Die Eigentumsstruktur in der Wirtschaftsordnung Israels

Eine institutionentheoretische Analyse

 

Vorgelegt von Christoph Penkhues

 

 

Diplomarbeit

Geprüft von Prof. Alfred Schüller

Fachgebiet Ordnungstheorie

Philipps Universität Marburg

 

Bewertung: sehr gut (1,3)

1    Vorbemerkungen                                                            

      1.1   Thema und Ziel der Untersuchung                                        

      1.2   Theoretischer Rahmen der Arbeit                                        

             1.2.1 Handlungsrechte als ordnungsbestimmende Kraft                    

             1.2.2 Die Theorie der Institutionen von North                         

      1.3   Aufbau der Untersuchung                                                 

 

2    Wurzeln der israelischen Gesellschaftsordnug -

      Entstehung und Entwicklung formloser Institutionen                       

      2.1   Eigentumsrechte im Alten Testament                                        

      2.2   Kultur und Wirtschaft in der Diaspora                                 

      2.3   Die Zionistische Bewegung                                              

      2.4   Bodenkauf und Besitzverteilung im entstehenden Staat                 

      2.5   Parteien und der Primat der Politik                                           

 

3    Die Eigentumsverfassung in der Wirtschaftsordnung Israels -

      Entstehung und Entwicklung formgebundener Institutionen             

      3.1   Verfassungsrechtlicher Rahmen des neuen Staates                             

      3.2   Gesetzliche Bestimmungen zu Privateigentum und Vertragsfreiheit         

      3.3   Die wichtigsten Rechtsformen für Unternehmen                           

      3.4   Staatliche Regulierung und Kontrolle verschiedener Wirtschaftssektoren 

             3.4.1 Landwirtschaft                                                

             3.4.2 Industrie, Handel und Dienstleistungen                       

             3.4.3 Banken                                                         

 

4    Die Eigentumsverteilung in der Wirtschaftsordnung Israels -

      Wirkung von formlosen und formgebundenen Institutionen             

      4.1   Private Unternehmen                                                       

      4.2   Staatsbetriebe und Parteiunternehmen                               

      4.3   Histadrutwirtschaft                                                         

      4.4   Ländliche Kooperationsformen                                          

             4.4.1 Die kooperative Kleineigentümersiedlung (Moschav Ovdim)    

             4.4.2 Der Kollektiv-Moschav (Moschav Schitufi)                           

             4.4.3 Der Kibbutz                                                           

 

5    Die Institutionenanalyse als Instrument zur Erklärung von Ordnungen                                                                           

 

Literaturverzeichnis

 

Darstellungsverzeichnis

 

 

 

 

 

Tabelle 1

Partnerschaften (Personengesellschaften) in Israel

 

Abbildung 1     

Die Interdependenz gesellschaftlicher Ordnungen

Tabelle 2

Genossenschaften in Israel

 

Abbildung 2

Schema der politischen Lager und ihrer wichtigsten Parteien

Tabelle 3

Einzelunternehmen, private- und öffentliche
Unternehmen in Israel

 

Abbildung 3

Das Regierungssystem Israels

Tabelle 4

Anteil privater Unternehmen an der Gesamtzahl industrieller Unternehmen

 

Abbildung 4

Die Struktur des Histadrut Wirtschaftssektors

Tabelle 5

Output und Kapitalstock je Beschäftigten im privaten-, staatlichen- und gewerkschaftlichen Sektor der Industrie

 

Abbildung 5

Struktur und Verwaltung des Kibbutz

Tabelle 6

Produktivitätsindex in Kibbutzunternehmen und privaten Industrieunternehmen

 

 

 

Tabelle 7

Profitabilitätsindex in Kibbutzunternehmen und privaten Industrieunternehmen

 

 

 

Tabelle 8

Profit je Arbeiter in der Produktion in Kibbutzunternehmen und privaten Industrieunternehmen 

 

 

 

 

Anhangsverzeichnis

 

 

A

Volkswirtschaftlich relevante Daten       

 

F

Beschäftigtenanteil der Histadrut nach Branchen

B

Israels Nettoinlandsprodukt nach Sektoren

 

G

Organisationsstruktur der Histadrut

C

Israels Nettoinlandsprodukt nach Sektoren und Branchen

 

H

Bevölkerungsentwicklung in Kibbutzim

D

Verflechtung von Banken mit Parteien und öffentlichen Organisationen

 

I

Quellen der Bevölkerungszunahme in Kibbutzim

E

Anteil der Histadrut am Nettoinlandsprodukt nach Branchen

 

J

Eigentumsstruktur in der israelischen Wirtschaft

 

Abkürzungsverzeichnis

       

AC

Zionistisches Aktionskomitee

 

LSI

Law Of The State Of Israel

APC

Anglo Palestine Company

 

MAPAI

Sozialdemokratische Arbeitspartei

COLA

Cost Of Living Allowance

 

NIS

Neuer Israelischer Schekel

CPI

Consumer Price Index

 

NRP

Nationalreligiöse Partei

EAC

Engeres Aktionskomitee

 

PEA

Private Employers' Association

IAP

Israelische Arbeiterpartei

 

PJCA

Palestine Jewish Colonisation Association

JA

Jewish Agency

 

PLDC

Palestine Land Development Company

JCA

Jewish Colonisation Association

 

ZWO

Zionistische Weltorganisation

JNF

Jewish National Fund

 

 

 

 

1      Vorbemerkungen

 

1.1   Thema und Ziel der Untersuchung

 

Die Wirtschaftsordnung Israels unterscheidet sich, bezüglich der ihr zugrunde liegenden Eigentumsstruktur, deutlich von den Ordnungen anderer Länder. Elemente zweier weltanschaulicher Richtungen sind hier miteinander vereint, die sich sonst gegenseitig auszuschließen scheinen. Besonders in der Frage nach dem Eigentum an Produktionsmitteln wird dieser Gegensatz deutlich.

 

Ist für die Befürworter kapitalistischer Ordnungen[1] der private Besitz an Produktions­mitteln die unabdingbare Voraussetzung für das Funktionieren des Wirtschafts- und Gesellschaftssystems, so ist für die Kritiker jener Auffassung genau dies die Ursache für Ausbeutung und Unterdrückung. Umgekehrt sehen Vertreter sozialistischer Ordnungen[2] im kollektiven Besitz der Produktionsmittel den Weg zur klassenlosen Gesellschaft, während die Gegner darin die Ursache für gesellschaftliche Mißstände ausmachen.[3] Folglich sind in sogenannten kapitalistischen Wirtschaftsordnungen die Produktionsmittel größtenteils in privater Hand, während in sogenannten sozialistischen Wirtschaftsordnungen das Kollektiv- bzw. Staatseigentum dominiert.[4] Leipold (1987, S. 39) bezeichnet daher die Eigentumsordnung als "die entscheidende Trennungslinie zwischen den Wirtschafts- und Gesellschaftssystemen" von Staaten.

 

Für Israel gilt diese Trennung nicht. Anfang der neunziger Jahre befanden sich hier etwa 50% der Produktionsmittel in privater Hand, 25% waren in Staatseigentum und 25% in Gewerkschaftsbesitz (vgl. Ben-Porat, 1993, S. 160).[5]

Das Eigentum an Produktionsmitteln kann also nicht überwiegend einem Sektor zugeordnet werden. Vielmehr existieren Privateigentum, Staatseigentum und Gesell­schaftseigentum nebeneinander.[6] Damit sind scheinbar nicht zu verbindende Elemente zweier Weltanschauungen in Israel seit über vierzig Jahren miteinander verknüpft.

 

Dieser Zustand gibt Anlaß zu verschiedenen Fragen, die in den folgenden Kapiteln präzisiert, untersucht und, soweit möglich, beantwortet werden. Ausgangspunkt soll die Fragestellung sein, warum eine klare Zuordnung des Produktionsmitteleigentums zu einem einzigen Sektor nicht stattgefunden hat. Wieso hat sich also eine Wirtschafts­ordnung entwickelt, die als 'Gemischte Wirtschaft' bezeichnet wird, in der Privat-, Staats- und Gesellschaftseigentum nebeneinander existieren (vgl. Ben-Porat, 1993, S. 187)? Weiterhin wird erörtert, wie sich diese spezielle Eigentumsstruktur auf die wirtschaftliche Entwicklung im allgemeinen und auf das wirtschaftliche Verhalten der einzelnen Menschen im besonderen auswirkt.

 

Ziel der Untersuchung ist damit die Erklärung von Entstehung, Entwicklung und Wirkung der Eigentumsstruktur in der Wirtschaftsordnung Israels.

 

Dazu wird im folgenden Abschnitt die leitende These von der Interdependenz der gesellschaftlichen Ordnungen entwickelt. Dies erfolgt unter Berücksichtigung zweier Aspekte:

 

   Eine fundierte Erklärung der in Israel entstandenen Eigentumsstruktur läßt sich nur durch einen Blick in die Geschichte des Judentums finden.[7] Der Focus soll hierbei auf wenige, relevante Aspekte der Geschichte gelenkt werden, und so eine hinreichende Begründung ermöglichen. Dazu ist die Einordnung der Eigentumsstruktur in den Rahmen des gesellschaftlichen Gesamtsystems erforderlich. Die These soll die notwendige Verbindung herstellen.

   Gleichzeitig ist die These das Kriterium zur Auswahl einer geeigneten ökonomischen Theorie. Diese Theorie soll zum einen als Fundament der These selbst dienen und zum anderen das analytische Werkzeug zur Untersuchung der gestellten Fragen bereithalten.

 

 

1.2   Theoretischer Rahmen der Arbeit

 

1.2.1 Handlungsrechte als ordnungsbestimmende Kraft

 

Der Begriff Eigentum bezeichnet Verfügungs- und Aneignungsrechte, die Personen bezüglich Gütern haben.[8] Die Güter können materiell oder immateriell sein. Verfügungsrechte erlauben den Erwerb, die Veränderung und das Veräußern von Gütern zum Zweck der Produktion oder des Verbrauchs. Aneignungsrechte gestatten das exklusive Aneignen der Erträge aus der Verfügungsmacht über Güter, beziehen aber auch die Haftung, als eine in die Verantwortung nehmende Folge der Verfügungs­macht, mit ein (vgl. Leipold, 1987; S. 39, 1988, S. 35).[9]

 

Diese Rechte werden Eigentumsrechte, allgemein Handlungsrechte und im englischen Sprachraum Property Rights genannt (vgl. Schüller, 1985, S. 259; Leipold, 1988, S. 21). Für die weitere Untersuchung wird in der Regel der Begriff Handlungsrechte, der einer allgemeinen Definition von Institutionen am ehesten entspricht,[10] verwendet. Die Begriffe Eigentumsrechte bzw. Property Rights finden dann Verwendung, wenn Rechte im oben definierten, engeren Sinn beschrieben werden.[11]

 

Die zu untersuchende Eigentumsstruktur spiegelt also eine bestimmte Verteilung von Eigentumsrechten wieder. Um den Zusammenhang zwischen dieser Verteilung und dem gesellschaftlichen Gesamtsystem herzustellen, soll zunächst die Eigentums­ordnung als Gesamtheit der Regeln bzw. Handlungsrechte definiert werden, die dieser Verteilung zugrunde liegen. Die Eigentumsordnung ist konstitutives Element der Wirtschaftsordnung. Diese wiederum "bezeichnet die Gesamtheit der gesetzten und gewachsenen Regeln des Rechts, des sittlich-kulturellen und politischen Verhaltens, der Tradition und Konvention, die sich zu bestimmten ökonomischen Sachverhalten ausformen können und zusammen mit diesen Ordnungsformen den wirtschaftlichen Entscheidungs- und Handlungsspielraum der Menschen auf Dauer begrenzen" (Schüller, 1992a, S. 1; vgl. ausführlich Hensel, 1992, S. 18 - 26). Neben der Wirtschaftsordnung besitzt ein Gesellschaftssystem noch eine kulturelle und eine politische Ordnung. Diese spiegeln ebenfalls eine bestimmte Verteilung von Handlungsrechten wieder(vgl. Schüller, 1992a, S. 7).

 

Es stellt sich nun die Frage, ob die verschiedenen Ordnungen des gesellschaftlichen Gesamtsystems getrennt nebeneinander bestehen können und Veränderungen innerhalb der Teilbereiche autonom erfolgen, oder ob Interdependenzen vorhanden sind. Ist eine getrennte Existenz der Fall, dann kann die Untersuchung der Eigentumsstruktur auf den Bereich der Wirtschaftsordnung beschränkt werden. Ansonsten müssen auch die übrigen Teilordnungen des Gesellschaftssystems Berücksichtigung finden. Folgende These soll den Verlauf der Untersuchung bestimmen:

 

Die gesellschaftlichen Ordnungen sind voneinander abhängig. Verändert sich eine Ordnung, so zieht dies, aufgrund der Interdependenz, Veränderungen der anderen Ordnungen nach sich.

Werden solche Veränderungen als sich wandelnde Handlungsrechte aufgefaßt, dann sind die Handlungsrechte ordnungsbestimmende Kraft.

 

Zwei Beispiele sollen diese Vermutung verdeutlichten und untermauern:

 

   Im Alten Testament,[12] der religiösen und kulturellen Grundlage des heutigen Judentums,[13] finden sich im Buch Levitikus verschiedene Aussagen über 'reine' und 'unreine' Tiere.[14] Neben anderen Tieren wird das Schwein wegen seiner gespaltenen Klauen als unreines Tier klassifiziert. Aus diesem Grund ist der Verzehr von Schweinefleisch untersagt: "Ihr dürft von ihrem Fleisch nicht essen."[15] Von gläubigen Juden wird die Regel bis heute befolgt.


      Die Regel ist zur Sitte bzw. zum Brauch geworden und damit zum Bestandteil der jüdischen Kultur. Nach Gründung des Staates Israel hat sie ihren Niederschlag im Gesetz zur Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktion[16] gefunden. Es regelt insgesamt den Handel, die Haltung und das Schlachten von Vieh. Infolge der darin enthaltenen restriktiven Bestimmungen zur Schweinezucht existiert dieser Wirtschaftszweig in der israelischen Landwirtschaft nicht.

 

In diesem Fall hat die religiös-kulturelle Ordnung Einfluß auf die politische Ordnung genommen.[17] Durch ein Gesetz wurde eine Sitte übernommen und hat dadurch wirtschaftspolitisch gestaltend gewirkt. Der Berufszweig Schweinezüchter, der Verfügungs- und Aneignungsrechte bezüglich Schweinen voraussetzen würde, kommt in Israel nicht vor. Es wird deutlich, daß hier die kulturelle Ordnung die politische Ordnung prägt und diese wiederum die Wirtschaftsordnung bestimmt.

 

Anhand eines anderen Beispiels läßt sich zeigen, daß auch handlungsrechtliche Veränderungen der politischen bzw. der Wirtschaftsordnung Auslöser für einen Wandel der übrigen Teilordnungen sein können:

 

   Während in den alttestamentarischen Büchern Exodus[18] und Levitikus[19] ein Verbot der Zinsnahme von armen Volksgenossen ausgesprochen wird, ist im später geschriebenen Deuteronomium ein generelles Verbot der Zinsnahme von Ange­hörigen des eigenen Volkes zu finden. Gleichzeitig wird an dieser Stelle die Zins­nahme von Fremden ausdrücklich erlaubt: "Du darfst von deinem Bruder keine Zinsen nehmen: weder Zinsen für Geld noch Zinsen für Getreide noch Zinsen für sonst etwas, wofür man Zinsen nimmt. Von einem Ausländer darfst du Zinsen nehmen, nicht aber von deinem Bruder."[20]

 

Es ist anzunehmen, daß die wirtschaftliche Entwicklung von der reinen Agrarwirt­schaft zu vermehrtem Handel den Anlaß zur Veränderung dieser Regel gab. Die kulturell-sittliche Ordnung ist aufgrund des Wandels wirtschaftlicher Handlungsab­läufe modifiziert und präzisiert worden (vgl. auch Paraskewopoulos, 1989, S. 152 ff.).

