Unternehmen und ganzen Wirtschaftszweigen, können reguliert und kontrolliert
werden. Die Sicherheit von Privateigentum und damit verbundenen
Handlungsrechten hängt damit von der Tagespolitik ab (vgl. Baker, 1968, S. 11
f.; Rubinstein, 1992, S. 13).
Rubinstein
(1992, S. 20) weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß die sozialistische
Doktrin der bis 1977 regierenden Parteien (MAPAI/IAP)[155] eine
weitgehende Staatsintervention in die Wirtschaft mit dem Ziel beinhalte, um den
Fortschritt zu beschleunigen und so die Ungleichheiten in der
Einkommensverteilung zu verringern. Er gibt zu bedenken, daß bisher zwar nicht
alle genannten Machtinstrumente zur Anwendung kamen,[156] die
Tatsache ihrer Existenz aber schon signifikant sei.
Der
Primat der Politik, der schon in der vorstaatlichen Periode alle Teilbereiche
der jüdischen Gesellschaft dominierte, ist durch die nicht konstitutionelle
Verfassung und die Notstandsgesetze auch in der staatlichen Gesellschaft durch
formale Regeln verankert. Das wird auch durch ein in der Staatsdeklaration
erklärtes Ziel deutlich zum Ausdruck gebracht: "The State of Israel will
be open for Jewish Immigration and for the ingathering of the exiles."[157] Vor
dem Hintergrund einer Verdreifachung der jüdischen Bevölkerung im Laufe der
ersten 15 Jahre nach der Staatsgründung, läßt sich die Tragweite dieses Primats
für alle gesellschaftlichen Bereiche erkennen (vgl. Wolffsohn, 1995, S. 254,
Anhang A).
Bevor
die Gesetzgebung im einzelnen betrachtet wird, ist zu berücksichtigen, daß es
sich beim heute gültigen Recht weder um einen homogenen Körper, noch um das
Produkt eines evolutionären Gesetzgebungsprozesses handelt (Rubinstein, 1992,
S. 7). Durch die 'Law and Administration Ordinance' von 1948[158]
behalten alle Gesetze, die von der englischen Mandatsregierung erlassen worden
sind und später nicht durch modifizierte oder neue Gesetze ersetzt wurden, ihre
Gültigkeit. Die englische Gesetzgebung enthält wiederum einen Artikel,[159] der in
gleicher Weise an das türkische Recht aus der Zeit vor 1914 anknüpft (vgl.
Rubinstein, 1992, S. 7; Kretzmer, 1990, S. 12 f.).
Dieser
Umstand erschwert erstens die Untersuchung der eigentumsrechtlich relevanten
Gesetze, zweitens läßt er auf eine allgemeine Rechtskontinuität schließen,
drittens muß berücksichtigt werden, daß die türkische Gesetzgebung auf den
religiösen Gesetzen des Islam - dem Koran - aufbaut und viertens gewinnt der
Aspekt, daß sich die britische Gesetzgebung an der Schaffung eines rechtlichen
Rahmens für privatwirtschaftliche Unternehmungen orientierte, an Bedeutung
(vgl. Rubinstein, 1992, S. 23; Baker, 1968, S. 60 ff.).
3.2 Gesetzliche
Bestimmungen zu Privateigentum und Vertragsfreiheit
Nach
der Staatsgründung galt bezüglich der Klassifikation von Landeigentum
türkisches Recht. Granott (1952, Kapitel I) hat diese Einteilung
zusammengefaßt:
'Mulk'
ist danach die Bezeichnung für Land, das sich im exklusiven Besitz des
Eigentümers befindet d.h. Verfügungs- und Aneignungsrechte sind ungeteilt einer
Person zugeordnet.
'Miri'
bezeichnet Land, das einer Person mit einem vom Staat garantierten Besitz- bzw.
Nutzrecht zugeordnet ist. Eigentümer des Landes bleibt weiterhin der Staat;
d.h. Verfügungs- und Aneignungsrechte können zeitlich dimensioniert und
zwischen Staat und Privatperson in bestimmter Weise verteilt werden.
'Waqf'
war ursprünglich Mulk- oder Miri-Land, dessen Nutzungsart bei einer
Besitzübertragung festgelegt worden ist; d.h. Verfügungs- und Aneignungsrechte
des Besitzers sind grundsätzlich beschränkt.
'Matruka'
ist Land, daß zur öffentlichen Nutzung deklariert ist. Es ist für die Bewohner
einer Stadt bzw. Siedlung bestimmt und dient dieser Gruppe zur allgemeinen
öffentlichen Nutzung; d.h. Verfügungs- und Aneignungsrechte sind nicht
Einzelnen, sondern einer Kommune oder der Allgemeinheit zugeordnet.
'Mawat'
Land befindet sich weder im Eigentum bzw. Besitz einzelner Personen, noch wird
es als Matruka von einer Gruppe benutzt; d.h. Verfügungs- und Aneignungsrechte
sind überhaupt nicht zugeordnet.
Diese
Einteilung wurde durch eine umfangreiche und bis heute nicht abgeschlossene
Gesetzgebung modifiziert und ergänzt. Kretzmer hat im vierten Kapitel seiner
Untersuchung (1990, S. 49 - 69) das Bodenrecht ausführlich erörtert. Anhand
der von ihm untersuchten Gesetze können folgende Aussagen über die Absichten
des Gesetzgebers und die Evolution von Eigentumsrechten an Land gemacht werden:
Durch
das Gesetz über Staatseigentum (1951)[160] wurde
Land, das bisher als Matruka der kommunalen öffentlichen Nutzung, oder als Miri
der privaten Nutzung zur Verfügung stand, als Staatseigentum registriert.
Beschränkungen kommunaler und individueller Nutzungsmöglichkeiten waren die
Folge (vgl. Kretzmer, 1990, S. 52).[161]
Von
Arabern verlassenes Land, das diesen als Mulk, Miri oder Waqf zugeordnet war,
wurde im Zuge des Gesetzes über das Eigentum von Abwesenden (1950)[162] in
israelisches Staatseigentum umgewandelt, d.h. enteignet und nationalisiert
(vgl. Kretzmer, 1990, S. 55 - 58).[163]
Land,
das für militärische Zwecke oder für bestehende oder zu errichtende jüdische
Siedlungen benötigt wurde, und sich bisher größtenteils im Besitz von Arabern
befand, ist durch das Akquisitionsgesetz (1953)[164]
ebenfalls enteignet und nationalisiert worden (vgl. Kretzmer, 1990, S. 58 ff.;
und auch Baker, 1968, S. 137).
In
Staatsbesitz[165]
befindliches, oder auf die eben geschilderte Weise in Staatsbesitz gelangtes
Land, sollte nicht wieder verkauft, sondern vor allem an Juden verpachtet
werden. "The Basic Law: Israel
Lands states that ownership in 'Israel Lands' (...) shall not be transferred by
sale or in any other manner" (Kretzmer, 1990, S. 60 f.).[166]
Die
Möglichkeit, an Juden verpachtetes Land an Araber weiter zu verpachten, wird
durch das Gesetz zu landwirtschaftlichen Ansiedlungen ausgeschlossen.[167] "It makes sure that Jewish lessees will not
in fact allow use of the land by Arabs" (Kretzmer, 1990, S. 68 f.).
Im
Bereich der Immobilien ist neben dem Landeigentum noch das Eigentum an Gebäuden
zu betrachten. Das Gesetz über immobiles Eigentum (1964)[168] regelt
insgesamt den Besitz und Transfer von Immobilien. Eigentum wird hier definiert, als: "The sole
right to be in possession of real estate, to enjoy it, and to dispose of it
without any limitation, save those expressed by law, or in a legally binding
agreement."[169] Weiterhin wurden darin verschiedene
Möglichkeiten der Teilung von Eigentumsrechten an Immobilien eröffnet:
Die
Möglichkeit des Leasing erlaubt und regelt die Verpachtung von Land und die
Vermietung von Gebäuden. Rubinstein (1992, S. 32 ff.) macht die Art der
Regelung dafür verantwortlich, daß diese Institution im Bereich der Vermietung
von Wohnraum ihre ökonomische Funktion verfehlt hat. Da die Rechte des
Besitzers gegenüber dem Mieter/Pächter stark eingeschränkt wurden, ist der Bau
von Apartments - zum Zweck der späteren Vermietung - nahezu vollständig zum
Erliegen gekommen. Städtische Wohnhäuser befinden sich heute zum größten Teil
im gemeinsamen Besitz der Bewohner, oder im Besitz von Wohngenossenschaften.
Lediglich im Bereich der langfristigen Verpachtung von Land durch den Staat
findet diese gesetzliche Regelung noch Anwendung (vgl.
Rubinstein, 1992, S. 32 ff.).
Bewegliches
und unbewegliches Eigentum kann als Sicherheit - in Form eines Pfandes oder
einer Hypothek - eingesetzt werden. Das Pfandrecht[170] erlaubt
dem Kreditgeber das Pfand des Kreditnehmers zu behalten, oder es selbst als
Sicherheit einzusetzen. Hypotheken auf Immobilien werden registriert, so daß
auch die Möglichkeit besteht, mehrere Sicherheiten auf ein Objekt zu geben.
(Rubinstein, 1992, S. 32 ff.; Baker, 1968, S. 126 - 131).
Die
Institution der Treuhand[171]
ermöglicht die Trennung von Kontrolle und Ertragsnutzung einer Immobilie,
während das Nutzrecht die Benutzung einer Immobilie regelt, ohne gleichzeitig
Eigentümer derselben zu sein (vgl. Rubinstein, 1992, S. 34 f.; Baker, 1968, S.
121 f.).[172]
Im
Gegensatz zu Immobilien ist für die meisten beweglichen Güter keine Registratur
erforderlich. Das Eigentum an diesen Gütern wird durch bloßen Besitz angezeigt.
Ausgenommen von dieser Regel sind Autos, Schiffe etc. und immaterielle
Vermögensgegenstände, wie Patente, Warenzeichen etc.[173]
Die
vorhandenen Möglichkeiten, Eigentum an Sach-, Finanz- und immateriellen
Vermögensgegenständen zu erwerben, schließen auch das Eigentum an Produktivvermögen
mit ein. Unternehmen, Anteile an Unternehmen, Aktien, Investmentzertifikate
u.ä. können grundsätzlich von jedermann erworben werden. Das geht aus den
allgemeinen Gesetzen zum Transfer von Eigentum[174] und
speziellen Gesetzen zur Regelung wirtschaftlicher Aktivitäten hervor
(Scheftelowitz, 1984, S. 60 - 73, 125 ff.).[175]
Das
Gesetz über die Nachfolge (1965)[176]
ermöglicht den Eigentümern der genannten Vermögensarten, durch ein Testament über
die weitere Verwendung ihres Besitzes (mit-) zu entscheiden.[177]
Zwischen lebenden Personen und juristischen Personen wird der Transfer von
Eigentum bzw. Besitz durch Verträge und Vertragsgesetze geregelt. Sie basieren
auf der Mejelle[178], dem
türkischen Privatrecht. Dort finden sich einige generelle Prinzipien, vor allem
aber spezielle Regeln für spezifische Verträge.[179] Für
alle übrigen Transfers, die durch diese Gesetze noch nicht erfaßt sind, gilt
der Grundsatz, daß alles, was nicht durch Regeln verboten ist, stattfinden darf
(vgl. Baker, 1968, S. 101 - 109).[180] Im
Vertragsgesetz werden auch verschiedene Gründe genannt, die als Ursache für die
Nichterfüllung eines Vertrages in Betracht kommen können. Als wesentliche
Gründe nennt Rubinstein (1992, S. 52) den Fehler, die Mißinterpretation, den
Zwang und die Beeinflussung. Weiterhin sind verschiedene Käuferschutz- und
Ausschlußklauseln zu finden, die in der Regel Schutzfunktionen für die
schwächere Vertragspartei erfüllen.[181]
Insgesamt
kann festgestellt werden, daß - bis auf den Erwerb von Land - grundsätzlich
jedermann[182]
Eigentum an allen Vermögensobjekten erwerben kann. Zwar wird diese individuelle
Freiheit in den Gesetzen nicht explizit verbürgt,[183] sie
läßt sich aber aus den untersuchten Regeln zum Besitz und Transfer von
verschiedenen Vermögensobjekten ableiten.[184]
Darüber hinaus kann aus der Staatsdeklaration und den dort zugesicherten
Handlungsfreiheiten ebenfalls auf dieses Individualrecht geschlossen werden:
"The state of Israel (...) will ensure complete equality of social and
political rights to all its inhabitants irrespective of religion, race or sex;
it will guarantee freedom of religion, conscience, language, education and
culture."[185] Die
hier zugesicherte Gleichheit sozialer und politischer Rechte, verbunden mit dem
im Jahr 1990 verabschiedeten Recht auf Freiheit der Berufswahl[186] ist
nur bei gleichzeitiger Gewährleistung von Vertragsfreiheit und Privateigentum
zu verwirklichen.[187]
Die
Zweckbindung von Vermögensobjekten für kollektive Aufgaben, wie sie beispielsweise
in der Verfassung der DDR in Bezug auf das Produktivvermögen zu finden war,[188] ist in
Israel damit auf den Bereich des Landeigentums begrenzt. Allerdings werden die
eben untersuchten, und teilweise abgeleiteten individuellen
Handlungsfreiheiten, durch den schwachen Status der Grundgesetze und die
Notstandsverordnungen wieder relativiert. Bevor diesbezüglich in Abschnitt 3.4
verschiedene regulierende und kontrollierende Gesetze betrachtet werden, wird
im Anschluß ein Überblick über den gesetzlichen Rahmen für unternehmerische
Aktivitäten vermittelt.
3.3 Die
wichtigsten Rechtsformen für Unternehmen
Den
Unternehmer beschreibt North (1992, S. 98 f.) als jemanden, "der auf
Anreize, die im Institutionensystem vorgegeben sind, reagiert." Um
reagieren zu können, benötigt er Verfügungsrechte über die Produktionsfaktoren
Arbeit, Boden und Kapital. Die Reaktion erfolgt dann durch eine von ihm
verfügte Neukombination dieser Faktoren, infolge einer vorausgegangenen
Veränderung der relativen Preise. Da Unternehmer häufig nicht identisch mit dem
bzw. den Eigentümer(n) der Produktionsfaktoren sind, ist die Frage der
Zuordnung von Verfügungs- und Aneignungsrechten zu klären (vgl. Leipold, 1988,
S. 82). Prinzipiell könnten diese Entscheidungen im Rahmen der Vertragsfreiheit
von den am Kombinationsprozeß beteiligten Parteien individuell getroffen
werden.
North
schließt in seiner Theorie jedoch, daß die Transaktionskosten dann sinken, wenn
der Austauschprozeß zwischen den Parteien institutionalisiert und damit
standardisiert wird (vgl. 1986, S. 232; 1992, S. 32 - 42). Zu dieser
Standardisierung tragen auch einzelne, im vorhergehenden Abschnitt untersuchte
Vertragsgesetze bei. Unter der Zielsetzung einer Transaktionskostensenkung
erfordern komplexere Tauschvorgänge allerdings auch einen komplexeren
institutionellen Rahmen. Diesen Zweck erfüllen formale Unternehmensformen, die
in einem Staat durch die Unternehmensverfassung vorgegeben werden. Die dort zu
findenden Standardstrukturen eröffnen verschiedene Möglichkeiten der Zuordnung
von Verfügungs- und Aneignungsrechten an Produktionsfaktoren und Erträgen
zwischen Eigentümern und Unternehmern.
Wichtigste
Quelle der israelischen Unternehmensverfassung ist das englische Recht. Die
Struktur - der im folgenden grob skizzierten Unternehmensformen - ist daher
grundsätzlich vergleichbar mit englischen Organisationsformen gleicher
Rechtsform. Gesetze, die später durch die israelische Regierung erlassen
wurden, stellen vor allem Ergänzungen und Modifikationen dar, die aufgrund der wirtschaftlichen
und organisatorischen Weiterentwicklung notwendig waren (Rubinstein, 1992, S.
80).
Die
Partnerschaft (Personengesellschaft)
"Partnership is the relation which exists
between persons carrying on a bussiness in common with a view to profit."[189] Bei unbeschränkter Haftung aller Partner
ist keine formale Gründung. bzw. Registratur notwendig. Eine juristische
Trennung von Partnern und Partnerschaft ist in diesem Fall nicht gegeben. Jeder Partner ist für die Geschäfte der
Unternehmung voll haftbar: "Every Partner is liable jointly with the other
partners, and also severally for all debts and obligations of the firm incurred
while he is a partner."[190] Bei einer Haftungsbeschränkung ist die
formale Gründung bzw. Registratur erforderlich. Das Unternehmen besteht dann
aus einem oder mehreren haftenden und einem oder mehreren nicht haftenden
Partnern.[191]
Vorteile
einer solchen Rechtsform sind der geringe finanzielle und bürokratische Aufwand
bei der Gründung und Leitung, sowie die wenigen Voraussetzungen, die zum Führen
einer Partnerschaft erforderlich sind. Nachteilig wirken sich die Instabilität
und die Diskontinuität dieser Rechtsform aus. Beim Ableben eines Partners wird
die Unternehmung in der Regel aufgelöst. Daher ist auch die Kreditwürdigkeit
der Partnerschaft begrenzt (Rubinstein, 1992, S. 83).[192]
In
Israel sind Partnerschaften vor allem im Einzelhandel und im Handwerk vorzufinden.
In den Bereichen Industrie, Banken, Versicherungen und Landwirtschaft sind sie
eher selten (Rubinstein, 1992, S. 83). Der Anteil von Partnerschaften an allen
Unternehmensformen zeigt Tabelle 1:
Tabelle
1: Partnerschaften
(Personengesellschaften) in Israel
|
Beschäftigte
relativ |
Beschäftigte
absolut |
Partnerschaften
relativ |
Partnerschaften absolut |
1960 |
15,4% |
19.800 |
25,7% |
2.346 |
1991 |
1,8% |
5.700 |
6,1% |
547 |
Quelle: Central Bureau of Statistics, 1961, S. 231;
1994, S. 468.
Es zeigt
sich - auch im Vergleich mit den noch zu betrachtenden Rechtsformen - daß eine
Verschiebung zu komplexeren Unternehmensstrukturen sowohl in rechtlicher, als
auch in organisatorischer Hinsicht stattgefunden hat.
"A society which has as its objects the
promotion of thrift, self help and mutual aid among persons with common
economic needs, so as to bring about better living, better business and better
methods of production (...) may (...) be registered (...) with or without
limited liability."[193] Damit wird deutlich, daß die Motivation
der Mitglieder einer Genossenschaft über rein ökonomische Interessen
hinausgehen muß: "Receiving profits on invested capital cannot be the
major purposes of a cooperative society."[194]
Die
Genossenschaft besteht aus mindestens sieben Mitgliedern, wobei kein Mitglied
mehr als ein Fünftel des Kapitals halten darf.[195]
Unabhängig von der Kapitaleinlage hat jedes Mitglied ein Stimmrecht.[196] Die
Haftung der Mitglieder ist beschränkt und die Genossenschaft ist als
juristische Person von den Mitgliedern getrennt. Verlassen diese die
Kooperative, dann verbleiben ihre Anteile im Unternehmensbesitz.[197] Hypotheken
können nur auf das Genossenschaftseigentum, nicht auf das Privateigentum der Mitglieder
aufgenommen werden.[198]
Eingetragen
und kontrolliert bzw. geprüft wird die Genossenschaft durch einen Registrar,
der von der Regierung eingesetzt und mit weitgehenden Vollmachten ausgestattet
ist: "Societies must file with his office regulations, annual reports,
minutes of general meetings, and lists of charges created by them on their
property. The registrar is empowered
to conduct an inquiry into the constitution, the working and the financial condition
of a society, to inspect its books, and to order its winding-up, if he thinks
that the society ought to be dissolved" (Rubinstein, 1992, S. 85).
Zu
Modifikationen des Genossenschaftsrechts hat vor allem das Genossenschaftsgesetz
aus dem Jahr 1965[199] beigetragen.
Seither können verbundene (affiliated) Organisationen eine außerordentliche
(associated) Mitgliedschaft für Genossenschaften vergeben.[200] Eine
Genossenschaft kann dadurch bis zu 50% der Stimmen in der verbundenen
Organisation erhalten (vgl. Baker, 1968, S. 147 f.). Mitgliederstarke
Kooperativen[201] können
seither einen 'governing body' wählen, der dann Funktionen der
Generalversammlung übernimmt.[202]
Weiterhin wurden durch das Gesetz Änderungen für die Registratur und die
Abwicklung von Genossenschaften eingeführt (vgl. Rubinstein, 1992, S. 87 f.).
Die
meisten dieser Neuerungen sind aufgrund einer größer gewordenen Mitgliederzahl
und einer Erweiterung des Tätigkeitsfeldes von Genossenschaften erfolgt. Weitergehende Absichten des Gesetzgebers beschreibt
Rubinstein (1992, S. 87) wie folgt: "These provisions tend to make the new
cooperative law more socially oriented, and to limit the types of business
which can avail themselves of this form of organisation. Thus for instance, the
minister of Labour is to be empowered to prohibit employment of hired labor in
cooperatives."[203]
Insgesamt
können Genossenschaften als Organisationsform, die sowohl Elemente der
Partnerschaft als auch der Unternehmung (Company)[204]
enthält, klassifiziert werden. Sie genießen Erleichterungen, vor allem bei der
Höhe der steuerlichen Abgabenbemessung, aber auch bei der Publizitäts- und
Prüfungspflicht, ähnlich wie bei der Partnerschaft. Gleichzeitig haben sie
durch stabilisierende und kontinuitätssichernde Elemente vergleichbare Vorzüge
wie die Unternehmung (vgl. Rubinstein, 1992, S. 86).
In
Israel ist diese Unternehmensform in den Bereichen produzierendes Gewerbe,
Transport, Einzelhandel, Kredit und Versicherung, vor allem aber im
landwirtschaftlichen Sektor, verbreitet. Der Anteil eingetragener
Genossenschaften an der Gesamtzahl der registrierten Unternehmen zeigt Tabelle
2:
Tabelle
2: Genossenschaften in Israel
|
Beschäftigte relativ |
Beschäftigte
absolut |
Genossenschaften
relativ |
Genossenschaften
absolut[205] |
1960 |
7,9% |
10.100 |
2,8% |
255 |
1991 |
6% |
18.900 |
3,3% |
310 |
Quelle: Central Bureau of Statistics, 1961, S. 231;
1994, S. 468.
Es ist
ein leichter Anstieg der genossenschaftlichen Rechtsform am Gesamtanteil der registrierten
Unternehmungen zu beobachten, bei einem deutlichen Anstieg der absoluten Zahl
der dort beschäftigten Personen.
Das
heute gültige Unternehmensgesetz beruht weitgehend auf der 'Companies Ordinance'
aus dem Jahr 1929 (vgl. Rubinstein, 1992, S. 88).[206] Danach
ist eine wirtschaftlich aktive Vereinigung, die nicht als Partnerschaft geführt
werden kann, entweder als Genossenschaft oder als Unternehmung zu registrieren.[207]
Ähnlich dem deutschen Unternehmensrecht lassen sich zwei grundsätzliche
Unterscheidungen zwischen verschiedenen Typen von Unternehmen treffen:[208]
Die private oder öffentliche Unternehmung
Der private
Betrieb eines Einzelunternehmers oder einer kleinen Gruppe von Personen dient
der juristischen Personifizierung der Unternehmung, und damit einer Trennung
von Unternehmens- und Privathaftung. Wesentliche Charakterzüge dieser
Unternehmensart sind eine beschränkte Transferierbarkeit der Firmenanteile, die
Begrenzung der Teilhaberzahl auf 50 und das Verbot öffentlich handelbare Aktien
oder Schuldverschreibungen zu zeichnen.[209]
Der
öffentlichen Unternehmung steht dieses Zeichnungsrecht zu. Sie kann Aktien zum
Kauf anbieten und damit der Öffentlichkeit die Teilhabe am Unternehmen
ermöglichen, ohne dieser gleichzeitig eine Beteiligung am Management einräumen
zu müssen. Eigentum und Kontrolle von öffentlichen Unternehmen können also
getrennt sein.[210]
Unternehmen mit oder ohne beschränkte Haftung
Bei der
Rechtsform ohne beschränkte Haftung sind der oder die Unternehmer mit ihrem
gesamten Privatkapital für die Schulden der Unternehmung haftbar.[211] Diese
Art der Unternehmensform ist in Israel allerdings selten und wird nur in
Ausnahmefällen gewählt.[212]
Bei
Unternehmen mit beschränkter Haftung läßt sich eine weitere Unterscheidung
treffen: Bei einer Haftungsbeschränkung auf Aktien ist die Haftung der
Teilhaber auf den Nominalwert, der von ihnen gehaltenen Aktien, beschränkt.
Dagegen wird bei einer Haftungsbeschränkung auf Garantie in einem Memorandum
die Summe festgelegt, welche die Teilhaber bei einem Konkurs zu zahlen haben.
Während die meisten Aktiengesellschaften in Israel die erstgenannte Art der
Haftungsbeschränkung besitzen, haben vor allem nicht-kommerzielle (non-profit)
Organisationen letztere Rechtsform gewählt (Rubinstein, 1992, S. 90).
Es
zeigt sich, daß die in Israel möglichen Rechtsformen für wirtschaftliche
Aktivitäten dem europäischen Unternehmensrecht ähnlich sind. Aus diesem Grund
wird auf eine ausführliche Darstellung einzelner Unternehmenstypen verzichtet.
In ihren unterschiedlichen Rechtsformen sind Unternehmen die am häufigsten
vorzufindende Betriebsart in Israel. Tabelle 3 zeigt den Anteil dieser
Unternehmensformen am Gesamtanteil registrierter Gesellschaften:
Tabelle
3: Einzelunternehmen, private- und
öffentliche Unternehmen in Israel
|
Einzelunter-nehmen
relativ |
Einzelunter-nehmen
absolut |
Private
Unter-nehmen relativ |
Private
Unter-nehmen absolut |
Öffentliche
Unternehmen relativ |
Öffentliche
Unternehmen absolut |
1960 |
53,0% |
4,836 |
16,7% |
1.530 |
1,2% |
111 |
1991 |
21,9% |
2.073 |
66,0% |
6.263 |
2,5% |
238 |
Quelle: Central Bureau of Statistics, 1961, S. 231;
1994, S. 468.
Wie
schon im Absatz zu Partnerschaften angedeutet, fand eine Verschiebung hin zu
rechtlich und organisatorisch komplexeren und damit zu größeren und
kapitalintensiveren Unternehmensformen statt.