 

Indem Handlungsrechte das allgemeine Verhalten von Menschen, und Eigentumsrechte vor allem das wirtschaftliche Handeln bestimmen, sind sie ordnungsbestimmende Kraft. Da viele dieser Regeln nicht einer spezifischen Ordnung zugeordnet werden können[21] und die Veränderung einer Regel den Wandel anderer Regeln nach sich zieht,[22] kann die oben formulierte These graphisch wie folgt dargestellt werden:

 

 

Abbildung 1:              Die Interdependenz gesellschaftlicher Ordnungen.

 

Eigene Darstellung

 

 

In den Schnittmengen der jeweiligen Teilordnungen sind dabei sowohl jene Handlungs- bzw. Eigentumsrechte angesiedelt, die nicht eindeutig zugeordnet werden können, als auch jene, deren Wandel die Veränderung mehrerer Teilordnungen zur Folge hat.[23]

Es ist zu vermuten, daß in Israel die Interdependenz der Ordnungen besonders intensiv ist. Dies deutet sich beispielsweise dadurch an, daß noch heute Personenstandsfragen wie Ehe, Unterhalt und Erbschaft ausschließlich von den religiösen Gerichten geregelt werden (vgl. Wolffsohn, 1995, S. 331).

 

Die zuvor formulierte Fragestellung kann nun dahingehend weiterentwickelt werden, daß zur Erklärung der Eigentumsstruktur Israels die Entstehung, Entwicklung und Wirkung von Handlungsrechten untersucht werden muß. Erkenntnisziel ist damit die Erklärung der Wahl von Regeln (Choice of rules) und die Erklärung der Wirkung von Regeln (Choice within rules) (vgl. Leipold, 1989, S. 15).

 

Dieses Ziel verfolgt die 'Neue ökonomische Institutionentheorie', eine Weiterentwick­lung der von Eucken begründeten Ordnungstheorie (vgl. Leipold, 1989, S. 13).[24] Im folgenden wird der institutionentheoretische Ansatz von North (1992) dargestellt. Da North eine brauchbare Theorie des institutionellen Wandels aufzeichnet, eignet sich dieser Ansatz zu Erläuterung der vorliegenden Fragestellung. Andere Ansätze, wie der vertragstheoretische von Buchanan (1984), der Internalisierungsansatz von Demsetz (1957), oder das evolutionstheoretische Konzept von von Hayek (1971), bieten ebenfalls einen möglichen theoretischen Ausgangspunkt.[25]

 

 

1.2.2 Die Theorie der Institutionen von North

 

Im Gegensatz zum Historischen Materialismus[26] beschreibt North den Geschichts­prozeß als variabel und offen. Er sieht die Vergangenheit als Geschichte institutio­neller Evolution (North, 1992, S. VII). Durch den Wandel von Handlungsrechten, deren Gesamtheit den institutionellen Rahmen eines Gesellschaftssystems darstellt,[27] erklärt er die Entwicklung von Gesellschaften. Handlungsrechte sind damit für ihn der "Schlüssel zum Verständnis historischen Wandels" (North, 1992, S. 3 und S. 39).[28]

 

Handlungsrechte bzw. Institutionen werden bewußt geschaffen oder entstehen von selbst.[29] Als Spielregeln menschlicher Interaktion haben sie die Aufgabe, "durch die Schaffung einer stabilen (...) Ordnung, die Unsicherheit menschlicher Interaktion zu vermindern." Das Problem menschlicher Kooperation steht somit im Mittelpunkt. Während effiziente Institutionen[30] zu einer Senkung von Transaktionskosten[31] beitragen und dadurch individuelle Tauschgewinne und allgemeines Wirtschaftswachs­tum ermöglichen, können ineffiziente Institutionen zu wirtschaftlichem Stillstand bzw. Rückgang führen (North, 1992, S. 4 - 9).

 

Diese Feststellung ist Ausgangspunkt der Kritik von North am neoklassischen Ansatz, der nach seinem Erachten den Fortbestand ineffizienter Tauschformen über Jahrtau­sende hinweg nicht erklärt. Die neoklassische Theorie gehe hier von der falschen Grundannahme aus, daß "Eigentumsrechte vollkommen und kostenlos spezifiziert sind und Information ebenfalls kostenlos ist." Er widerlegt diese Sichtweise, indem er das Coase-Theorem[32] umformuliert und feststellt, "daß dann, wenn Transaktionen etwas kosten, es auf die Institutionen ankommt" (North, 1992, S. 14).

 

Institutionen werden in formlose (informale) und formgebundene (formale) Beschränkungen bzw. Regeln getrennt. Durch formlose Regeln ist der Fortbestand vieler Teilerscheinungen einer Gesellschaft zu erklären, obwohl eine vollständige Veränderung der formalen Regeln - beispielsweise nach einer Revolution - stattgefunden hat. Formlose Regeln "entstehen aus Information, die in der Gesellschaft weitergegeben wird, und sind Teil jenes Erbes, das wir Kultur nennen" (North, 1992, S. 44).[33] In Verbindung mit formgebundenen Regeln haben sie eine erweiternde, ausarbeitende und beschränkende Funktion.[34] Sie können als gesellschaftlich sanktionierende Verhaltensnormen und intern bindende Verhaltens­codizes aufgefaßt werden (vgl. North, 1992, S. 47 f.).

 

Indem "tiefe religiöse Überzeugungen" oder "die Bindung an den Kommunismus" menschliche Entscheidungen beeinflussen, ist die Motivation, welche den Fortbestand oder Wandel solcher Regeln begründet, durch das einfache Modell des Erwartungs­nutzens[35] nicht zu erklären (North, 1992, S. 50). Die der North'schen Institutionen­theorie zugrunde liegende Verhaltensannahme läßt lediglich die Aussage zu, daß das Gewicht des Einflusses von Überzeugungen und Ideologien zunimmt, je niedriger der dafür zu zahlende Preis ist: "Dort wo es den einzelnen wenig kostet, seine eigenen Wertvorstellungen und Interessen zum Ausdruck zu bringen, werden diese großen Einfluß auf die zu treffenden Entscheidungen haben; ist aber der Preis, den man für die Artikulierung seiner eigenen Weltanschauung, Normen oder Präferenzen bezahlt, extrem hoch, so werden sie das menschliche Verhalten viel weniger beeinflussen" (North, 1992, S. 26 f., 49).[36]

 

Mit formalen Beschränkungen, die politische, judizielle und wirtschaftliche Regeln und Verträge umfassen, bringt North den Staat ins Spiel. Die Aufgabe der Gestaltung, Überwachung und Durchsetzung, die bei informalen Beschränkungen von der Familie bzw. dem Stamm geleistet wird, ist bei formalen Regeln in der Hand des Staates (vgl. North, 1992, S. 46; 55 ff.). Demzufolge ist die herkömmliche Transaktionskostenöko­nomik auf die Analyse politischer Prozesse auszudehnen. Damit können ineffiziente Eigentumsrechte auch als Resultat politischer Vorgänge aufgefaßt werden (vgl. Herrmann-Pillath, 1992, S. 509; North, 1992 S. 129 ff.). Indem politische Regeln wirtschaftliche Regeln nach sich ziehen, werden auch Eigentumsrechte im Zuge politischer Entscheidungen bestimmt und durchgesetzt (vgl. North, 1992, S. 58).

 

Wesentliche Änderungen dieser formalen Regeln kommen dann zustande, wenn die Verhandlungsmacht, der am politischen Entscheidungsprozeß beteiligten Personen oder Gruppen, die eine Änderung anstreben, groß genug ist (vgl. North, 1992, S. 82). Die Mittel, die dabei für intermediäre Organisationen (Lobbys) verwendet werden, steigen in Relation zum Anteil volkswirtschaftlicher Mittel, auf den staatliche Entscheidungen Einfluß nehmen (vgl. North, 1992, S. 110).

 

Innerhalb dieses institutionellen Rahmens, bestehend aus kulturell tradierten Normen und in politischen Prozessen entwickelten formalen Regeln, bewegen sich Unternehmer und deren Organisationen. Institutionen bestimmen dabei die Chancen, die eine Gesellschaft bietet, während Organisationen geschaffen werden, um solche Chancen zu nutzen (vgl. North, 1992, S. 8). Durch die Verfolgung von Maximierungszielen[37] sind ökonomische Organisationen "ursächlich und richtungsweisend für den institutionellen Wandel." Das Wechselspiel der Veränderung formal-institutioneller Rahmenbedingungen und der Weiterentwicklung ökonomischer Organisationen gestaltet sich dann folgendermaßen: "Der institutionelle Rahmen wird die Richtung mitbestimmen, die beim Erwerb von Wissen und Fertigkeiten eingeschlagen wird (...) [und] diese Richtung wird der entscheidende Faktor in der langfristigen Entwicklung der betreffenden Gesellschaft sein."[38] Der einmal eingeschlagene Weg wird aufgrund der "Verlaufsabhängigkeit technischen Wandels" auch langfristig beibehalten (North, 1992, S. 87 - 93).[39]

 

Die Mitgestaltung des institutionellen Wandels durch ökonomische Organisationen vollzieht sich dann über die "abgeleitete Nachfrage nach Investitionen in Wissen (...), die (...) Wechselwirkungen zwischen organisierter Wirtschaftstätigkeit, Wissensstand und institutionellen Gegebenheiten und (...) die schrittweise Änderung der formlosen Beschränkungen" (North, 1992, S. 93 f.).

 

Da North alle Teilbereiche des Gesellschaftssystems einbezieht und "kulturell tradierte Normen als wesentliche Determinante langfristiger Entwicklung" und als stabilisieren­des Element der Gesamtordnung betrachtet, erscheint diese Theorie als besonders geeignet (Herrmann-Pillath, 1992, S. 503). Mit Begriffen wie Religion, Ideologie, Familie und Macht erweitert er das ökonomische Blickfeld und zeigt neue
Erklärungsmöglichkeiten für die Analyse von Institutionen bzw. Handlungsrechten auf. Durch die Unterscheidung in formale und informale Handlungsbeschränkungen erklärt er den institutionellen Wandel "über eine komplexe Wechselwirkung zwischen individuellen Wahlhandlungen, Organisationen, kulturellen Normen und den formalen Institutionen wie etwa Eigentumsrechten" (Herrmann-Pillath, S. 509). Damit sind Handlungsrechte, die er Institutionen nennt, auch für ihn ordnungsbestimmende Kraft.

 

 

1.3   Aufbau der Untersuchung

 

Für die eingangs entwickelte Fragestellung ergibt sich durch die Verbindung der These von der Interdependenz der Ordnungen mit der Institutionentheorie von North folgender Aufbau der weiteren Untersuchung:

 

Ausgangspunkt ist die kulturelle Ordnung des Judentums und die hier begründeten informalen Regeln. Mit dem Schwerpunkt auf eigentumsrechtlichen Bestimmungen werden Wurzeln dieser Ordnung betrachtet. Handlungsrechtliche Bedingungen für die Kolonisation Palästinas und für die während der englischen Mandatszeit entstehende politische Ordnung, stehen im Vordergrund (Kapitel 2).

 

Mit der Gründung des Staates Israel gewinnt diese politische Ordnung, die bisher vor allem auf informalen Regeln basierte, im Zusammenhang mit formalen Regeln an Bedeutung. Formale Regeln für politische Prozesse und formale Eigentumsrechte als Ergebnis politischer Prozesse werden untersucht. Die Art der gesetzlichen Ausgestal­tung von Eigentumsrechten in der Wirtschaftsordnung Israels steht im Mittelpunkt. Vom Gesetzgeber zugebilligte individuelle eigentumsrechtliche Freiheiten und ihre Einschränkungen werden beleuchtet (Kapitel 3).

 

Im anschließenden Kapitel werden die ökonomischen Wirkungen des handlungsrechtlichen Rahmens untersucht, der in den beiden vorangehenden Kapiteln skizziert wurde. Die Betrachtung der realen Eigentumsverteilung zeigt, inwiefern informale Regeln erweiternd, ausarbeitend und beschränkend zum formalen Regelwerk wirken. Die Entwicklung dieser Verteilung nach Eigentumssektoren und Wirtschaftsbranchen wird aufgezeigt, und die Wirkung von Handlungsrechten auf das menschliche Verhalten untersucht (Kapitel 4).

 

Ob der theoretische Rahmen die notwendigen Instrumente zur Beantwortung der Fragestellung geliefert hat, ob also die Institutionenanalyse geeignet zur Erklärung von Ordnungen ist, wird schließlich in einem Rückblick kritisch betrachtet (Kapitel 5).

 

2      Wurzeln der israelischen Gesellschaftsordnung -

        Entstehung und Entwicklung formloser Institutionen

 

Der folgende Überblick über die Kultur- und Wirtschaftsgeschichte Israels soll den Einstieg in die Thematik erleichtern.[40] Insgesamt liegt der Focus der Betrachtung auf den Wurzeln der kulturellen Ordnung des Judentums und der Entwicklungsgeschichte der politischen Ordnung des Staates Israel. Nach der eingangs formulierten Interdependenzthese sollen die dort begründeten informalen Regeln bzw. kulturell tradierten Normen die Entstehung von Eigentumsrechten erklären.

 

Ausgangspunkt ist das Alte Testament, das im Hinblick auf handlungsrechtliche Bestimmungen bezüglich Eigentum und Erwerb betrachtet wird (Abschnitt 2.1).[41] Es folgt ein kurzer Abriß der jüdischen Geschichte bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts. Institutionelle Bedingungen in der Diaspora und kulturell prägende, externe Einflüsse, stehen dabei im Mittelpunkt (Abschnitt 2.2). Die Anfänge des Zionismus, damit verbundene religiöse und politische Weltanschauungen, sowie die Institutionalisierung der Zionistischen Bewegung auf dem Baseler Kongreß (1897) werden anschließend betrachtet (Abschnitt 2.3). Mit der Darstellung der beginnenden jüdischen Kolonisation Palästinas und den zu diesem Zweck entstandenen Organisationen und Institutionen werden dann die ersten konkreten Determinanten der heutigen Eigentumsstruktur aufgezeigt (Abschnitt 2.4). Anhand der Programmatik der um die Jahrhundertwende entstandenen Parteien wird schließlich untersucht, inwieweit sich der kultur- und wirtschaftsgeschichtliche Hintergrund - besonders im Hinblick auf Eigentumsfragen - in den Zielen der politischen Organisationen widerspiegelt. Gleichzeitig sind die Parteien für die Untersuchung der formalen Eigentumsverfassung (Kapitel 3), die ein Ergebnis politischer Prozesse ist (vgl. North, 1992, S. 58), von Bedeutung (Abschnitt 2.5).


2.1   Eigentumsrechte im Alten Testament

 

Der jüdische Glaube beinhaltet das tägliche Befolgen einer Vielzahl von Regeln und Handlungsanweisungen.[42] Ursprung dieser Regeln ist die Torá (Gesetz), deren Lesung auch heute noch den Mittelpunkt jedes jüdischen Gottesdienstes bildet. Shapiro (1993, S. 66) betont die Bedeutung der jüdischen Religion und damit auch die Bedeutung des Alten Testaments als Grundlage derselben. Er bezeichnet die Religion als Kern (core belief) der israelischen Kultur.[43] Aus diesem Grund ist anzunehmen, daß auch Aussagen, die im Alten Testament bezüglich Eigentum und Erwerb formuliert sind, heute noch Bedeutung besitzen.

 

Um das Jahr 1300 v. Chr. ist das Alte Testament entstanden. Juden wie Christen verstehen es als Offenbarungsurkunde. Sie glauben an die Inspiration der Verfasser durch den Geist Gottes. Die Juden unterscheiden im Alten Testament die fünf Bücher der Torá (Exodus, Genesis, Levitikus, Numeri und Deuteronomium), die Moses verfaßt haben soll, die Bücher der Propheten und die übrigen Schriften.[44] In der Torá ist das Gesetz enthalten, das Moses auf dem Berg Sinai von Gott für Israel[45] empfangen hat. Es bildet die Grundlage für den Bund zwischen Gott und Israel. Daraus geht hervor, daß Gott Alleineigentümer der Erde und des Volkes Israel ist.[46] Weiterhin wird den Israeliten das Land Kanaan[47] als "erblicher Besitz"[48] zugesprochen. Der Begriff des irdischen Eigentums ist damit grundsätzlich auf Gott hin relativiert (vgl. Paraskewopoulos, 1989, S. 149).[49]

Lediglich ein zeitlich begrenzter Besitz von Grund und Boden ist möglich. Um diesen Besitz auch zu behalten, muß das Volk Israel als Erbpächter, den handlungsrechtlichen Vorgaben des Eigentümers folgen. Ist dies der Fall, dann werden die Pächter mit Erträgen belohnt, sonst bleiben die Erträge aus.[50] Die hinter dem Erbpachtvertrag stehende Idee des Eigentums beschreibt Kuebel (1870, S. 29) als gänzliche "Loslösung von materiellem Besitz und bloßes Annehmen aus der Hand des Herrn" und sieht damit "das Prinzip des Egoismus lahmgelegt."[51]

 

Neben Grund und Boden nennt van Oyen (1967, S. 173) noch bewegliches Vermögen, Beute aus Jagd und Krieg, und Menschen (Sklaven) als mögliche 'Besitzgüter', die damals von Bedeutung waren. Da aber erkennbare Zusammenhänge zwischen den damaligen Eigentumsrechten und der heutigen Eigentumsstruktur am ehesten im Bereich der Regeln zu Grund und Boden zu finden sind, bleiben die übrigen Besitzarten hier ausgeklammert.

 

Die Primärverteilung des Landes Kanaan nach der Landnahme[52] durch die Israeliten wird im Buch Numeri geschildert: "Wer mehr Namen zählt, dem sollst du einen größeren Erbbesitz geben; wer weniger zählt, dem sollst du einen kleineren Erbbesitz geben (...). Der Erbbesitz soll durch das Los zwischen den großen und kleinen Stämmen aufgeteilt werden."[53] Innerhalb der Stämme wird der Grundbesitz dann nach den gleichen Regeln zwischen den einzelnen Geschlechtern und Familien weiter aufge­teilt.[54] Insgesamt kann auf diese Weise, neben Gott als Gesamteigentümer, in vier Besitzebenen unterschieden werden: Das Land als Ganzes befindet sich im Besitz des Volkes Israel. Es ist aufgeteilt in Stammes-, Geschlechter- und Familienbereiche, die jeweils die Untereinheiten der vorher genannten Ebene bilden.

 

Die Art der Aufteilung ist weniger unter dem Aspekt der Verwaltung zu betrachten, als vielmehr unter dem Gesichtspunkt der Besitzkonservierung (vgl. Kuebel, 1870, S. 30). So finden sich im Alten Testament eine Reihe von handlungsrechtlichen Bestimmungen, die alle eine Besitzkonservierung auf der jeweiligen Besitzebene (Volk, Stamm, usw.) zum Ziel haben:

 

      Der einmal von einer Familie erhaltene Besitz soll auch in derselben verbleiben, und in der Regel an den zuerst geborenen Sohn vererbt werden. Für den Fall, daß nur Töchter als Nachkommen existieren, erhält die älteste Tochter den Familienbesitz mit der Auflage, nur einen Mann aus dem eigenen Stamm zu heiraten (vgl. Kuebel, 1870, S. 33).[55]

 

      Ist eine Ehe kinderlos, dann soll der Bruder des verstorbenen Ehemannes (Levir) die Witwe zur Frau nehmen (sog. Leviratsehe). Der aus dieser Ehe hervorgehende erste Sohn führt dann den Namen des Verstorbenen und damit den Namen der Familie fort (vgl. Kuebel, 1870, S.34).[56]

 

      Hat jemand wegen Verarmung sein Grundstück verkaufen müssen, dann hat ein naher Verwandter (Göl) das Recht, jenes Grundstück für sich einzulösen. Dieses Recht steht auch jederzeit dem ursprünglichen Besitzer zu, vorausgesetzt "er erwirbt genug zu dessen Einlösung."[57] Der Kaufpreis bemißt sich dann nach dem Wert, zu dem der Verarmte das Grundstück verkauft hat, abzüglich der Summe der Erträge, die der zwischenzeitliche Besitzer während seiner Besitzzeit aus dem Boden gezogen hat (vgl. Kuebel, 1870, S. 15 ff., 36; Paraskewopoulos, 1989, S. 151).[58] Der Sinn dieser Wertermittlung wird deutlich, wenn eine weitere Institution, die ebenfalls der Besitzkonservierung dient, berücksichtigt wird:

 

      Das Jubeljahr[59] ist ein im fünfzigjährigen Turnus wiederkehrendes Festjahr, das eine "restitutio in integrum", eine vollkommene Wiederherstellung der ursprüng­lichen Lage für den gesamten Besitz an Grund und Boden bewirkt (Kuebel, 1870, S. 36). "In diesem Jobeljahr kehrt ihr zurück, ein jeder zu seinem Besitz."[60] Der Begriff des Verkaufs ist damit sinngemäß eine Verpachtung auf Zeit. Ein Grundstück an sich kann nicht erworben werden, sondern lediglich die Nutzung bzw. die Erträge desselben und dies auch nur für eine begrenzte Zeit­spanne. Je größer bei einem solchen 'Erwerb' die Zahl der Erntejahre bis zum nächsten Jubeljahr ist, desto höher ist der entsprechende Kaufpreis.[61] Ausgenommen von der Jubeljahr-Regel sind Wohnhäuser in den Städten[62], für die eine Rücklösefrist von einem Jahr besteht. Nach dieser Frist gehen sie vollkommen in den Besitz des Käufers über (vgl. Kuebel, 1870, S. 35 ff., Paraskewopoulos, 1989, S. 151).

 

Durch die aufgezeigten Regeln wird "die Absicht des Gesetzgebers, die Institutionen des privaten Eigentums zu schützen" zum Ausdruck gebracht (Paraskewopoulos, 1989, S. 150).[63] Kuebel (1870, S. 34) begründet die Notwendigkeit des Schutzes bzw. der Konservierung von Besitz, indem er die "Idee der Zusammengehörigkeit des Hauses" formuliert und die "Verbindung eines (...) Individuums mit einem eigenthüm­lichen Besitz als natürliche und stetige Basis seiner Existenz" hervorhebt.

 

Die verfügungsrechtlichen Beschränkungen, die einerseits zu diesem Schutz führen, begrenzen andererseits aber auch die Möglichkeiten der Nutznießerschaft aus privatem Besitz. "Da Gott der absolute Eigentümer ist, (...), kann der einzelne nicht grenzenlos über sein Eigentum verfügen. Die sittlich eingrenzende Forderung besteht darin, daß der private Gebrauch des Eigentums Rücksicht auf die Rechte der Volksgemeinschaft zu nehmen hat" (Paraskewopoulos, 1989, S. 150; vgl. auch van Oyen, 1967, S. 172 f.).[64]

 

Dieser soziale Aspekt ist auch in verschiedenen aneignungsrechtlichen Beschränkun­gen zu finden: Am Sabbat, dem siebten Tag der Woche, in jedem siebten Jahr (Sabbatjahr) und auch im Jubeljahr ist jegliche agraische Nutzung des Bodens und auch die Ernte der Erträge untersagt (vgl. Kuebel, 1870, S. 38 f.; Paraskewopoulos, 1989, S. 150 f.).[65] Zu diesen Zeiten hat die gesamte Gemeinschaft, Menschen und Tiere, das Recht, sich von den Früchten des Landes zu ernähren: "Für das Land soll es ein Jahr der Sabbatruhe sein. Der Sabbat des Landes selbst soll euch ernähren: dich, deinen Knecht, deine Magd, deinen Lohnarbeiter, deinen Halbbürger, alle, die bei dir leben.[66]

 

Diese und andere[67] Mitnutzungsrechte der Gemeinschaft unterstreichen die Abwesenheit der Institution Privateigentum[68], verstanden als weitgehende, exklusive, handlungsrechtliche Freiheit des Einzelnen bezüglich eines Gutes.[69] Da der einzige Weg zum Erwerb von Grund und Boden über die Erbschaft führt, folgert Kuebel (1870, S. 44), "daß der Reichtum überhaupt nicht selbstthätig zu gewinnen war." Aus den Bestimmungen zur Zinsnahme[70] und den wenigen Aussagen über andere Erwerbszweige neben der Landwirtschaft kommt er dann zu dem Schluß, daß das Gesetz als "gesunde volkswirtschaftliche Basis des Erwerbslebens, (...), nicht die Geldwirtschaft sondern die Feldwirtschaft" vorsieht.

 

Insgesamt ist damit festzuhalten, daß das Alte Testament als Gesetz eines Agrarvolkes aufgefaßt werden muß. Es enthält eine vertragsmäßige Regelung der Beziehungen zwischen Gott, Gemeinschaft und Individuum. Darin ist Einzelbesitz zwar einerseits geschützt, wird aber andererseits durch konservierende und kollektivierende Regeln auf Gott und die Gemeinschaft hin relativiert (vgl. auch Gross, 1975, S. 19 - 24).[71] Daher kann der Argumentation von Paraskewopoulos (1989, S. 152) gefolgt werden, wenn er im Zusammenhang mit "der jüdischen Eigentumsordnung (...) von einer theokratischen Vergesellschaftung" spricht. Für die weitere Untersuchung erscheinen folgende Aspekte dieser Betrachtung als relevant:

 

   Der hohe Grad der Institutionalisierung und Regelung aller Lebensbereiche,

 

   die konservierenden und kollektivierenden Regeln bezüglich Grund- und Boden­besitz und in diesem Zusammenhang auch

 

   die enge Verbindung der Familie mit ihrem Besitz, und der Schutz dieser Beziehung.

 

   Weiterhin sind auffallend viele Parallelen zu sozialistischen Ideen festzustellen.


2.2   Kultur und Wirtschaft in der Diaspora

 

Als Juden wurden die Hebräer bezeichnet, die sich in babylonischer Gefangenschaft (586 - 536 v. Chr.) zu religiösen Gemeinschaften zusammengeschlossen hatten, um an der Tradition ihrer Väter festzuhalten. Dieser Tradition zufolge hat Moses zwölf hebräische Volksstämme[72] um 1300 v. Chr. aus Ägypten nach Palästina (Kanaan) geführt, wo sich diese vor allem in der Gegend von Juda niederließen (Landnahme der Israeliten). Im Exodus, dem zweiten Buch Moses, wird der Auszug der Israeliten aus Ägypten geschildert. Dabei kommt es während der Flucht vor den Ägyptern auf dem Berg Sinai zum Bundesschluß zwischen Gott und Moses. Aus der Exklusivität[73] der dort eingegangenen Verbindung werden Handlungsvorgaben ("Ihr sollt mir sein ein Reich von Priestern und ein heilig Volk"[74]) und Handlungsrechte ("Wenn ihr in das Land Kanaan kommt, so soll euch dies das Land sein, das euch als Erbteil zufällt"[75]) für die Israeliten abgeleitet. Somit basiert die heutige Verknüpfung zwischen dem Staat Israel und dem jüdischen Volk auf einer Verbindung, die durch religiöse Überlieferungen geschaffen und begründet worden ist. Wichtigste normative Grundlage für den heutigen Staat ist damit das Alte Testament, das sowohl die Landesgrenzen als auch die Volkszugehörigkeit regelt (vgl. Wolffsohn, 1995, S. 47 ff.; Shapiro, 1993, S. 66 f.).

 

Der erste jüdische Staat entstand um 1050 v. Chr. unter König Samuel. Es folgten die Könige Saul (1020), David (1000) und Salomo (970). Im Jahr 586 wurde die Hauptstadt Jerusalem von Nebukatnezar erobert. Es folgte die oben beschriebene babylonische Gefangenschaft, in der sich die emotionale Bindung zu Palästina und zu Jerusalem als Zion (hebr.), der Burg Davids, entwickelte.[76] Zwar wird den Juden nach ihrer Rückkehr (536 v. Chr.) der Bau eines zweiten Tempels[77] gestattet, doch maßgebenden Einfluß, der zu einer erneuten Staatsgründung geführt hätte, konnten sie nicht mehr erlangen. Mit der Eroberung Palästinas durch die Römer und der Zerstörung der Festung Massada am Toten Meer (70 n. Chr.), war die Periode der politisch-religiösen (Mit)Bestimmung durch Juden in Palästina für knapp 2000 Jahre vorüber (vgl. Ben-Sasson, 1978, Bd. I, S. 115 - 137).

 

Es folgte die Vertreibung aus der Heimat, die Zerstreuung über die Kontinente und ein Leben im Exil. Kennzeichnend für die Zeit in der Diaspora ist die "Kontinuität der geistig-seelischen Verbindung der Judenheit (...) mit Erez[78] Israel, wonach unter allen Völkern und Ländern das Volk Israel und das Land Israel von Gott zu seinem Volk und zu seinem Land miteinander verbunden werden" (Sontheimer, 1968, S. 10; vgl. auch Böhm, 1935, Bd. I, S. 50 ff.). Weiterhin ist während dieser Zeit eine Abgrenzung der Juden in eigene Wohnbezirke festzustellen. Vor allem in Westeuropa findet eine Spezialisierung auf bestimmte Berufe, wie Handel und Geldverleih statt. Böhm (1935, Bd. I, S. 15) faßt die Situation treffend zusammen: "Innerhalb ihrer Wohnbezirke, scharf getrennt von der übrigen Bevölkerung, führten sie ein nationales Leben mit eigener Religion, Sitte, Sprache, ja auch als Steuerkörper ein Ganzes mit innerer Autonomie und waren wirtschaftlich in einigen Berufen zusammengedrängt." Diese Umstände machten sie einerseits noch mehr zur gesellschaftlichen Randgruppe, führten andererseits aber auch zu einem stark ausgeprägten Gemeinschaftsgefühl.

 

 

Exkurs

 

Die Ursachen, die zu jener Situation führten, gaben den Anlaß zu verschiedensten Erklärungsansätzen. Sombart (1927, Bd. II, S. 349) beschränkt sich in seinem Analyseversuch darauf, "die jüdische Rasse (...)[als] die Inkarnation kapitalistisch-kaufmännischen Geistes" zu bezeichnen.[79]

 

Pinkus (1905, S. 5 - 15) - wie Sombart der Tradition der Historischen Schule[80] zuzurechnen - beschreibt in seiner Untersuchung das Altertum als selbstständige, abgeschlossene Kulturperiode. Er betrachtet das Mittelalter als eigentliche Kindheits­periode der modernen Kultur. In den Juden sieht er jene Gruppe, die den Altkapitalismus des Altertums, aufgrund ihrer eigenen, stark ausgeprägten Kultur, als einzige ins Mittelalter hinübergerettet haben. Indem Pinkus die kulturellen Besonderheiten des Judentums betont, betrachtet er zwar einen wichtigen Teilaspekt, übersieht aber das politisch-wirtschaftliche Umfeld.

Farbensteins Erklärungsansatz (1897, S. 94 - 108) geht in diese Richtung. Er begründet in seinem Aufsatz 'Das jüdische Wirtschaftsleben', vorgetragen auf dem ersten Zionistischen Kongreß in Basel,[81] die Entwicklung vom rein landwirtschaft­lichen Volk zum Händlervolk. Dabei zeigt er auf, wie der Jude im Mittelalter zum Geldwechsler bzw. "Wucherer" werden mußte, da Juden und Ehrlosen das Zunftrecht verwehrt wurde. Grundbesitz war aber nur mit der Mitgliedschaft in einer Zunft möglich, während die Zinsnahme als zunftunwürdig galt.

 

Indem Farbenstein auch in seiner weiteren Argumentation das politisch-wirtschatftliche Umfeld und die darin enthaltenen formalen und informalen Regeln berücksichtigt, folgt er der eingangs formulierten Interdependenzthese. Die Handlungsrechte der Juden, vor allem diejenigen, die das wirtschaftliche Handeln bestimmten, wurden von dritter Seite, nämlich einer fremden politischen Ordnung bestimmt. Dies wirkte sich in der oben beschriebene Weise auf die inneren und äußeren Ordnungen aus, in denen die Juden lebten. Die kulturelle innere Ordnung war in dieser Zeit identitäts- und gemeinschaftsstiftend. Sie bildete das selbstbestimmte, autonome Gegengewicht zum weitgehend fremdbestimmten politisch-wirtschaftlichen Bereich als äußere Ordnung (vgl. auch Böhm, Bd. I, 1935, S.237).