Grundsätzlich
sind damit Standardstrukturen für verschiedene Arten wirtschaftlicher Aktivität
vorhanden, die über den privaten Besitz und Transfer von Eigentum hinaus auch
den privaten Besitz von Produktivvermögen, dessen Kombination, Veränderung und
Veräußerung erlauben. Inwieweit der so vorgegebene handlungsrechtliche
Spielraum für Organisationen und ihre Unternehmer auch nutzbar ist, hängt nicht
zuletzt auch davon ab, wie stark andere Gesetze die gegebenen Handlungsrechte
beschränken. Auf die weitgehenden Möglichkeiten der Regierung, aufgrund der Art
der Verfassung und durch die Notverordnungen, wurde in Abschnitt 3.1 schon
hingewiesen. Im nächsten Abschnitt wird der Umfang staatlicher Regulierung und
Kontrolle von wirtschaftlicher Aktivität genauer untersucht.
3.4 Staatliche
Regulierung und Kontrolle verschiedener Wirtschaftssektoren
Regeln
zur Aufzucht, Haltung, Schlachtung und künstlichen Befruchtung von Nutzvieh
sind im Gesetz zur Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktion (1952)[213] zu
finden. Ähnliches beinhaltet auch das Korn - Gesetz (1956)[214], das
dem Landwirtschaftsminister erlaubt, Qualitätsstandards und -kontrollen für die
Kornproduktion festzulegen.
Während
diese beiden Gesetze noch als Schutzvorkehrungen zum Wohl und der Gesundheit
der Verbraucher zu interpretieren sind, gehen die Gesetze zur Regulierung von
Zitrus- und Gemüseproduktion weit über dieses Ziel hinaus. Mit dem
Zitrus-Kontrollgesetz (1940)[215] wurde
ein 'Citrus Control Board'[216]
eingerichtet, das seither sämtliche Bereiche der Zitrusproduktion reguliert und
kontrolliert. Es ist autorisiert, die Behandlung und Ernte der Früchte zu
regeln bzw. zu überwachen, die Werbung zu organisieren, und auch Verträge mit
Schiffsbesitzern zum Transport der Früchte abzuschließen (vgl. Rubinstein,
1992, S. 145). Mit Zustimmung des Landwirtschaftsministers und durch das
Gesetz über Plantagen und Plantagenprodukte (1954)[217] sind
ferner möglich: Kontrolle und Regulierung der Gebiete, auf denen Zitruskulturen
wachsen, Kontrolle und Regulierung der Ernte, der Lagerung und des Transports
der Früchte, der sanitären Anlagen der Fruchthaine, der Qualitätseinteilung der
Früchte, der Kennzeichnungen der Versandkontainer und des Exports der Früchte.[218]
Ähnlich
weitreichende Kontrollen ermöglicht das Gesetz über Gemüseproduktion und
-vermarktung (1959).[219] Rubinstein (1992, S. 144) faßt die wichtigsten
Funktionen von diesem 'Marketing Board' zusammen: "to plan production; to
regulate supply and marketing; to centralize and regulate exports; to promote
and help growing, processing, marketing (...) and consumption (...); and the
construction of market places, packing houses and storage facilities."
Insgesamt
ist der landwirtschaftliche Sektor hochgradig reguliert und kontrolliert.
Shimshoni (1982, S. 233) stellt fest, daß die gesamte landwirtschaftliche
Produktion durch Produzentenkartelle, die von der Regierung angeführt werden,
kontrolliert und beherrscht wird. Damit ist ein freier, auf privatwirtschaftlicher
Basis stattfindender Wettbewerb, in diesem Sektor nahezu ausgeschlossen. Dieser
Sachverhalt wird auch dadurch bestätigt, daß 1959 noch 67,2% des
landwirtschaftlichen Nettoprodukts auf den privaten Sektor entfielen (vgl.
Barkai, 1964, S. 33), während im Jahr 1985 über 86% dieses Anteils von der
Histadrut - und dort vor allem von Kibbutzim und Moschavim - erwirtschaftet
worden ist (vgl. Aharoni, 1991, S. 177).[220]
Die
umfassende Regulierung des landwirtschaftlichen Bereichs ist keine Ausnahme. In
industrialisierten Ländern, wie der Bundesrepublik Deutschland und anderen
Staaten der Europäischen Union finden sich ähnlich weitgehende gesetzliche
Bestimmungen. Der Schutz und Erhalt des nationalen Landwirtschaftssektors ist
dabei das leitende Motiv. Damit ist der Primat der Politik, also der Vorrang
politischer Ziele vor ökonomischen Überlegungen, für diesen Bereich eher die
Regel als die Ausnahme.
3.4.2 Industrie,
Handel und Dienstleistungen
In
diesen Wirtschaftsbranchen sind vor allem Lizenzen, die zum Ausüben bestimmter
Tätigkeiten berechtigen, als Instrumente der Regulierung und Kontrolle zu
finden. Für Berufe wie Jurist, Mediziner, Ingenieur und Architekt bedarf es
einer solchen Lizenz.[221] Der
Erwerb dieser Erlaubnis ist an festgelegte Qualifikationen und teilweise auch
an Mengenkontingente - wie beispielsweise für Mediziner - gekoppelt. Weitere
Auflagen wie Werbeverbote, Handelsverbote u.ä. regulieren die Ausübung dieser
Berufe (vgl. Rubinstein, 1992, S. 138 - 147).
Die
Herstellung von Nahrungsmitteln, Alkohol und Medikamenten ist ebenfalls nur mit
einer Lizenz gestattet und durch Qualitätsstandards geregelt.[222]
Öffentliche Veranstaltungen und der Verkauf einer Zeitung sind nur Inhabern
einer Genehmigung erlaubt.[223] Ebenso
ist der Bau, Umbau und Abriß von Gebäuden genehmigungspflichtig (vgl.
Rubinstein, 1992, S. 131 - 138).[224] Die
Liste dieser Art von Beschränkungen ließe sich noch beliebig verlängern. Zwar
stellen alle genannten Gesetze eine Einschränkung der individuellen
wirtschaftlichen Handlungsfreiheit dar, allerdings steht hier der Schutz der
öffentlichen Sicherheit und Gesundheit als Zielsetzung des Gesetzgebers klar im
Vordergrund.
Nicht
mehr mit dieser Zielsetzung zu vereinbaren, ist das Gesetz zur Kontrolle von
Waren und Dienstleistungen aus dem Jahr 1957.[225] Es
gestattet der Regierung, den Markt umfassend zu regeln, indem sie Umfang und
Art der Produktion, die Höhe der Preise und die Art der Verteilung festlegen
kann.[226] Obwohl
dieses Gesetz nie ganz zur Anwendung kam, wurde es teilweise mehrfach ausgeübt.
In der Zeit von 1962 - 1964 zwang die Regierung die Produzenten durch
Preiskontrollen, ihre Produktpreise nicht zu erhöhen. Sie drohte, ansonsten die
Importzölle für ähnliche Produkte zu senken.
Ein
extremes Beispiel ist die Zeit von November 1984 bis Juli 1985, als 90% der
Preise für Güter und Dienstleistungen, die zur Festlegung des 'Consumer price
index'[227]
dienen, von der Regierung fixiert und kontrolliert wurden (vgl. Plessner, 1994,
S. 141 - 147).
Zwar
wurden mit dem Gesetz über restriktive Handelspraktiken (1959)[228]
rechtliche Regeln zum Schutz vor Monopolen und Kartellen formuliert, in der
Praxis läßt das Gesetz der Regierung allerdings freie Hand. Jeder Art von Kartell oder Monopol wird
zugestimmt, wenn es als politisch nutzbringend angesehen wird: "Turning
first to cartels, the law appears to have been comprehensive, as the definition
of what constitutes a cartel was very broad indeed. Any arrangement between
business enterprises that imposed on any of them limiting provision of any sort
came under the definition of a cartel. So, on the face of it, the law provided
total protection from restrictive trade practices. In reality, however, it left
so much room for discretion that it could be rendered totally ineffective"
(Plessner, 1994, S. 143; vgl. auch Rubinstein, 1992, S. 219 - 236).[229]
Die Funktionen der Zentralbank von Israel sind im
gleichnamigen Gesetz (1954)[230] festgelegt: "The functions of the Bank
shall be to administer, regulate and direct the currency system, and to regulate
and direct the credit and banking system in Israel, in accordance with economic
policy of the Government." Weiterhin werden die Ziele der
Geldpolitik genannt: Geldwertstabilität, hoher Produktions- und
Beschäftigungsgrad, hohes Volkseinkommen und hohe Kapitalinvestitionen. Dazu
besitzt die Zentralbank das Währungsmonopol, sie kann Offenmarktgeschäfte
tätigen, die Höhe der Mindestrücklagen anderer Finanzinstitute festlegen und
Maximalzinssätze für Kredittransaktionen bestimmen (vgl. Scheftelowitz, 1984,
S. 22 f.). Bis zu dieser Stelle hätte ohne größere Abweichungen auch aus den
Gesetzen zur deutschen Bundesbank zitiert werden können.
Im
Gegensatz zur weitgehenden Autonomie der Bundesbank von der Bundesregierung ist
die Zentralbank von Israel nicht unabhängig. Zwar muß die israelische Regierung
den Vorsitzenden der Zentralbank von Israel bei Entscheidungen zur nationalen
Wirtschaftspolitik konsultieren, seine Befugnisse sind aber rein beratender
Natur. Dagegen hat die Regierung die gesetzliche Macht, dem Staatspräsidenten
die Entlassung des Bankvorsitzenden vorzuschlagen, für den Fall daß:
"such disagreement exists between the government and the Govenor [of the
Bank of Israel] on basic questions of policy (...) as in the opinion of the
government prevents efficient cooperation."[231]
Darüber hinaus gestattet das Zinsgesetz von 1957[232] dem
Finanzminister maximale Zinshöhen für verschiedene Arten von
Finanztransaktionen festzulegen, sowie Konditionen und Zeiträume für diese zu
bestimmen (vgl. Rubinstein, 1992, S. 151 ff.).
Ohne
weitere gesetzliche Details aufzuzeigen, wird hier schon deutlich, daß sich
auch der Kapitalmarkt im Einflußbereich der Regierung befindet. Die Folgen
dieser Gesetzeslage schildern Razin und Sadka (1993, S.1 - 8): Die Regierung separierte
den nationalen vom internationalen Kapitalmarkt und segmentierte den ersten in
verschiedene Sektoren mit unterschiedlichen Zinsraten, sowohl für Spareinlagen
als auch für die Kreditvergabe. Sie entwickelte sich zum Hauptakteur auf dem
Kapitalmarkt, was als einer der Gründe für die Inflation und Rezession der
achtziger Jahre gilt. Kontroversen zwischen dem Finanzminister und dem
Gouverneur der Bank von Israel in Fragen der Wechselkurs- und Zinspolitik
bestimmten das Bild. Politische Machtinteressen, besonders bei bevorstehenden
Parlamentswahlen (z.B. im November 1988), verhinderten eine vom Gouverneur
angestrebte und an ökonomischen Sachverhalten orientierte Neubestimmung der
Wechselkurspolitik. Erst die im Dezember 1988 gebildete Regierung vermochte
eine stärker an ökonomischen Notwendigkeiten ausgerichtete Politik zu
etablieren.[233]
Insgesamt
kann damit festgestellt werden, daß der Staat bzw. die Regierung in allen
wirtschaftlichen Bereichen kontrollierend und regulierend eingreift. In den
verschiedenen Branchen werden dazu unterschiedliche Instrumente zum Einsatz
gebracht. Das Maß dieser Einflußnahme übersteigt in allen Bereichen die zur
Durchsetzung des öffentlichen Interesses notwendigen Maßnahmen. Trotz alledem
wurden die Regeln des Marktes weder außer Kraft gesetzt noch geschwächt. Sie
wurden lediglich beschränkt (vgl. Ben-Porat, 1993, S. 76, 175).[234]
Wieso
Ben-Porat diesen Standpunkt vertritt, erscheint bei ausschließlicher
Betrachtung des gesetzlichen Rahmens für wirtschaftliche Aktivität noch
unverständlich. Die folgende Untersuchung der Wirkung von Handlungsrechten in
den unterschiedlichen Eigentumssektoren soll darüber Aufschluß geben. Dabei
wird besonders die politische Rolle des privatwirtschaftlichen Sektors das
Vorhandensein marktwirtschaftlicher Regeln erklären.
4 Die
Eigentumsverteilung in der Wirtschaftsordnung Israels -
Wirkung
von formlosen und formgebundenen Institutionen
Der
institutionelle Rahmen, bestehend aus kulturell tradierten Normen und politisch
erzeugten formalen Regeln, ist beleuchtet. Das Gewicht der Regierung im
Hinblick auf die Bildung und Entwicklung der Wirtschaftsordnung wurde deutlich.
Über die Festlegung der formalen Eigentumsverfassung wurde die gegenwärtig
vorzufindende Eigentumsstruktur maßgeblich mitgeprägt.
Bei der
folgenden Betrachtung wird die Wirkung kultureller Normen und politischer
Entscheidungen auf das wirtschaftliche Verhalten der Menschen untersucht. Der
Institutionentheorie von North folgend, kommen damit die
Wirtschaftsorganisationen und ihre Unternehmer ins Spiel (vgl. North, 1992, S.
87 - 97). Die einzelnen Eigentumsformen spiegeln dabei eine unterschiedliche
Verteilung von Handlungs- bzw. Eigentumsrechten innerhalb dieser Organisationen
wider. Inwieweit die Art der Verteilung zu einem bestimmten Verhalten, der in
den Unternehmen beschäftigten Menschen führt, soll hier beleuchtet werden. Ob
diese Verteilung dann als effizient bezeichnet werden kann, wird im
abschließenden Kapitel betrachtet.
Zunächst
wird der private Wirtschaftssektor, wie auch später die übrigen Sektoren,
quantitativ erfaßt. Der dabei vorzufindende Umfang privaten Eigentums an Produktionsmitteln
gibt dann den Anlaß zur qualitativen Beurteilung privatwirtschaftlicher Macht.
Es folgt ein Produktivitätsvergleich zwischen privatem, staatlichem und
gewerkschaftlichem Sektor als mögliches Maß für die volkswirtschaftliche
Effizienz der verschiedenen Eigentumsformen (Abschnitt 4.1).
Staats-
und Parteiunternehmen stehen anschließend im Blickpunkt. Die
Verflechtungsproblematik von Politik und Wirtschaft, innere und äußere Grenzen
der Macht der Entscheidungsträger und damit verbunden die Ursachen für den
beginnenden Prozeß der Privatisierung, werden betrachtet (Abschnitt 4.2).
Danach
steht die Histadrut als Unternehmen und Gewerkschaft im Mittelpunkt. Der formal
organisatorische Aufbau gibt Aufschluß über die Machtverteilung innerhalb des
Unternehmens und über die Frage, inwieweit das Verhalten der dort Beschäftigten
an ökonomisch rationalen Zielen orientiert ist. Weiterhin wird die Wirkung der
Monopolstellung im Bereich der Arbeitnehmervertretung untersucht (Abschnitt
4.3).
Kibbutzim
und Moschavim, als Sonderformen der Verteilung von Eigentumsrechten innerhalb
unternehmerischer Organisationen, stehen am Ende der Betrachtung. Ideologische
Grundlagen und die Diskrepanz zwischen politischer und wirtschaftlicher Macht
sind hier von Bedeutung. Die einzelnen Siedlungsformen werden anhand der
Unterschiede in der Verteilung von Handlungsrechten gegeneinander abgegrenzt.
Am Beispiel der Kibbutzim werden das Motivations-, das Produktions- und das
Gleichheitsproblem - als maßgeblich verhaltensbestimmende Aspekte -
dargestellt. Abschließend wird eine Studie betrachtet, die einen
Produktivitätsvergleich zwischen kooperativem und manageriellem[235]
Entscheidungsprozeß zum Inhalt hat (Abschnitt 4.4).
Die
bisher aufgezeigten Zusammenhänge legen den Schluß nahe, daß dem privatwirtschaftlichen
Sektor innerhalb der israelischen Wirtschaft eine geringe Bedeutung zukommt.
Der Primat politischer Ziele vor ökonomischen Überlegungen, die sozialistische
Ideologie der dominierenden Parteien und die weitreichende Regulierung und
Kontrolle der Wirtschaft durch den Staat, sprechen deutlich gegen eine tragende
Rolle der privaten Wirtschaft.
Ein
Blick in die Wirtschaftsstatistik Israels bestätigt diese Vermutung allerdings
nicht: Der Anteil der Privatwirtschaft am Nettoinlandsprodukt des Staates lag
im Jahr 1959 bei 58,1% (Barkai, 1964, S. 26).[236] Vom
Nettoprodukt der Landwirtschaft entfielen zu dieser Zeit gut zwei Drittel auf
den privaten Sektor (Barkai, 1964, S. 33).[237] Dieser
Anteil wurde vor allem von Farmern der ersten Einwanderergeneration (Biluim)
erwirtschaftet. Bis heute leben diese und ihre Nachkommen in Siedlungen
(Moschavot), deren Grundlage, im Gegensatz zu den später gegründeten Kibbutzim
und Moschavim, das Privateigentum an sämtlichen Produktionsmitteln,
einschließlich des Bodens, ist (vgl. Pallmann, 1966, S. 61 ff.). Entgegen der
zionistischen Ideologie[238]
beschäftigten sie arabische Lohnarbeiter und waren auf die Zitrusproduktion[239]
spezialisiert. Das Dorf Petach Tikwa, in der Nähe von Tel Aviv, ist einer der
ersten Moschavot und existiert auch heute noch in dieser Organisationsform
(vgl. Sontheimer, 1968, S. 104 f., Plessner, 1994, S. 150 - 157).
Im Zuge
der Entwicklung zu einem modernen Industrie- und Dienstleistungsstaat verlor
der landwirtschaftliche Sektor insgesamt an Bedeutung. Mit einem fünfprozentigen
Anteil der Landwirtschaft am Nettoinlandsprodukt von 1986 und einem gleich
hohen Beschäftigtenanteil an der Gesamtzahl der Beschäftigten, spielt dieser
Sektor heute keine tragende Rolle mehr (vgl. Wolffsohn, 1995, S. 420 - 423).
Im
Bereich Industrie, Bergbau und Mienen wurden 1959 insgesamt 73,5% des
Nettoproduktes von privaten Unternehmen erwirtschaftet (vgl. Barkai, 1964, S.
33).[240] Hier
bestimmten vor allem kleine Betriebe - mit ein bis vier Angestellten - das
Bild. Wegen der geringen Kapitalausstattung[241] der
meisten privaten Unternehmer,[242] waren
diese hauptsächlich in weniger kapitalintensiven Bereichen, wie der Leicht- und
Textilindustrie, angesiedelt (Ben-Porat, 1993, S. 64 f., Sontheimer, 1968, S.
108; Shimshoni, 1982, S. 235).[243]
Im
Baugewerbe dominierte zwar nach wie vor das Gewerkschaftsunternehmen Solel
Boneh, das im Laufe des Zweiten Weltkriegs durch Aufträge der Alliierten zum
größten Baukonzern des Landes gewachsen war, allerdings hatte auch in diesem
Bereich im Jahr 1959 die Privatwirtschaft einen Anteil von 57,5% (vgl.
Sontheimer, 1968, S. 108 f., Wolffsohn, 1982, S. 567). Ähnlich hohe Anteile der
privaten Wirtschaft stellt Barkai (1964, S. 33) auch für die Bereiche Banken
(89,8%) und Handel einschließlich anderer Dienstleistungen (82,5%) fest.[244]
Da
schon in den fünfziger Jahren ein Verknüpfung und teilweise Verschmelzung von
privaten, Gewerkschafts- und Staatsunternehmen einsetzte, ist eine scharfe
Trennung der Eigentumsanteile der drei Bereiche, wie sie noch in der
Untersuchung von Barkai vorgenommen wurde,[245] heute
nicht mehr durchzuführen (vgl. Shimshoni, 1982, S. 232). Anhand verschiedener
volkswirtschaftlicher Indikatoren kann allerdings eine Annäherung des aktuellen
quantitativen Umfangs privater Wirtschaft gegeben werden:
Im Jahr
1985 befanden sich von den 123 größten Industrieunternehmen 75 in privater
Hand. Darunter auch Clal Industries Ltd., neben Koor Industries Ltd.[246] (das
der Histadrut gehört) und Israel Chemicals Ltd.[247] (in
Staatseigentum), das drittgrößte Industrieunternehmen Israels (vgl.
Dun/Bradstreet, 1986). Die Betrachtung der Eigentumsstruktur der 100 größten
Unternehmen zeigt, daß sich im Jahr 1989 absolut 63 und relativ 45% dieser
Unternehmen in privater Hand befanden. Im Jahr zuvor waren von 100
Beschäftigten 70 im privaten Sektor tätig (vgl. Wolffsohn 1991, S. 392 f.).
Im
Rahmen eines Vergleichs der Anzahl aller industriellen Unternehmen im Jahr 1965
und im Jahr 1988, ist eine absolute Halbierung bei konstantem relativen Anteil
an Privatunternehmen (ca. 94%) festzustellen (Tab. 4):
Tabelle
4: Anteil privater Unternehmen an der
Gesamtzahl industrieller
Unternehmen
|
1965 |
1988 |
Privat |
23.422 |
9.993 |
Gesamt |
24.796 |
10.554 |
Quelle: Central Bureau of Statistics, 1966, S. 412;
1990, S. 416.
Das zeigt
zum einen den hohen Anteil kleiner privater Betriebe und zum anderen, daß hier,
das von modernen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaften bekannte
Entwicklungsschema der Vermögenskonzentration, nicht zu einer signifikanten
Veränderung der Eigentumsstruktur zwischen den Sektoren geführt hat. Insgesamt
kann festgehalten werden, daß der Anteil der Privatwirtschaft am
Nettoinlandsprodukt, von der Zeit der Staatsgründung bis Anfang der neunziger
Jahre, stets zwischen 55% und 65% lag.[248]
Um auf
die eingangs geäußerte Vermutung zurückzukommen, daß dem privaten
Wirtschaftssektor nur eine geringe Bedeutung zukommt, stellt sich jetzt die
Frage, wie die quantitativ gleichbleibend starke Rolle des privaten Sektors mit
den weitgehend ambivalenten politisch-rechtlichen Rahmenbedingungen zu
vereinbaren ist. Eine Argumentation zur Beantwortung dieser Frage kann in zwei
Richtungen geführt werden:
Die
von ökonomischen Indikatoren angezeigte Dominanz der Privatwirtschaft
relativiert sich, sobald das politisch-institutionelle Umfeld berücksichtigt
wird. Anders als im gewerkschaftlichen und im öffentlichen Sektor ist der
politische Organisationsgrad der Privatwirtschaft gering (vgl. Wolffsohn, 1995,
S. 335 - 353). Ben-Porat (1993, S. 64) nennt zwar einige private Lobby-Gruppen,[249] stuft
deren Einfluß - aufgrund der fehlenden Dachorganisation - gegenüber anderen
Verbänden und der Regierung allerdings als begrenzt ein.
Wird
weiterhin die umfangreiche gesetzliche Regulierung und Kontrolle vieler
Branchen berücksichtigt,[250] dann
reduziert sich auch die Liste der Attribute, die üblicherweise mit dem Begriff
Privatwirtschaft in Verbindung gebracht wird. Zwar ist die Zuordnung der
Produktionsmittel zu privaten Eigentümern weitgehend erfüllt,[251] die notwendigen
wirtschaftlichen Handlungsfreiheiten (individuelle Verfügungs- und
Aneignungsrechte), welche im freien Wettbewerb über Angebot und Nachfrage zur
Bestimmung von Marktpreisen für Güter führen, fehlen dahingegen häufig (vgl.
Plessner, 1994, S. 141 ff.).
Dazu kommt
die permanente Abhängigkeit der gesamten Wirtschaft von Kapitalanleihen des
Staates (vgl. Wolffsohn, 1995, S. 379). Die für das enorme Wachstum der
fünfziger und sechziger Jahre benötigten Investitionen in Reproduktion und
Expansion wurden nahezu ausschließlich durch Staatsanleihen finanziert (vgl.
Ben-Porat, 1993, S. 52 - 56, 72). Mit dem Instrument der Kreditvergabe für
Investitionen war der Staat in der Lage, eine weitgehende Richtungsvorgabe der
zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung vorzunehmen. Der Vergleich des
durchschnittlichen Kapitalstocks pro beschäftigter Person im Jahr 1982 zeigt,
daß der private Sektor, im Gegensatz zum Histadrutsektor und zum Staatssektor,
nicht die erste Adresse bei der staatlichen Kreditvergabe war.[252]
Das
erklärt auch den hohen Anteil der Privatwirtschaft in weniger kapitalintensiven
Branchen (vgl. Shapiro, 1993, S. 74 f.).[253] Die
Kapitalabhängigkeit der Wirtschaft ist gleichzeitig der Ausgangspunkt zur
Begründung des - trotz aller Einschränkungen - vorhandenen Umfangs der
Privatwirtschaft.
Um
den Kapitalbedarf der inländischen Wirtschaft zu befriedigen, war und ist der
Staat in hohem Maße auf ausländische Transferzahlungen angewiesen. So überstieg
in den Jahren 1950 bis 1958 der Kapitalimport aus dem Ausland die gesamten
Nettoinvestitionen in diesem Zeitraum (vgl. Patinkin, 1959, S. 92 f.). Für die
Zeitspanne von 1992 bis 1997 schätzen Razin und Sadka (1993, S. 122 f.) den
Anteil externer Zahlungen am Bruttosozialprodukt auf 30 - 40%.[254] Die
permanente wirtschaftliche Abhängigkeit von ausländischem Kapital ist eine der
wesentlichen Ursachen für die kontinuierliche Präsenz eines umfangreichen
privaten Wirtschaftssektors:
Wird
berücksichtigt, daß die Hauptquellen der Transferzahlungen in den USA und in
Westeuropa zu finden sind, dann zeigt sich, daß die Zielsetzung der Geldgeber[255], über
rein wirtschaftliche und humanitäre Unterstützung hinaus, auch eine politische
Dimension hat. Vor allem die USA sahen in Israel zu Zeiten des Kalten Kriegs
eine westliche Bastion gegen einen sich ständig ausweitenden Kommunismus. So
wie die Sowjetunion durch finanzielle und militärische Unterstützung Einfluß in
den arabischen Nachbarstaaten zu gewinnen suchte, sah das westliche Lager die
Notwendigkeit, in Israel ein Gegengewicht aufrecht zu erhalten. Aus diesem
Grund wurden die sozialistischen Tendenzen innerhalb Israels stets kritisch
beobachtet und beurteilt (vgl. Wolffsohn, 1995, S. 444 - 447). In diesem Zusammenhang
sind die Transferzahlungen als politisches Druckmittel zu bezeichnen. Im Falle
einer stärkeren Hinwendung zum Sozialismus wäre das Druckmittel möglicherweise
durch Einfrieren der Zahlungen zum Einsatz gekommen. Ben-Porat (1993, S. 70) beschreibt diese Abhängigkeit
folgendermaßen: "In other words, at that period of the cold war, U.S.
support might well have stopped, had Israel opted for a more socialist mode of
production" und an anderer Stelle (S. 152) noch deutlicher: "The U.S.
government, together with the World Bank, actually pressed Israel to move
toward what they called a free market economy, thus encroaching on
state/societal autonomy."