 

Mit der Entstehung der modernen Rechtsstaaten in Westeuropa und der einhergehen­den rechtlichen Gleichstellung der Juden[82] begann ein Emanzipations- und Assimila­tionsprozeß. Die Gettomauern fielen und viele Juden versuchten sich durch Ablegen der religiösen Sitten und der äußeren Unterscheidungsmerkmale in die Gesellschaft zu integrieren (Sontheimer, 1968, S. 12). Die Emanzipation hatte aber "in ihrem Keime schon die Bedingung, daß der Jude Händler bleibe", da die wirtschaftliche Entwicklung Europas in der Mitte des 19. Jahrhunderts einen umfangreichen Handel notwendig machte (Farbenstein, 1897, S. 101).

 

In Osteuropa war die Situation der Juden ähnlich. Sie lebten ebenfalls in eigenen Wohnbezirken bzw. jüdischen Dörfern und sie waren auch hier Verfolgungen ausgesetzt. Ein großer Teil war im (Geld-)Handel beschäftigt, der Anteil der Handwerker und ungelernten Fabrikarbeiter war allerdings höher als im Westen Europas. Ein Assimilations- bzw. Emanzipationsprozeß fand hier aufgrund anderer politischer und wirtschaftlicher Umstände nicht statt (vgl. Böhm, 1935, Bd. I, S. 142 ff.; Sontheimer, 1968, S. 13; Ben-Sasson, 1978, Bd. III, S. 111 - 125).

 

Stellt man die beiden Gruppen der west- und osteuropäischen Juden am Anfang des 20. Jahrhunderts direkt gegenüber, dann waren die Juden im Westen eher bürgerlich, städtisch und angepaßt im oben beschriebenen Sinn, sowie in der Mehrzahl gebildeter und insgesamt reicher, während im Osten die Juden eher ländlich (nicht landwirtschaftlich), kulturell-religiös eigenständig, in der Mehrzahl ungebildeter und insgesamt ärmer waren (vgl. Böhm, 1935, Bd. I, S. 151; Shapiro, 1993, S. 65 f.; Wolffsohn, 1992, S. 229 - 234; Ben-Porat, 1993, S. 50 f.).

 

Die (sehr verallgemeinerte) Unterscheidung der west- und osteuropäischen Situation ist in diesem Zusammenhang insofern von Bedeutung, als daß mit den späteren Einwanderungswellen (hebr. Alija = Aufstieg) nach Palästina, bis in die dreißiger Jahre dieses Jahrhunderts hauptsächlich Juden aus Osteuropa kamen. Erst mit dem aufkommenden Nationalsozialismus in Deutschland sind auch vermehrt Juden aus Westeuropa nach Palästina ausgewandert (vgl. Wolffsohn, 1992, S. 226 f.).[83]

 

2.3   Die Zionistische Bewegung

 

Unter dem Eindruck der anhaltenden Verfolgungen und durch den Dreyfus Prozeß[84] aufgebracht, schrieb Theodor Herzl das Buch 'Der Judenstaat' (1896). Mit der Veröffentlichung des Buches und der Werbung Herzls für seine darin entwickelten Ideen, war der Anfang der Zionistischen[85] Bewegung, die 1948 zur Staatsgründung Israels führen sollte, geschaffen.

 

In seinem Buch beschreibt er die Situation der Juden in der Welt und kommt zu dem Schluß, daß Antisemitismus auch nicht durch Assimilation überwunden bzw. verhin­dert werden könne. Die einzige Lösung sah er in der Gründung eines Judenstaates. "Die Judenfrage ist eine nationale Frage, (...). Wir sind ein Volk, ein Volk" (Herzl, 1896, S. 16). Wichtig für ihn war die Überwindung der politischen Passivität und der introvertierten Betrachtungsweise des Judentums. Er wollte aktive Politik zur Lösung der Judenfrage betreiben. Dabei war für ihn die Frage, ob der angestrebte Staat in Palästina oder in einer anderen Region entstehen würde, zweitrangig (vgl. Sontheimer, 1968, S. 19).[86]

 

Eine noch zu gründende 'Jewish Company'[87] sollte die Liquidierung der Vermögen auswandernder Juden und die Organisation des wirtschaftlichen Verkehrs im neuen Land gewährleisten (vgl. Herzl, 1896, S. 37). Um Preistreiberei zu vermeiden, sollte die Jewish Company "den nötigen Boden durch zentralisierten Kauf sichern" (Herzl, 1896, S. 46). Ob der Boden dann an einwandernde Juden verkauft oder verpachtet werden sollte, bleibt unklar. Zum einen spricht Herzl davon, daß der "ganze riesige Gewinn aus der Landspekulation (...) der Company zufließen soll", zum anderen bezieht er deutlich Stellung für freie Unternehmungen und Privateigentum als "wirtschaftliche Grundlage der Unabhängigkeit." Die Aussage: "Wir sind nur dort Kollektivisten, wo es die ungeheuren Schwierigkeiten der Aufgabe erfordern", bringt seine Einstellung zu Eigentums- und Wirtschaftsordnung für den neuen Staat deutlich zum Ausdruck (Herzl, 1896, S. 66).

 

Unter dem Begriff 'politische Zionisten' wurden Herzl und seine Anhänger treibende Kraft zur Gründung der Zionistischen Weltorganisation (ZWO) im Jahr 1897. Später waren dann hauptsächlich Zionisten aus Westeuropa, die "die politisch-staatliche Idee als Wesenskern des Zionismus ansahen", im Engeren Aktionskomitee (EAC) vertreten, dem obersten Exekutivorgan neben dem jährlich stattfindenden Kongreß (Böhm, 1935, Bd. II, S. 233).

 

Liberale Denker wie Martin Buber oder Achad Haam[88] sahen im Zionismus die Möglichkeit, jüdische Kultur, Literatur, Sprache, Erziehung und Bildung zu erhalten. Für sie stand folglich das geistige Zion im Vordergrund, das sich durch die Qualität der moralischen, kulturellen und seelischen Werte auszeichnet und nicht die Anzahl seiner Ansiedlungen (Buber, 1950, S. 7 ff.). Zwar sahen auch sie die Notwendigkeit der landwirtschaftlichen Betätigung[89]: "Der Weg zur Natur ist der Weg zur Auferstehung des Volkes" (Buber, 1950, S. 200), aber gleichzeitig auch die Gefahr der Verweltlichung des Zionismus: "Israel verliert sich selber, (...) wenn es Zion durch Palästina ersetzt" (Buber, 1950, S. 181).

 

Viele aus ganz Europa stammende Juden sahen im Zionismus den Schlüssel zur Überwindung antijüdischer Pogrome. Es war also eher ein existentieller Rettungsanker als politische oder religiöse Überzeugung, der diese Gruppe zu Unterstützern des Zionismus werden ließ.

 

Orthodox-religiöse Juden, vor allem aus Polen und anderen osteuropäischen Ländern, wollten mit der Rückkehr nach Palästina die Ankunft des Messias vorbereiten.[90] Sie lehnten den politischen Zionismus ab und sahen im Ziel der Staatsgründung eine Gotteslästerung (vgl. Wolffsohn, 1983, S. 34 - 37, 156; Sontheimer, 1968, S. 16).

 

Durch die Organisation des ersten Zionistischen Weltkongresses (1897) wurde die Idee des Judenstaates institutionalisiert. Mit der Einrichtung der Zionistischen Weltorganisation und der Verabschiedung des Baseler Programms waren die ersten Schritte in Richtung Staatsgründung getan. Darüber, welche Schritte folgen sollten, gibt das Baseler Programm Auskunft:

 

"Der Zionismus erstrebt für das jüdische Volk die Schaffung einer öffentlich-rechtlich gesicherten Heimstätte in Palästina. Zur Erreichung dieses Zieles nimmt der Kongreß folgende Mittel in Aussicht:

 

1. Die zweckdienliche Förderung der Besiedlung Palästinas mit jüdischen Acker­bauern, Handwerkern und Gewerbetreibenden.

2. Die Gliederung und Zusammenfassung der gesamten Judenschaft durch geeignete örtliche und allgemeine Veranstaltungen nach den Landesgesetzen.

3. Die Stärkung des jüdischen Volksgefühls und Volksbewußtseins.

4. Vorbereitende Schritte zur Erlangung der Regierungszustimmungen, die nötig sind, um das Ziel des Zionismus zu erreichen."[91]

 

Welche konkreten Folgen der Kongreß tatsächlich haben würde, sah Herzl damals selbst am deutlichsten: " Fasse ich den Baseler Kongreß in ein Wort zusammen (...): in Basel habe ich den Judenstaat gegründet. Wenn ich das heute laut sagte, würde mir ein universelles Gelächter antworten. Vielleicht in fünf Jahren, jedenfalls in fünfzig wird es jeder einsehen."[92] 51 Jahre später wurde am 14.05.1948 der Staat Israel gegründet.

 

In diesem Zeitraum von 50 Jahren entstand in Palästina eine Eigentumsstruktur, die hinsichtlich der prozentualen Anteile am Produktionsmitteleigentum bis heute im wesentlichen gleich geblieben ist (vgl. Barkai, 1964, S. 26; Ben-Porat, 1994, S. 160).[93] Die Ursachen, die zu dieser Struktur führten, wurden teilweise in den vorher­gehenden Abschnitten angesprochen, liegen aber hauptsächlich in der Art und Weise begründet, wie sich die jüdische Kolonisation Palästinas in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts abspielte. Diese Periode bildet den Untersuchungsgegenstand der beiden folgenden Abschnitte.

 

2.4   Bodenkauf und Besitzverteilung im entstehenden Staat

 

Bis zur Jahrhundertwende existierten in Palästina 21 landwirtschaftliche Ansiedlungen von Juden. Sie umschlossen ein Gebiet von etwa 25 ha, das von 4500 Siedlern bewohnt wurde. Hauptsächlich osteuropäische Initiativen und Vereine der Choveve Zion Bewegung[94] hatten das Land von arabischen Großgrundbesitzern (Effendis) erworben. Die Siedler betrieben vor allem Weinbau, konnten aber wegen des mangelnden Absatzes nur durch Zuwendungen von Baron Rothschild ihre Existenz erhalten (vgl. Ruppin, 1919, S. 35 f.). Das übrige Land in Palästina gehörte größten­teils der türkischen Regierung und arabischen Großgrundbesitzern oder es war herrenlos. Der Boden war überwiegend versumpft, versteinert und teilweise von verarmten arabischen Bauern (Fellachen) bebaut (vgl. Ruppin, 1919, S. 114). Wichtiger Grund für die wirtschaftlich rückständige Situation war die Bodengesetz­gebung, die weitgehend auf dem Koran, der Heiligen Schrift des Islam, basierte. "Es fehlte an einem Grundbuch europäischer Art. Jeder Kauf von Boden, jede Errichtung von Baulichkeiten war an eine spezielle Genehmigung gebunden. Die Agrarsteuern wurden in natura erhoben, nominell betrug der 'Oscher' ein Zehntel des Ertrages, in Wirklichkeit ein Achtel" (Böhm, 1935, Bd. I, S. 232).[95]

 

In einer detaillierten Aufzählung nennt Ruppin (1919, S. 85 - 90) verschiedene Regeln, die das türkische Immobilienrecht zu einem hemmenden Faktor für die angestrebte Kolonisation machten.[96] Die dort geschilderte Gesetzeslage hatte aber auch zur Folge, daß viele Bauern verarmten und zum Verkauf ihrer Grundstücke an Großgrundbesitzer gezwungen waren. Das brachte für die jüdischen Kolonisten den Vorteil, daß sie nicht mit vielen Kleinbauern verhandeln mußten, sondern in der Regel mit einem Vertragspartner, dem Effendi oder der türkischen Regierung (vgl. Böhm, 1935, Bd. I, S. 233).[97]

 

Als Käufer fungierte vor allem die Palestine Land Development Company (PLDC). Sie wurde 1908 vom Palästina-Amt in Jaffa gegründet; der Vertretung des Engeren Aktionskomitees (EAC)[98] in Palästina.[99] Während das Palästina-Amt versuchte, "junge Leute aus Osteuropa nach Palästina heranzuziehen und ihnen die Existenz als landwirtschaftliche Arbeiter zu ermöglichen", kaufte die PLDC Boden von Großgrundbesitzern und verkaufte ihn an bemittelte Juden oder Gesellschaften (Ruppin, 1919, S. 42).[100] Diese Vermittlerfunktion war erforderlich, da der Erwerb von Land - wegen der komplizierten Rechtsverhältnisse[101] und sprachlicher Schwierigkeiten - für einzelne Juden kaum möglich war. Welche Bedeutung die PLDC für das Kolonisationswerk in Palästina insgesamt hatte, beschreibt Böhm (1935, Bd. I,  S. 616): "Trotz des geringen Kapitals hat die PLDC eine außerordentlich fruchtbringende Tätigkeit entfaltet. Sämtliche jüdischen Bodentransaktionen ab 1908, ausgenommen für die J.C.A,[102] wurden von ihr durchgeführt."

 

Die geringe Kapitalausstattung dieser und ähnlicher Organisationen,[103] wie auch der ersten Einwanderer[104], machte einen hohen Kapitalimport erforderlich. Zu diesem Zweck wurde auf dem fünften Zionistischen Kongreß (1901) der Jüdische National­fonds (JNF)[105] gegründet. Bei fast allen Aktivitäten, welche die jüdische Besiedlung Palästinas förderten, stand der Fonds als Kapitalgeber im Hintergrund. Durch die Organisationsform nach englischem Genossenschaftsrecht war gewährleistet, daß die Leitung stets in Händen des Zionistischen Aktionskomitees[106] blieb. Gleichzeitig hatten die Spender die Gewißheit, daß die zur Verfügung gestellten Gelder nicht in falsche Hände gerieten (vgl. Böhm, 1935, Bd. I, S. 228).

 

Mit den Einnahmen wurde über die PLDC Land in Palästina erworben, das dadurch in Gemeineigentum der jüdischen Weltgemeinde, repräsentiert durch die ZWO, überging. Der Boden durfte laut Statut weder verkauft noch beliehen werden. Er war ausschließlich zur Verpachtung an Juden bestimmt. Böhm (1935, Bd. I, S. 228) nennt die "Ausschaltung der Bodenspekulation, Verhinderung der Bildung von Großgrundbesitz, Beteiligungsrecht der Gemeinschaft über Bodenverteilung und Verwertung, [und den] Heimfall der Grundrente an die Allgemeinheit" als Vorzüge dieser Bodenpolitik.