Vor diesem Hintergrund erfüllte
der private Wirtschaftssektor eine politische Alibifunktion. Im Vordergrund
politischer Entscheidungen in Israel standen weniger die Vorzüge von freiem
Wettbewerb und Marktwirtschaft an sich, sondern vielmehr die Vermittlung des
Vorhandenseins der damit verbundenen Handlungsrechte nach außen. Das erklärt
auch die Diskrepanz zwischen dem statistisch starken Erscheinungsbild der
Privatwirtschaft einerseits, und der ökonomischen Realität andererseits.[256]
Insgesamt
kann damit festgestellt werden, daß sich die wirtschaftliche Stärke des
privaten Sektors zwar nicht in politischer Macht widerspiegelt, daß aber
umgekehrt der Handlungsspielraum der politischen Entscheidungsträger - im
Hinblick auf mögliche Eingriffe in die Privatwirtschaft - durch äußere
Einflüsse ebenfalls begrenzt ist.
Ein
Produktivitätsvergleich zwischen den drei Sektoren soll als Indikator zur
Beurteilung der Wirkung dieses institutionellen Rahmens auf das Verhalten der
dort beschäftigten Menschen dienen. Dem Jahresbericht der Bank of Israel (1988)
sind die folgenden Werte entnommen (Tab. 5):
Tabelle
5: Output und Kapitalstock je
Beschäftigten im privaten-, staatlichen-
und gewerkschaftlichen Sektor der
Industrie
|
Kapitalstock
je
beschäftigter Person
1982a |
Output je beschäftigter Person 1985 |
Staat |
1.641 |
37 |
Gewerkschaft |
1.146 |
29 |
Privat |
669 |
18 |
a ) Das Jahr 1982 ist das einzige Jahr, in dem in
dieser Form Daten über den Kapitalstock erstellt wurden.
Quelle: Bank
of Israel, Annual Report, 1988, S. 204.
Danach ist
der Output pro Beschäftigten im Staatssektor am höchsten, es folgt der
Gewerkschaftssektor und weit zurück der Privatsektor. Auf den ersten Blick ein
unerwartetes Ergebnis. Werden allerdings die Produkte ins Verhältnis zum
eingesetzten Kapital pro Person gestellt, dann ergibt sich ein erwartetes
Resultat: Die Produktivität (Wirtschaftlichkeit), definiert als Quotient des
Outputs pro Person zu eingesetztem Kapital pro Person, ist im Privatsektor, mit
18/669 = 0,0269 am höchsten. Es folgt der Gewerkschaftssektor mit einem Wert
von 0,0253 und der Staatssektor mit 0,0225. Danach liegt die Produktivität im
gewerkschaftlichen Bereich um 6% und im staatlichen Bereich um 17% unter der
Produktivität des privaten Bereichs.
Das
Verhalten der im Privatsektor beschäftigten Personen ist demzufolge am ehesten
als gewinnorientiert bzw. ökonomisch rational zu bezeichnen. Dieser Sachverhalt
ist auch dadurch zu erklären, daß die Manager der meist kleinen Betriebe in der
Regel selbst die Eigentümer oder Verwandte der Eigentümer sind (vgl. Aharoni,
1991, S. 184). Damit ist die Verbindung von Entscheidung und Haftung - ein
wesentlicher Anreiz für eine gewinnorientierte Motivation - in hohem Maße
gewährleistet.
4.2 Staatsbetriebe
und Parteiunternehmen
Im
Vergleich zum privaten Bereich ergibt sich im staatlichen Wirtschaftssektor ein
umgekehrtes Bild. Von einer rein statistischen Betrachtung ausgehend, könnte
auf eine eher schwächere Position des Sektors geschlossen werden. Unter
Berücksichtigung des gesamten Umfelds staatlicher Unternehmen wird allerdings
deren Schlüsselposition in der Gesamtwirtschaft deutlich. Zu diesem Umfeld
zählen auch die Parteiunternehmen, besonders diejenigen der Regierungsparteien,
obwohl sie statistisch in allen drei Sektoren erfaßt sind (vgl. Wolffsohn,
1995, S. 381 f.).[257]
Weiterhin ist die Macht der Regierung bzw. der Parteien als Arbeitgeber und
Eigentümer, sowohl im Hinblick auf eigene Unternehmungen, als auch hinsichtlich
fremder Unternehmen, näher zu betrachten.
Trotz
dieser zusätzlichen Aspekte gibt auch die Untersuchung der statistischen Daten
Aufschluß über die Rolle des staatlichen Wirtschaftssektors: Am
Nettoinlandsprodukt von 1959 hatte der Staat einen Anteil von 21,6%.[258] Am
Nettoprodukt einzelner Branchen war der Staat zu dieser Zeit in folgendem
Umfang beteiligt: Öffentliche Güter (Wasser und Elektrizität) 100%,
Regierungsdienstleistungen 97%, Transport und Kommunikation 40,3% und Industrie
4,3% (vgl. Barkai, 1964, S. 26, 33).[259] Als
auffällig bezeichnet Barkai (1964, S.34) den unüblich geringen Anteil im
Transportbereich und den hohen Anteil in der Baubranche. Für den ersten Fall
macht er das Quasi-Monopol der Histadrut Kooperativen Egged und Dan im Bereich
der Personenbeförderung verantwortlich.[260] Als
Ursache für das starke Engagement im Baubereich nennt er die umfassenden
Wohnungsbauprogramme der Regierung. Diese waren zwar zur schnellen Integration
der hohen Einwandererzahlen notwendig, dienten gleichzeitig aber auch zur
Integration der Neuankömmlinge in die 'richtige' Partei.[261]
Der scheinbar
geringe Staatsanteil in der Industrie relativiert sich, wenn berücksichtigt
wird, daß große Geldmengen aus dem Entwicklungsbudget der Regierung[262] in
Form von Darlehn in diese Branche geflossen sind; d.h. die Gelder wurden nicht
zur Akquisition von Eigentumstiteln verwendet (Ben-Porat, 1993, S. 74).[263]
Größenordnung
und Art der beschriebenen Anteile zeigen, daß der öffentliche Sektor schon
Anfang der sechziger Jahre nicht auf die in westlichen Ländern üblichen
Bereiche beschränkt war (vgl. Razin/Sadka, 1993, S. 198). Neben öffentlicher
Verwaltung und lebensnotwendigen Versorgungsbetrieben befanden sich auch
zahlreiche reine Wirtschaftsunternehmen in staatlicher Hand. Nach einer
Aufzählung der größeren staatlichen Unternehmen kommt Sontheimer (1968, S. 126
f.) diesbezüglich zu dem Ergebnis, daß es sich hierbei vor allem um wichtige
Projekte im Entwicklungsgebiet der Negev handelt, die für privates Kapital
nicht interessant genug waren.
Der
Vergleich von Sontheimers Aufzählung und Argumentation mit Plessners (1994, S.
182) Beschreibung staatlicher Aktivität in der Wirtschaft, ergibt für die
neunziger Jahre ein anderes Bild:
"Some
of the most important government corporations are in the defense industry.
Included are Israel Aircraft Industries; and Elta Electronics. The government
owns another large chunk of the defense industry in the form of two enterprises
that do not even have the status of a corporation: the Maintenance and
Restoration Centers, which maintain the military's mechanized equipment, also assemble
Israel's main battle tank, the Merkava, and are run by the army's Quatermaster
General; and Rephael, the big defense R&D organisation. Outside the defense
sector, the government owns some of Israel's most important corporations. In
terms of financial significance, the most important of these are, not
necessarily in order, Israel Electric Company, the monopoly supplying the
country's electricity; Israel Chemicals, a holding company that either wholly
owns or has a majority interest in such subsidiaries as the Dead Sea Works,
Israel Phosphates, Fertilizers and Chemicals, and a host of other companies at
home and abroad that between them own all of Israel's mineral deposits. The
government also owns Mekoroth, the monopoly which supplies Israel's water; Bezek,
the telephone monopoly; and the country's sole railway. It also owns El-Al,
Israel's airline, and has substantial interests in the country's refineries. In
the financial sector the government owns an insurance company and has
substancial interests in the Industrial Development Bank of Israel. It also
owns, through various authorities, both of Israel's television stations, both
radio networks and all ports and airports. It also owns and runs a network of
hospitals" (vgl. dazu auch
Ben-Porat, 1993, S. 68 f.; Wolffsohn, 1995, S. 384 f.).
Wird
weiterhin berücksichtigt, daß die Regierung infolge der Finanz- und Aktienkrise
von Oktober 1983[264] auch
zum Hauptaktionär der vier umsatzstärksten Bankengruppen[265]
Israels wurde - Razin und Sadka (1993, S. 202) sprechen von einer Nationalisierung
der Banken - dann wird deutlich, daß der Umfang staatlicher Aktivität in der
Wirtschaft heute weit über das von Sontheimer geschilderte entwicklungspolitische
Engagement hinausgeht (vgl. Plessner, 1993, S. 38 f., 278 ff.). Vor diesem
Hintergrund ist der für Anfang der neunziger Jahre von Ben-Porat (1993, S. 160)
geschätzte Staatsanteil an der Wirtschaft (25%) eher als zu niedrig
einzustufen. Auch wenn im Dezember 1990 nur etwa 75.000 Personen in diesem
Sektor beschäftigt waren, was einem Anteil von 7% an der Gesamtzahl der
Beschäftigten entspricht, ist die Zahl der Arbeitsplätze, die direkt oder
indirekt vom Staatssektor abhingen, weit höher einzustufen (vgl. Razin/Sadka,
1993, S. 200; Plessner, 1994, S. 182).
In
diesem Zusammenhang sind die Unternehmen der Parteien zu nennen. Vor allem die
Linksparteien, die eine Versorgung der Mitglieder von der 'Wiege bis zur Bahre'
anstrebten, wurden schon in der britischen Mandatszeit unternehmerisch aktiv.[266]
Da eine staatliche Partei- und Wahlkampffinanzierung erst in den späten
sechziger Jahren eingeführt wurde, waren auch die übrigen politischen Gruppen
auf diese Form der Eigenfinanzierung angewiesen.[267] Zudem
wurde die Haushaltspolitik der britischen Mandatsregierung als unzureichend angesehen,
so daß diese durch eigene innerjüdische Aktivitäten ergänzt werden mußte (vgl.
Wolffsohn, 1995, S. 381 f.).[268]
Die auf
diese Weise zu Unternehmern gewordenen Parteien betätigten sich hauptsächlich
in drei Branchen: Das Bankwesen[269]
sicherte Vergünstigungen bei der Kreditvergabe, die Druckindustrie
erleichterte Informations- und Medienarbeit und der Bausektor ermöglichte die
Wohnungsvergabe an Mitglieder und solche, die es werden wollten bzw. sollten
(vgl. Wolffsohn, 1995, S. 382).
Welche
Problematik sich mit der Verknüpfung von Parteien und Unternehmen ergibt, wird
deutlich, wenn die Ziele der beiden Gruppen gegenüber gestellt werden: Während
Parteien die Interessen einer Bevölkerungsgruppe und Regierungen die Interessen
des gesamten Volkes vertreten sollten, stehen im Unternehmen in der Regel
ökonomische Ziele und die Interessen der Beschäftigten im Vordergrund. Sind
beide Gruppen, wie in der Partei- und auch in der staatlichen Unternehmung,
miteinander verbunden, entsteht automatisch dann ein Interessenkonflikt, wenn -
was die Regel ist - die Zielgruppen nicht identisch sind. Entweder werden die
Interessen der unternehmerischen oder der politischen oder beider Seiten
vernachlässigt. Wolffsohn (1983, S. 565) schildert einen solchen Fall:
"Als die Agudat Israel[270] im
Jahr 1961 der Verlängerung der Militärverwaltung über die arabischen Israelis
zustimmte, erhielt sie im politischen Tauschhandel die Genehmigung, eine eigene
Bank zu eröffnen. Sie kam schon wenige Jahre danach durch äußerst zweifelhafte
Transaktionen in die roten Zahlen. (...) Der hohen Verluste wegen mußte die
Bank 1971 verkauft werden."
Insgesamt
verloren die Parteiunternehmen, mit der Einführung und stetigen Erhöhung
staatlicher Partei- und Wahlkampffinanzierung, ihre Aufgabe und aufgrund roter
Zahlen - mitverursacht durch die allgemeine Wirtschaftskrise der achtziger
Jahre[271] - auch
ihre Bedeutung (vgl. Wolffsohn, 1995, S. 382; 1983, S. 562 - 570).
Um die
Bedeutung des gesamten staatlichen Wirtschaftssektors zu erfassen, reicht - wie
schon eingangs bemerkt - die quantitative Betrachtung des Anteils an der
Gesamtwirtschaft nicht aus. Vielmehr ist eine qualitative Beurteilung
erforderlich. Die Macht der Entscheidungsträger hinsichtlich des eigenen
Sektors, aber auch im Bezug auf Einflußmöglichkeiten (z.B. durch Gesetze) auf
den gewerkschaftlichen und den privaten Sektor, ist von Relevanz. Zwar kann
Machtqualität schwer in Zahlen gemessen werden, die Beschreibung des
Machtausmaßes ist dennoch möglich. Ben-Porat
(1993, S. 73 f.) hat dies kurz und treffend formuliert: "Thus, the state
became the patron of these sectors by various means such as allocating foreign
capital for purchasing basic material; providing cheap loans to corporations
and individuals or industrialists; purchasing shares in corporations in order
to strengthen their financial position but without demanding the same share in
management; subsidizing industrial and agricultural products; setting tariffs
to protect local industry; regulating the exchange rate of currency; setting
low rates of corporate taxes; and so forth." Die
Macht der Regierung basiert also vor allem auf der Möglichkeit zur Regulierung
und Kontrolle der gesamten wirtschaftlichen Aktivitäten im Land, sowie dem
Monopol zur Rekrutierung und Allokation von ausländischem Kapital.[272]
Die
Auswirkungen der direkten und indirekten Aktivitäten von Regierung und Parteien
in der Wirtschaft hat Plessner (1994, S. 183) wie folgt beschrieben: Neben dem
Umstand, daß sich die Regierung in ein Netz von Abhängigkeiten begibt, bietet
das starke Engagement in der Wirtschaft weitreichende Möglichkeiten für
Patronage und Vetternwirtschaft.[273] Aus
ökonomischer Sicht liegt der größte Schaden dann in der Rekrutierung von
Direktoren, deren einzige Qualifikation die Nähe zu den leitenden Ministern
ist. Das Resultat sind Geschäftsleitungen, besetzt mit Personen, die
inkompetent in der Ausübung ihrer Position sind.[274] Im
schlimmsten Fall kommt überhaupt keine Besetzung der Geschäftsleitung zustande,
da sich die zuständigen Ministerien nicht einigen können.[275] Die
ökonomischen Auswirkungen dieser Umstände wurden in Tabelle 5 bereits
dargestellt.
Die
Grenzen der Staatsmacht werden erkennbar. Plessner (1994, S. 177) bezeichnet
die Regierung als den allmächtigen Schwächling und bringt damit zum Ausdruck,
daß sich die vermeintliche Stärke aufgrund umfassender Legislativmacht und
weitreichendem wirtschaftlichem Engagement bei genauerer Betrachtung als
Schwachstelle entpuppt. Sein Hauptargument basiert dabei auf der Feststellung,
daß die zahlreichen Regierungsinterventionen Anreize für die jeweils am
stärksten betroffenen Gruppen schaffen, eine Lobby (pressure group) zu bilden,
um die Richtung der Intervention zu beeinflussen (vgl. Plessner, 1994, S. 185).[276] Die
ebenfalls von Interventionen betroffenen Staats- und Parteiunternehmen sind in
diesem Zusammenhang dann eher als Hindernis, denn als Machtinstrument der
Regierung zu begreifen.
Neben
den aufgezeigten inneren Grenzen der Macht, sind auch äußere Zwänge vorhanden,
die den Handlungsspielraum der Regierung beeinträchtigen oder ein bestimmtes
Handeln erzwingen: "Highly dependent on U.S. support, Israel was advised
by a special team of economic advisers who examined the Israeli economy to move
away from state support to free market (i.e., capitalist) policies"
(Ben-Porat, 1993, S. 150; vgl. auch S. 152). Dazu kommen drei weitere externe
Faktoren, die eine Richtungsbestimmung bzw. Vorhersage der wirtschaftlichen
Entwicklung erschweren, nämlich
erstens
die Ungewißheit über die Anzahl der künftigen Einwanderer,
zweitens
die weitere politische Entwicklung im Nahen Osten und
drittens
die Unwissenheit über die Höhe zukünftiger ausländischer Transferzahlungen (vgl.
Wolffsohn, 1995, S. 380).
Damit
wird insgesamt deutlich, daß die langfristige wirtschaftliche Entwicklung fast
zwangsläufig zu einer Marktwirtschaft führen muß. Zu viele Faktoren machen eine
Planung und Lenkung der Wirtschaft unmöglich und bedingen damit eine marktwirtschaftliche,
dezentrale Organisation.
Neu ist
diese Einsicht nicht, denn schließlich sind die genannten Aspekte nicht erst in
jüngerer Zeit von Bedeutung. Schon 1952 entschied sich die Regierung zu einer
'Neuen Wirtschaftspolitik', die auch eine stärkere Unterstützung des privaten
Wirtschaftssektors beinhaltete (vgl. Ben-Porat, 1993, S. 72). 1962 kam es zur
zweiten und 1977 mit dem Wechsel zur Likud Regierung zur dritten Auflage der
'Neuen Wirtschaftspolitik'. Neben liberalisierenden Veränderungen bestand auch
immer der Vorsatz, Staatsunternehmen durch Verkäufe zu privatisieren (vgl.
Wolffsohn, 1995, S. 387 - 394). Der tatsächliche Prozeß einer Privatisierung
setzte allerdings erst Anfang der achtziger Jahre ein und ging nur sehr schleppend
voran.[277] Die
Zahl der in Staatseigentum befindlichen Unternehmen reduzierte sich von 189 im
Jahr 1981 auf 159 im Jahr 1988 nur geringfügig, da sich gleichzeitig die
gesamte Wirtschaft in einem Konzentrationsprozeß befand (vgl. Ben-Porat, 1993,
S. 162 f.). Noch 1993 beschreiben Razin und Sadka (S. 201 f.) das langsame
Tempo der Privatisierung, sehen aber im Verkauf von 19% der Stammaktien des
zweitgrößten Industriekonzerns in Israel (Israel Chemicals)[278], einen
Indikator für die zunehmende Beschleunigung und Ernsthaftigkeit dieses
Prozesses.
Dem
Israel Jahrbuch (vgl. Greenwood, 1994, S. 148) ist zu entnehmen, daß sich Razin
und Sadkas Einschätzung bestätigt. Im Februar 1993 wurden weitere 25% dieses
Konzerns verkauft. Unter der Überschrift "Privatisation: Into second
Gear" wird weiterhin über den Verkauf und die Vorbereitung des Verkaufs
zahlreicher, großer Staatsunternehmen berichtet. Darunter die
Telefongesellschaft Bezeq, die Fluggesellschaft EL-AL, verschiedene
Ölfördergesellschaften (Magen Gas and Oil Resources, Nafta, Paz Oil) und auch
die Industrial Buildings Ltd., die an die Jerusalem Economic Corporation -
ebenfalls ein ehemaliger Staatsbetrieb - verkauft wurde. Beim zuletzt genannten
Unternehmen ist zu beachten, daß es sich um einen Betrieb mit Landbesitz
handelte: "It also sold the Jerusalem Economic Corporation, which, is
really a real estate holding Company owing some of the choicest land in the
city" (Plessner, 1994, S. 280). Ein Wandel formaler und informaler
Handlungsrechte hat eingesetzt. Auch konfessionelle Beschränkungen spielen
keine entscheidende Rolle mehr, wie der Verkauf der Getränkefirma Jachin-Chakal
an den Coca-Cola-Konzern zeigt (Wolffsohn, 1995, S. 428).[279]
4.3 Histadrutwirtschaft
Die
Histadrut ist die 'Allgemeine Organisation der Arbeit' in Israel. Als
Nachfolger der 1911 gegründeten Vereinigung der Landarbeiter in Judäa wurde sie
im Dezember 1920 als Arbeitnehmerorganisation von linkssozialistischen Parteien
in Haifa gegründet (vgl. Sontheimer, 1968, S. 106 f.; Wolffsohn, 1995, S.335
f.). Malkosh (1961, S. 21) nennt die in der Verfassung der Histadrut
verankerten Ziele und Zwecke: "Gewerkschaftswesen, wirtschaftliche und
genossenschaftliche Unternehmen, gegenseitige Hilfe und Erziehung. Alle diese
Tätigkeiten sind gleich wichtig und in der Struktur der Histadrut integriert,
die auf diesen vier parallelen Gebieten gleichzeitig wirkt" (vgl. auch
Wolffsohn, 1995, S. 337 f.).[280]
Als
Repräsentant von anfangs etwa 5.000 Siedlern entwickelte sich die Histadrut
durch Aktivitäten in den vier genannten Gebieten bald zur wichtigsten
politischen und wirtschaftlichen Organisation innerhalb der vorstaatlichen
jüdischen Gesellschaft (vgl. Wolffsohn, 1995, S. 335; Shalev, 1992, S. 24).[281] Da ein
jüdischer Staat noch nicht existierte, wurden auch viele staatliche Aufgaben
von der Histadrut übernommen. Darunter eine Sozialversicherung[282],
Erziehungseinrichtungen[283] und
eine Verteidigungsarmee[284] (vgl.
Sontheimer, 1968, S. 107).
Mit den
Aktivitäten auf unternehmerischem Gebiet wurden verschiedene Ziele verfolgt: Im
Vordergrund standen politisch-nationale Gründe. Die wirtschaftliche Entwicklung
des Landes und damit eng verbunden das jüdische Kolonisationswerk, waren voran
zu bringen (Sontheimer, 1968, S. 107).
Weiterhin
sollte aus sozialistischen Motiven heraus eine Konkurrenz zur Privatwirtschaft
aufgebaut werden[285] und
schließlich bestand auch die Notwendigkeit zur Finanzierung der Parteien.[286]
Um
diese Ziele zu verwirklichen wurde auf der zweiten Generalversammlung der
Histadrut in Tel Aviv im Jahr 1923 eine Dachorganisation für die gesamte
wirtschaftliche Aktivität der Arbeiterwirtschaft gegründet: Die 'Allgemeine
Assoziation der Genossenschaft der jüdischen Arbeit in Israel', die Hevrat Ovdim
(Wolffsohn, 1995, S. 382 ff., Pirker, 1965, S. 60 f.). Wie im folgenden noch
genauer ausgeführt wird, hatte der gewerkschaftliche Arm der Histadrut seit
ihrer Gründung eine Monopolstellung auf dem Gebiet der Arbeitnehmervertretung,
während der unternehmerische Arm bald in nahezu allen Wirtschaftsbranchen tätig
war.[287]
Wegen
dieser Doppelfunktion wird die weitere Untersuchung unter zwei Gesichtspunkten
fortgeführt: Um insgesamt die Position der Histadrut in der israelischen
Gesellschaft zu bestimmen, ist der direkte Einfluß der Hevrat Ovdim
Unternehmen, deren wirtschaftliches Verhalten, die Machtposition der Manager
und die Arbeitssituation der Beschäftigten zu beurteilen. Weiterhin ist der
Einfluß der Histadrut als Gewerkschaft, sowohl auf die eigenen Unternehmen, als
auch auf diejenigen des Staates und der Privatwirtschaft, einzuschätzen.
Im Jahr
1959 betrug der Anteil der Histadrutwirtschaft am Nettoinlandsprodukt 20,3%.[288] Am
Nettoprodukt der Landwirtschaft hatte die Histadrut in diesem Jahr einen Anteil
von 32% (vgl. Barkai, 1964, S. 26, 33).[289] Daran
waren vor allem die insgesamt über 400 Kibbutzim und Moschavim beteiligt, die
in der Hevrat Ovdim, welche als Dachverband fungiert, zusammengeschlossen sind
(vgl. Wolffsohn, 1995, S. 335).
Auf dem
Bausektor dominierte das Bauunternehmen Solel Boneh. Es war zu dieser Zeit
schon international in Asien, Afrika und Europa tätig und erwirtschaftete im
Jahr 1959 einen Anteil von 31,9% am Nettoprodukt der Baubranche. Im
Transportsektor konnte im gleichen Jahr, vor allem durch das Monopol der
Personenbeförderung, ein Anteil von 37% erzielt werden. Zum Anteil von 22,2% am
Nettoprodukt der Industrie in diesem Jahr hat die Unternehmensgruppe Koor[290]
maßgeblich beigetragen (vgl. Barkai, 1964, S. 33).[291]
Ausgelöst
durch den langsamen Machtverlust der IAP, verbunden mit dem Regierungswechsel
im Jahr 1977 und verstärkt durch die Wirtschaftskrise der achtziger Jahre, kam
es zu einer Stagnation des unternehmerischen Arms der Histadrut. Im Jahr 1992
waren 14% der Beschäftigten in der Industrie bei der Hevrat Ovdim beschäftigt
(vgl. Wolffsohn, 1995, S.426). Shalev (1992, S. 342) beziffert für Anfang der
neunziger Jahre den Anteil der Histadrut in der Konstruktion auf 15% und
rechnet insgesamt ein Drittel aller Beschäftigten zum Histadrutsektor.
Formalorganisatorisch
gliedert sich Hevrat Ovdim in acht Sektoren: Landwirtschaft; Industrie und
Produktion; Verkauf, Einkauf und Dienste; Finanzierung; Versicherung und
Pensionen; Bauten und Wohnungsbau; Hauseigentum; soziale Dienste; Transport und
Dienste (vgl. Pirker, 1965, S. 61). Weiterhin wird zwischen eigenen Unternehmungen
und verbundenen Genossenschaften unterschieden (Abbildung 4).
Höchstes
Organ der Histadrut und der Hevrat Ovdim ist die Generalversammlung.[292] Alle
vier Jahre wird ähnlich der Knesset-Wahlen ein solches 'Parlament der Arbeit'
gewählt. Stimmberechtigt sind alle Mitglieder der Histadrut, die auch
automatisch Mitglied der Hevrat Ovdim sind und umgekehrt. Das sind in etwa 75%
der Gesamtbevölkerung, da ein Großteil der Bevölkerung in der Kupat Cholim,
der Krankenkasse und Sozialversicherung der Histadrut, versichert ist, was die
Mitgliedschaft im Gesamtverband voraussetzt. Die Generalversammlung wählt einen
Generalrat (General Council), aus dem dann ein Exekutiv Komitee (bzw. Managing
Board) hervorgeht. Dieses wählt das Exekutivbüro[293] (Vaada
Meraketzet) und den Generalsekretär (vgl. Pirker, 1965, S. 31, 49; Shalev,
1992, S. 24).[294]
Abbildung
4: Die Struktur des Histadrut
Wirtschaftssektors
Quelle: Shalev, 1992, S. 343.
Bevor
die Machtverteilung innerhalb der Hevrat Ovdim näher betrachtet wird, ist eine
informale Handlungsregel zu berücksichtigen, die in allen Organisationen des
Staates und der Histadrut eine entscheidende Rolle spielt. Es handelt sich
dabei um das Prinzip des Parteienproporzes. Jede Frage, die es zu entscheiden
gilt, wird politisiert. Parteipolitische Konstellationen und Strategien
bestimmen den Verlauf der Diskussion und letztendlich auch die Entscheidung
(vgl. Pirker, 1965, S. 49).
Entwickelt
hat sich dieses Prinzip schon in der Mandatszeit. Wie im Abschnitt über
Parteien und den Primat der Politik (2.5) dargelegt, existierten die Parteien
vor dem Staat. Sie entwickelten sich zu Gesellschaften zur Kolonisierung des
Landes und waren auf diese Weise bald in allen Lebensbereichen präsent. Am
erfolgreichsten im Wirtschaftssektor waren die Arbeiterparteien mit der
Gründung der Histadrut. Da es Parteien waren, die jene Organisation gründeten,
wurde deren formale Struktur auch nach politischen Gesichtspunkten gestaltet.
Bei den Wahlen zur Histadrut Hauptversammlung werden Parteien gewählt, die
proportional nach ihrem Stimmenanteil die Generalversammlung besetzen. Das
Prinzip des Parteiproporzes wird dann weiterhin beibehalten bis zum obersten
Gremium, dem Exekutivbüro (vgl. Shalev, 1992, S. 24 f.; Pirker, 1965, S. 49).
Da die
Arbeiterparteien mit diesem Prinzip zum einen ihre Macht und Dominanz gesichert
sahen und zum anderen eine demokratische Legitimationsgrundlage vorweisen konnten,
etablierte es sich auch in der späteren Staatsverfassung. Bis heute werden die
Parteien proportional über starre Listen in die Knesset gewählt. Shapiro (1993,
S. 66 f.) spricht in diesem Zusammenhang von der Installation einer formalen
bzw. prozeduralen Demokratie, die sich durch freie Wahlen und freien
politischen Wettbewerb auszeichnet, gleichzeitig aber liberale Elemente, wie
den Schutz von Individual- und Minderheitenrechten vermissen läßt (vgl. auch
Medding, 1990, S. 5).
Dadurch
erklärt sich einerseits die fortdauernde Dominanz der Arbeiterparteien in der
Politik und der Wirtschaft Israels, andererseits wird deutlich, daß auch ohne
umfassende Nationalisierung der Produktionsmittel weite Bereiche der
Wirtschaft nicht vom Markt, sondern von politischen Kräften bzw. Parteien
gesteuert werden. Das Verhalten der Manager, ob im staatlichen oder im
gewerkschaftlichen Wirtschaftssektor, richtet sich also nach politischen
Konstellationen und nicht nach ökonomischen Notwendigkeiten (vgl. Shalev, 1992,
S. 29 f.).
Für die
Hevrat Ovdim ergibt sich nun die Frage, auf welcher Ebene die Leitung der
Organisation erfolgt, also "inwieweit die Zentrale der Hevrat Ovdim
planend, regulierend, kontrollierend in das Geschäftsgebaren der einzelnen
Unternehmen eingreift bzw. eingreifen kann" (Pirker, 1965, S. 88). Dazu
aus einem Bericht der Histadrut über die formale Maschinerie der Hevrat Ovdim
Zentrale: "Die Generalversammlung und der oberste Rat der Histadrut sind
die höchsten die Politik bestimmenden Autoritäten der Hevrat Ovdim. In der
Durchführung der allgemeinen Histadrut-Wahlen konstituieren sich diese Organe
als Organe der Hevrat Ovdim. In gleicher Weise stellt das Exekutivkomitee der
Histadrut die Exekutive der Hevrat Ovdim dar, wenn Fragen der Histadrut-Wirtschaft
entschieden werden müssen. Das Exekutivkomitee ernennt ein dreizehnköpfiges
Sekretariat der Hevrat Ovdim mit dem Generalsekretär der Histadrut als
Vorsitzenden, um die Durchführung der politischen Richtlinien in den laufenden
Geschäften zu garantieren. Zu diesem Zweck ist das Sekretariat in vier
Abteilungen organisiert, denen jeweils ein bedeutender Führer der Bewegung
vorsteht. Das Sekretariat ist verantwortlich für die Richtlinien der
Beziehungen in der Gesamtwirtschaft zwischen dem Histadrutsektor der
Wirtschaft, dem staatlichen und öffentlichen Sektor und dem privaten Sektor,
der Planung und Genehmigung neuer Unternehmen der Histadrutwirtschaft sowie für
die Ernennung und Überwachung des Managements der Unternehmen im Eigentum der
Histadrut sowie auch für die Koordination der Tätigkeit der autonomen
genossenschaftlichen Gesellschaften der Gesamtbewegung" (Pirker, 1965, S.
88 f.).
Auf den
ersten Blick stellt sich dieser Führungsaufbau als Prototyp einer zentral
gelenkten Organisation dar. Bei der Gegenüberstellung der Führungsorganisation
mit dem eingangs beschriebenen Umfang der wirtschaftlichen Aktivitäten der
Hevrat Ovdim ist allerdings zu erkennen, daß der Führungskopf der Organisation
offensichtlich relativ klein ist. Pirker (1965, S. 89) stellt weiterhin fest,
daß der Führungsapparat "sowohl personell wie auch in seiner formalen
Organisation schwach ist." Er unterstreicht dies, indem er auf die
Verschiedenheit der Führungsaufgaben hinweist. Das sind zum einen die Leitung
der Zentralgenossenschaft bzw. Dachorganisation der Genossenschaften in Israel,
zum anderen die Leitung der industriellen Holdinggesellschaft, die alle
Unternehmen, die sich im kollektiven Eigentum der Mitgliedschaft befinden,
umfaßt. Daher ist zu folgern, daß die Zentrale der Hevrat Ovdim einen geringen
Grad an Autorität und umgekehrt die Genossenschaften und Unternehmen
"einen hohen Grad an Selbständigkeit und sogar der faktischen
Autonomie" besitzen (Pirker, 1965, S. 89 f.).
Sind
daher Unternehmen wie die Solel Boneh oder die Koor-Gruppe, die Pirker (1965,
S. 87 f.) als Unternehmen kapitalistischen Typs bezeichnet, da sie eine
"manageriell-autoritäre" Unternehmensleitung besitzen, vergleichbar
mit privatwirtschaftlichen Unternehmen? Ist also das Verhalten der Manager und
Angestellten dieses Sektors als ökonomisch-rational einzustufen? Einige
Aspekte, die sich aus der bisherigen Untersuchung ergeben, sprechen gegen ein
solches Verhalten:
Das
Prinzip des Parteienproporzes auf allen Leitungsebenen führt zu einer
Spolien-Bürokratie. Denjenigen, die aus politischen Auseinandersetzungen (z.B.
bei Wahlen) als Sieger hervorgehen, fällt die Beute (Spolie) zu (vgl. Pirker,
1965, S. 23). Damit ist es notwendig, sich Kompetenz für politische Auseinandersetzungen
anzueigenen. Diese ist allerdings nicht gleichzusetzen mit Kompetenz für
wirtschaftliche Entscheidungen.
Das
hat zur Folge, daß ähnlich wie im Staatssektor, Positionen mit wirtschaftlich
inkompetenten Personen besetzt werden. Zum einen steht aufgrund des
Proporzprinzips nicht die Qualifikation, sondern die Zugehörigkeit zur
'richtigen' Partei im Vordergrund, zum anderen entstehen vielfältige
Möglichkeiten für Vetternwirtschaft und Patronageverhalten.
Ein
weiterer Unterschied zum privaten Sektor, der sich im Verhalten der Beschäftigten
bemerkbar macht, ist das Fehlen bestimmter Leistungsanreize, da "kein Teil
der Profite der Hevrat Ovdim unter ihre Mitglieder verteilt werden darf"
(Malkosh, 1961, S. 62).
Der
allgemeine Primat der Politik führt schließlich dazu, daß nicht ein ökonomisch-
rationales, sondern ein politisch-rationales Verhalten vorherrscht: "Most
managers in the public and Histadrut sector were aware of the fact that to
continue in their job they had to cater to certain interests. They did not have to be profitable, but to make
sure they maintained employment. Profitability was more a means to keep
autonomy than a necessity" (Aharoni, 1991, S. 184). Die
politische Notwendigkeit Arbeitsplätze zu schaffen bzw. zu erhalten, rangierte
also auch in diesem Sektor vor der wirtschaftlichen Notwendigkeit eines
ökonomisch rationalen Verhaltens.
Der
Unternehmensbereich der Genossenschaften unter dem Dach der Hevrat Ovdim
besitzt eine abweichende institutionelle Struktur.[295] Das
läßt auf ein anderes Verhalten der dort Beschäftigten schließen. Im Gegensatz
zu den eigenen Unternehmen der Hevrat Ovdim, besitzen alle Genossenschaften
eine relativ autonome Eigenführung. Zu unterscheiden sind im
genossenschaftlichen Bereich die Einkaufs-, Absatz- und Transportkooperativen
einerseits und die Kibbutzim und Moschavim andererseits (vgl. Abbildung 4). Für
diese ist aufgrund der Autonomie ein eher ökonomisch-rationales Verhalten der
Beschäftigten zu erwarten, welches dem Verhalten der Mitglieder einer
Genossenschaft deutscher Rechtsform ähnlich ist (Scheftelowitz, 1984, S. 14).
Auf jene wird im folgenden Abschnitt ausführlich eingegangen.
Damit
bleibt der Bereich der Arbeitnehmervertretung, als weiteres Tätigkeitsfeld der
Histadrut, zu untersuchen. Hier stellt sich die Frage, ob und wie die Politik
der Gewerkschaft Einfluß auf das Verhalten der Beschäftigten in den
verschiedenen Eigentumssektoren ausübt. Dazu ist zuerst die Monopolstellung der
Histadrut auf dem Gebiet der Arbeitnehmervertretung zu beleuchten.
Shalev (1992, S. 24) zeichnet ein deutliches
Bild: "As a trade union, the Histadrut claims some three-quarters of all
wage-earners as members and represents even more (about 85 per cent) in
negotiating collective agreements, which are often legally binding on the
entire relevant labour force. Palestinians living in occupied West Bank and Gaza
are not eligible for Histadrut membership. But approximately three-quarters of
all Israeli citizens - men, women, and children, Jews and non-Jews - belong to
the 'Histadrut population' in the broadest sense; meaning that their medical
care is provided by the Histadrut's Sick Fund (Kupat Cholim)."
Unter
dem Begriff 'collective agreements' sind Tarifverhandlungen auf nationaler
Ebene zu verstehen, deren Ergebnisse für nahezu den gesamten Arbeitsmarkt
bindend sind. Offizieller Verhandlungspartner ist die PEA (Private Employers'
Association) und inoffizieller Vermittler ist die Regierung.[296] Mit
sog. 'side payments', wie Steuererleichterungen, Subventionen und anderen
Finanzhilfen, kommt der Regierung eine wichtige Rolle bei den Verhandlungen zu.
Der Hauptpunkt der Auseinandersetzung war in den zurückliegenden Jahren die
Festsetzung des Lohnindex, der 'Cost Of Living Allowance' (COLA) genannt wird.
Die Lohnhöhe ist dabei direkt an den CPI (Consumer Price Index) gekoppelt, der
die Entwicklung der Inflationsrate widerspiegelt. Zur Verhandlung steht dann
die prozentuale Höhe der COLA im Verhältnis zum CPI (Razin/Sadka, 1993, S. 8
f.). Einerseits stellt diese Art der vertraglichen Vereinbarung einen eleganten
Weg zu späteren Nachbesserungen ohne Neuverhandlungen dar (vgl. Plessner, 1994,
S. 195), andererseits ergibt sich aber auch die Möglichkeit, den Vertrag zu
unterlaufen: Da der CPI aus einem repräsentativen Warenkorb ermittelt wird,
"versteht es sich von selbst, daß die Regierung versucht war, durch Subventionierung
bestimmter Gruppen von Waren zu bestimmten Zeitpunkten den
Lebenshaltungskostenindex zu manipulieren - ohne Rücksicht auf die volkswirtschaftlichen
Rückwirkungen" (Pirker, 1965, S.114).
Die
Rückwirkungen zeigten sich in der Wirtschaftskrise der achtziger Jahre. Der Mechanismus zwischen COLA-Vereinbarungen und
inflatorischen Folgen ist leicht nachvollziehbar: "But if the workers are
compensated for the higher food prices, then producers will face higher wage
costs, thus aggravating their plight. If they have no other recourse,
unemployment will follow. The alternative is to pump demand into economy
through monetary expansion. When this is done, then prices will climb not only
because of decreased supply, but also because of increased demand. Unemployment
will thus be averted at the cost of inflation" (Plessner, 1994, S. 198 f.). Die Auswirkungen der Inflation auf eine
Volkswirtschaft und auf das Verhalten der darin tätigen Personen brauchen hier
nicht näher erläutert zu werden (vgl. dazu von Hayek, 1971, S. 422 ff.).
Insgesamt
ist festzuhalten, daß die gesamte Wirtschaft einem institutionalisierten
Arbeitsmarkt gegenübersteht, der im eigentlichen Sinn kein Markt mehr ist, da
der Preis für Arbeit nicht über Angebot und Nachfrage gebildet wird. Damit ist
die Möglichkeit, Anreize bzw. Motivation durch leistungsadäquate Bezahlung zu
erzeugen, weitgehend ausgeschlossen. Im Hinblick auf eine Förderung
ökonomisch-rationalen Verhaltens ist die Monopolstellung der Histadrut auf dem
Arbeitsmarkt und die Art der Lohnvereinbarungen eindeutig als kontraproduktiv
zu beurteilen.
Im
Unternehmenssektor der Histadrut ist zwar eine relative Autonomie der eigenen
Unternehmen gegeben, allerdings behindern Parteienproporz, Vetternwirtschaft,
das Fehlen von Leistungsanreizen und der Primat der Politik ein ökonomisch
rationales Verhalten der Beschäftigten dieses Sektors. Damit ist hier ein
Verhalten vorzufinden, das vergleichbar ist, mit dem Verhalten der
Beschäftigten des öffentlichen Sektors.
4.4 Ländliche
Kooperationsformen
Die
hier zu untersuchenden Siedlungsarten sind organisatorisch in der Histadrut
zusammengeschlossen (vgl. Wolffsohn, 1995, S. 335). Da die
Eigentumsverhältnisse innerhalb der Siedlungen deutlich von jenen zu unterscheiden
sind, die in Histadrut-eigenen Unternehmen vorherrschen und zudem eine
weitgehende Eigenständigkeit gegenüber dem Dachverband existiert, wird dieser
Eigentumssektor hier gesondert betrachtet (vgl. Pirker, 1965, S. 77).
Bevor
die wesentlichen Unterschiede zwischen den drei Siedlungstypen aufgezeigt
werden, interessiert zunächst die wirtschaftliche und politische Bedeutung der
Siedlungen innerhalb der israelischen Gesellschaft. Dazu ist es erforderlich,
nochmals auf die Anfänge der Kolonisation zu blicken. Im zweiten Kapitel wurde
gezeigt, daß die Okkupation von Land, zwecks Errichtung einer Heimstätte für
das jüdische Volk, vorrangiges Ziel zionistischer Bestrebungen war. Die ZWO,
als politisch und finanziell maßgebende Organisation für diese Aufgabe, kaufte
mit dem Geld des JNF Land in Palästina. Über den Foundation Fund (Keren
Hayesod)[297]
finanzierte sie die Gründung von Kibbutzim und Moschavim auf den gekauften
Grundstücken. Aufbau und Struktur dieser Siedlungen, bzw. die Art der
Verteilung von Handlungsrechten, waren gut geeignet, die Kolonisten auf dem Weg
zur Staatsgründung voran zu bringen (vgl. Plessner, 1994, S. 62 - 66; Daniel,
1976, Bd. I, S. 25).[298]
Auf
diese Weise entwickelte sich vor allem der Kibbutz bald zum Vorbild für die
neue jüdische Gesellschaft. "Der landwirtschaftliche Pionier, der Chalutz
war das Ideal, und so sollte die ganze Gesellschaft werden; anders als in der
Diaspora, wo die Juden ein Volk der Händler und des Dienstleistungsbereichs
waren. Kurzum, der 'neue jüdische Mensch' sollte hier entstehen"
(Wolffsohn, 1995, S. 343 f.). Die 'Eroberung der Arbeit', der Besitz der
'eigenen Scholle' und andere politisch - ideologische Ziele der
Arbeiterparteien, konnten in den Kibbutzim und Moschavim verwirklicht werden
(vgl. Pallmann, 1966, S. 26 f.).[299]
Die
damalige wirtschaftliche Bedeutung der Siedlungen zeigt sich durch den Blick
auf den Anteil der Beschäftigten im landwirtschaftlichen Bereich: Im Jahr 1936
waren 44,9% aller Beschäftigten in der Landwirtschaft tätig. Im Jahr 1945 waren
es noch 32,1%, bis 1988 ging der Anteil auf 4,6% zurück. Gleichzeitig ging der
Anteil der Landwirtschaft am Nettoinlandsprodukt von 11% im Jahr 1952 auf 5% im
Jahr 1986 zurück (vgl. Wolffsohn, 1991, S. 381).
Beide
Entwicklungen zusammen zeigen eine Verlagerung von der Landwirtschaft zu
anderen Wirtschaftsbranchen und gleichzeitig den Ersatz menschlicher Arbeit
durch Maschinen. Dieser Verlauf hat jedoch nicht auch dazu geführt, daß sich
die Zahl der Kibbutzim und Moschavim reduziert hätte, vielmehr haben sich diese
im Laufe der Zeit ökonomisch differenziert, d.h. sie sind selbst in anderen
Wirtschaftsbranchen, vor allem im industriellen Bereich, tätig geworden.
Innerhalb
der Siedlungen wurden Industrieanlagen errichtet. Diese produzieren
hauptsächlich in den Bereichen Metall, Plastik, Nahrungsmittel, Holz und Möbel.
Weiterhin wurden Kibbutzniks/Moschavniks zunehmend außerhalb ihrer Siedlung
tätig. Sie arbeiten als Fachleute in Unternehmen in der freien-, der Histadrut-
oder der staatlichen Wirtschaft (vgl. Wolffsohn, 1995, S. 348; Heinsohn, 1982,
S. 90).[300]
Trotz
der ökonomischen Differenzierung ist die wirtschaftliche Bedeutung der
Siedlungen heute eher niedrig einzustufen. Wolffsohn (1995, S. 420) sieht u.a.
in dieser Entwicklung die Ursache für den Verlust des ehemals hohen
Sozialprestiges der Siedlungsmitglieder.
Von der
schwachen wirtschaftlichen Position ist allerdings nicht auf eine schwache
politische Stellung zu schließen. Wenn im zweiten Kapitel die verschiedenen
Einwanderungswellen unterschieden wurden, dann auch deshalb, weil in der
israelischen Gesellschaft das Senioritätsprinzip eine große Rolle spielt.
Danach steht den zuerst gekommenen Olim das Recht zur Führung der Gesellschaft
zu. Der ankommende Immigrant muß - unabhängig von seinen Fähigkeiten und seiner
bisherigen Stellung - neu, d.h. von 'unten' anfangen. In Israel trifft dieses
Prinzip auf ganze Gruppen, die Alijas, zu. "Familiäre und kommunalistische
Beziehungen spielen [daher] in der Frage des sozialen Aufstiegs zu politischer
Führung, in der israelischen Gesellschaft eine noch größere Rolle, als sie es
in anderen Gesellschaftsordnungen tun" (Pirker, 1965, S. 39).[301] Vor
diesem Hintergrund wird deutlich, daß den Kibbutzim und Moschavim, als
Gründungsorganisationen des Staates, trotz ihrer wirtschaftlich schwachen
Stellung, nach wie vor eine politisch machtvolle Position innerhalb der
Gesellschaft zukommt.
Als
Interessengruppe sind die Siedlungsorganisationen schwer einzuordnen, "da
sie eine Zwitterstellung zwischen Partei, Parteikern, parteiinterner Fraktion
bzw. Faktion und Verband einnehmen" (Wolffsohn, 1995, S. 344). Sie stellen
das Gros der politischen Führer, da sie die Parteikerne der konkurrierenden
Arbeiterparteien bilden (vgl. Wolffsohn, 1995, S. 343 ff.; Pirker, 1965, S.
42).
Die
Auswirkungen dieser politisch machtvollen Position werden bei der Betrachtung
der wirtschaftlichen Entwicklung der Siedlungsorganisationen erkennbar: Zu
Beginn der achtziger Jahre befand sich die gesamte Wirtschaft in einer Krise,
die auch die Kibbutzim und Moschavim in finanzielle Schwierigkeiten brachte. So
hatten Ende 1989 allein die Kibbutzim etwa fünf Milliarden DM Schulden (vgl.
Wolffsohn, 1991, S. 317, 386). An der Art und Weise der Bewältigung dieser
Krise sind zwei Aspekte hervorzuheben:
Die
Banken zeigten großzügiges Entgegenkommen und erließen eine Milliarde DM
Schulden. Die Regierung schrieb 650 Millionen DM ab und dehnte den Rückzahlungszeitraum
auf 25 Jahre aus. Damit wird zum einen der Primat der Politik auch in diesem
Sektor deutlich und zum anderen die starke Position der Siedlungsorganisationen
im politischen Entscheidungsprozeß (vgl. Wolffsohn, 1991, S. 317).
Gleichzeitig
kam es innerhalb der Siedlungsorganisationen zu einer Auflösung von Prinzipien
und einer Abkehr von der Chalutz-Ideologie. Auswärtige Lohnarbeit der
Mitglieder wurde erlaubt, Arbeiter, die nicht dem Kollektiv angehören, wurden
zugelassen, Mieter wurden aufgenommen und die ehemals nur für Kibbutz-Kinder
betriebenen Schulen auch für Kinder der Moschavim und Kinder aus den Städten
geöffnet (vgl. Wolffsohn, 1991, S. 317).
Ob die
Ursachen dieser Krise eher im makroökonomischen und gesamtwirtschaftlichen
Bereich zu suchen sind, oder ob das "mikrosozialistische Experiment"
der Gemeinschaftssiedlung gescheitert ist, läßt sich schwer beurteilen. Die
folgende Betrachtung der handlungsrechtlichen Unterschiede zwischen den
Siedlungstypen und die anschließende Untersuchung der Wirkung von
Handlungsrechten auf mikroökonomischer Ebene - am Beispiel der Organisation
eines Kibbutz' - soll Aufschluß über diese Frage geben.
Als
maßgebende Unterscheidungskriterien zwischen den Siedlungen soll zum einen der Kooperationsgrad
und zum anderen der Grad der Vergesellschaftung von Eigentumsrechten dienen
(vgl. Pallmann, 1966, S. 54 ff.).
4.4.1 Die kooperative
Kleineigentümersiedlung (Moschav Ovdim)
Zuerst
entstand die Idee, einen anderen Weg bei der Gründung und beim Aufbau von
kooperativen Siedlungen zu gehen, als ihn 1909 die Kibbutz-Bewegung
eingeschlagen hatte. So wurde elf Jahre nach Gründung des ersten Kibbutz der
erste Moschav Ovdim gegründet.[302] Er
sollte als strukturelle und ideologische Antithese gegenüber den Kibbutzim
verstanden werden (Daniel, 1976, Bd. I, S. 80).
Nach
dem eingangs definierten Maßstab befindet sich der Moschav Ovdim am unteren
Ende, was den Kooperations- und Vergesellschaftungsgrad anbetrifft, während der
Kibbutz oben seinen Platz hat. Der bewirtschaftete Boden befindet sich im
Moschav Ovdim zwar wie bei den übrigen Siedlungstypen auch im Staatseigentum,
allerdings besitzt jeder Bauer seine 'eigene' Parzelle (Wolffsohn, 1995, S. 349
f.; Pallmann, 1966, S. 58). Die Landstücke werden für den Zeitraum von 49
Jahren vom Moschav Ovdim gepachtet und in Erbpacht an die einzelnen Siedler
weiter gegeben. Die Äcker sind alle von möglichst gleicher Qualität und
gleicher Größe. Es ist weder erlaubt, sie zu vergrößern, noch von anderen
Farmern Parzellen anzumieten. Stirbt der Pächter, dann hat zunächst seine
Familie das Recht, zu bestimmen wer die Parzelle übernimmt.[303]
Verläßt ein Pächter mit seiner Familie die Kooperative, dann fällt das
Landstück an diese zurück (vgl. Daniel, 1976, Bd. I, S. 80).
Die
übrigen Produktionsmittel, mit Ausnahme von schwerem bzw. teurem Gerät (z.B.
Mähdrescher, Schlepper etc.) befinden sich im Privateigentum der einzelnen
Genossen (vgl. Pallmann, 1966, S. 58). Das Bewirtschaften des Bodens geschieht
grundsätzlich individuell. Jede Familie bearbeitet ausschließlich ihre
Parzelle. Demnach stehen auch die Erträge aus dem Boden ausschließlich den
einzelnen Pächtern zu.[304] Dabei
ist zu berücksichtigen, daß sowohl der Einkauf aller Produktionsmittel und
vieler Konsumgüter, als auch die Vermarktung der erzeugten Produkte,
obligatorisch kooperativ erfolgen. Individueller Ein- und Verkauf dieser Waren
auf dem freien Markt sind nicht gestattet.
Die
notwendigen Produktionsmittel und Konsumgüter werden über die
Histadrut-Einkaufsgenossenschaft Hamashbir Hamerkazi bezogen. Die Vermarktung
erfolgt über die Histadrut-Marketinggesellschaft Tnuva (vgl. Daniel, 1976, Bd.
I, S. 79).
Damit
sind die Verfügungsrechte der Einzelbauern stark auf die genossenschaftliche
Gemeinschaft hin relativiert, während die Aneignungsrechte weitgehend exklusiv
und individuell gestaltet sind.