 

Allerdings war man sich in der Frage, wie die zukünftige Eigentumsstruktur bei der Landverteilung aussehen sollte, nicht einig. Auf der Londoner Jahreskonferenz der ZWO im Jahr 1920 wurde die Bodenpolitik des JNF zentral und kontrovers debattiert. Im Kern drehte sich die Diskussion um die Frage des Privateigentums an Boden. Während "rechte Gruppen" für "die völlige Freiheit des privaten Bodenkaufs eintraten", brachten "linke Gruppen" einen Antrag ein, um "den privaten Bodenkauf durch Juden gesetzlich zu verbieten." Böhm stellt schließlich heraus, daß "Privateigentum am Boden mit Privatinitiative verwechselt" wurde, und macht deutlich, daß "eine Verpachtung auf 49 Jahre[107] mit Vorrecht auf Verlängerung auch für die Erben (...) die Sicherung einer für privates Interesse genügend langen Besitzzeit" sei (Böhm, 1935, Bd. II, S. 122 - 132).[108]

 

Auf diese Weise gingen bis 1949 insgesamt 93.300 ha Land in das Eigentum des JNF bzw. das Gemeineigentum des jüdischen Volkes über. Die PJCA, mit der Verwaltung der Rothschild Ländereien beauftragt,[109] besaß ein Gebiet von 43.500 ha. Weitere 19.500 ha wurden von jüdischen Gesellschaften mit unterschiedlicher Organisations­form verwaltet.[110] In jüdischem Privateigentum befanden sich zu dieser Zeit lediglich 3.660 ha. Insgesamt umfaßte das von jüdischen Organisationen und Privatpersonen erworbene Gebiet 173.400 ha. Das entsprach etwa 1/20 des Landes, das 1949 aufgrund militärischer Vereinbarungen zum Staat Israel zählte. Der Rest, vor allem kultiviertes Land, gehörte nach wie vor Arabern (vgl. Granott, 1956, S.28).[111]

 

Die vom Nationalfonds (JNF) über die PLDC erworbenen Terrains "wurden in der ersten Zeit nach ihrer Besitznahme durch Arbeitergenossenschaften / Okkupations­genossenschaften bewirtschaftet" (Ruppin, 1919, S. 34). Im Jahr 1909 entstand im Jordantal bei Degania der erste Kibbutz[112] und 1921 in Nahalal der erste Moschav Ovdim[113]. Bei beiden handelt es sich um landwirtschaftliche Gemeinschaftssiedlungen, die sich vor allem durch den Grad der Besitzkollektivierung unterscheiden (vgl. Sontheimer, 1968, S. 105; Pallmann, 1966, S. 54).[114] Die Entstehung und Verbreitung[115] dieser kollektiven Eigentumsformen ist unterschiedlichen Faktoren zuzuschreiben:

 

   Nach der gescheiterten russischen Revolution von 1905 kamen mit der zweiten Einwanderungswelle (Alija) etwa 40.000 Menschen, vor allem aus Osteuropa, nach Palästina. Sie waren ideologisch durch das sozialrevolutionäre Rußland geprägt und versuchten, ihre Ideen durch die Gestaltung der strukturellen Ordnung in Palästina zu verwirklichen (vgl. Wolffsohn, 1995, S. 259). Da die Einwanderer dort weitgehend mittellos ankamen, waren sie auf Hilfe aus Westeuropa angewiesen.[116] Zum Zweck der Zusammenführung von Arbeit und Kapital eigneten sich die Gemeinschaftssiedlungen in besonderem Maße. Die Arbeiter konnten ihre sozialistischen Ideen verwirklichen, während die Kapitalgeber eine, im Vergleich zur Unterstützung von Einzelinitiativen, leichtere und bessere Kontrolle über die zur Verfügung gestellten Gelder hatten (vgl. Sontheimer, 1968, S. 24 f.).

 

   Auch unter Sicherheitsaspekten hatte die Gemeinschaftssiedlung ihre Vorzüge. Um das erworbene Land auch tatsächlich in Besitz zu nehmen, mußte es gegen eine weitgehend feindliche Umwelt verteidigt werden. Raubüberfälle von Beduinen waren keine Seltenheit (vgl. Sontheimer, 1968, S. 26).[117]


   Das aus der zionistischen Arbeiterbewegung stammende Motiv der 'Eroberung der Arbeit' ist ein weiterer Aspekt.[118] Da die wenigsten Einwanderer mit den notwendigen landwirtschaftlichen Methoden und Kenntnissen vertraut waren, mußten diese Fertigkeiten relativ schnell vermittelt werden, um eine Versorgung der jüdischen Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln zu gewährleisten. Eine 'Eroberung' der landwirtschaftlichen Arbeit war nötig.[119] Auch in diesem Zusammenhang erwies sich die Gemeinschaftssiedlung als geeignet, da sowohl produziert als auch gleich­zeitig unterrichtet werden konnte.[120]

 

   Die Handlungsregeln innerhalb der Siedlungen entsprachen in vielen Bereichen den Regeln des Alten Testaments.[121] Durch die Parallelität sozialistischer Ideen mit kulturell bzw. religiös tradierten Normen war kein Bruch mit bisher geltenden informalen Regeln notwendig. Religiöse und ideologische Ziele stimmten überein (vgl. Barkai, 1982, S. 45).

 

Mit der dritten Alija (1919 - 1923) kamen 35.000 Menschen, die Wolffsohn (1994, S. 260) als "die eigentliche 'Generation der Bolschewisten'" bezeichnet. Sie strebten eine 'Arbeiter-Klassen-Demokratie' an, die unter anderem durch die Gründung der Histadrut-Gewerkschaft verwirklicht werden sollte.[122] Die Einwanderer waren insgesamt eher städtisch orientiert und trugen "entscheidend dazu bei, daß auch in den Städten die 'Eroberung der Arbeit' gelang und eine städtische Arbeiterschaft entstand" (Sontheimer, 1968, S. 107). Zwischen 1924 und 1931 kamen im Zuge der vierten Alija 82.000 überwiegend bürgerlich-orthodoxe Handwerker und Kleinhändler aus Polen, die schon mit bescheidenem Eigenkapital ausgestattet waren. Die fünfte Alija von 1932 - 1939 brachte mit über 260.000 Einwanderern aus Osteuropa und Deutschland Wissenschaftler, Ingenieure, Finanz- und Geschäftsleute und vor allem Kapital nach Palästina (vgl. Shapiro, 1993, S. 70; Wolffsohn, 1995, S. 261).

 

Insgesamt legten die Einwanderer der zwanziger und dreißiger Jahre "die Grundlagen für eine private Leichtindustrie, vor allem Textilindustrie. In der Landwirtschaft investierten sie ihr Kapital vor allem auf dem Gebiet der Zitrusproduktion, die weitgehend für den Export bestimmt ist. Die gemischte Wirtschaftsform, das Neben­einander verschiedener Eigentumsformen und verschiedener Träger wirtschaftlicher Aktivität, ist also nicht nur charakteristisch für die gegenwärtige Wirtschaftsordnung, sondern bestimmte auch schon den Aufbau der jüdischen Wirtschaft in der Mandats­zeit" (Sontheimer, 1968, S. 108; vgl. auch Ben-Porat, 1993, S. 46 f.).

 

Zusammenfassend kann damit festgehalten werden, daß die Einwanderer der zweiten und dritten Alija - in der Mandatszeit und auch nach der Staatsgründung - die gesellschaftlich wichtigen Positionen besetzten.[123] Sie formten den sozialistischen Eigentumssektor mit kollektivem Eigentum an Produktionsmitteln. Dazu zählen sowohl die Unternehmungen der Histadrut in allen Bereichen der Wirtschaft, als auch später die staatlichen Betriebe, die neben der öffentlichen Verwaltung und dem Angebot meritorischer Güter auch "zahlreiche reine Wirtschaftsunternehmen" umfaßten (Sontheimer, 1968, S. 126).[124] Der private Wirtschaftssektor wurde demgegenüber von den Einwanderern der vierten und fünften Alija geformt. Durch die bessere Kapitalausstattung, eine andere Berufsstruktur, ein insgesamt unterschiedliches soziales Umfeld und durch andere Motive, die zur Auswanderung führten,[125] unterschieden sich diese Olim von denen der ersten Alijas, und wurden überwiegend im privaten Wirtschaftssektor tätig (vgl. Wolffsohn, 1995, S. 260 f.).


2.5   Parteien und der Primat der Politik

 

Das entstandene Muster der Eigentumsverteilung ist, wie teilweise schon gezeigt wurde, nicht nur durch rein praktisch-ökonomische Notwendigkeiten zu erklären. Der kulturell-religiöse Hintergrund, die Ideologie der Einwanderer, aber auch die Macht der Kapitalgeber und der Entscheidungsträger sind zu berücksichtigen. Art und Richtung des Einflusses dieser Faktoren werden besonders deutlich, wenn die Rolle der Parteien im besonderen und die Rolle der Politik im allgemeinen näher beleuchtet wird.

 

Wolffsohn (1994, S. 13) beginnt sein Buch mit der Überschrift: "Israel als Parteien­staat" und weist darauf hin, daß " die politischen Strukturen, vor allem die Parteien (...) vor Wirtschaft und Gesellschaft entstanden sind. Die Parteien, besonders die sozialistischen, begnügten sich nicht mit der Errichtung der Organisationen, sie bauten ein Netzwerk auf,[126] das ihre Mitglieder und Anhänger 'von der Wiege bis zur Bahre' versorgen sollte. Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur, ja auch der militärische Bereich, waren mit Parteipolitik von Anfang an nicht nur verflochten, sie wurden durch sie bedingt" (Wolffsohn, 1995, S. 13). Indem Bernstein (1957, S. 55) die Parteien als "Gesellschaften zur Kolonisierung des Landes" bezeichnet, unterstreicht er deren tragende Rolle beim Aufbau des Staates. Sie ersetzten den fehlenden Staat, bis dieser sich aus den Parteien bilden konnte. Damit liegt der Schluß nahe, daß sich die Parteien nicht als Interessenvertretungen einzelner Gruppen definierten, sondern Weltanschauungen und gesamtgesellschaftliche Ordnungsvorstellungen verwirklichen wollten (vgl. Pirker, 1965, S. 28 f.).[127]

 

Der Einteilung von Wolffsohn (1994, S. 133) folgend, lassen sich drei größere politische Lager unterscheiden:[128] Das Lager der religiösen Parteien, das der bürger­lichen bzw. rechten Parteien und das der Arbeiter- bzw. linken Parteien (Abb. 2):


Abbildung 2:            Schema der politischen Lager und ihrer wichtigsten Parteien

 

 

Quelle:            Wolffsohn, 1995, S. 89.

 

Die religiösen Parteien strebten nach einem Gemeinwesen, das als geistiges Zentrum des Weltjudentums verstanden werden sollte. Sie vertraten Ideen der Choveve Zion Bewegung[129], die in Osteuropa unter der Führung von Leon Pinsker die "Rückkehr zur landwirtschaftlichen Arbeit als Mittel zur physischen und seelischen Erneuerung des jüdischen Volkes erstrebten" (Sontheimer, 1968, S. 14; vgl. auch Ben-Sasson, 1978, Bd. III, S. 213 - 216). Während die National-Religiösen (NRP/HPM) den Aufbau in Palästina unterstützten und durch Partizipation Einfluß zu gewinnen suchten, lehnten die Orthodoxen jegliche Zusammenarbeit mit der ZWO ab, und sahen im politischen Zionismus  eine Gotteslästerung: "Der zionistische Nationalgedanke ähnelt (...) mehr dem englischen als jenem des Gottesvolkes" (Wolffsohn, 1983, S. 34).

 

Bis 1992 waren die National-Religiösen in der Regel als kleiner Koalitionspartner an der Regierung beteiligt (vgl. Wolffsohn, 1995, S. 120). Ihr Einfluß beschränkte sich dabei auf den Bereich religiöser Vorschriften. Wurden ihre diesbezüglichen Forderungen erfüllt, dann hatte der große Koalitionspartner bei allen übrigen politischen Entscheidungen freie Hand: "Being the junior partner with a growing dependence on the major party, the religous party was required to make some major concessions. It gave up the demand to have a Jewish community and the future Jewish state admini­stered in accordance with traditional rabbinic laws. Instead it restricted its demands to the enforcement of the observance of the Sabbath and the religous dietary laws in public places. It also agreed to accept some of the ideological premises of the Zionist-socialist doctrine, namely the public economic sector shall be preferred to the private economic sector since its contribution to the attainment of Zionism is greater. It therefore agreed that all land purchased by the Jewish National Fund be nationalized and that most of the money collected by the WZO[130] be invested in agricultural settlements and in other Histadrut activities rather than in private enterprises" (Shapiro, 1993, S. 74 f.).

 

Die bürgerlichen Parteien unterstützten grundsätzlich die Bestrebung, in Palästina eine Heimstätte für das jüdische Volk zu errichten. Sie plädierten allerdings für "den Vorrang des Zionismus allen Schichten-, partei-, religiös- oder gesellschaftspolitischen Interessen gegenüber" und waren für "die Forderung der Privatinitiative beim Aufbauwerk sowie im Handel in Palästina, wobei dem Mittelstand eine Schlüsselrolle zukommen sollte" (Wolffsohn, 1983, S. 64). Inhaltlich definierten sie sich durch negative Abgrenzung, als nicht-sozialistisch und nicht-religiös. Bis 1977 beschränkte sich ihr politischer Einfluß auf die Rolle der Opposition (vgl. Wolffsohn, 1995, S. 147 - 151).[131]

 

Die Arbeiterparteien hatten den weitaus größten Einfluß auf die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung Palästinas. Seit den ersten Parlamentswahlen (1920) bildeten sie die größte Gruppe und konnten in der Regel gemeinsam mit den National-Religiösen bis 1977 die Regierung bilden (vgl. Wolffsohn, 1995, S. 114 - 121). Mit Ausnahme der Kommunisten[132] vertraten alle Arbeiterparteien zionistische und sozialistische Ziele. Die Unterschiede resultierten aus "verschiedenen ideologischen Interpretationen des Sozialismus" (Pirker, 1965, S. 31). Bis zum Zusammenschluß zur MAPAI[133] im Jahr 1929 konkurrierten vor allem zwei Gruppen um die Stimmen im Arbeiterlager. Auf der einen Seite die Ahdut Hawoda[134], die aus einem Zusammenschluß von Poale Zion[135] und unabhängigen Sozialisten entstanden war, auf der anderen Seite der Hapoel Hazair[136], der wie die Poale Zion von Mitgliedern der zweiten Alija gegründet worden war (vgl. Pirker, 1965, S. 31; Wolffsohn, 1995,S. 142 - 151).

 

In der Ahdut Hawoda wurde eine stark sozialistische Ideologie vertreten, "sie verstand sich als Teil der internationalen Arbeiterbewegung" und wollte über den Klassenkampf vom Kapitalismus zum Sozialismus gelangen (Wolffsohn, 1983, S. 40). Im Programm stand folglich, daß die Partei die Vergesellschaftung der Produktionsmittel und den Aufbau der Gesellschaft auf sozialistischer Basis anstrebt (vgl. Preuss, 1965, S. 28).[137]

 

In der Hapoel Hazair dominierte hingegen eine eher pragmatische Sichtweise. Ziel des Zionismus, den diese Gruppe verfolgte, war "die Erringung der Einheit von Land, Volk, Arbeit und Sprache, (...). Notwendige Voraussetzung zur Verwirklichung des Zionismus [war dazu], die Eroberung aller Berufe durch jüdische Arbeit" (Böhm, 1935, Bd. I, S. 427). Es sollte eine Wirtschafts- und Gesellschaftsstruktur geschaffen werden, in der Juden alle Bereiche selbst besetzen. Einerseits war das Motiv 'Eroberung der Arbeit' wegen der schlechten Erfahrungen in der Vergangenheit entwickelt worden, andererseits wurde es zum notwendigen Baustein zur Verwirklichung der staatlichen Autonomie in Palästina (vgl. Preuss, 1965, S. 17 ff.; Ruppin, 1919, S. 92 ff.).

 

Insgesamt deutet die Programmatik der Parteien schon an, daß bei der Kolonisierung Palästinas politische Faktoren den wirtschaftlichen Kurs bestimmten (vgl. Wolffsohn, 1983, S. 559). Die Entscheidung nach Palästina zu gehen, "konnten nur Menschen fällen, die bereit waren, um geistiger und politischer Ziele willen wirtschaftliche Nachteile in Kauf zu nehmen" (Sontheimer, 1968, S. 132).[138]


Die wirtschaftlichen Nachteile lagen zum einen in den Gegebenheiten der Region, und zum anderen in der (politischen) Zielsetzung, dort eine Heimstätte für das jüdische Volk zu schaffen, begründet:

 

   Israel ist arm an Bodenschätzen, das Wasser ist knapp, Außenhandel ist nur über den Seeweg möglich, Binnenhandel ist durch Fläche und Bewohnerzahl begrenzt - kurzum, die Produktionskosten waren und sind in dieser Region höher als in anderen Gebieten. Aus rein ökonomischen Überlegungen würde daher kein Unter­nehmer den Standort Israel wählen (vgl. Wolffsohn, 1983, S. 558 f.).