Im
Moschav Ovdim - wie auch in den anderen Siedlungstypen - gilt das Prinzip der
Selbstarbeit und der gegenseitigen Hilfe. Selbstarbeit heißt, daß möglichst
alle anfallenden Tätigkeiten von den Mitgliedern der Kooperative verrichtet
werden sollen.[305] Das
Prinzip der gegenseitigen Hilfe verpflichtet die Genossen bei Krankheit,
Abwesenheit u.ä. eines Mitglieds, die notwendigen Unterstützungsleistungen zu
erbringen (vgl. Daniel, 1976, Bd. I, S. 79 f.;
Pallmann, 1966, S. 58 f.).
Im
Habitatbereich befinden sich nahezu alle Anlagen (Kulturgebäude, Schulen etc.)
im Kollektiveigentum. Die Wohnhäuser gehören rein rechtlich zwar ebenfalls der
Gemeinschaft, da aber jede Familie ein eigenes Haus bewohnt und eventuell
erbrachte Wertmehrungen am Wohnhaus, wie auch am gepachteten Boden, beim
Austritt aus der Genossenschaft vergütet werden, ist die Klassifikation als
Familieneigentum am treffendsten (vgl. Pallmann, 1966, S. 60, Plessner, 1994,
S. 63).
Gegenüber
den Betriebs- und Habitatkollektiven der Kibbutzim kann in den Kleinbetrieben
der Moschav Ovdim kein gleichermaßen elastischer Einsatz von Arbeitskräften
erfolgen. Administrative Funktionen und andere Dienste werden daher in der Regel
von externem, angestelltem Personal verrichtet. Ein effektiver Einsatz der
teuren Landmaschinen ist trotz der kooperativen Maschinenzentren oft nicht
möglich, da häufig viele Bauern eine bestimmte Maschine gleichzeitig zu dem für
sie optimalen Zeitpunkt einsetzen wollen. Die Folge ist ein niedriger
Mechanisierungsgrad und die Spezialisierung auf arbeitsintensive Kulturen, wie
Milchwirtschaft und Geflügelzucht. Weiterhin ist zu berücksichtigen, daß jede
Familie einen eigenen Haushalt führt.
Damit
zeigt sich, daß die Arbeitsbelastung der einzelnen Moschav Ovdim Mitglieder
schon aus technischen Gründen wesentlich höher, ist als beispielsweise im
Kibbutz. Andererseits sind die Leistungsanreize höher, da jede Familie einen
eigenen Betrieb und Haushalt führt und die Erlöse der Arbeit weitgehend
individuell und exklusiv zugeordnet werden. Gleichzeitig bietet der kooperative
Rahmen - beispielsweise durch die Vermarktungsgarantie der hergestellten
Produkte, die Verpflichtung zur gegenseitigen Hilfe und auch durch die Sozial-
und Altersversorgung über die Histadrut Krankenkasse Kupat Cholim - einen
höheren Schutz, als in den Privateigentümersiedlungen (vgl. Pallmann, 1966, S.
59 ff.).[306]
4.4.2 Der Kollektiv-Moschav (Moschav Schitufi)
Der
erste Moschav Schitufi wurde 1936 in Galliläa gegründet. Vor dem Hintergrund
der Erfahrungen, die mit Kibbutzim und Moschavim Ovdim gemacht worden sind,
sollten die Vorteile beider Siedlungstypen kombiniert und die Nachteile
vermieden werden. Das Ergebnis ist eine Form von landwirtschaftlicher Siedlung,
in der sich alle Produktionsmittel und Habitatanlagen im Kollektiveigentum
befinden. Jede Familie bewahrt allerdings ihre Existenz als Einheit, indem sie
ein eigenes Haus bewohnt und einen individuellen Haushalt führt (vgl. Daniel, 1976,
Bd. I, S. 99).
Da die
Philosophie und der strukturelle Aufbau dieser Siedlungen im wesentlichen auf
den gleichen Prinzipien wie die Kibbutzim basieren, soll - neben des eigenen
Hauses - noch ein weiteres Unterscheidungsmerkmal hervorgehoben werden.[307] Im
Kibbutz wird ein Großteil der Mittelzuweisungen durch kollektive
Dienstleistungen und Gutscheine für Naturalbezug getätigt. Dagegen wird im
Moschav Schitufi der Hauptteil in Form eines periodischen Budgets - in eigener
Siedlungswährung - an die Mitglieder ausgegeben. Dieses Geld kann in
Landeswährung umgetauscht werden und steht damit für individuelle Konsumzwecke
zur Verfügung. Das sog. 'freie Budget' und der eigene Haushalt sind die
Hauptunterscheidungsmerkmale zum Kibbutz und gleichzeitig auch die Hauptgründe
für den Eintritt in einen Moschav Schitufi(vgl. Pallmann, 1966, S. 55 - 58).
Von den
bisher betrachteten Siedlungstypen ist der Kibbutz sowohl bei der Intensität der
Kooperation als auch im Grad der Vergesellschaftung von Besitzgütern an erster
Stelle. Ein Blick in die Statuten der Vereinigten Kibbutzbewegungen[308]
verdeutlicht die handlungsrechtliche Struktur innerhalb dieser Siedlungen:
"§3
Der Kibbutz ist eine freie Vereinigung von Personen zum Zweck der Errichtung,
Integration und Bewirtschaftung einer kollektiven Siedlung, die nach den
Prinzipien von gemeinschaftlichem Eigentum an Grundbesitz, eigener Arbeit,
Gleichheit und Zusammenarbeit in den Bereichen der Produktion, des Konsums und
der Erziehung organisiert ist. Der Kibbutz ist eine eigenständige Siedlung. Der
Kibbutz versteht sich als integraler Teil der Arbeiterbewegung in Israel,[309] als
Pionier des nationalen Neubeginns, und sein Ziel ist die Errichtung einer
sozialistischen Gesellschaft in Israel, die auf wirtschaftlicher und sozialer
Gleichheit basiert.
§4
Jedes Mitglied des Kibbutz soll seinen ständigen Wohnsitz im Kibbutz nehmen,
seine volle Arbeitskraft dem Kibbutz zur Verfügung stellen und sein ganzes Einkommen
und Vermögen dem Kibbutz übertragen; der Kibbutz soll dem Mitglied seine Arbeit
und alles, was damit verbunden ist, zuweisen, für seine Bedürfnisse und die
seiner Angehörigen, die im Kibbutz wohnen, aufkommen" (zit. Heinsohn,
1982,
S. 157 f.).
Die
angestrebte Kooperation erstreckt sich über alle Lebensbereiche. Sowohl im
betrieblichen- als auch im Habitatbereich, wird das volle Engagement der
Mitglieder für das Kollektiv erwartet und dafür die volle Versorgung der
Kibbutzniks durch das Kollektiv garantiert. Verfügungs- und Aneignungsrechte
sind damit vom Einzelnen auf das Kollektiv übertragen.[310] Anders
als in den übrigen Siedlungstypen gibt es keine eigenen Haushalte und nur ein
geringes 'freies Budget' (vgl. Pallmann, 1966, S. 24).[311] Über
das Kapital des Kibbutz gibt Kapitel 4 der Statuten weitere Auskunft:
"§
42 Der Kibbutz hat kein Aktienkapital. Der Kibbutznik hat keine Besitzrechte im
Kibbutz. Der Kibbutz erhebt keinerlei Aufnahmegebühr.
§ 43
Der Kibbutznik hat keine persönliche Verantwortung für Schulden oder
Verpflichtungen des Kibbutz, weder während seines Bestehens noch bei seiner
Liquidation.
§ 44
Der Besitz des Kibbutz kann nicht unter seine Mitglieder verteilt werden, weder
während seines Bestehens noch bei seiner Auflösung.
§ 45
Der Kibbutz verteilt keinen Gewinn in irgendeiner Form, und jeder Profit wird
dem unabhängigen Kapital des Kibbutz hinzugefügt" (zit. Heinsohn, 1982,
S.166).
Der
gesamte Besitz des Kibbutz ist damit Gemeinschaftseigentum, der Rechtstitel ist
der des Kollektiveigentums (vgl. Barkai, 1982, S. 23). Über die Verwendung und
den Einsatz von Kapital und Arbeit bestimmen die Organe des Kibbutz. Diese
werden von den Mitgliedern auf der Generalversammlung gewählt (Abb. 5):
Abbildung
5: Struktur und Verwaltung des
Kibbutz
Quelle: Barkai, 1982, S. 21.
Die
Vielzahl der Komitees und Leitungsfunktionen bedeutet auch, daß ein Großteil
der Kibbutzniks an der Verwaltung der Gemeinschaft beteiligt ist: "Da zudem
das Rotationsprinzip praktiziert wird, ist potentiell jedermann von Zeit zu
Zeit mit Verwaltungs- und Leitungstätigkeiten befaßt. Wenn man also ein System
der Leitung kommunaler Angelegenheiten als Selbstverwaltung bezeichnen kann,
dann das des Kibbutz" (Barkai, 1982, S. 22; vgl. auch Pallmann, 1966, S.
24; Liegle, 1973, S. 22).
Im
Hinblick auf die Frage, wie sich diese kollektive Organisationsform auf das
(wirtschaftliche) Verhalten ihrer Mitglieder auswirkt, werden der Untersuchung
von Barkai (1982, S.23 - 39) folgend, drei Bereiche aufgezeigt, in denen sich
der Kibbutz von einer durch Manager geführten Unternehmung unterscheidet.
Es
ergibt sich ein Motivationsproblem. Trotz nicht vorhandener, differenzierter,
materieller Vorteile bzw. Anreize des Einzelnen, müssen die
Produktionseinheiten im ökonomischen Sinn effizient funktionieren, da sich der
Kibbutz als Ganzes in einem wettbewerblichen Rahmen bewegt. Der
Produktionssektor ist in Branchen unterteilt, die jeweils von einem Team
geleitet werden. Das Team besteht aus einer Gruppe erfahrener Mitarbeiter, die
der Branche für mehrere Jahre zugeordnet sind. Sowohl die Struktur innerhalb
der Teams, als auch die Leitung der Branche sind formloser Natur, d.h. die
formale Hierarchie tritt zugunsten einer informalen, vorwiegend auf Kompetenz
und ähnlichen Fähigkeiten beruhenden Rangfolge in den Hintergrund (vgl. Barkai,
1982, S. 23 f.; Abbildung 5).
Um das
effiziente Funktionieren der so strukturierten Branchen zu gewährleisten, ist
eine tiefergehende Motivation der Beteiligten erforderlich. Da Anreize nicht
durch materielle Vorteile entstehen können, sind "Respekt und Achtung vor
guter Arbeit und für den Erfolg bei der Wahrnehmung unternehmerischer
Funktionen (...) zweifellos von Bedeutung für die Motivation des einzelnen zur
Arbeit und zur Übernahme von Verantwortung im Kibbutz; entsprechende
Unzufriedenheit mit Drückebergern stellt in einer eng verflochtenen
Gemeinschaft - und dazu zählt selbst der größte Kibbutz - ein starkes
Sanktionsmittel dar" (Barkai, 1982, S. 24 f.).[312]
Entscheidend für die Bewältigung des Motivationsproblems und für das Maß des
persönlichen Einsatzes ist die Ideologie und damit verbunden die intellektuelle
Fähigkeit "der Mitglieder, komplizierte abstrakte Sachverhalte zu
verstehen, zu verarbeiten und in Motivation umzusetzen" (Barkai, 1982, S.
25).
Zweitens
ergibt sich ein technisches bzw. ein Produkionsproblem. In einer idealen
Marktwirtschaft sind die Produktionsfaktoren (relativ) frei miteinander
kombinierbar. Dagegen sind im Kibbutz die Faktoren Boden und Arbeit in relativ
konstantem Umfang vorgegeben und nach Qualität und Quantität determiniert.
Damit sind die Kombinationsmöglichkeiten eingeschränkt. Ebenfalls vorgegeben
sind die Preise für die hergestellten Produkte.
Grundsätzlich lassen sich diese
Schwierigkeiten mit einem mikroökonomischen Instrumentarium rechnerisch
bewältigen. Unter Berücksichtigung der Konstanten wird eine Faktorkombination
gewählt, die eine Maximierung der Differenz zwischen Erlösen und (alternativen)
Kosten erbringt (vgl. Barkai, 1982, S. 26 f.).
Dazu ist
es notwendig, 'Schattenpreise' für Boden und Arbeit zu errechnen. Diese stellen
die alternativen Kosten für Arbeit und Boden vom Standpunkt des Kibbutz dar.
Ein echtes Problem tritt dann auf, wenn der 'Schattenpreis' der Arbeit den
Marktpreis für Arbeit übersteigt. In diesem Moment steht der Kibbutz vor der
Entscheidung, entweder von erfolgversprechenden Produktionszweigen Abstand zu
nehmen, oder Lohnarbeiter einzustellen. Letzteres würde zwar zu einer Erhöhung
des Kibbutz Einkommens führen, gleichzeitig aber gegen das Prinzip der Selbstarbeit
verstoßen. Eine Prinzipienaufweichung birgt allerdings wiederum die Gefahr der
Beeinträchtigung der Arbeitsmotivation in sich, da diese größtenteils aus
ideologischen Motiven abgeleitet ist. Schließlich würde die
Rechtfertigungsgrundlage des Kibbutz, als sozialistisches Kollektivgebilde in
Frage gestellt. Daher wurde die teilweise Einstellung von Lohnarbeitern in den
fünfziger und sechziger Jahren - zur Zeit der industriellen Expansion - stets
als Überbrückungsmaßnahme deklariert (vgl. Barkai, 1982, S. 29 - 32).
Damit
ist auch schon der dritte Aspekt, nämlich das sozialistische Gleichheitsprinzip,
tangiert. Durch die Auflösung der Verbindung von individuellem
Produktionsbeitrag und persönlichem Einkommen - als Folge der Umsetzung des
Gleichheitsprinzips - wird die Frage nach der Art der Allokation der Erträge
aufgeworfen. Barkai (1982, S. 33) nennt in diesem Zusammenhang drei zu
erfüllende Bedingungen: "Unterschiede des persönlichen Geschmacks müssen
zugelassen werden, ferner die Anpassung des Lebensstandards an das
Realeinkommen, und es muß in einem nicht-mechanistischen Sinn Gleichheit
sichergestellt werden"; wobei die drei Bedingungen nicht notwendigerweise
miteinander verträglich sind.
Bei der
Nahrungsmittelverteilung wurde durch den gemeinsamen Eßsaal und das zunehmend
größere Angebot an verschiedenen Speisen den Bedingungen genügt. In anderen
Bereichen gestaltet sich die "kollektive Konsumption" schwieriger. Es
liegt auf der Hand, daß die individuellen Bedürfnisse zu unterschiedlich sind,
als daß der Kibbutz ähnliche Systeme, wie bei der Nahrungsmittelverteilung, auf
alle Konsumbereiche anwenden könnte.[313]
Ein
'persönliches Budget' zur Befriedigung individueller Bedürfnisse war erforderlich.
Der Umfang, den dieses Budget haben soll, ist bis heute ein ständiger Streitpunkt.
Die von Barkai (1982, S. 36 - 39) geschilderte Kontroverse zwischen
Traditionalisten (kleineres freies Budget) und der individualistischeren
Position der vorwiegend jüngeren Generation (größeres freies Budget) hat sich
in den vergangenen Jahren eher verschärft, so daß eine Spaltung in zwei Lager
zu erwarten ist.
Als
Gründe, die trotz dieser Unterschiede und den daraus resultierenden Problemen,
zur relativ beständigen Existenz der Kibbutz-Bewegung beigetragen haben, nennt
Barkai (1982, S. 45) folgende:
erstens
die hohe interne Faktormobilität (economies of scale)
zweitens
der einfache Zugang zu Schulungs- und Lerneinrichtungen, was ebenfalls zu einer
schnellen Qualitätsanpassung beiträgt und
drittens
die Verschmelzung von Zionismus und Sozialismus, als gelungene Verknüpfung von
Pragmatik und Ideologie.
Die
Wirksamkeit der genannten Faktoren belegt eine Untersuchung von Prof. Mellmann
(Columbia University), die Daniel (1976, Bd. I, S. 59 - 61) im Abschnitt über
die Effizienz von Kibbutz-Industriefirmen darstellt. Der Wissenschaftler untersuchte
Kibbutzim, die mit modernen Produktionsmethoden Standardprodukte für den
offenen Markt produzieren. Der Management-Prozeß innerhalb der Kooperative wird
im folgenden mit dem Ausdruck "cooperative decision-making"
bezeichnet.
Diese
Unternehmen werden verglichen mit korrespondierenden Firmen der
Privatindustrie. Der Entscheidungsprozeß in den privaten Unternehmen wird als
traditioneller Typ des autoritären Managements geschildert und in der weiteren
Untersuchung mit dem Ausdruck "managerial decision-making"
bezeichnet.
Die
Industrieunternehmen sind in Branchen[314]
eingeteilt und für jeden der vier untersuchten Indizes[315] ist
ein Mittelwert und Durchschnitt über alle Branchen errechnet:
Die
Produktivität ist gemessen als das Verhältnis von Umsatz zu geleisteten Arbeitsstunden
(Tab. 6):
Tabelle 6: Produktivitätsindex in Kibbutzunternehmen und privaten Industrieunternehmen
|
Managerial decision making |
Cooperative decision making |
Mittelwert |
10,76 |
13,61 |
Durchschnitt |
10,36 |
12,53 |
Quelle: Daniel, 1976, Bd. I, S. 60.
Die Produktivität
der Privatunternehmen liegt zwar in einigen Branchen leicht über
der
Produktivität der Kibbutzim, in den meisten Branchen ist dafür der Abstand zu
den Kibbutzim um so größer. Damit ist insgesamt sowohl im Mittelwert, als auch
im Durchschnitt die Produktivität in Kibbutz Unternehmen höher.
Die
Profitabilität ist zum einen (1) gemessen als Profit in Prozent des
investierten Kapitals und zum anderen (2) als Verhältnis von Umsatz zu
Anlagevermögen (Tab. 7):
Tabelle 7: Profitabilitätsindex in Kibbutzunternehmen und privaten Industrieunternehmen
|
Managerial decision making |
Cooperative decision making |
||
|
(1) |
(2) |
(1) |
(2) |
Mittelwert |
0,077 |
2,7 |
0,129 |
3,6 |
Durchschnitt |
0,194 |
2,6 |
0,271 |
3,6 |
Quelle: Daniel, 1976, Bd. I, S. 60.
In den
Branchen Werkzeugbau und Apparatebau ist der prozentuale Anteil des Profits am
investierten Kapital bei Privatunternehmen zwar höher, gleichzeitig aber das
Verhältnis von Umsatz zu Anlagevermögen niedriger, als bei Kibbutzim. Insgesamt
ist sowohl im Mittelwert, als auch im Durchschnitt aller Branchen, die
Profitabilität in den kooperativ geführten Unternehmen deutlich höher.
Die
Management-Effizienz ist gemessen als Nettoprofit in israelischen Pfund (IL)[316] pro
Arbeiter in der Produktion (Tab. 8):
Tabelle
8: Profit je Arbeiter
in der Produktion in Kibbutzunternehmen
und privaten Industrieunternehmen
|
Managerial
decision making |
Cooperative decision making |
Mittelwert |
899 IL |
1.912 IL |
Durchschnitt |
1.401 IL |
1.937 IL |
Quelle: Daniel,
1976, Bd. I, S. 61.
Bis auf
die Branchen Werkzeugbau und Apparatebau, wo der Profit in privaten Unternehmen
deutlich höher ist, liegt der Profit in Kibbutzunternehmen teilweise 300%
(Eisenguß) über dem von privaten Unternehmen. Damit ist auch hier ein klarer
Vorsprung der kooperativen Firmen festzustellen.
Für
den vierten Index wurden die Kosten des Managements ermittelt. Die Zahl der
benötigten Manager pro 100 Arbeiter in der Produktion war der Maßstab. Es
zeigte sich, daß bis auf die Branchen Maschinenbau und Werkzeugbau auch hier
die Kibbutzunternehmen vorne lagen, d.h. niedrigere Managementkosten zu verzeichnen
hatten.
Aus den
ermittelten Daten geht insgesamt hervor, daß die Kibbutzim eine höhere
Arbeitsproduktivität (26%), eine höhere Kapitalproduktivität (67%/33%), einen
höheren Nettoprofit pro Arbeiter in der Produktion (115%) und niedrigere
Managementkosten als vergleichbare private Unternehmen besitzen.
Ist
daher der Schluß zu ziehen, daß jede Gesellschaft nach dem Kibbutzmodell
organisiert sein sollte, da hier am ehesten ökonomisch effizient gewirtschaftet
wird? Ohne die oben dargestellte Untersuchung insgesamt in Zweifel zu ziehen,
sind einige Punkte zu nennen, die das Ergebnis relativieren:
Die
Untersuchung läßt offen, inwieweit die jeweiligen Unternehmen tatsächlich
vergleichbar sind. Es wird lediglich von "corresponding plants of the
traditional type" gesprochen, ohne einzelne Vergleichskriterien zu nennen.
Wie
in Abschnitt 4.1 und Tabelle 5 gezeigt, hängt die Arbeitsproduktivität auch vom
eingesetzten Kapital pro Mitarbeiter ab. In der hier vorgestellten Untersuchung
wird Arbeitsproduktivität allerdings definiert, als Umsatz im Verhältnis zu
insgesamt geleisteten Arbeitsstunden.
Darüber
hinaus ist zu berücksichtigen, daß sich eine Gesellschaft[317] ihre
Mitglieder nicht aussuchen kann. Im Kibbutz findet eine solche Selektion beim
Eintritt in die Kooperative statt. Nur Anwärter, die über ausreichend
Motivation und Idealismus verfügen, um jene außergewöhnlichen Leistungen zu
erbringen, werden aufgenommen.[318]
Umgekehrt
nehmen Beitrittswillige die gegebenen handlungsrechtlichen Regeln im Kibbutz
bewußt in Kauf und sind damit auch eher bereit, diesen zu folgen.[319]
Damit
ist gezeigt, daß ein Vergleich von Kibbutzunternehmen mit privaten Unternehmen
schwierig ist. Eine Übertragung dieses Modells auf ganze (staatliche)
Gesellschaften ist aufgrund der notwendigen Selektion der Mitglieder nicht
möglich. Bei Kibbutzunternehmen handelt sich somit um einen Sonderfall, der
eine Zwitterstellung zwischen Unternehmung und kommunaler Gesellschaft
einnimmt.
5 Die
Institutionenanalyse als Instrument zur Erklärung
von
Ordnungen
Zu
Beginn war zu klären, aus welchen Gründen keine eindeutige Zuordnung der
Produktionsmittel zu einem Eigentumssektor stattgefunden hat. Durch die These
von der Interdependenz gesellschaftlicher Teilordnungen - mit Handlungsrechten
als ordnungsbestimmender Kraft - konnte das Erkenntnisziel theoretisch
formuliert werden. Es war nach der Erklärung der Evolution von Regeln zu
fragen. Die Institutionentheorie von North führte zur Unterscheidung von
informalen und formalen Regeln, deren Aufgabe die Verminderung der Unsicherheit
menschlicher Interaktion ist. Um zu erklären, wie formlose Regeln entstehen,
verweist jener auf die Kultur, verstanden als Information, die in der
Gesellschaft weitergegeben bzw. vererbt wird (vgl. 1992, S. 44).
Das
führte zur Untersuchung der kulturellen Ordnung des Judentums und den dort
begründeten informalen Regeln. Es zeigte sich, daß die Regeln des Alten
Testaments individuellen Besitz einerseits konservieren, und andererseits stark
auf die soziale Gemeinschaft und Gott hin relativieren. Später wurde deutlich,
daß im heutigen Staat ähnliche Handlungsregeln existieren. Die teilweise
Vergesellschaftung von Produktionsmitteln, gesetzliche Bestimmungen zu
Landbesitz und die Verbreitung kollektiver Siedlungsformen brachten dies zum
Ausdruck.
Die
Zeit der Diaspora verstärkte die Bedeutung der als Kulturerbe überlieferten
Informationen und Regeln. Da während dieser Periode weder ein gemeinsames Land,
noch eine gemeinsame Sprache existierte, bildeten diese Regeln die einzige
Identifikationsgrundlage für eine jüdische Gemeinschaft. Weiterhin sind in der
Diaspora die Wurzeln für Teile der zionistischen und sozialistischen Ideologie
entstanden, die später bei der Wahl von Eigentumsregeln eine wichtige Rolle
spielten.
Mit dem
Baseler Programm wurden erste Handlungsregeln für den neuen Staat festgelegt.
Indem das Handlungsziel, nämlich die Schaffung einer gesicherten Heimstätte für
das jüdische Volk in Palästina, definiert wurde, hatten in der Folgezeit alle
diesem Ziel zweckdienlichen Handlungsregeln gute Aussicht auf Wahl und
Beibehaltung. Für den Aufbau der jüdischen Wirtschaft und Gesellschaft in Palästina
erschien es als zweckdienlich, sowohl Privatinitiativen, als auch kollektive
Anstrengungen zu unternehmen. Das Nebeneinander verschiedener Eigentumsformen
und verschiedener Träger wirtschaftlicher Aktivität brachte das
Kolonisationswerk voran (vgl. Sontheimer, 1968, S. 108).
Die
klare Zuordnung von Produktionsmitteln zu nur einem Sektor wäre zu dieser Zeit
weder möglich gewesen, noch hätte sie eine Beschleunigung des
Kolonisationstempos mit sich gebracht. Die Möglichkeit der Zuordnung war nicht
gegeben, da es einen jüdischen Souverän, der durch die Festlegung des formalen
handlungsrechtlichen Rahmens eine solche Zuordnung hätte treffen können, nicht
gab. Auf informaler Ebene waren die jüdischen Verhaltensnormen in diesem
Eigentumsbereich - durch den Einfluß anderer Kulturen und die
eigentumsrechtliche Fremdbestimmung - zu unterschiedlich. Es konnte keine klare
Festlegung der Eigentumsstruktur aufgrund intern bindender Rechtsnormen
erfolgen. Weiterhin war durch Festlegung keine Beschleunigung der Kolonisation
zu erwarten, da das englische Mandat, und die mit ihm verbundene
Eigentumsverfassung für die jüdische Privatinitiative förderlich waren, während
innere[320] und
äußere[321]
Institutionen gleichzeitig kollektive Bemühungen erforderten.
Die
weitere Entwicklung der Eigentumsregeln zeigt, daß auch nach Erlangung der
Souveränität keine eindeutige sektorale Zuordnung der Produktionsmittel erfolgt
ist. Es wurde ein formal-gesetzlicher Rahmen entwickelt, der die schon
vorhandene Dreigliedrigkeit[322] in der
Eigentumsverteilung weiterhin zuließ. Zwar fand eine Eigentumskonzentration
innerhalb der Sektoren statt, wesentliche Verschiebungen zwischen den Sektoren
erfolgten jedoch bis in die späten achtziger Jahre nicht.