 

   Um dort das Land tatsächlich 'in Besitz' zu nehmen, und auch um die militärische Sicherheit zu erhöhen, mußten Entwicklungsgebiete in Galliläa und im Negev besiedelt und wirtschaftlich erschlossen werden (vgl. Sontheimer, 1968, S. 133).

 

   Damit sich - in der auf diese Weise geschaffenen Heimstätte - das jüdische Volk auch tatsächlich sammeln konnte, bestand die Notwendigkeit, genügend Arbeitsplätze anzubieten. Was passieren würde, wenn dieser politischen Forderung auf wirtschaftlicher Seite nicht entsprochen wird, wurde in der Wirtschaftskrise vom Februar 1927 deutlich, als 11.500 Einwanderer das Land wieder verließen (vgl. Sontheimer, 1968, S. 45).

 

   Der Wille zur 'Eroberung der Arbeit' beinhaltete schließlich auch, daß zum einen in wenig profitablen Wirtschaftsbereichen investiert, und zum anderen teure jüdische Arbeit, trotz des Angebots billiger arabischer Arbeit, vorgezogen werden mußte.

 

"Einerseits wird also der Primat der Politik deutlich, andererseits aber wiederum auch die Verknüpfung beziehungsweise die 'Interdependenz' der 'Systeme', des wirtschaft­lichen und politischen. Auf jeden Fall ist eine 'ökonomische Interpretation' der Struktur und Entwicklung der israelischen Wirtschaft höchst unzureichend, man muß die Dominanz des politischen Faktors beachten" (Wolffsohn, 1983, S. 560).[139] Shapiro (1993, S. 75 f.) spricht in diesem Zusammenhang von einem 'Partei-dominierten System', da innerhalb der politischen Ordnung den Parteien die größte Macht zukommt, und darüber hinaus bis 1977 die Parteien des Arbeiterlagers regierten und dominierten (vgl. auch Wolffsohn, 1995, S. 120 und 135 ff.).

 

Ausgehend von der These, daß die kulturelle Ordnung prägenden Einfluß auf die Entstehung von Eigentumsrechten hat, wurden - der Theorie von North folgend - zu Beginn religiöse und geschichtliche Dimensionen dieser Ordnung aufgezeigt. Der Ausgangspunkt und der Verlauf der institutionellen Entwicklung, die zur Verteilung von Eigentumsrechten führte, stand im Blickpunkt der beiden vorhergehenden Abschnitte. Die Art und Weise in der diese Verteilung durch politische Faktoren und Parteien bestimmt wurde, brachte dieser Abschnitt zum Ausdruck.

 

Insgesamt wurde der Einfluß informaler Regeln, religiöser, kultureller und ideologischer Natur, auf die Entstehung und Verteilung von Eigentumsrechten deutlich. Im nächsten Kapitel werden formale Regeln, die nach der Staatsgründung zusammen mit den hier beschriebenen informalen Regeln die Eigentumsstruktur und damit die Wirtschaftsordnung bestimmen, untersucht.


3      Die Eigentumsverfassung in der Wirtschaftsordnung Israels -

        Entstehung und Entwicklung formgebundener Institutionen

 

Bisher wurde deutlich, wie sich kulturell tradierte Normen und Ideologien in der Programmatik der Parteien widerspiegeln. Da die Parteien eine machtvolle Stellung innerhalb der vorstaatlichen Gesellschaft besaßen, übten sie starken Einfluß auf die entstehende Wirtschaftsordnung und die damit verbundene Eigentumsstruktur aus. Für die Analyse der weiteren Entwicklung von Eigentumsrechten nach der Staatsgründung sind sie somit von zentraler Bedeutung. Im folgenden steht daher die politische Ordnung als Rahmen für den Ablauf politischer Prozesse und die formale Eigentums­verfassung als Ergebnis politischer Prozesse im Blickfeld der Betrachtung.

 

Der Institutionentheorie von North folgend kommt damit der Staat ins Spiel: "Der Staat bestimmt und sichert die Eigentumsrechte auf dem wirtschaftlichen Markt, und die Wesensmerkmale des politischen Marktes sind der Schlüssel zum Verständnis von Marktunvollkommenheiten" (North, 1992, S. 129). Im theoretischen Idealfall würde der Staat die Zuordnung und Sicherung von Eigentumsrechten als dritte - neutrale - Partei gewährleisten. Die Praxis zeigt jedoch, daß es problematisch ist, den Staat zu einem solchen Verhalten zu veranlassen. Durch die Zwangsgewalt, die ihm zur Durchsetzung der genannten Aufgaben zukommt, "werden diejenigen, die den Staat lenken, solche Zwangsgewalt in ihrem eigenen Interesse auf Kosten der übrigen Gesellschaft gebrauchen" (North, 1992, S. 77 ff.).

 

In diesem Moment wird die Verfassung des Staates relevant. Als handlungsrechtlicher Rahmen für staatliche Aktivität innerhalb und außerhalb der Gesellschaft entscheidet ihr Aufbau und Inhalt über die Frage, inwieweit der theoretische Idealfall in der Praxis erreicht wird. North (1992, S. 72) zitiert in diesem Zusammenhang einen Aufsatz von Vincent Ostrom[140], in dem jener argumentiert, daß "die formal richtigen Verfassungs­normen (...) die willkürliche Ausübung von politischer Macht unterbinden." North kommt später dann selbst zu dem Schluß, daß eine "moderne demokratische Gesell­schaft mit allgemeinem Wahlrecht" am ehesten das "Modell effizienten ökonomischen Tausches mit Transaktionskosten von Null annähert" (North, 1992, S. 129).

 

Diese - sehr allgemein gehaltene - Aussage zeigt, daß die Wissenschaft hier zur Zeit keine konkreteren Antworten hat. Wie definiert North in diesem Zusammenhang eine demokratische Gesellschaft mit allgemeinem Wahlrecht? Was heißt demokratisch?[141] Welche formal richtigen Verfassungsnormen müssen zu Grunde liegen? Die Liste der in diesem Feld noch offenen Fragen läßt sich leicht verlängern. Das bedeutet, daß nur vage Vorstellungen darüber existieren, welche Konstruktionen von Machtverteilung auf politischer Ebene zu ökonomisch effizienten Institutionen auf wirtschaftlicher Ebene führen.

 

In einem früheren Aufsatz beschreibt North den diesbezüglichen Stand der Forschung: "It is for this reason that the whole development of the new institutional economics must be not only a theory of property rights and their evolution but a theory of the political process, a theory of the state, and of the way in which the institutional structure of the state and its individuals specify and enforce property rights" (1986,
S. 233).
Die ökonomische Institutionentheorie muß folglich den politischen Bereich einer Gesellschaft mit einbeziehen, um die Evolution von Handlungs- bzw. Eigentums­rechten zu erklären. Eine neue Theorie, die eine solche Verbindung herstellt, müßte mit den Begriffen Religion, Ideologie und Macht als einschätzbare Faktoren ausge­stattet sein. Inwieweit dies überhaupt möglich ist, bleibt fraglich.

 

Trotz dieser Schwierigkeit soll im folgenden versucht werden, aus dem Blickwinkel einer idealen, demokratischen Gesellschaft mit allgemeinem Wahlrecht und angenäher­ten Transaktionskosten von Null, die israelische Verfassungs- und Gesetzgebungs­realität zu betrachten. Die mit dem Blickwinkel verbundene Positionsbestimmung ist notwendig, da schon die Auswahl der zu untersuchenden Gesetze eine Wertung bedeutet. Wird beispielsweise festgestellt, daß die Regierung ein bestimmtes Recht hat oder nicht hat, dann hängt es vom Betrachtungsstandpunkt ab, ob dieses Recht als förderlich oder hinderlich für eine Transaktionskostenannäherung von Null ist.

 

Die Staatsgründung und das in diesem Zuge entstandene Staatssystem bilden den Ausgangspunkt der Betrachtung. Der in diesem System verankerte handlungsrecht­liche Rahmen für den Ablauf von Politik und damit verbundene verfassungsrechtliche Besonderheiten werden hier beleuchtet (Abschnitt 3.1).

 

Es folgt die Untersuchung der Frage, inwieweit Privateigentum und Vertragsfreiheit als formal garantierte, allgemeine, handlungsrechtliche Freiheiten vorliegen. Dazu werden verschiedene Gesetze zum Besitz und Transfer von Immobilien und beweglichen Gütern betrachtet (Abschnitt 3.2).

Weiterhin wird geprüft, inwieweit Gewerbefreiheit durch eine Unternehmensver­fassung garantiert ist. Es stellt sich die Frage, ob verschiedene Arten von Privateigentum, Haftung und Vertragsfreiheit im Rahmen unterschiedlicher unternehmerischer Rechtsformen vorliegen. Dazu werden die wichtigsten Unternehmensformen kurz dargestellt (Abschnitt 3.3).

 

Daß die garantierten Handlungsrechte, wie sie in den beiden vorangegangenen Abschnitten dargestellt sind, ihre Funktion auch erfüllen können, hängt wesentlich davon ab, ob diese Rechte selbst wiederum durch andere Gesetze eingeschränkt sind. Daher werden anschließend regulierende und kontrollierende Gesetze für verschiedene Wirtschaftssektoren betrachtet (Abschnitt 3.4).[142]

 

3.1   Verfassungsrechtlicher Rahmen des neuen Staates

 

Am 14. Mai 1948 endete das britische Mandat in Palästina. Noch am gleichen Tag verkündete Ben-Gurion vor den Mitgliedern des Volksrates[143] die Errichtung eines jüdischen Staates[144] in Erez Israel. In der Nacht zum 15. Mai begann der Unabhängig­keitskrieg. Der eben gegründete Staat mußte sich gegen alle arabischen Nachbarländer und die im Staatsgebiet lebenden Araber verteidigen. Ein erfolgreicher Existenzkampf zeigte, daß alle für einen Staat lebenswichtigen Organisationen und Institutionen schon vorhanden waren.[145]

 

Die bisher durch viele Organisationen[146] ausgeübte Macht mußte auf den Staat übertragen und in diesen eingegliedert werden.[147]

Der handlungsrechtliche Rahmen, bisher von englischer Seite und eigenen informalen Regeln geprägt, war vom jüdischen Souverän neu zu definieren (vgl. Sontheimer, 1968, S. 66).

 

Es wurde eine repräsentative Demokratie mit einem auf vier Jahre gewählten Parla­ment (Knesset) gebildet. Diese Legislative wählte eine, vom Regierungsbildner[148] vorgeschlagene, Regierung. Das Verfahren der Richterwahl durch besondere Aus­schüsse gewährleistete die politische Unabhängigkeit der Justiz und führte zu einem Staatssystem mit Gewaltenteilung, das in dieser Form bis heute Bestand hat. Im Aufbau und in der Struktur ist es den Systemen westlicher Demokratien ähnlich (vgl. Wolffsohn, 1995, S. 59 - 76; Scheftelowitz, 1984, S. 28; Abb. 3):

 

Abbildung 3:            Das Regierungssystem Israels[149]

 

Quelle:            Wolffsohn, 1995, S. 71.

 

Das israelische Verfassungsrecht weist allerdings verschiedene Besonderheiten auf, die - bezüglich der im Anschluß zu betrachtenden eigentumsrechtlichen Gesetzgebung - von Bedeutung sind:

 

   Eine geschriebene Verfassung existiert bis zum heutigen Tag nicht.[150] Zwar wurden verschiedene 'Grundgesetze' (Basic Laws), die in ihrer Gesamtheit als Verfassung gelten, verabschiedet, allerdings besitzen diese keinen konstitutionellen Rang.[151] Ihre Änderung oder Aufhebung kann - mit Ausnahme weniger Artikel[152] - durch eine einfache Knesset-Mehrheit herbeigeführt werden (vgl. Wolffsohn, 1995, S. 62 ff.; Sontheimer, 1968, S. 170). Privateigentum und damit verbundene wirtschaftliche Freiheiten, in der Bundesrepublik Deutschland mit dem Rang elementarer Grund­rechte versehen (vgl. Leipold, 1987, S. 39), sind in Israel, soweit als gesetzliche Handlungsfreiheit definiert, nur schwach gegen staatliche Eingriffe geschützt (vgl. Kretzmer, 1990, S. 8 f.; 1992, S. 239 ff.; Baker, 1968, S. 11 f.).

 

   Als Folge der fehlenden Verfassung ist auch die Normenkontrollklage nicht möglich. Eine Verfassungsgerichtsbarkeit, wie beispielsweise in der Bundesrepu­blik Deutschland, die ein Staatsorgan vor den Übergriffen eines anderen schützt, kennt man in Israel nicht (vgl. Sontheimer, 1968, S. 171; Wolffsohn, 1995, S. 64 f.).

 

   Weiterhin hat die Regierung das Recht, Notverordnungen zu erlassen, Gesetze zu ändern oder aufzuheben. Das kann im Interesse der Staatsverteidigung, der allge­meinen Sicherheit oder zur Aufrechterhaltung lebenswichtiger Belieferungen und Dienstleistungsbetriebe erfolgen (vgl. Sontheimer, 1968, S. 161). Der Staatsnot­stand, welcher diese Möglichkeiten eröffnet, wurde im Jahr der Staatsgründung ausgerufen und ist bis zum heutigen Tag in Kraft (vgl. Wolffsohn, 1995, S. 66). Die Exekutive ist damit in die Lage versetzt, jeden Bereich ökonomischer Aktivität zu kontrollieren und zu regulieren (vgl. Rubinstein, 1992, S. 20).

 

   Personenstandsfragen werden durch die einzelnen Religionsgruppen nach religiösen Vorschriften behandelt. Diese Fragen beinhalten Eheschließung, Ehescheidung, Unterhaltszahlung, Vormundschaft, Adoption und Erbschaft. Hier regeln und entscheiden im Konfliktfall die verschiedenen religiösen Gerichtsbarkeiten. Durch die häufig konkurrierende Zuständigkeit zwischen staatlichen und religiösen Gerichten, oder unter den verschiedenen religiösen Gerichten selbst,[153] kommt es regelmäßig zu Konflikten, die eine Beschränkung individueller (wirtschaftlicher) Handlungsrechte zur Folge haben (vgl. Sontheimer, 1968, S. 173 f.; Wolffsohn, 1995, S. 331).[154]

 

Insgesamt hat die Regierung durch die Abwesenheit einer echten Verfassung und die Notstandsgesetzgebung eine weitreichende Legislativ- und Exekutivmacht. Sowohl individuelle wirtschaftliche Freiheiten, als auch ökonomische Aktivitäten von Unter­nehmen und ganzen Wirtschaftszweigen, können reguliert und kontrolliert werden. Die Sicherheit von Privateigentum und damit verbundenen Handlungsrechten hängt damit von der Tagespolitik ab (vgl. Baker, 1968, S. 11 f.; Rubinstein, 1992, S. 13).

 

Rubinstein (1992, S. 20) weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß die sozia­listische Doktrin der bis 1977 regierenden Parteien (MAPAI/IAP)[155] eine weitgehende Staatsintervention in die Wirtschaft mit dem Ziel beinhalte, um den Fortschritt zu beschleunigen und so die Ungleichheiten in der Einkommensverteilung zu verringern. Er gibt zu bedenken, daß bisher zwar nicht alle genannten Machtinstrumente zur Anwendung kamen,[156] die Tatsache ihrer Existenz aber schon signifikant sei.

 

Der Primat der Politik, der schon in der vorstaatlichen Periode alle Teilbereiche der jüdischen Gesellschaft dominierte, ist durch die nicht konstitutionelle Verfassung und die Notstandsgesetze auch in der staatlichen Gesellschaft durch formale Regeln verankert. Das wird auch durch ein in der Staatsdeklaration erklärtes Ziel deutlich zum Ausdruck gebracht: "The State of Israel will be open for Jewish Immigration and for the ingathering of the exiles."[157] Vor dem Hintergrund einer Verdreifachung der jüdischen Bevölkerung im Laufe der ersten 15 Jahre nach der Staatsgründung, läßt sich die Tragweite dieses Primats für alle gesellschaftlichen Bereiche erkennen (vgl. Wolffsohn, 1995, S. 254, Anhang A).