Mit
North (1992, S. 44) argumentiert, könnte dies auf die Kontinuität informaler
Regeln zurückgeführt werden. Aber auch im Bereich der formalen Regeln ist eine
Kontinuität zu beobachten. Durch Anknüpfung an die englische und auch an die
türkische Gesetzgebung fand hier kein revolutionärer Bruch statt. Die von North
(1992, S. 90) beschriebene Verlaufsabhängigkeit technischen Wandels ist daher
in diesem Fall zu erweitern, so daß von einer Verlaufsabhängigkeit
gesellschaftlichen Wandels gesprochen werden kann. Der einmal eingeschlagene
Weg, bzw. die einmal entstandenen und gewählten informalen und formalen Regeln,
werden auch langfristig beibehalten. Alternative Entwicklungspfade im
wirtschaftlich-technischen und im politischen Bereich bleiben außen vor,
solange der gewählte Weg steigende Erträge verspricht.
Diese
Einsicht ermöglicht die Vorhersage langfristiger Entwicklung dahingehend, daß
ein bestimmter Entwicklungspfad beschrieben werden kann. Schwieriger gestaltet
sich eine Prognose über die Wahl eines Pfades, die Breite des Pfades und die
Stelle, an der ein Pfad möglicherweise verlassen wird. Hier spielt der Faktor
Macht, bezogen auf einzelne Individuen oder auf Gruppen, eine wichtige Rolle.
Ohne Persönlichkeiten wie Theodor Herzl, David Ben-Gurion oder auch Jitzchak
Rabin wären sicherlich andere Pfade gewählt und Pfade an einer anderen Stelle
verlassen worden. Da deren persönliche Nutzenfunktionen zu unterschiedlich und
individuell sind - tiefe religiöse Überzeugungen, die Bindung an den
Sozialismus und andere Faktoren ihr Verhalten beeinflußten - ist über das
einfache Modell des Erwartungsnutzens keine kurzfristige Verlaufsbestimmung
möglich.
Eine ex
post Analyse läßt zwar Aussagen dergestalt zu, daß kurzfristiger institutioneller
Wandel aufgrund von Pfadabhängigkeit, Macht, Ideologie, Religion und anderer
Faktoren in bestimmter Weise erfolgt ist. Aber eine kurzfristige ex ante
Aussage, etwa derart, daß aufgrund dieser Faktoren ein Wandel in bestimmter
Weise und zu bestimmter Zeit erfolgen wird, ist nicht haltbar.
Zuletzt
wurde die Wirkung von Handlungsrechten und damit die Effizienz der gewählten
Institutionen untersucht. Anhand der realen Verteilung des Produktionsmitteleigentums
konnten die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Eigentumsformen betrachtet
werden. Es zeigte sich, daß die wirtschaftliche Produktivität im privaten
Sektor höher ist, als im gewerkschaftlichen bzw. staatlichen Sektor. Daher ist
zu schließen, daß das Verhalten, der im privaten Sektor beschäftigten Menschen,
am stärksten an ökonomischen Prinzipien ausgerichtet ist. Wird als Definition
ökonomischer Effizienz, die Förderung des Wirtschaftswachstums zugrunde gelegt
(vgl. North, 1992, S.82), dann war und ist der Privatsektor am effizientesten.[323]
Wie aber
mehrfach angesprochen, stehen durch den 'Primat der Politik' ökonomische
Interessen hinter politischen Zielsetzungen zurück. Damit muß in diesem Fall
die Messung der Effizienz der gegebenen Institutionen anhand politischer
Effizienzkriterien erfolgen. Werden diese bezeichnet mit dem Grad der Verwirklichung und Sicherung
staatlicher Souveränität, und dem Grad
der Integration von Einwanderern, dann haben die gewählten Institutionen,
und die damit verbundene Eigentumsverteilung ihre Aufgabe erfüllt, waren also
effizient.
Zur
Zeit ist eine starke Veränderung des institutionellen Rahmens und - damit
verbunden - ein Wechsel der Effizienzkriterien zu beobachten. Durch das Ende
des Kalten Krieges und den fortschreitenden Friedensprozeß mit den arabischen
Nachbarn, bedarf es zur Sicherung der nationalen Souveränität, in Zukunft
weniger Anstrengung als bisher. Gleichzeitig sind mit der Öffnung der
osteuropäischen Grenzen, die vermutlich letzten größeren Einwanderungswellen
nach Israel gekommen. Folglich werden sich die Prioritäten, an denen
politisches und wirtschaftliches Handeln bisher orientiert war, verändern.
Ein
Hinweis auf diese institutionelle Evolution ist die zunehmende Privatisierung
staatlicher Betriebe - die parallel zu den oben beschriebenen Entwicklungen -
Anfang der neunziger Jahre einsetzte. Ein weiterer Hinweis für den aktuellen
Wandel sind die Aktivitäten von Chaim Ramon, der 1994 an die Spitze der
Histadrut gewählt worden ist. Jener ist zur Zeit darum bemüht, die Aufgaben der
Organisation auf die bloße Gewerkschaftstätigkeit zurückzuführen. Seine Pläne
beinhalten die Privatisierung des größten Teils der Unternehmen unter dem Dach
der Hevrat Ovdim.
Damit
ist absehbar, daß langfristig der Pfad der privaten Marktwirtschaft mit
überwiegend privatem Eigentum an Produktionsmitteln eingeschlagen wird. Daß
dieser Weg gewählt wurde, ist unter anderem auf machtvolle Entscheidungen
einzelner Persönlichkeiten zurückzuführen. Dazu zählt die Initiierung des
Friedensprozesses durch Rabin und Perez ebenso, wie die radikalen Reformen von
Ramon, der sich gegen machtvolle Funktionäre in der Histadrut durchzusetzen
hat.
Insgesamt
wurde die These von der Interdependenz gesellschaftlicher Teilordnungen - mit
Handlungsrechten als ordnungsbestimmender Kraft - durch die vorliegende
Untersuchung bestätigt. Die Institutionentheorie von North stellte zur Analyse
dieser Interdependenz, und damit zur Erklärung von gesellschaftlichem bzw.
institutionellem Wandel, ein geeignetes Werkzeug zur Verfügung.
[1] Eine
kapitalistische Ordnung wird hier aufgefaßt als Wirtschaftssystem dezentraler
Planung, mit marktwirtschaftlichen Mechanismen (vgl. Leipold, 1988, S. 61 f.;
Schüller, 1992b, S. 83).
[2] Eine
sozialistische Ordnung wird hier aufgefaßt als Wirtschaftssystem zentraler
Planung, mit planwirtschaftlichen Mechanismen (vgl. Leipold, 1988, S. 61 f.;
Schüller, 1992b, S. 83).
[3] Die
Begriffe 'kapitalistisch' und 'sozialistisch' sind in diesem Kontext als
Schlagworte für zwei sich gegenüberstehende Ideologien zu verstehen. Eucken
(1939, S. 79 - 91) unterscheidet zwischen Ordnungen mit zentralgeleiteter
Wirtschaft und Ordnungen mit Verkehrswirtschaft. Eine detaillierte Beschreibung
der Konzepte, die hinter den beiden Ideologien stehen, findet sich in Hensel
(1992).
[4] An
den beiden Systemen des bis 1990 geteilten Deutschlands wird der Unterschied
deutlich: Im Jahr 1982 wurden in der Bundesrepublik 89,3% der
Bruttowertschöpfung aller Wirtschaftsbereiche von Privatunternehmen
erwirtschaftet. Im gleichen Jahr war der Anteil privater Betriebe am
Nettoprodukt der DDR 2,8%, während staatliche Betriebe 96,5% erwirtschafteten
(vgl. Leipold, 1987, S. 38 f.).
[5] Die
Werte beziehen sich auf den geschätzten Anteil des jeweiligen Sektors am
Nettoinlandsprodukt. Aufgrund der starken Verflechtung der drei Bereiche, hat
-seit der Untersuchung von Barkai (1964)- keine exakte Ermittlung der Anteile
mehr stattgefunden (vgl. Ben-Porat, 1993, S. 160). Dun und Bradstreet (1986, S.
4) gelangen zu einem ähnlichen Ergebnis wie Ben-Porat: Staatssektor 25%,
Gewerkschaftssektor 27% und Privatsektor 48%; während Wolffsohn (1991, S. 343)
dem Staats- und dem Gewerkschaftssektor jeweils ein Fünftel und dem
Privatsektor drei Fünftel des Nettoinlandsprodukts zuschreibt.
[6] Zur
Unterscheidung der verschiedenen Eigentumsbegriffe vgl. Schüller (1986, S. 36).
Genossenschaftliches Eigentum, als vierte in Israel vorkommende Eigentumsform,
ist unter dem Sektor des Gesellschaftseigentums subsummiert. Die meisten
Genossenschaften (Kibbutzim, Moschavim u.a.) sind in der
Histadrut-Gewerkschaft, die als Dachvereinigung fungiert, zusammengeschlossen
(vgl. Abschnitt 4.3 und 4.4).
[7] Die
Möglichkeiten des wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns durch die Betrachtung
historischer Abläufe aus ordnungstheoretischer Sicht zeigt Hensel (1992, S. 14
- 18) auf. Zur Schwierigkeit, wissenschaftliche Erkenntnis aus der Betrachtung
der Geschichte zu erhalten, schreibt Popper (1974, S. XII): "Wenn es so
etwas wie ein wachsendes menschliches Wissen gibt, dann können wir nicht heute
das vorwegnehmen, was wir erst morgen wissen werden". Ohne diese Thematik
zu vertiefen soll hier zum Ausdruck kommen, daß einerseits die Betrachtung der
Geschichte wichtig und notwendig ist, andererseits aber die Grenzen eines
möglichen Erkenntnisgewinns durch die "Offenheit der Geschichte" zu
beachten sind. Vgl. dazu auch Dahrendorf (1979, S. 23).
[8] Dabei
muß berücksichtigt werden, daß in der hebräischen Sprache kein aktives Verb für
Eigentum, im Sinne von 'gehören' existiert. Am nächsten trifft diese Bedeutung
das Verb 'yeshil', das soviel wie 'in Beziehung stehen zu' bedeutet. Der
Unterschied ist darin zu sehen, daß 'gehören' auch als 'gehorchen'
interpretiert werden kann, also eine hierarchische Beziehung zum Ausdruck
bringt, während 'yeshil' eher eine neutrale Beziehung beschreibt.
[9] Im
lateinischen werden diese Rechte mit den Begriffen 'usus', 'abusus' und 'usus
fructus' beschrieben.
[10] Zur
näheren Betrachtung des Begriffs Institution vgl. Abschnitt 1.3.
[11] Die
Unterscheidung ist so zu verstehen, daß zwar alle Eigentumsrechte auch als
Handlungsrechte bezeichnet werden können, umgekehrt aber nicht alle
Handlungsrechte auch Eigentumsrechte im oben definierten Sinn darstellen.
Beispielsweise sind Regeln für den Ablauf politischer Prozesse zwar
Handlungsrechte (später auch Institutionen genannt) aber nicht Eigentumsrechte
(später auch Property Rights genannt).
[12] Die
folgenden, aus dem Alten Testament zitierten Textstellen sind der Einheitsübersetzung
der Bibel (1979) entnommen. Zitiert wird wie folgt: Die Bibel: [Buch Kapitel]:
[Abschnitt].
[13] Vgl.
Abschnitt 2.1 und 2.2.
[14] Vgl. Die Bibel:
Levitikus 11:7.
[15] Vgl. Die Bibel:
Levitikus 11:8.
[16] Vgl. Improvement of Agricultural
Production (Livestock) Law, 5712 - 1952, Law of the State of Israel (LSI), Vol.
VI, S. 34.
[17] Vgl.
dazu auch Abschnitt 2.5.
[18] Vgl.
Die Bibel: Exodus 22:24.
[19] Vgl.
Die Bibel: Levitikus 25:36 f.
[20] Vgl.
Die Bibel: Deuteronomium 23: 20 f.
[21] Der
in verschiedenen Religionen verankerte Brauch, an einem Tag der Woche nicht zu
arbeiten, kann sowohl der kulturellen- als auch der Wirtschaftsordnung
zugerechnet werden.
[22] Vgl.
die beiden oben ausgeführten Beispiele und North (1992, S. 58).
[23] Der Umfang der dargestellten Ordnungen steht nicht in
Relation zur Anzahl der darin enthaltenen Regeln.
[24] Vgl.
Eucken (1939). Eucken begründete den ordnungstheoretischen Institutionalismus
und prägte den Begriff Wirtschaftsordnung (vgl. Schüller, 1985, S. 269). Zum
"Denken in Ordnungen" vgl. auch Hensel (1992, S. 14 - 18).
[25] Ein
Überblick und Vergleich dieser Theorien findet sich im Aufsatz "Zur
Ökonomik der Eigentumsrechte in ordnungstheoretischer Sicht" von Schüller
(1988, S. 155 - 183).
[26] "Die
sozialen Entwicklungsgesetze beanspruchen (...) in der Lehre vom Historischen
Materialismus dieselbe Verbindlichkeit wie die Gesetze der Mechanik"
(Leipold, 1988, S. 16). Zum Historischen Materialismus vgl. Marx/Engels (1958,
S. 9 ff.). Zum "Denken in geschichtlichen Entwicklungen" vgl. auch
Hensel (1992, S. 11 - 14).
[27] Eine
klare Trennung zwischen Handlungsrecht und Institution war in der
herangezogenen Literatur nicht zu finden. Die Hauptunterscheidung erfolgt hier
dahingehend, daß unter dem Begriff Institution ein Handlungsrecht, aber auch
eine Mehrzahl von Handlungsrechten zu einem bestimmten Sachverhalt gemeint sein
kann. Die Definition von Leipold (1995, S. 4) kommt dieser Abgrenzung am
nächsten: "Institutionen sind einzelne oder mehrere verbundene Regeln für
das Verhalten von Individuen in sich wiederholenden sozialen
Entscheidungssituationen."
[28] Im
englischen Sprachgebrauch wird nicht zwischen Eigentums- und Handlungsrechten
unterschieden. Sie werden beide mit dem Begriff Property Rights bezeichnet.
Da die Theorie von North auch die kulturelle und politische Ordnung einer
Gesellschaft einbezieht, ist der Begriff Handlungsrechte, verstanden als
erweiterte Definition von Eigentumsrechten, in diesem Zusammenhang treffender.
[29] Zur
Entstehung und zum Wandel von Institutionen vgl. auch Leipold (1989, S. 18) und
(1995).
[30] Den
Begriff 'effizient' definiert North (1992, S. 82) als eine "vorhandene
Menge von Beschränkungen, [die] Wirtschaftswachstum erzeugt."
[31] Transaktionskosten
sind Teil der Produktionskosten und setzen sich aus Aufwendungen zur
Abgrenzung, dem Schutz und der Durchsetzung von Eigentumsrechten an Gütern
zusammen (vgl. North, 1992, S. 33).
[32] Vgl.
Coase (1960, S. 1 - 44). Diese später als 'Coase Theorem' bezeichnete
Erkenntnis besagt, daß Eigentumsrechte bei der Abwesenheit von
Transaktionskosten allokationsneutral und damit ohne Einfluß auf die Zurechnung
externer Effekte sind; vgl. auch Leipold (1989, S. 20).
[33] Kultur
definiert North (1992, S. 44) in Anlehnung an Boyd und Richerson (Culture and
the Evolutionary Process, Chicago, 1985, S. 2) als "Übergang von Wissen,
Werten und anderen verhaltensrelevanten Faktoren vermittels Lehre und
Nachahmung von einer Generation auf die nächste."
[34] Die
erweiternde Funktion ist beispielsweise bei sog. Kavaliersdelikten zu
beobachten. Dabei sind bestimmte Handlungen durch formale Regeln untersagt. Sie
werden aber von der Gesellschaft beispielsweise aufgrund intern bindender
Verhaltenscodizes geduldet oder sogar gefördert.
[35] Das
Modell des Erwartungsnutzens beschreibt die - der neoklassischen Theorie
zugrunde liegende - Annahme, wie menschliches Verhalten zu erklären ist. Zur
Darstellung und Kritik dieses Modells vgl. North (1992, S. 22 - 31).
[36] Empirische
Belege zu dieser Verhaltensannahme finden sich in Nelson/Silberberg (1987).
[37] North (1992, S. 87) nennt "Vermögen, Einkommen
oder andere (...) Zielgrößen" als Maximierungsziele.
[38] Die
Investitionen in Wissen und Fertigkeiten stellen eine Reaktion auf sich
verändernde relative Preise dar. Das neu erworbene Wissen führt dann zu einer
Neukombination der Produktionsfaktoren (vgl. North, 1992, S. 120, 123).
[39] Zur
Verlaufs- bzw. Pfadabhängigkeit vgl. North (1992, S. 114 - 119). Zum
Zusammenhang von technischem und institutionellem Wandel vgl. North (1992, S.
123 f.).
[40] Eine
ausführliche Abhandlung zur jüdischen Wirtschaftsgeschichte findet sich in
Gross (1975); eine umfassende Darstellung der Geschichte des jüdischen Volkes
findet sich in Ben-Sasson (1978).
[41] Im
Sinne der in Abschnitt 1.2 gegebenen Definition werden die Vorschriften des
Alten Testaments als informale Regeln aufgefaßt, da die Durchsetzung und
Sanktionierung bei einer Nichtbeachtung durch die Familie bzw. das soziale
Umfeld, und nicht durch den Staat erfolgen. Vgl. dazu North (1992, S. 43 - 64).
Problematisch bei der Betrachtung dieser Regeln ist die Diskrepanz zwischen dem
alttestamentarischen Ideal und der damaligen Realität. Inwieweit die
niedergeschriebenen Regeln auch angewendet und befolgt wurden, ist heute nur
noch schwer nachprüfbar. Damit ist fraglich, bei welchen Regeln tatsächlich
eine kulturelle Tradierung stattfand und welche Regeln reine Wunschvorstellung
blieben. Eine ausführliche Darstellung der heutigen Kenntnisse über die
jüdische Wirtschaft in Palästina, zur Zeit der Mischna und des Talmud, findet
sich in Ben-David (1974).
[42] Vgl.
beispielsweise Die Bibel: Exodus 20:1 - 20:17 (zehn Gebote); Exodus 25 - 31
(Anordnungen über Bundeslade, Zeltheiligtum und Priesterschaft); Levitikus 1 -
7 (Anweisungen für verschiedene Opfer); Levitikus 11 - 15 (Vorschriften über
kultische Reinheit). Dazu bemerkt Paraskewopoulos (1989, S. 19): "Die
Freude nach dem Gesetz zu handeln, ist das eigentliche Motiv der
alttestamentlichen Ethik."
[43] Der
entscheidende Punkt dieser Aussage ist die Verwendung des Begriffs
'israelisch'. Damit wird zum Ausdruck gebracht, daß sich der Staat Israel
hauptsächlich über die Religion definiert und legitimiert. Dies kann wiederum
als Hinweis für die starke Interdependenz der gesellschaftlichen Teilordnungen
in Israel gewertet werden.
[44] Vgl.
Die Bibel (1979, S. 15). Die Angaben sind der Einleitung zu den Schriften des
Alten Testaments entnommen. Eine schematische Darstellung aller Schriften des
Alten Testaments findet sich in Ben-David (1974, S. 11).
[45] Mit
dem Begriff 'Israel' wird im Alten Testament das jüdische Volk bezeichnet.
[46] Vgl.
Die Bibel: Exodus 19:5 und Exodus 34.
[47] 'Kanaan'
wird der Landstrich westlich des Jordan bis zum Mittelmeer genannt. Die
Landesgrenzen im Norden und Süden sind an verschiedenen Stellen des Alten
Testaments unterschiedlich beschrieben; vgl. dazu Die Bibel: Genesis 15:18,
Deuteronomium 1:7, 11:24, Ezechiel 47:13 und dazu ausführlich Wolffsohn (1993).
[48] Vgl. Die Bibel: Numeri 34:2.
[49] Vgl.
auch Die Bibel: Levitikus 25:23: "Das Land aber soll nicht für immer
verkauft werden, denn mein ist das Land, denn Schutzbürger und Beisassen seid
ihr bei mir" und Fußnote 8.
[50] Vgl. Die Bibel: Numeri 28.
[51] Eine
Ähnlichkeit alttestamentarischer Bestimmungen mit sozialistischen Ideen ist
erkennbar. Auch Kuebel (1870, S. 27) und Paraskewopoulos (1989, S. 146 ff.)
weisen auf ähnliche Ordnungsvorstellungen hin.
[52] Zur
Landnahme vgl. Die Bibel: Numeri 20:14 ff. und Abschnitt 2.2.
[53] Vgl.
Die Bibel: Numeri 26:52 ff. Die Verteilungsregel ist vermutlich so zu interpretieren, daß nur bei
gleicher Stammes-, Geschlechter-, bzw. Familiengröße das Los entscheidet.
[54] Vgl. Die Bibel: Numeri 33:50 ff.
[55] Vgl.
Die Bibel: Numeri 36:6 und auch Numeri 27:8 ff.: "Wenn jemand ohne Söhne
stirbt, dann übertragt seinen Erbbesitz auf seine Tochter! Hat er keine
Tochter, dann gebt seinen Erbbesitz seinen Brüdern! Hat er keine Brüder, dann
gebt seinen Erbbesitz den Brüdern seines Vaters! Hat sein Vater keine Brüder,
dann gebt seinen Erbbesitz dem nächsten Verwandten aus seiner Sippe."
[56] Vgl.
Die Bibel: Deuteronomium 25:25.
[57] Vgl.
Die Bibel: Levitikus 25:24.
[58] Vgl.
Die Bibel: Levitikus 25:25.
[59] Die
Bezeichnung dieses Jahres ist in der Literatur unterschiedlich. Es wird auch
Halljahr oder Jobeljahr genannt (vgl. Kuebel, 1870, S. 30).
[60] Vgl.
Die Bibel: Levitikus 25:13.
[61] Vgl.
Die Bibel: Levitikus 25:15.
[62] Städte sind im Alten Testament als Ansiedlung
"die Mauern hat" definiert; vgl. Die Bibel: Levitikus 25:30.
[63] Das
wird auch durch die verschiedenen Strafregelungen bei einer Verletzung fremden
Besitzes deutlich. Vgl. dazu Die Bibel: Exodus 22:1 - 15; Deuteronomium 27:17;
Kuebel (1870, S. 34 f.) und van Oyen (1967, S. 172 f.).
[64] Vgl.
auch Fußnote 51.
[65] Vgl.
Die Bibel: Levitikus 25:21; Exodus 23:10 f.; Deuteronomium 15:1.
[66] Vgl.
Die Bibel: Levitikus 25:5 ff.
[67] Beispielsweise:
Die Bibel: Deuteronomium 23:25: "Wenn du in den Weinberg deines Nächsten kommst,
magst du Beeren essen, soviel du Lust hast, bis du satt bist."
[68] privare
(lat.) = berauben.
[69] Zwar
ist hier nur der Besitz von Grund und Boden näher untersucht worden, dennoch
hat diese Aussage auch für die übrigen Besitzgüter der damaligen Zeit
Gültigkeit (vgl. Kuebel, 1870, S. 27).
[70] Vgl.
dazu Die Bibel: Exodus 22:25; Levitikus 25:36; Deuteronomium 22:19.
[71] Eine
weiterführende Untersuchung zu dieser Thematik findet sich in Goetz (1922).
Dieser geht insbesondere auf die Konservierung von Familienbesitz und
verschiedene Begrenzungen von Eigentumsrechten ein.
[72] Die
Volksstämme bezeichnen die zwölf Söhne Jakobs. Jakob zählt neben Abraham und
Isaak zu den drei Stammvätern der Juden vgl. Die Bibel (1979, S. 16).
[73] In
diesem Zusammenhang bedeutet Exklusivität, daß Gott nur mit dem Volk Israel
eine solche Verbindung eingegangen ist. Es handelt sich also um das
'Auserwählte Volk'.
[74] Vgl.
Die Bibel: Exodus 19:6.
[75] Vgl. Die Bibel: Numeri 34:2.
[76] Wie
wichtig und weitreichend die symbolische Kraft dieser Stadt ist, wird zum einen
am aktuellen Konflikt über die Hauptstadtfrage zwischen Juden und
Palästinensern deutlich und zum anderen auch daran, daß drei Weltreligionen
(Juden, Muslime und Christen) hier ihre Heiligtümer verehren.
[77] Der
Tempel war das religiöse Heiligtum der Juden. Der erste Tempel wurde 586 v.
Chr. zerstört. Vom zweiten Tempel, der 515 v. Chr. eingeweiht wurde, ist heute
nur noch die Westmauer (Klagemauer) erhalten.
[78] Erez
(hebr.) = Land.
[79] Diese
Aussage spricht nicht für Sombart's wissenschaftliche Methode.
[80] Zur
Historischen Schule vgl. Krüsselberg (1992, S. 65) und Popper (1974). Vgl. auch
Fußnote 26.
[81] Vgl.
Abschnitt 2.3.
[82] Friedrich
Wilhelm der III erließ 1812 das Emanzipationsedikt von Preußen. Es umfaßt die
Gewerbefreiheit, die Freiheit der vertraglichen Vereinbarung, die Aufhebung
der Leibeigenschaft und die bürgerliche Gleichstellung der Juden. 1830 erfolgte
in Kurhessen durch Ständebeschluß ebenfalls die vollständige Emanzipation der
Juden (vgl. Ben-Sasson, 1978, Bd. III, S. 94 - 110).
[83] Dazu
ausführlicher auch Abschnitt 2.4 und 2.5.
[84] Der
jüdische Hauptmann Dreyfus wurde 1895 wegen Spionage in Frankreich verurteilt
und degradiert. Die Vorwürfe gegen ihn stellten sich als unbegründet heraus und
das Urteil kann als antijüdisch inspiriert angesehen werden. Der Prozeß wurde
von der Öffentlichkeit mit Parolen wie: "Tod den Juden" begleitet
(vgl. Böhm, 1935, Bd. I, S. 156 f.; Ben-Sasson, 1978, Bd. III, S. 192 ff.).
[85] Zion
(hebr.) = Burg Davids bzw. Jerusalem = geistig, religiöses Zentrum des
Weltjudentums.
[86] Herzl,
1896, S. 39: "Zwei Gebiete kommen in Betracht: Palästina oder
Argentinien."
[87] Herzl,
1896, S. 44: "Die Jewish Company wird als Aktiengesellschaft gegründet,
mit englischer Rechtssubjektivität, nach den Gesetzen und unter dem Schutze
Englands."