 

Bevor die Gesetzgebung im einzelnen betrachtet wird, ist zu berücksichtigen, daß es sich beim heute gültigen Recht weder um einen homogenen Körper, noch um das Produkt eines evolutionären Gesetzgebungsprozesses handelt (Rubinstein, 1992, S. 7). Durch die 'Law and Administration Ordinance' von 1948[158] behalten alle Gesetze, die von der englischen Mandatsregierung erlassen worden sind und später nicht durch modifizierte oder neue Gesetze ersetzt wurden, ihre Gültigkeit. Die englische Gesetz­gebung enthält wiederum einen Artikel,[159] der in gleicher Weise an das türkische Recht aus der Zeit vor 1914 anknüpft (vgl. Rubinstein, 1992, S. 7; Kretzmer, 1990, S. 12 f.).

 

Dieser Umstand erschwert erstens die Untersuchung der eigentumsrechtlich relevanten Gesetze, zweitens läßt er auf eine allgemeine Rechtskontinuität schließen, drittens muß berücksichtigt werden, daß die türkische Gesetzgebung auf den religiösen Gesetzen des Islam - dem Koran - aufbaut und viertens gewinnt der Aspekt, daß sich die britische Gesetzgebung an der Schaffung eines rechtlichen Rahmens für privatwirt­schaftliche Unternehmungen orientierte, an Bedeutung (vgl. Rubinstein, 1992, S. 23; Baker, 1968, S. 60 ff.).

 

3.2   Gesetzliche Bestimmungen zu Privateigentum und Vertragsfreiheit

 

Nach der Staatsgründung galt bezüglich der Klassifikation von Landeigentum türkisches Recht. Granott (1952, Kapitel I) hat diese Einteilung zusammengefaßt:

 

   'Mulk' ist danach die Bezeichnung für Land, das sich im exklusiven Besitz des Eigentümers befindet d.h. Verfügungs- und Aneignungsrechte sind ungeteilt einer Person zugeordnet.

 

   'Miri' bezeichnet Land, das einer Person mit einem vom Staat garantierten Besitz- bzw. Nutzrecht zugeordnet ist. Eigentümer des Landes bleibt weiterhin der Staat; d.h. Verfügungs- und Aneignungsrechte können zeitlich dimensioniert und zwischen Staat und Privatperson in bestimmter Weise verteilt werden.

 

   'Waqf' war ursprünglich Mulk- oder Miri-Land, dessen Nutzungsart bei einer Besitzübertragung festgelegt worden ist; d.h. Verfügungs- und Aneignungsrechte des Besitzers sind grundsätzlich beschränkt.

 

   'Matruka' ist Land, daß zur öffentlichen Nutzung deklariert ist. Es ist für die Bewohner einer Stadt bzw. Siedlung bestimmt und dient dieser Gruppe zur allgemeinen öffentlichen Nutzung; d.h. Verfügungs- und Aneignungsrechte sind nicht Einzelnen, sondern einer Kommune oder der Allgemeinheit zugeordnet.

 

   'Mawat' Land befindet sich weder im Eigentum bzw. Besitz einzelner Personen, noch wird es als Matruka von einer Gruppe benutzt; d.h. Verfügungs- und Aneig­nungsrechte sind überhaupt nicht zugeordnet.

 

Diese Einteilung wurde durch eine umfangreiche und bis heute nicht abgeschlossene Gesetzgebung modifiziert und ergänzt. Kretzmer hat im vierten Kapitel seiner Unter­suchung (1990, S. 49 - 69) das Bodenrecht ausführlich erörtert. Anhand der von ihm untersuchten Gesetze können folgende Aussagen über die Absichten des Gesetzgebers und die Evolution von Eigentumsrechten an Land gemacht werden:

 

   Durch das Gesetz über Staatseigentum (1951)[160] wurde Land, das bisher als Matruka der kommunalen öffentlichen Nutzung, oder als Miri der privaten Nutzung zur Verfügung stand, als Staatseigentum registriert. Beschränkungen kommunaler und individueller Nutzungsmöglichkeiten waren die Folge (vgl. Kretzmer, 1990, S. 52).[161]

 

   Von Arabern verlassenes Land, das diesen als Mulk, Miri oder Waqf zugeordnet war, wurde im Zuge des Gesetzes über das Eigentum von Abwesenden (1950)[162] in israelisches Staatseigentum umgewandelt, d.h. enteignet und nationalisiert (vgl. Kretzmer, 1990, S. 55 - 58).[163]


   Land, das für militärische Zwecke oder für bestehende oder zu errichtende jüdische Siedlungen benötigt wurde, und sich bisher größtenteils im Besitz von Arabern befand, ist durch das Akquisitionsgesetz (1953)[164] ebenfalls enteignet und nationa­lisiert worden (vgl. Kretzmer, 1990, S. 58 ff.; und auch Baker, 1968, S. 137).

 

   In Staatsbesitz[165] befindliches, oder auf die eben geschilderte Weise in Staatsbesitz gelangtes Land, sollte nicht wieder verkauft, sondern vor allem an Juden verpachtet werden. "The Basic Law: Israel Lands states that ownership in 'Israel Lands' (...) shall not be transferred by sale or in any other manner" (Kretzmer, 1990, S. 60 f.).[166]

 

   Die Möglichkeit, an Juden verpachtetes Land an Araber weiter zu verpachten, wird durch das Gesetz zu landwirtschaftlichen Ansiedlungen ausgeschlossen.[167] "It makes sure that Jewish lessees will not in fact allow use of the land by Arabs" (Kretzmer, 1990, S. 68 f.).

 

Im Bereich der Immobilien ist neben dem Landeigentum noch das Eigentum an Gebäuden zu betrachten. Das Gesetz über immobiles Eigentum (1964)[168] regelt insgesamt den Besitz und Transfer von Immobilien. Eigentum wird hier definiert, als: "The sole right to be in possession of real estate, to enjoy it, and to dispose of it without any limitation, save those expressed by law, or in a legally binding agreement."[169] Weiterhin wurden darin verschiedene Möglichkeiten der Teilung von Eigentumsrechten an Immobilien eröffnet:

 

   Die Möglichkeit des Leasing erlaubt und regelt die Verpachtung von Land und die Vermietung von Gebäuden. Rubinstein (1992, S. 32 ff.) macht die Art der Regelung dafür verantwortlich, daß diese Institution im Bereich der Vermietung von Wohnraum ihre ökonomische Funktion verfehlt hat. Da die Rechte des Besitzers gegenüber dem Mieter/Pächter stark eingeschränkt wurden, ist der Bau von Apartments - zum Zweck der späteren Vermietung - nahezu vollständig zum Erliegen gekommen. Städtische Wohnhäuser befinden sich heute zum größten Teil im gemeinsamen Besitz der Bewohner, oder im Besitz von Wohngenossenschaften. Lediglich im Bereich der langfristigen Verpachtung von Land durch den Staat findet diese gesetzliche Regelung noch Anwendung (vgl. Rubinstein, 1992, S. 32 ff.).

 

   Bewegliches und unbewegliches Eigentum kann als Sicherheit - in Form eines Pfandes oder einer Hypothek - eingesetzt werden. Das Pfandrecht[170] erlaubt dem Kreditgeber das Pfand des Kreditnehmers zu behalten, oder es selbst als Sicherheit einzusetzen. Hypotheken auf Immobilien werden registriert, so daß auch die Möglichkeit besteht, mehrere Sicherheiten auf ein Objekt zu geben. (Rubinstein, 1992, S. 32 ff.; Baker, 1968, S. 126 - 131).

 

   Die Institution der Treuhand[171] ermöglicht die Trennung von Kontrolle und Ertragsnutzung einer Immobilie, während das Nutzrecht die Benutzung einer Immobilie regelt, ohne gleichzeitig Eigentümer derselben zu sein (vgl. Rubinstein, 1992, S. 34 f.; Baker, 1968, S. 121 f.).[172]

 

Im Gegensatz zu Immobilien ist für die meisten beweglichen Güter keine Registratur erforderlich. Das Eigentum an diesen Gütern wird durch bloßen Besitz ange­zeigt. Ausgenommen von dieser Regel sind Autos, Schiffe etc. und immaterielle Vermögensgegenstände, wie Patente, Warenzeichen etc.[173]

 

Die vorhandenen Möglichkeiten, Eigentum an Sach-, Finanz- und immateriellen Vermögensgegenständen zu erwerben, schließen auch das Eigentum an Produktivver­mögen mit ein. Unternehmen, Anteile an Unternehmen, Aktien, Investmentzertifikate u.ä. können grundsätzlich von jedermann erworben werden. Das geht aus den allgemeinen Gesetzen zum Transfer von Eigentum[174] und speziellen Gesetzen zur Regelung wirtschaftlicher Aktivitäten hervor (Scheftelowitz, 1984, S. 60 - 73, 125 ff.).[175]

 

Das Gesetz über die Nachfolge (1965)[176] ermöglicht den Eigentümern der genannten Vermögensarten, durch ein Testament über die weitere Verwendung ihres Besitzes (mit-) zu entscheiden.[177] Zwischen lebenden Personen und juristischen Personen wird der Transfer von Eigentum bzw. Besitz durch Verträge und Vertragsgesetze geregelt. Sie basieren auf der Mejelle[178], dem türkischen Privatrecht. Dort finden sich einige generelle Prinzipien, vor allem aber spezielle Regeln für spezifische Verträge.[179] Für alle übrigen Transfers, die durch diese Gesetze noch nicht erfaßt sind, gilt der Grundsatz, daß alles, was nicht durch Regeln verboten ist, stattfinden darf (vgl. Baker, 1968, S. 101 - 109).[180] Im Vertragsgesetz werden auch verschiedene Gründe genannt, die als Ursache für die Nichterfüllung eines Vertrages in Betracht kommen können. Als wesentliche Gründe nennt Rubinstein (1992, S. 52) den Fehler, die Mißinterpretation, den Zwang und die Beeinflussung. Weiterhin sind verschiedene Käuferschutz- und Ausschlußklauseln zu finden, die in der Regel Schutzfunktionen für die schwächere Vertragspartei erfüllen.[181]

 

Insgesamt kann festgestellt werden, daß - bis auf den Erwerb von Land - grundsätzlich jedermann[182] Eigentum an allen Vermögensobjekten erwerben kann. Zwar wird diese individuelle Freiheit in den Gesetzen nicht explizit verbürgt,[183] sie läßt sich aber aus den untersuchten Regeln zum Besitz und Transfer von verschiedenen Vermögens­objekten ableiten.[184] Darüber hinaus kann aus der Staatsdeklaration und den dort zugesicherten Handlungsfreiheiten ebenfalls auf dieses Individualrecht geschlossen werden: "The state of Israel (...) will ensure complete equality of social and political rights to all its inhabitants irrespective of religion, race or sex; it will guarantee freedom of religion, conscience, language, education and culture."[185] Die hier zugesicherte Gleichheit sozialer und politischer Rechte, verbunden mit dem im Jahr 1990 verabschiedeten Recht auf Freiheit der Berufswahl[186] ist nur bei gleichzeitiger Gewährleistung von Vertragsfreiheit und Privateigentum zu verwirklichen.[187]

 

Die Zweckbindung von Vermögensobjekten für kollektive Aufgaben, wie sie beispielsweise in der Verfassung der DDR in Bezug auf das Produktivvermögen zu finden war,[188] ist in Israel damit auf den Bereich des Landeigentums begrenzt. Allerdings werden die eben untersuchten, und teilweise abgeleiteten individuellen Handlungsfreiheiten, durch den schwachen Status der Grundgesetze und die Notstandsverordnungen wieder relativiert. Bevor diesbezüglich in Abschnitt 3.4 verschiedene regulierende und kontrollierende Gesetze betrachtet werden, wird im Anschluß ein Überblick über den gesetzlichen Rahmen für unternehmerische Aktivitäten vermittelt.

 

3.3   Die wichtigsten Rechtsformen für Unternehmen

 

Den Unternehmer beschreibt North (1992, S. 98 f.) als jemanden, "der auf Anreize, die im Institutionensystem vorgegeben sind, reagiert." Um reagieren zu können, benötigt er Verfügungsrechte über die Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital. Die Reaktion erfolgt dann durch eine von ihm verfügte Neukombination dieser Faktoren, infolge einer vorausgegangenen Veränderung der relativen Preise. Da Unternehmer häufig nicht identisch mit dem bzw. den Eigentümer(n) der Produktions­faktoren sind, ist die Frage der Zuordnung von Verfügungs- und Aneignungsrechten zu klären (vgl. Leipold, 1988, S. 82). Prinzipiell könnten diese Entscheidungen im Rahmen der Vertragsfreiheit von den am Kombinationsprozeß beteiligten Parteien individuell getroffen werden.

 

North schließt in seiner Theorie jedoch, daß die Transaktionskosten dann sinken, wenn der Austauschprozeß zwischen den Parteien institutionalisiert und damit standardisiert wird (vgl. 1986, S. 232; 1992, S. 32 - 42). Zu dieser Standardisierung tragen auch einzelne, im vorhergehenden Abschnitt untersuchte Vertragsgesetze bei. Unter der Zielsetzung einer Transaktionskostensenkung erfordern komplexere Tauschvorgänge allerdings auch einen komplexeren institutionellen Rahmen. Diesen Zweck erfüllen formale Unternehmensformen, die in einem Staat durch die Unterneh­mensverfassung vorgegeben werden. Die dort zu findenden Standardstrukturen eröffnen verschiedene Möglichkeiten der Zuordnung von Verfügungs- und Aneig­nungsrechten an Produktionsfaktoren und Erträgen zwischen Eigentümern und Unternehmern.

 

Wichtigste Quelle der israelischen Unternehmensverfassung ist das englische Recht. Die Struktur - der im folgenden grob skizzierten Unternehmensformen - ist daher grundsätzlich vergleichbar mit englischen Organisationsformen gleicher Rechtsform. Gesetze, die später durch die israelische Regierung erlassen wurden, stellen vor allem Ergänzungen und Modifikationen dar, die aufgrund der wirtschaftlichen und organisa­torischen Weiterentwicklung notwendig waren (Rubinstein, 1992, S. 80).

 

 

   Die Partnerschaft (Personengesellschaft)

 

"Partnership is the relation which exists between persons carrying on a bussiness in common with a view to profit."[189] Bei unbeschränkter Haftung aller Partner ist keine formale Gründung. bzw. Registratur notwendig. Eine juristische Trennung von Partnern und Partnerschaft ist in diesem Fall nicht gegeben. Jeder Partner ist für die Geschäfte der Unternehmung voll haftbar: "Every Partner is liable jointly with the other partners, and also severally for all debts and obligations of the firm incurred while he is a partner."[190] Bei einer Haftungsbeschränkung ist die formale Gründung bzw. Registratur erforderlich. Das Unternehmen besteht dann aus einem oder mehreren haftenden und einem oder mehreren nicht haftenden Partnern.[191]

 

Vorteile einer solchen Rechtsform sind der geringe finanzielle und bürokratische Aufwand bei der Gründung und Leitung, sowie die wenigen Voraussetzungen, die zum Führen einer Partnerschaft erforderlich sind. Nachteilig wirken sich die Instabilität und die Diskontinuität dieser Rechtsform aus. Beim Ableben eines Partners wird die Unternehmung in der Regel aufgelöst. Daher ist auch die Kreditwürdigkeit der Partnerschaft begrenzt (Rubinstein, 1992, S. 83).[192]

 

In Israel sind Partnerschaften vor allem im Einzelhandel und im Handwerk vorzu­finden. In den Bereichen Industrie, Banken, Versicherungen und Landwirtschaft sind sie eher selten (Rubinstein, 1992, S. 83). Der Anteil von Partnerschaften an allen Unternehmensformen zeigt Tabelle 1:

 

Tabelle 1: Partnerschaften (Personengesellschaften) in Israel

 

 

 

Beschäftigte

relativ

 

 

Beschäftigte

absolut

 

Partnerschaften

relativ

 

Partnerschaften

absolut

 

 

1960

 

15,4%

 

19.800

 

25,7%

 

2.346

 

 

1991

 

1,8%

 

5.700

 

6,1%

 

547

 

 

 

Quelle:     Central Bureau of Statistics, 1961, S. 231; 1994, S. 468.