[88] Achad
Haam, 1856-1927, (d.h. einer aus dem Volke, Pseudonym von Ascher Ginzberg)
veröffentlichte 1889 einen Aufsatz unter dem Titel "Nicht dies ist der
Weg", und kritisierte darin die ersten zionistischen Siedler (Biluim) in
Palästina, indem er den Vorrang der geistig-kulturellen Erneuerung betonte
(vgl. Ben-Sasson, 1978, Bd. III, S. 215 f.).
[89] Vgl.
zu diesem Aspekt Abschnitt 2.4 und ausführlich Abschnitt 2.5.
[90] Dazu Rubner (1960, S.
1): "Collections were made amongst the Jewish communities of the world for
the maintenance of those of their brethren who prayed near the Wailing Wall
(...). These were known as the 'Halukah Receivers' as they depended for their
upkeep on the generostity of Jews abroad."
[91] Vgl. World Zionist
Organisation (1897, S. 114, 119).
[92] Tagebucheintrag
vom 03.09.1897 in Wien, Bd. II, S. 24.
[93] Die
angesprochenen Anteile beziehen sich ausschließlich auf die Verteilung
innerhalb der Gruppe der Juden. Vgl. zu diesem Punkt ausführlich Kap 4. Die
strukturellen Veränderungen zwischen 'arabischem' und 'jüdischem' Besitz
bleiben hier ausgeklammert. Eine umfassende Untersuchung dieser Thematik findet
sich in: Kretzmer (1990).
[94] Vgl.
Abschnitt 2.5; Sontheimer (1968, S. 14 ff.) und Ben-Sasson (1978, Bd. III, S.
213 - 216).
[95] Zur
Bodengesetzgebung vgl. auch Abschnitt 3.2 und Sternberg (1921, S. 12).
[96] a)
Kauf und Verkauf von Immobilien unter Privatpersonen bedurfte der Zustimmung
der Behörden.
b) Dem türkischen Grundbuch lagen
keine exakten Landvermessungsdaten zugrunde. Größe und Grenzen von Grundstücken
waren ungenau beschrieben, Grenzstreitigkeiten daher üblich.
c) Die Konstruktion der
juristischen Person (Gesellschaft) existierte nicht. Grundstücke, auch wenn
diese von Gesellschaften erworben worden waren, mußten auf den Namen
natürlicher Personen eingetragen werden.
d) Hypotheken waren als Verkauf
mit Rückkaufrecht des Verkäufers konstruiert. Eine Rangfolge von Hypotheken
(erste, zweite, dritte Hypothek) war nicht vorgesehen.
e) Die Verfügungsrechte bezüglich
der Veränderung des Bodens waren gesetzlich beschränkt. Sowohl das Herrichten
des Bodens für Grundstücke als auch das Bepflanzen des Bodens bedurfte der
behördlichen Genehmigung. Die Errichtung neuer Stadtteile und Kolonien wurde
nur durch Erlaß der Zentralbehörde gestattet.
f) Der größte Teil
landwirtschaftlich genutzten Bodens war 'Miri' (Lehnsboden). Nach dem Tod des
Eigentümers ging der Boden in den Besitz eines näheren Verwandten oder des
Staates über. Testamentarische Verfügungen waren nicht möglich. (Zur
Klassifikation von Landeigentum vgl. auch Abschnitt 3.2)
g) Wurde landwirtschaftlicher
Boden über einen Zeitraum von drei Jahren nicht bearbeitet, so fiel der Boden
an den Staat zurück.
h) Die Art der Steuerbemessung
(Oscher) nach dem Bruttoertrag begünstigte Landwirte, die mit geringem Einsatz
gute Erträge erzielen konnten (in fruchtbaren, leicht zu bewirtschaftenden
Gebieten) und benachteiligte Landwirte, die mit hohem Aufwand ebenfalls gute
Erträge erzielen konnten (in weniger fruchtbaren, schwer zu bewirtschaftenden
Gebieten).
[97] Das
so gekaufte Land war allerdings häufig besiedelt bzw. bebaut, so daß die Juden
zwar mit den ehemaligen. Eigentümern wegen der guten Geschäfte auch gute Beziehungen
hatten, sich aber unter der einfachen Landbevölkerung Feinde machten, da diese
der Kolonisation weichen mußte (vgl. Böhm, 1935, Bd. II, S. 416 - 424).
[98] Vgl.
Abschnitt 2.3.
[99] Bis dahin wurde diese Aufgabe von der Jüdischen Palästinabank
(Anglo Palestine Company, APC) betreut. Hauptaufgabe der Bank war die
Organisation von kooperativen Kreditgenossenschaften mit Solidarhaftung.
Weiterhin stellte sie jüdischen Kolonisten Kredite zur Verfügung (vgl. Ruppin,
1919, S. 41).
[100] Sowohl
das Palästina Amt als auch die PLDC wurden von Dr. Arthur Ruppin gegründet und
geleitet (vgl. Sontheimer, 1968, S. 24,
105). Über die Persönlichkeit Ruppins vgl. auch Plessner (1994, S. 62).
[101] Vgl.
Fußnote 96.
[102] Die
Jewish Colonisation Association (JCA) wurde 1891 vom jüdischen Philanthropen
Baron Hirsch gegründet. Die Verfügungsrechte lagen bei jüdisch westeuropäischen
Körperschaften (Alliance Israelite Universelle und Anglo Jewish Association).
1900 übernahm die JCA die Verwaltung der Rothschild Ländereien. Nach dem ersten
Weltkrieg wurde sie in Palestine Jewish Colonisation Association (PJCA)
umbenannt und setzte die Kolonisationstätigkeit weiter fort (vgl. Ruppin, 1919,
S. 35 f.; Böhm, 1935, Bd. I, S. 113 f.).
[103] Böhm
(1935, Bd. I, S. 617 f.) nennt außerdem noch die Immobiliengesellschaft
Palästina und das Palästina Industriesyndikat.
[104] Vgl.
unten und Sontheimer (1968, S. 25 f.).
[105] Der Fonds wird häufig auch mit seinem hebräischen
Namen Keren Kajemet Lejisrael (KKL) bezeichnet.
[106] Der
Kongreß wählte die Vertreter für das Zionistische Aktionskomitee (AC). Aus
diesem wurden dann die Mitglieder für das EAC gewählt (vgl. Böhm, 1935, Bd. I,
S. 221 ff.).
[107] Der
Verpachtungszeitraum von 49 Jahren könnte unter Berücksichtigung der
Jubeljahr-Regel (vgl. Abschnitt 2.1) festgesetzt worden sein: "Die
Prinzipien klingen an die altmosaische Gesetzgebung an, nach der es einen
dauernden Privatbesitz an Land nicht geben soll, sie decken sich zugleich mit
den modernen Bodenreformbestrebungen und mit der sozialistischen Forderung nach
Gemeineigentum an Produktionsmitteln" (Böhm, 1935, Bd. I, S. 619).
[108] Zu
den Thesen, die in diesem Zusammenhang verabschiedet worden sind, vgl. Böhm
(1935, Bd. II, S.128 - 131). Zur Londoner Konferenz und der Debatte über Landbesitz
in Palästina vgl. insgesamt auch Plessner (1994, S. 66 - 70).
[109] Vgl. Fußnote 102.
[110] Vgl. Fußnote 103.
[111] Der
Wechsel der Mandatsmacht nach dem Ersten Weltkrieg brachte mit der Einrichtung
eines Katasters zwar eine gewisse Erleichterung für den jüdischen Grunderwerb.
Durch das Passfield White Paper jedoch, und die damit verbundene
Kompromißpolitik der Engländer wurde die Kolonisation insgesamt, vor allem
durch Einwanderungskontingente, behindert (vgl. Sontheimer, 1968, S. 48 ff.).
[112] Kibbutz
= Abwandlung von Kvutza (hebr.) = intime, kommunitäre Gruppe. Degania (hebr.) =
Kornblume (In der Literatur ist auch die Schreibweise ohne 't' (Kibbuz) zu
finden).
[113] Moschav
Ovdim (hebr.) = Arbeitersiedlung.
[114] Vgl.
zu diesen Eigentumsformen ausführlich Abschnitt 4.4 und zur Rechtsform
Abschnitt 3.3.2.
[115] Im
Jahr 1949 existierten in Israel 211 Kibbutzim mit einer Bevölkerung von 63.518
Menschen. Zur gleichen Zeit lebten in 182 Moschavim 48.208 Menschen (vgl.
Central Bureau of Statistics, 1952/53, S. 8). Zum Anteil der jüdischen
Bevölkerung in Kibbutzim und Moschavim von 1914 bis 1983 vgl. Wolffsohn (1987,
S. 63); vgl. auch Anhang H und I.
[116] Das
Palästina-Amt stattete die Siedler mit Lohnverträgen und Betriebsvermögen aus
(vgl. Sontheimer, 1968, S. 106).
[117] So
ist auch später die nationale Verteidigungsarmee (Israel Defence Force, IDF)
aus der Haganah, einer Selbstverteidigungsorganisation der
Gemeinschaftssiedlungen, hervorgegangen (vgl. Sontheimer, 1968, S. 106).
[118] Zur
zionistischen Arbeiterbewegung und dem genannten Motiv vgl. Abschnitt 2.5.
[119] Der
hier dargestellte Sachverhalt beschreibt die wirtschaftliche Dimension des
Motivs 'Eroberung der Arbeit' Zur politischen Dimension dieses Motivs vgl.
Abschnitt 2.5.
[120] Die
in den beiden letzten Punkten beschriebene Sicherheits- und
Versorgungsautonomie wurde vor allem durch die Einwanderer (hebr. Olim) der
zweiten Alija verwirklicht. Dies wird als Grund für die spätere Berühmtheit und
den (dominierenden) Einfluß dieser Gruppe in allen gesellschaftlich relevanten
Positionen angesehen (vgl. Wolffsohn, 1995, S. 259). Dahingegen beschäftigten
die 25.000 Einwanderer der ersten Alija (1881 - 1903) überwiegend billige
arabische Lohnarbeiter und ließen ihre Siedlungen von arabischen Wachmännern
sichern. Aus diesem Grund wertet Wolffsohn (1994, S. 259) deren Einfluß auf das
Aufbauwerk als "recht wirkungslos."
[121] Vgl.
dazu auch ausführlich Abschnitt 4.4.
[122] Dazu
Sontheimer (1968, S. 43) :"Ende des Jahres 1920 gründeten die
verschiedenen Gruppen der jüdisch-palästinensischen Arbeiterbewegung in
gemeinsamer Aktion den allgemeinen Gewerkschaftsbund, die Histadrut, der sehr
schnell zur stärksten politisch-wirtschaftlichen Organisation des Jischuv
wurde. (...). Sie erfüllte gleichzeitig die Funktionen einer Zentralgewerkschaft
und einer Unternehmerorganisation, einer Arbeitsvermittlung und eines
Pionierinstituts. Die Histadrut errichtete Verkehrs- und Industrieunternehmen,
Baugesellschaften und Konsumgenossenschaften, gründete Import- und
Exportorganisationen und baute eine Krankenversicherung auf, die mit eigenen
Kliniken die Einrichtungen der Hadassah ergänzte und nahezu die gesamte
Bevölkerung gesundheitlich betreute. Neben diesen für die Einrichtung des
Nationalheims grundlegenden Leistungen schuf und unterhielt sie ein
weitverzweigtes Netz von Schulen, Einrichtungen zur Erwachsenenbildung,
Theatern, Verlagen und Zeitungen und entwickelte sich damit zum wichtigsten
Kulturträger des Jischuv." Zur Histadrut vgl. ausführlich Abschnitt 4.3.
[123] Vgl.
dazu Abschnitt 2.5 und Wolffsohn (1995, S. 258 - 261).
[124] Eine
detaillierte Darstellung des Umfangs staatlicher Wirtschaftsaktivitäten findet
sich in Abschnitt 4.2. Vgl. auch Plessner (1994, S. 182 f.).
[125] Während
der überwiegende Teil der ersten Einwanderer aus ideologisch-religiösen Motiven
freiwillig nach Palästina kam (diejenigen, die zu dieser Zeit wirtschaftliche
Motive in den Vordergrund stellten, wanderten nach Amerika aus), bestand für
die Einwanderer der dreißiger und vierziger Jahre in der Regel der Zwang, das
Heimatland zu verlassen, da sie dort Verfolgung und Pogrome zu erwarten hatten.
[126] Mit
dem Begriff Netzwerk beschreibt Wolffsohn die Histadrut und deren zahlreiche
Unternehmungen in allen Wirtschafts- und Gesellschaftsbereichen (vgl. Abschnitt
4.4 und Fußnote 122).
[127] In
diesem Zusammenhang zieht Pirker (1965, S. 28) Parallelen zum
Vielparteiensystem und den "Weltanschauungsparteien" der Weimarer
Republik.
[128] Die
Art der Unterscheidung hängt von den zu betrachtenden Inhalten ab. Unter
sicherheitspolitischen Gesichtspunkten, die in der israelischen Bevölkerung
einen höheren Stellenwert besitzen als wirtschaftspolitische Aspekte (vgl.
Wolffsohn, 1995, S. 394), erscheint die Einteilung in "Tauben" und
"Falken" als angebrachter (Wolffsohn, 1995, S. 154 - 171).
[129] Choveve
Zion (hebr.) = Liebende Zions.
[130] Die
Zionistische Weltorganisation (ZWO).
[131] Shapiro (1993, S. 77)
beschreibt die Schwäche der bürgerlichen Parteien:" But there was no
middle class in the Jewish community on which the party could count. The
middle-class Jews who came were primarily petty bourgeois, owners of small
properties. The rest of the Jewish middle class, even the Zionists among them
stayed outside of Palestine."
[132] Die
Kommunisten bildeten die einzige jüdisch-arabische Partei. Für sie stand der
Klassenkampf vor zionistisch-nationalen Zielen (vgl. Wolffsohn, 1995, S. 142
f.).
[133] MAPAI
= Mifleget Poale Erez Israel (hebr.) = Partei der Arbeiter von Erez Israel.
[134] Ahdut
Hawoda (hebr.) = Einheit der Arbeit.
[135] Poale
Zion (hebr.) = Arbeiter Zions.
[136] Hapoel
Hazair (hebr.) = Der Junge Arbeiter.
[137] "The Jewish Social
Workers' Party in Palestine (Poalei Zion) aims at collectivisation of means of production
and the building of society on a socialist basis. The only means (to achieve
this) which the Party accepts is class warfare" (Preuss, 1965, S. 28).
[138] Pirker
(1965, S. 37) weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß (wirtschaftliche)
Aufstiegschancen im Falle einer Immigration nach Amerika erhofft wurden und in
Palästina nur insofern wirksam waren, "als sie im Geiste der zionistischen
Ideologie, im Sinne ihres utopisch-heroischen Inhalts ganz beiseite gestellt
werden mußten."
[139] Dazu
Sontheimer (1968, S. 102): "Die politischen Ziele wurden also nicht bewußt
oder unbewußt von wirtschaftlichen Erfordernissen abgeleitet (...), sondern die
wirtschaftliche Aktivität wurde den politischen Zielen untergeordnet,
wirtschaftliche Entscheidungen waren ein Mittel, um politische Ziele zu
verwirklichen."
[140] Vgl. Ostrom, Vincent:
The political Theory of a Compound Republic: A Reconstruction of the Logical
Foundatios of Democraty as Presented in the Federalist, Blacksburg, 1971.
[141] Vgl.
beispielsweise Shapiros Unterscheidung in liberale und prozedurale Demokratie
(1993, S. 65) und Meddings Unterscheidung in Majoritäts- und Konsensdemokratie
(1990, S. 4 ff). Beide Autoren beziehen sich in ihrer Untersuchung auf das
politische System in Israel.
[142] Die
hier gestellten Fragen zielen insgesamt darauf ab, das Vorhandensein
konstituierender Prinzipien einer Wettbewerbsordnung zu untersuchen. Es wird
davon ausgegangen, daß diese Prinzipien am ehesten dem Modell effizienten
ökonomischen Tausches mit Transaktionskosten von Null entsprechen (vgl.
Eucken, 1939, 254 ff.; North, 1992, S. 129). Damit ist der oben definierte
Standpunkt der idealen demokratischen Gesellschaft mit angenäherten
Transaktionskosten von Null eingenommen.
[143] Der
Volksrat (Moetzet Haam) setzte sich aus dem Vorstand des Nationalrates (14
Mitglieder; vorstaatliche jüdische Regierung in Palästina), der Exekutive der
Jewish Agency (11 Delegierte) und 11 Delegierten, die keinem der beiden Gremien
angehörten, zusammen (vgl. Wolffsohn, 1995, S. 61 f.).
[144] Zur
Problematik der israelischen Staatsdefinition über die Religion vgl. Kretzmer
(1990, S. 17 ff.).
[145] Aus
staatsrechtlicher Sicht bedarf es zur Etablierung eines Staates dem Staatsvolk,
dem Staatsgebiet und der Staatsgewalt bzw. der Staatsqualität (vgl. Degenhart,
1991, Randnr. 83, § 2, S. 39).
[146] Sontheimer
(1968, S. 152 f.) nennt die ZWO, die Jewish Agency und den Nationalrat (Waad
Leumi) als Exekutiven und Vorläufer der Regierung. Weiterhin "die
Histadrut als Arbeitgeberorganisation mit gewerkschaftlichen,
kolonisatorischen, sozialen, pädagogischen und kulturellen Funktionen; eine
Verteidigungsarmee (Haganah) und mehrere militärische Organisationen (Stern
Gruppe, Irgun Zwei Leumi); ein religiöses Gerichtswesen, [und] mehrere
Institutionen, welche die Verbindung zwischen Diaspora und den Juden in
Palästina aufrechterhielten" (vgl. auch Ben-Porat, 1991, S. 47; Pirker,
1965, S. 46 f.).
[147] Die
Schwierigkeiten, die bei dieser Eingliederung zu bewältigen waren verdeutlicht
Wolffsohn (1983, S. 508) am Beispiel der Streitkräfte: "Bis zu der von
(...) Ben Gurion befohlenen Beschießung der 'Atalena' einem Schiff, das Waffen
und Munition für den Ezel (gemeint ist die oben genannte Gruppe Irgun Zwei
Leumi; C.P.) an Bord hatte, war der Ezel ein Militär im Militär."
[148] Der
Staatspräsident beauftragt ein Knesset-Mitglied mit der Regierungsbildung (vgl.
Wolffsohn, 1995, S. 113).
[149] Zur Funktion des Staatskontrolleurs vgl. Wolffsohn
(1995, S. 110 ff.) und Scheftelowitz (1984, S. 23 ff.).
[150] Die
Gründe für die fehlende Verfassung erläutert Kretzmer (1990, S. 7 - 16) im
Kapitel "Israel's Constitutional and Legal System." Vgl. dazu auch
Sontheimer (1968, S. 170).
[151] Eine Aufzählung aller bisher verabschiedeten
'Grundgesetze' findet sich in Wolffsohn (1995, S. 62 f.).
[152] Auch
die wenigen Artikel, die nicht mit einer einfachen Mehrheit verändert werden
können, sind durch den Erlaß anderer Gesetze von gleichem Rang auszuhebeln
(vgl. Sontheimer, 1968, S. 170).
[153] Die
Konflikte können sowohl zwischen den unterschiedlichen Konfessionen,
hervorgerufen durch differierende religiöse Gesetze entstehen, als auch
innerhalb der Konfessionen, aufgrund unterschiedlicher Auslegung bzw. Wertung
dieser Gesetze und keiner eindeutig festgelegten Gerichtshierarchie wie
beispielsweise im Islam oder im Judentum.
[154] Zur
politischen Macht der jüdischen Religion vgl. Wolffsohn (1995, S. 327 ff.).
[155] Im
Jahr 1968 schlossen sich die MAPAI, Ahdut Hawoda und Rafi (gegründet von Ben
Gurion nach seinem Austritt aus der MAPAI) zur IAP (Israelische Arbeiterpartei)
zusammen (vgl. Wolffsohn, 1995, S. 145 und Abbildung 2, S. 6).
[156] "Nationalisation of
basic industries is rare, principally because few such industries existed at
the establishment of the state. Some public utilities and basic industries
establised later, have been publicly owned from the beginning. (...) No overall
development plans have been carried out. Some projects were stretched over
periods of years, but the Development Budget of the government is annual"
(Rubinstein, 1992, S. 20 f.).
[157] Declaration of the
establishment of the State of Israel, LSI, Vol. I, S. 3. Vgl. auch Law of
Return, LSI, Vol IV, S. 114: "Every Jew has the right to come to this
country as an Oleh (Immigrant). Zu den weitreichenden Folgen dieser Regel vgl. auch Baker
(1968, S. 39).
[158] Law and Administration
Ordinance, 5708 - 1948, LSI, Vol. I, S. 7 - 12.
[159] Palestine Order in
Council, 1922, Laws of Palestine, (zit. Drayton, 1934, Vol. III, Art. 46; S.
2580).
[160] Vgl. State Property Law,
5711 - 1951, LSI, Vol. V, S. 45.
[161] Vgl.
in diesem Zusammenhang auch das Land Law, 5729 - 1969, LSI, Vol XXIII, S. 283.
[162] Vgl. Absentees' Property
Law, 5710 - 1950, LSI, Vol. IV, S. 68.
[163] Aufgrund
der Niederlage im israelischen Unabhängigkeitskrieg von 1948 verließ eine große
Zahl überwiegend palästinensischer Araber das Land. Das Jahrbuch von 1959
(Greenwood, 1959, S. 74) beziffert den Umfang des Gebietes, welches durch das
Gesetz über Eigentum von Abwesenden nationalisiert wurde, auf 325.000 ha. Ben-Porat (1993, S. 69) gibt eine detailliertere Darstellung: "the
arab property that was handled by a special government related authority, (...)
included 3.5 million dunams (1 Dunam = 1/10 ha.; C.P.) of orchards, vineyards,
and so on, 45,000 apartments, 7,000 shops and some of their merchandise, 500
small craft shops, and 350 villages whose inhabitants left the country."
[164] Vgl.
Land Acquisition Law, 5713 - 1953, LSI, Vol. VII, S. 43.
[165] Als
Rechts- und Zuständigkeitsbereich des Staates wird das Gebiet definiert, das
der Verteidigungsminister als von der israelischen Verteidigungsarmee gehalten
erklärt (Vgl. Wolffsohn, 1991, S. 18).
[166] Vgl. Basic Law: Israel
Lands and Israel Lands Law, LSI, 5720 - 1960, Vol XIV, S. 48. Vgl. in diesem Zusammenhang auch
mit den Aussagen, die im Alten Testament über Landeigentum zu finden sind
(Abschnitt 2.1).
[167] Vgl. Agricultural
Settlement Law, LSI, 5727 - 1967, Vol XXII, S. 105.
[168] Vgl. Immovable Property
Law, LSI, 5724 - 1964, Vol. XVII, S. 58.
[169] Immovable Property Law,
LSI, 5724 - 1964, Vol. XVII, S. 59. Vgl. auch: State Property Law, 5711 - 1951,
LSI, Vol. V, S. 45: "Property includes immovable and movable property and
rights and interests of any kind whatsoever." Damit gilt die oben gegebene Definition für alle
Arten von Eigentum.
[170] Vgl. auch Pledges Law
5727 - 1967, Vol XXI, S. 44.
[171] Die
Einrichtung der Treuhand ist vergleichbar mit der deutschen Rechtsform der
Stiftung (vgl. Scheftelowitz, 1984, S. 44 - 51).
[172] Vgl.
in diesem Zusammenhang auch: Protection of Deposited Property Law, LSI, 5724 -
1964, Vol. XVIII, S. 20.
[173] Vgl.
beispielsweise das Shipping Law, LSI, 5725 - 1965, Vol. XVIII, S. 234 und das
Standarts Law, LSI, 5713 - 1953, Vol. VI, S. 24.
[174] Vgl. Contracts Law, 5733
- 1973, LSI, Vol. XXVII, S. 117; Standart Contracts Law, 5743 - 1982, LSI, Vol.
XXXVII, S. 6; Law of Sale, 5728 - 1968, LSI, Vol. XXII, S. 107.
[175] Vgl. Agency Law, 5725 -
1965, LSI, Vol. XVIIII, S. 231; Restrictive Trade Practices Law, 5719 - 1959,
LSI, Vol. XIII, S.
159; vgl. dazu auch ausführlich Abschnitt 3.3 und 3.4.
[176] Vgl.
Succession Law, 5725 - 1965, LSI, Vol. XVIIII, S. 58.
[177] Eingeschränkt
wird dieses Recht durch die Erbrechte naher Verwandter, durch mögliche Forderungen
von Gläubigern des Hinterbliebenen, und auch durch eine Begrenzung des
Ausmaßes, in dem der Verstorbene seine Erben über die Art der Verwendung ihres
Erbteils festlegen darf (vgl. Rubinstein, 1992, S. 42). Inwieweit religiöse
Gerichtsbarkeiten in dieser Frage mitentscheiden, konnte der zugrunde liegenden
Literatur nicht entnommen werden (vgl. auch Abschnitt 3.1).
[178] Publiziert
wurde die Mejelle zwischen 1867 und 1877 (vgl. Rubinstein, 1992, S. 48).
[179] Als
speziell geregelte Verträge nennt Rubinstein (1992, S. 48) den Verkauf, die
Vermietung, das Pfand, die Treuhand, das Geschenk, die Vermittlung und andere.
[180] "The terms of all
contracts and agreements which are not forbidden by special laws and regulations
and which are not contrary to morality (informale Regeln!; C.P.) and which do
not disturb public order nor conflict with matters of personal status (...) are
valid as regards the contracting parties" (Art. 64 Ottoman Code of Civil
Procedure, 1914, (zit. Hooper, 1933, Vol II, S. 115 f.)).
[181] Vgl. Contracts Law, 5733
- 1973, LSI, Vol. XXVII.
Das sehr komplizierte und umfangreiche Vertragsrecht kann hier nur teilweise
behandelt werden. Besonders im Bereich der Gesetze, die im Zusammenhang mit
arbeitsrechtlichen Verhältnissen erlassen wurden, sind sehr detaillierte und in
der Regel Arbeitnehmer-freundliche Regeln vorzufinden: Vgl. dazu: Collective
Agrements Law, Hours of Work and Rest Law, Annual Leave Law, Employment of
Women Law, Wage Protection Law, Severance Pay Law (vgl. Rubinstein, 1992, S.
57).
[182] Zur
Rechtsfähigkeit von 'Jedermann' vgl. Scheftelowitz (1984, S. 36 ff.).
[183] In
der Bundesrepublik Deutschland sind diese Rechte im Art. 14 (Gewährleistung von
Privateigentum auch an Produktionsmitteln) explizit genannt und haben damit
"den Rang eines elementaren Grundrechts" (Leipold, 1987, S. 39).
[184] Vgl.
oben und auch Abschnitt 3.3 und Kapitel 4.
[185] Declaration of the
establishment of the State of Israel, LSI, Vol. I, S. 3.
[186] Vgl.
dazu Kretzmer (1992, S. 238 - 249). Das Grundgesetz 'Freedom of Occupation' ist
hier in einer nicht autorisierten englischen Übersetzung abgedruckt und von
Kretzmer kommentiert.
[187] Vgl.
in diesem Zusammenhang auch Eucken (1939, 254 ff.).
[188] Vgl.
Art. 9 der Verfassung der ehemaligen DDR und Leipold (1987, S. 40 f.).
[189] Partnership Ordinance,
1930, Laws of Palestine (zit. Drayton, 1934, Kap. 103, Sek. 2).
[190] Partnership Ordinance,
1930, Laws of Palestine (zit. Drayton, 1934, Kap. 103, Sek. 18). Diese Rechtsform der Unternehmung ist
vergleichbar mit der Offenen Handelsgesellschaft (OHG) im deutschen
Unternehmensrecht. Vgl. dazu Handelsgesetzbuch (1897, § 105) und Wöhe (1990, S.
347).
[191] Partnership Ordinance,
1930, Laws of Palestine (zit. Drayton, 1934, Kap. 103, Sek. 58). Diese Rechtsform der Unternehmung ist
vergleichbar mit der Kommanditgesellschaft (KG) im deutschen Unternehmensrecht.
Vgl. dazu Handelsgesetzbuch (1897, § 161) und Wöhe (1990, S. 347 f.).
[192] Die
Neufassung des Gesetzes zur Partnerschaft im Jahr 1975 brachte keine
wesentlichen Änderungen mit sich (vgl. Scheftelowitz, 1984, S. 51 ff.).
[193] Cooperative Societies
Ordinance, 1929, Laws of Palestine, (zit. Drayton, 1934, Kap. 24, Sek. 4).
[194] Cooperative Societies Ordinance,
1929, Laws of Palestine, (zit. Drayton, 1934, Kap. 24, Sek. 5). Das ist auch der Grund
für die Verwendung des Wörtchens 'may' an der oben zitierten Stelle: Nicht
jeder Art von Unternehmung wird das Annehmen dieser Organisationsform
gestattet. Über die Zulassung entscheidet ein Registrar, der von der Regierung
ernannt wird.
[195] Vgl. Cooperative
Societies Ordinance, 1929, Laws of Palestine, (zit. Drayton, 1934, Kap. 24, Sek. 5).
[196] Vgl. Cooperative
Societies Ordinance, 1929, Laws of Palestine, (zit. Drayton, 1934, Kap. 24, Sek. 16).
[197] Vgl. Cooperative
Societies Ordinance, 1929, Laws of Palestine, (zit. Drayton, 1934, Kap. 24, Sek.
17). Das ist einer der entscheidenden Unterschiede zu den verschiedenen Formen
der Firma (vgl. Kap 3.3.3, Rubinstein, 1992, S. 84).
[198] Vgl. Cooperative
Societies Ordinance, 1929, Laws of Palestine, (zit. Drayton, 1934, Kap. 24,
Sek. 19): "A registered society shall be entitled (...) to pledge its
movable property and to mortage or charge all or any of its property, movable
or immovable, in possession or in action."
[199] Vgl. Cooperative
Societies Law, 5725 - 1965, LSI, Vol XVIII.
[200] Gemeint
sind Dachorganisationen, die den Vertrieb oder den Einkauf für mehrere
Genossenschaften tätigen (vgl. Abschnitt 4.3 und 4.4).
[201] Vgl.
Anhang H.
[202] Zu
Stellung und Aufgaben der Generalversammlung vgl. Abschnitt 4.4 und Abbildung
5, S. 91.
[203] Zur
Problematik der Beschäftigung von Lohnarbeitern in Genossenschaften vgl.
Abschnitt 4.4.
[204] Vgl.
dazu unten.
[205] Die
auffällig niedrige Zahl eingetragener Genossenschaften ist vermutlich dadurch
zu erklären, daß nur der jeweilige Dachverband von einzelnen Kibbutzim und
Moschavim gezählt wurde. Detailliertere Angaben waren der vorhandenen Literatur
nicht zu entnehmen.
[206] Vgl. Companies Ordinance,
1929, Laws of Palestine, (zit. Drayton, 1934, Kap. 22) und Companies Ordinance,
5725 - 1965, LSI, Vol. XIX, S. 121.
[207] Vgl. Companies
Ordinance, 1929, Laws of Palestine, (zit. Drayton, 1934, Kap. 22, Sek. 3).
[208] Zum
deutschen Unternehmensrecht vgl. Wöhe (1990, S. 334 f.).
[209] Diese
Rechtsform der Unternehmung ist vergleichbar mit der Gesellschaft mit
beschränkter Haftung (GmbH) im deutschen Unternehmensrecht. Vgl. dazu Gesetz betr.
die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (1892, § 13) und Wöhe (1990, S.
348).
[210] Diese
Rechtsform der Unternehmung ist vergleichbar mit der Aktiengesellschaft (AG) im
deutschen Unternehmensrecht. Vgl. dazu Aktiengesetz (1965, §§ 1, 3) und Wöhe (1990,
S. 350).
[211] Als
weitere gesetzliche Möglichkeit ist vorgesehen, nur die Haftung von Direktoren
nicht zu beschränken, vgl. Companies Ordinance, 1929, Laws of Palestine, (zit.
Drayton, 1934, Kap. 22, Sek. 57 f.). Die Ausgestaltung dieser Rechtsform entspricht
weitgehend der deutschen Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA). Vgl. dazu
Aktiengesetz (1965, §§ 278 ff.) und Wöhe
(1990, S. 350 f.).
[212] Rubinstein
(1992, S. 89) nennt in diesem Zusammenhang Unternehmen, deren Aufgabe nicht der
Handel, sondern die Verwaltung von Land oder Investment Fonds ist.
[213] Vgl. Improvement of
Agricultural Production (Livestock) Law, 5712 - 1952, LSI, Vol. VI, S. 34.
[214] Vgl. Seeds Law, 5716 -
1956, LSI, Vol. X, S. 99.
[215] Vgl. Citrus Control Ordinance,
Nr. 37, 1940, Palestine Gazette, Supp. I, Sek. 3.
[216] Das Citrus Control Board
besteht aus acht Vertretern der Produzenten und drei Vertretern der Regierung,
vgl. Citrus Control Ordinance, Nr. 37, 1940, Palestine Gazette, Supp. I, Sek. 11 und auch Rubinstein
(1992, S. 145).
[217] Vgl. Plants and Plant
Products Law, 5714 - 1954, Vol. VIII, S. 114.
[218] Vgl. Plants and Plant
Products Law, 5714 - 1954, Vol. VIII, S. 114.
[219] Vgl. Vegetable
Production and Marketing Board Law, 5719 - 1959, LSI, Vol. XIII, S. 245.
[220] Vgl.
in diesem Zusammenhang auch Abschnitt 4.3 und 4.4.
[221] Vgl. Chamber of Advocates
Law, 5721 - 1961, LSI, Vol. XV, S. 196; Medical Practioners Ordinance, 1947,
Palestine Gazette, Sup. I, Sek. 3-6; Engineers and Architects Law, 5718 - 1958,
Vol. XII, S. 124.
[222] Vgl. Standarts Law, 5713
- 1953, LSI, Vol. VII, S. 24.
[223] Vgl. Public
Entertainments Ordinance, 1935, Palestine Gazette, Sup. I, Sek. 2 - 5; Press
Ordinance, 1937, Palestine Gazette, Sup. I, Sek. 4, 5, 8, 10.
[224] Vgl. Town Planning Ordinance,
1936, Palestine Gazette, Sup. I, Sek. 8 - 11.
[225] Vgl, Commodities and
Services (Control) Law, 5717 - 1957, LSI, Vol. XII, S. 24.
[226] "The most important
law in the arsenal that enables the government to interfere in the economy is the
Commodities and Services (Control) Law of 1957. It virtually empowers the
government to take over the marketplace and rule production, prices and
distribution by decree" (Plessner, 1994, S. 141).
[227] Die
Entwicklung des CPI gibt die Entwicklung der Inflationsrate an; vgl. dazu auch
Abschnitt 4.3.
[228] Vgl. Restrictive Trade
Practices Law, 5719 - 1959, LSI, Vol. XIII, S. 159.
[229] Plessner
(1994, S. 143 f.) weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß durch die weiche
Formulierung: 'dient dem öffentlichen Interesse' nahezu jedes Kartell
gerechtfertigt werden kann. Dieser Aspekt ist auch vor dem Hintergrund zu
sehen, daß vor allem die Regierung selbst, oder die der Regierung nahestehende
Histadrut, Eigentümer von Kartellen und Monopolen ist (vgl. dazu ausführlich
Kapitel 4).
[230] Vgl. Bank of Israel Law,
5714 - 1954, LSI, Vol. VIII, S. 163.
[231] Bank of Israel Law, 5714
- 1954, LSI, Vol. VIII, S. 166.
[232] Vgl. Interest Law, 5717
- 1957, LSI, Vol. XI, S. 46.
[233] "The national unity
government (...) implemented a series of economic measures which deviated
sharply from earlier policies. The measures included two realignments of the
exchange rate, a new cost-of-living adjustment of wages, investment-promoting
tax changes (...), a gradual lifting of some controls on international capital
flow, and intensive exercise of moral suasion to reduce interest rates and
financial margins in a concentrated banking industry" (Razin/Sadka, 1993,
S. 5).
[234] "Under state
regulation the rules of the market did not disappear or were even weakened.
They were just restricted" (Ben-Porat, 1993, S. 76).
[235] Zu
diesem Begriff vgl. Abschnitt 4.4.
[236] Vgl.
Anhang B.
[237] Vgl.
Anhang C.
[238] Gemeint
ist hier die 'Eroberung der Arbeit' durch das jüdische Volk, vgl. Abschnitt
2.4, 2.5 und 4.4.
[239] Vgl.
dazu die umfassende gesetzliche Regulierung dieses Bereichs (Abschnitt 3.4.1).
[240] Vgl.
Anhang C.
[241] Vgl. Tabelle 5, S. 67.
[242] Den Kreis der Personen
und Gruppen, die im privaten Sektor tätig sind, beschreibt Ben-Porat (1993, S.
64) wie folgt: " farmers (Ikarim) in the veteran country towns (moshavot)
the most prominent of them being orchad owners; industrial capitalists -
individuals and corporations; financial capitalists - owners of banks,
insurance companies, and the like; the petty bourgoisie and small employers;
and certain groups of professionals."
[243] Vgl.
Anhang J.
[244] Vgl.
Anhang C.
[245] Barkai
benötigte 1964 bereits zwei einleitende Kapitel seiner Untersuchung, um die
drei Sektoren zu definieren und abzugrenzen (vgl. S. 15 - 26).
[246] Vgl.
Abbildung 4, S. 78.
[247] Zum
Umfang dieser Industrieholding Gesellschaft vgl. Plessner (1994, S. 182).
[248] Die Werte sind vom Verfasser anhand der zur Verfügung
stehenden Quellen geschätzt; vgl. Fußnote 5.
[249] "A few federations
or associations representing the interests of certain factions existed - the
Farmers Association (mainly citrus growers), the Industrialists Federation, the
Crafts Federation and few others - but did not cooperate as one unified
organisation" (Ben-Porat, 1993, S. 64).
[250] Vgl.
Kapitel 3.
[251] Davon
weitgehend ausgenommen ist das Eigentum an Boden, vgl. Abschnitt 3.2.
[252] Vgl. Tabelle 5, S. 67.
[253] Vgl.
Anhang J.
[254] Eine
Tabelle über den Anteil ausländischer Zahlungen an den Einnahmen der Regierung während
der Jahre 1950 bis 1991 findet sich in Wolffsohn (1995, S. 430).
[255] Die
wichtigsten Geldgeber sind jüdische Gemeinden in Europa, den USA und Kanada und
die U.S.-Regierung. Von 1953 bis 1964 umfaßten deutsche Reparationszahlungen
17% des laufenden Zahlungsbilanzdefizits. In der Zeit kurz nach der
Staatsgründung erfolgten weitere Zahlungen aus der Schweiz, aus Frankreich und
aus England (vgl. Ben-Porat, 1993, S. 53 ff.; Wolffsohn, 1995, S. 429 - 432,
444 - 447).
[256] Vgl.
dazu Kapitel 3 und die Abschnitte 4.2, 4.3.
[257] Zur
Verflechtung im Bereich der Banken vgl. Anhang D.
[258] Vgl.
Anhang B.
[259] Vgl. Anhang C.
[260] Noch
1995 war der gesamte Sektor der Personenbeförderung in Händen der Histadrut.
Zwar existieren staatliche Bahnlinien zwischen Tel Aviv, Jerusalem und Haifa,
die Beförderung mit dem Bus ist allerdings schneller, billiger und bequemer.
Vgl. Abbildung 4, S. 78 und Anhang J.
[261] Zum
Umfang der jährlichen Immigration vgl. Anhang A.
[262] Ein
Tabelle zum jährlichen Anteil des Entwicklungsbudgets an den Ausgaben der
Regierung findet sich in: Wolffsohn (1995, S. 434); vgl. dazu auch Wolffsohn
(1991, S. 401).
[263] Die
Gründe für diese Art der Beteiligung an der Wirtschaft sind in Abschnitt 4.1
aufgezeigt (Privatwirtschaft als Alibi).
[264] Im
Jahr 1984 erreichte die Inflationsrate einen Wert von 375% (vgl. Razin/Sadka,
1993, S. 19). Eine ausführliche Untersuchung und Analyse dieser Krise findet
sich in Patinkin (1993, S. 103 - 128).
[265] Bank
Hapoalim, Bank Leumi Le Israel, Israel Discount Bank und United Mizrahi Bank
(vgl. Razin/Sadka, 1993, S. 202).
[266] Wolffsohn
(1994, S. 381) nennt die Ahdut Hawoda und die späteren Nachfolgeparteien MAPAI
und IAP. Vgl. auch Abbildung 2, S. 32.
[267] Dazu
Pirker (1965, S. 29): "Die politischen Parteien sind also nicht nur
'Weltanschauungsparteien', man kann sie auch als 'Wohlfahrtsparteien'
bezeichnen - und sie vertreten nicht nur Ideen und Programme, sondern auch ganz
massive, ökonomische Interessen."
[268] Vgl.
auch Abschnitt 2.5 (Parteien als Gesellschaften zur Kolonisierung des Landes).
[269] Zur
Verflechtung israelischer Banken mit Parteien oder öffentlichen Organisationen
vgl. Anhang D.
[270] Zur
Agudat Israel vgl. Abbildung 2, S. 32.
[271] Vgl. Patinkin (1993, S.
103 - 128).
[272] Dazu Ben-Porat (1993, S.
73): " Both the private sector and the Histadrut were restricted by state
regulations concerning foreign currency. Hardly anything could be purchased
abroad, except for certain materials or goods that did not require foreign
currency" (vgl. auch Ben-Porat, 1993, S. 185).
[273] Vgl.
zu diesem Problemfeld auch die Ausführungen zur Histadrut in Abschnitt 4.3.
[274] Zum
Verhalten der Manager in Staats- und Histadrutunternehmen vgl. auch Aharoni
(1991, S. 184).
[275] "For example, as
these lines are written, Israel Chemicals has no board because the ministers of
finance and of industry and trade are on such bad terms that neither will
approve the appointments of the other"; insgesamt sind 13 Ministerien für
die wirtschaftlichen Aktivitäten der Regierung zuständig (Plessner, 1994, S.
183).
[276] Vgl.
dazu die Ausführungen zur Institutionentheorie von North in Abschnitt 1.3 und
auch ausführlich Buchanan/Tullock (1962).
[277] Die
Ursachen der späten Wende könnten theoretisch mit der Pfadabhängigkeit
gesellschaftlicher Entwicklung erklärt werden. Dieser Aspekt wird im
abschließenden Kapitel noch einmal aufgegriffen.
[278] Vgl.
Dun/Bradstreet (1986, S. 9).
[279] Insgesamt
ist es schwierig, in diesem Zusammenhang fundierte Aussagen über die Wirkung
informaler Regeln zu treffen. Beispielsweise ist das ungeschriebene Gesetz,
kein Land an Angehörige anderer Konfessionen zu verkaufen, von großer
Bedeutung, kann in seiner Wirkung aber nur schwer erfaßt werden, da eine
quantitative Aussage über das Ausmaß der Befolgung dieser Regel kaum möglich
ist.
[280] Wenn
die Histadrut im folgenden zuerst als Unternehmensholding und dann als
Gewerkschaft untersucht wird, so sagt dies, im Sinne von Malkosh's Darstellung,
nichts über den Stellenwert der beiden Tätigkeitsfelder aus.
[281] Die
vorstaatliche jüdische Gesellschaft wird in der Literatur mit dem Begriff
'Yishuv' bezeichnet.
[282] Die
Kupat Cholim "ist die größte Krankenkasse des Landes, in der 70 % der
Gesamtbevölkerung versichert sind" (Wolffsohn, 1995, S. 338 f.); vgl. auch
Shalev (1992, S. 24).
[283] Eine
Jugendorganisation, Berufs- und Abendschulen für Erwachsene etc. (vgl. Pirker,
1965, S. 11).
[284] "Als
Nachfolgeorganisation (der 1909 gegründeten Haschomer (hebr.) = Wächter; C.P.),
allerdings unter dem Einschluß aller Arbeiterparteien sowie unter Federführung
der Histadrut-Gewerkschaft wurde die Hagana (=Verteidigung) am 15.06.1921, nach
den blutigen Zusammenstößen zwischen Juden und Arabern im April 1920 und Mai
1921, gegründet" (Wolffsohn, 1995, S. 188).
[285] Zu
privatwirtschaftlichen Aktivitäten vgl. Kapitel 2, zur englischen Gesetzgebung
(Förderung der Privatinitiative) vgl. Kapitel 4.
[286] Pirker
(1965, S. 29) bezeichnet die Histadrut als den "ökonomischen
Interessensektor einer Partei, nämlich der MAPAI."
[287] Pirker
(1965, S. 75) zitiert aus den Gründungszielen der Histadrut, um deren
"gesellschaftlichen Universalismus" aufzuzeigen. Dort sind in 14
Punkten alle gesellschaftlich relevanten Tätigkeitsfelder aufgezählt.
[288] Vgl.
Anhang B.
[289] Vgl.
Anhang C.
[290] Koor
Industries Ltd. war 1985, mit einem Umsatz von knapp zwei Milliarden US $ der
mit Abstand größte Industriekonzern Israels. Es folgten Israel Chemicals Ltd
(staatlich) und Clal Industries Ltd (privat) mit jeweils etwa 750 Millionen US
$ Umsatz (vgl. Dun/Bradstreet, 1986, S. 9).
[291] Vgl.
Anhang C.
[292] Vgl.
zum organisatorischen Aufbau der Histadrut: Anhang G. Die Generalversammlung
ist im Anhang mit 'Conference of Histadrut/Conference of Hevrat Haovdim'
bezeichnet.
[293] Das
Exekutivbüro ist im Anhang mit 'Governing Committee/Secreteriat' bezeichnet.
[294] Vgl.
Anhang G.
[295] Die
Abweichung ist zum einen in der Rechtsform der Unternehmungen und zum anderen
in der Art und Intensität der Anbindung an die Dachorganisation Hevrat Ovdim
begründet.
[296] Dabei
gilt es zu berücksichtigen, daß in der Regel sowohl der Staat, als auch die
Histadrut, von den gleichen Parteien bzw. Koalitionen regiert wurden.
[297] Zu
diesem Finanzfonds vgl. Plessner (1994, S. 63).
[298] Vgl.
dazu Abschnitt 2.3.
[299] Zu
den weiteren Zielen der Arbeiterparteien vgl. Abschnitt 2.4. und 2.5.
[300] Eine
Liste führender Kibbutz Unternehmen mit Umsätzen, Beschäftigten und
Branchenangabe von 1985 findet sich in: Dun/Bradstreet (1986, S. 54).
[301] Pirker
vergleicht hier die israelische Situation mit der Einwanderung in die USA.
[302] Sontheimer
(1968, S. 102) beschreibt die wirtschaftlichen Aktivitäten der Einwanderer zu
dieser Zeit: "Sie brauchten sich daher nicht dem objektiven Sachzwang
einer schon funktionierenden Wirtschaftsordnung anzupassen, sondern konnten an
einem Nullpunkt beginnen, experimentieren und ohne Rücksicht auf hemmende
Traditionen (Das ist zu bezweifeln!; C.P.) versuchen, die wirtschaftlichen
Aufgaben mit neuen Methoden zu lösen und politische Gesichtspunkte bei
wirtschaftlichen Entscheidungen stärker zu berücksichtigen. Ein starkes
voluntaristisches Element und der Primat politischer Ziele gegenüber rein
wirtschaftlichen Überlegungen wurden daher kennzeichnend für die wirtschaftliche
Aktivität der jüdischen Einwanderer."
[303] Kretzmer (1990, S. 67,
75) zieht hier die Verbindung zu biblischen Traditionen: "According to
biblical sources every family was entiteled to a plot of land that would pass
from father to first-born son for generations. This plot was called the nakhala i.e., heriage or estate."
[304] Es
sind allerdings drei Arten von Abgaben zur Finanzierung der Siedlergemeinschaft
zu entrichten: Eine Kommission für die kollektiv verkauften Produkte, ein
Preisaufschlag für die kollektiv eingekauften Konsumgüter und
Produktionsmittel und eine direkte Steuer (vgl. Pallmann, 1965, S. 59).
[305] Vgl.
zu den Wurzeln dieses Prinzips Abschnitt 2.3.
[306] Zu
den Privateigentümersiedlungen (Moschava) vgl. Abschnitt 4.1.
[307] Die
Organisation des Arbeitsbereichs im Moschav Schitufi ist identisch mit der
Organisation im Kibbutz vgl. unten.
[308] Im
Jahr 1979 schloß sich der Ichud Hakibbutzim (die Kibbutzorganisation der Hapoel
Hazair und der MAPAI) und der Kibbutz Hameuchad (die Kibbutzorganisation der
Ahdut Hawoda) zur Vereinigten Kibbutzbewegung zusammen. Daneben existiert noch
der Kibbutz Haartzi, die Kibbutzorganisation der Mapam, einer Partei, die 1948
aus abgespaltenen Gruppen der Poale Zion und der Ahdut Hawoda gegründet wurde
(vgl. Wolffsohn, 1995, S. 144 f., 344 ff. und Abbildung 2, S. 32).
[309] Gemeint
ist hier die Histadrut.
[310] Dazu
schreibt Preuss (1958, S. 66): Der Kibbutz ist "die einzige vollkommene,
integrale, allumfassende Genossenschaft (...) die in der Welt existiert."
[311] Nach
einer bestimmten Zeit wohnen die Kibbutz Mitglieder zwar auch in eigenen
Wohnungen, nicht aber als Familie, da alle Kinder gemeinsam in separaten
Gebäuden untergebracht sind. Ein eigener Haushalt existiert nur begrenzt, da
beispielsweise die Mahlzeiten in einer Art Mensa gemeinsam eingenommen werden
und die Wäsche in einer Großwäscherei gewaschen wird (vgl. Liegle, 1973).
[312] "Der
Ausdruck 'Einstellung zur Arbeit', der aus der Kibbutz-Sprache in eine
hebräische Redewendung verwandelt worden ist, teilt im Kern mit, daß
Selbstdisziplin am meisten zählt. Selbstdisziplin, die von der sozialistischen
Maxime 'Jeder nach seinen Fähigkeiten' und dem puritanischen Konzept der
'menschlichen Erfüllung' durch Arbeit gespeist wird" (Barkai, 1982, S.
25).
[313] "Es
ist sicher kein Zufall, daß es die Frauen waren, die den Trend zur
individuellen Wahl der Kleidung eingeleitet und vorangetrieben haben"
(Barkai, 1982, S. 35).
[314] Die
untersuchten Branchen gliedern sich in: Werkzeugbau, Apparatebau, Eisenguß, Plastikverarbeitung,
Maschinenbau, Nahrungsmittel und Instandhaltung.
[315] Produktivität,
Profitabilität, Management-Kosten, Management-Effizienz.
[316] Dies
war die Bezeichnung der israelischen Währung. Zusammen mit einer Abwertung
erfolgte 1980 die Umstellung auf den 'Schekel'. Im Herbst 1985 wurde jener im
Verhältnis 1000:1 gegen den 'Neuen Israelischen Schekel' (NIS) ausgetauscht.
(vgl. Wolffsohn, 1991, S. 354 - 360).
[317] Der
Kibbutz kann nicht als reines Unternehmen aufgefaßt werden, da sich der größte
Teil des kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Lebens der Mitglieder,
innerhalb der Kooperative abspielt. Damit ist der Kibbutz in diesem
Zusammenhang als Gesellschaft zu definieren und eher mit anderen
Gesellschaften, als mit einzelnen Unternehmen, zu vergleichen.
[318] Das
entspricht in etwa dem Vergleich einer privaten Hochschule mit Eingangstests
und einer öffentlichen Hochschule ohne diese Tests. Zum einen ist das
Leistungsniveau der Bewerber für eine private Hochschule in der Regel höher,
zum anderen ist die Motivation der dann ausgesuchten Bewerber größer, als bei
einer öffentlichen Hochschule ohne Eintrittsschranken.
[319] Auf
die Wirkung handlungsrechtlicher Bestimmungen in Kibbutzim auf Kinder, die dort
geboren und aufgewachsen sind, kann hier nicht weiter eingegangen werden. Vgl.
dazu ausführlich Liegle (1973).
[320] Beispielsweise
die sozialistische Ideologie der Einwanderer und der Wille zur 'Eroberung der
Arbeit', abgeleitet aus den negativen Erfahrungen der Diaspora.
[321] Beispielsweise
die Notwendigkeit Arbeit und Kapital zusammenzuführen, das Land tatsächlich,
d.h. physisch in Besitz zu nehmen und auch große Immigrantenzahlen zu
integrieren.
[322] Der
staatliche Eigentumssektor ist durch die später eingegliederten Kolonisationsorganisationen
und deren Eigentum auch in der vorstaatlichen Periode schon angelegt.
[323] Die
Unternehmen der Kibbutzim bleiben aus Gründen, die in Abschnitt 4.4 ausführlich
dargelegt worden sind, bei diesem Effizienzvergleich außen vor.
Anhang A: Volkswirtschaftlich relevante Daten Jahr Bruttoin-landsprodukt in Mio US $ 1990 Immigranten absolut