 

Es zeigt sich - auch im Vergleich mit den noch zu betrachtenden Rechtsformen - daß eine Verschiebung zu komplexeren Unternehmensstrukturen sowohl in rechtlicher, als auch in organisatorischer Hinsicht stattgefunden hat.

 

   Die Genossenschaft

 

"A society which has as its objects the promotion of thrift, self help and mutual aid among persons with common economic needs, so as to bring about better living, better business and better methods of production (...) may (...) be registered (...) with or without limited liability."[193] Damit wird deutlich, daß die Motivation der Mitglieder einer Genossenschaft über rein ökonomische Interessen hinausgehen muß: "Receiving profits on invested capital cannot be the major purposes of a cooperative society."[194]

 

Die Genossenschaft besteht aus mindestens sieben Mitgliedern, wobei kein Mitglied mehr als ein Fünftel des Kapitals halten darf.[195] Unabhängig von der Kapitaleinlage hat jedes Mitglied ein Stimmrecht.[196] Die Haftung der Mitglieder ist beschränkt und die Genossenschaft ist als juristische Person von den Mitgliedern getrennt. Verlassen diese die Kooperative, dann verbleiben ihre Anteile im Unternehmensbesitz.[197] Hypo­theken können nur auf das Genossenschaftseigentum, nicht auf das Privateigentum der Mitglieder aufgenommen werden.[198]

 

Eingetragen und kontrolliert bzw. geprüft wird die Genossenschaft durch einen Registrar, der von der Regierung eingesetzt und mit weitgehenden Vollmachten ausgestattet ist: "Societies must file with his office regulations, annual reports, minutes of general meetings, and lists of charges created by them on their property. The registrar is empowered to conduct an inquiry into the constitution, the working and the financial condition of a society, to inspect its books, and to order its winding-up, if he thinks that the society ought to be dissolved" (Rubinstein, 1992, S. 85).

 

Zu Modifikationen des Genossenschaftsrechts hat vor allem das Genossenschafts­gesetz aus dem Jahr 1965[199] beigetragen. Seither können verbundene (affiliated) Organisationen eine außerordentliche (associated) Mitgliedschaft für Genossen­schaften vergeben.[200] Eine Genossenschaft kann dadurch bis zu 50% der Stimmen in der verbundenen Organisation erhalten (vgl. Baker, 1968, S. 147 f.). Mitgliederstarke Kooperativen[201] können seither einen 'governing body' wählen, der dann Funktionen der Generalversammlung übernimmt.[202] Weiterhin wurden durch das Gesetz Änderun­gen für die Registratur und die Abwicklung von Genossenschaften eingeführt (vgl. Rubinstein, 1992, S. 87 f.).

 

Die meisten dieser Neuerungen sind aufgrund einer größer gewordenen Mitgliederzahl und einer Erweiterung des Tätigkeitsfeldes von Genossenschaften erfolgt. Weiter­gehende Absichten des Gesetzgebers beschreibt Rubinstein (1992, S. 87) wie folgt: "These provisions tend to make the new cooperative law more socially oriented, and to limit the types of business which can avail themselves of this form of organisation. Thus for instance, the minister of Labour is to be empowered to prohibit employment of hired labor in cooperatives."[203]

 

Insgesamt können Genossenschaften als Organisationsform, die sowohl Elemente der Partnerschaft als auch der Unternehmung (Company)[204] enthält, klassifiziert werden. Sie genießen Erleichterungen, vor allem bei der Höhe der steuerlichen Abgabenbe­messung, aber auch bei der Publizitäts- und Prüfungspflicht, ähnlich wie bei der Partnerschaft. Gleichzeitig haben sie durch stabilisierende und kontinuitätssichernde Elemente vergleichbare Vorzüge wie die Unternehmung (vgl. Rubinstein, 1992, S. 86).

 

In Israel ist diese Unternehmensform in den Bereichen produzierendes Gewerbe, Transport, Einzelhandel, Kredit und Versicherung, vor allem aber im landwirtschaft­lichen Sektor, verbreitet. Der Anteil eingetragener Genossenschaften an der Gesamt­zahl der registrierten Unternehmen zeigt Tabelle 2:

 

Tabelle 2: Genossenschaften in Israel

 

 

 

Beschäftigte

relativ

 

 

Beschäftigte absolut

 

Genossenschaften relativ

 

Genossenschaften absolut[205]

 

 

1960

 

7,9%

 

10.100

 

2,8%

 

255

 

 

1991

 

6%

 

18.900

 

3,3%

 

310

 

 

 

Quelle:     Central Bureau of Statistics, 1961, S. 231; 1994, S. 468.

 

Es ist ein leichter Anstieg der genossenschaftlichen Rechtsform am Gesamtanteil der registrierten Unternehmungen zu beobachten, bei einem deutlichen Anstieg der absoluten Zahl der dort beschäftigten Personen.

 

   Die Unternehmung

 

Das heute gültige Unternehmensgesetz beruht weitgehend auf der 'Companies Ordinance' aus dem Jahr 1929 (vgl. Rubinstein, 1992, S. 88).[206] Danach ist eine wirtschaftlich aktive Vereinigung, die nicht als Partnerschaft geführt werden kann, entweder als Genossenschaft oder als Unternehmung zu registrieren.[207] Ähnlich dem deutschen Unternehmensrecht lassen sich zwei grundsätzliche Unterscheidungen zwischen verschiedenen Typen von Unternehmen treffen:[208]

 

     Die private oder öffentliche Unternehmung

    

     Der private Betrieb eines Einzelunternehmers oder einer kleinen Gruppe von Personen dient der juristischen Personifizierung der Unternehmung, und damit einer Trennung von Unternehmens- und Privathaftung. Wesentliche Charakterzüge dieser Unternehmensart sind eine beschränkte Transferierbarkeit der Firmenanteile, die Begrenzung der Teilhaberzahl auf 50 und das Verbot öffentlich handelbare Aktien oder Schuldverschreibungen zu zeichnen.[209]

 

     Der öffentlichen Unternehmung steht dieses Zeichnungsrecht zu. Sie kann Aktien zum Kauf anbieten und damit der Öffentlichkeit die Teilhabe am Unternehmen ermöglichen, ohne dieser gleichzeitig eine Beteiligung am Management einräumen zu müssen. Eigentum und Kontrolle von öffentlichen Unternehmen können also getrennt sein.[210]


      Unternehmen mit oder ohne beschränkte Haftung

 

     Bei der Rechtsform ohne beschränkte Haftung sind der oder die Unternehmer mit ihrem gesamten Privatkapital für die Schulden der Unternehmung haftbar.[211] Diese Art der Unternehmensform ist in Israel allerdings selten und wird nur in Ausnahmefällen gewählt.[212]

 

     Bei Unternehmen mit beschränkter Haftung läßt sich eine weitere Unterscheidung treffen: Bei einer Haftungsbeschränkung auf Aktien ist die Haftung der Teilhaber auf den Nominalwert, der von ihnen gehaltenen Aktien, beschränkt. Dagegen wird bei einer Haftungsbeschränkung auf Garantie in einem Memorandum die Summe festgelegt, welche die Teilhaber bei einem Konkurs zu zahlen haben. Während die meisten Aktiengesellschaften in Israel die erstgenannte Art der Haftungsbeschrän­kung besitzen, haben vor allem nicht-kommerzielle (non-profit) Organisationen letztere Rechtsform gewählt (Rubinstein, 1992, S. 90).

 

Es zeigt sich, daß die in Israel möglichen Rechtsformen für wirtschaftliche Aktivitäten dem europäischen Unternehmensrecht ähnlich sind. Aus diesem Grund wird auf eine ausführliche Darstellung einzelner Unternehmenstypen verzichtet. In ihren unter­schiedlichen Rechtsformen sind Unternehmen die am häufigsten vorzufindende Betriebsart in Israel. Tabelle 3 zeigt den Anteil dieser Unternehmensformen am Gesamtanteil registrierter Gesellschaften:

 

 

Tabelle 3: Einzelunternehmen, private- und öffentliche Unternehmen in Israel

 

 

 

Einzelunter-nehmen relativ

 

 

 

Einzelunter-nehmen absolut

 

Private Unter-nehmen

relativ

 

Private Unter-nehmen

absolut

 

Öffentliche Unternehmen

relativ

 

Öffentliche Unternehmen

absolut

 

 

1960

 

53,0%

 

4,836

 

16,7%

 

1.530

 

1,2%

 

111

 

 

1991

 

21,9%

 

2.073

 

66,0%

 

6.263

 

2,5%

 

238

 

 

 

Quelle:     Central Bureau of Statistics, 1961, S. 231; 1994, S. 468.

 

Wie schon im Absatz zu Partnerschaften angedeutet, fand eine Verschiebung hin zu rechtlich und organisatorisch komplexeren und damit zu größeren und kapitalintensiveren Unternehmensformen statt.

 

Grundsätzlich sind damit Standardstrukturen für verschiedene Arten wirtschaftlicher Aktivität vorhanden, die über den privaten Besitz und Transfer von Eigentum hinaus auch den privaten Besitz von Produktivvermögen, dessen Kombination, Veränderung und Veräußerung erlauben. Inwieweit der so vorgegebene handlungsrechtliche Spielraum für Organisationen und ihre Unternehmer auch nutzbar ist, hängt nicht zuletzt auch davon ab, wie stark andere Gesetze die gegebenen Handlungsrechte beschränken. Auf die weitgehenden Möglichkeiten der Regierung, aufgrund der Art der Verfassung und durch die Notverordnungen, wurde in Abschnitt 3.1 schon hinge­wiesen. Im nächsten Abschnitt wird der Umfang staatlicher Regulierung und Kontrolle von wirtschaftlicher Aktivität genauer untersucht.

 

3.4   Staatliche Regulierung und Kontrolle verschiedener Wirtschaftssektoren

 

3.4.1 Landwirtschaft

 

Regeln zur Aufzucht, Haltung, Schlachtung und künstlichen Befruchtung von Nutzvieh sind im Gesetz zur Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktion (1952)[213] zu finden. Ähnliches beinhaltet auch das Korn - Gesetz (1956)[214], das dem Landwirtschaftsminister erlaubt, Qualitätsstandards und -kontrollen für die Kornproduktion festzulegen.

 

Während diese beiden Gesetze noch als Schutzvorkehrungen zum Wohl und der Gesundheit der Verbraucher zu interpretieren sind, gehen die Gesetze zur Regulierung von Zitrus- und Gemüseproduktion weit über dieses Ziel hinaus. Mit dem Zitrus-Kontrollgesetz (1940)[215] wurde ein 'Citrus Control Board'[216] eingerichtet, das seither sämtliche Bereiche der Zitrusproduktion reguliert und kontrolliert. Es ist autorisiert, die Behandlung und Ernte der Früchte zu regeln bzw. zu überwachen, die Werbung zu organisieren, und auch Verträge mit Schiffsbesitzern zum Transport der Früchte abzuschließen (vgl. Rubinstein, 1992, S. 145). Mit Zustimmung des Landwirtschafts­ministers und durch das Gesetz über Plantagen und Plantagenprodukte (1954)[217] sind ferner möglich: Kontrolle und Regulierung der Gebiete, auf denen Zitruskulturen wachsen, Kontrolle und Regulierung der Ernte, der Lagerung und des Transports der Früchte, der sanitären Anlagen der Fruchthaine, der Qualitätseinteilung der Früchte, der Kennzeichnungen der Versandkontainer und des Exports der Früchte.[218]

 

Ähnlich weitreichende Kontrollen ermöglicht das Gesetz über Gemüseproduktion und -vermarktung (1959).[219] Rubinstein (1992, S. 144) faßt die wichtigsten Funktionen von diesem 'Marketing Board' zusammen: "to plan production; to regulate supply and marketing; to centralize and regulate exports; to promote and help growing, processing, marketing (...) and consumption (...); and the construction of market places, packing houses and storage facilities."

 

Insgesamt ist der landwirtschaftliche Sektor hochgradig reguliert und kontrolliert. Shimshoni (1982, S. 233) stellt fest, daß die gesamte landwirtschaftliche Produktion durch Produzentenkartelle, die von der Regierung angeführt werden, kontrolliert und beherrscht wird. Damit ist ein freier, auf privatwirtschaftlicher Basis stattfindender Wettbewerb, in diesem Sektor nahezu ausgeschlossen. Dieser Sachverhalt wird auch dadurch bestätigt, daß 1959 noch 67,2% des landwirtschaftlichen Nettoprodukts auf den privaten Sektor entfielen (vgl. Barkai, 1964, S. 33), während im Jahr 1985 über 86% dieses Anteils von der Histadrut - und dort vor allem von Kibbutzim und Moschavim - erwirtschaftet worden ist (vgl. Aharoni, 1991, S. 177).[220]

 

Die umfassende Regulierung des landwirtschaftlichen Bereichs ist keine Ausnahme. In industrialisierten Ländern, wie der Bundesrepublik Deutschland und anderen Staaten der Europäischen Union finden sich ähnlich weitgehende gesetzliche Bestimmungen. Der Schutz und Erhalt des nationalen Landwirtschaftssektors ist dabei das leitende Motiv. Damit ist der Primat der Politik, also der Vorrang politischer Ziele vor ökonomi­schen Überlegungen, für diesen Bereich eher die Regel als die Ausnahme.


3.4.2 Industrie, Handel und Dienstleistungen

 

In diesen Wirtschaftsbranchen sind vor allem Lizenzen, die zum Ausüben bestimmter Tätigkeiten berechtigen, als Instrumente der Regulierung und Kontrolle zu finden. Für Berufe wie Jurist, Mediziner, Ingenieur und Architekt bedarf es einer solchen Lizenz.[221] Der Erwerb dieser Erlaubnis ist an festgelegte Qualifikationen und teilweise auch an Mengenkontingente - wie beispielsweise für Mediziner - gekoppelt. Weitere Auflagen wie Werbeverbote, Handelsverbote u.ä. regulieren die Ausübung dieser Berufe (vgl. Rubinstein, 1992, S. 138 - 147).

 

Die Herstellung von Nahrungsmitteln, Alkohol und Medikamenten ist ebenfalls nur mit einer Lizenz gestattet und durch Qualitätsstandards geregelt.[222] Öffentliche Veranstaltungen und der Verkauf einer Zeitung sind nur Inhabern einer Genehmigung erlaubt.[223] Ebenso ist der Bau, Umbau und Abriß von Gebäuden genehmigungspflichtig (vgl. Rubinstein, 1992, S. 131 - 138).[224] Die Liste dieser Art von Beschränkungen ließe sich noch beliebig verlängern. Zwar stellen alle genannten Gesetze eine Einschränkung der individuellen wirtschaftlichen Handlungsfreiheit dar, allerdings steht hier der Schutz der öffentlichen Sicherheit und Gesundheit als Zielsetzung des Gesetzgebers klar im Vordergrund.

 

Nicht mehr mit dieser Zielsetzung zu vereinbaren, ist das Gesetz zur Kontrolle von Waren und Dienstleistungen aus dem Jahr 1957.[225] Es gestattet der Regierung, den Markt umfassend zu regeln, indem sie Umfang und Art der Produktion, die Höhe der Preise und die Art der Verteilung festlegen kann.[226] Obwohl dieses Gesetz nie ganz zur Anwendung kam, wurde es teilweise mehrfach ausgeübt. In der Zeit von 1962 - 1964 zwang die Regierung die Produzenten durch Preiskontrollen, ihre Produktpreise nicht zu erhöhen. Sie drohte, ansonsten die Importzölle für ähnliche Produkte zu senken.


Ein extremes Beispiel ist die Zeit von November 1984 bis Juli 1985, als 90% der Preise für Güter und Dienstleistungen, die zur Festlegung des 'Consumer price index'[227] dienen, von der Regierung fixiert und kontrolliert wurden (vgl. Plessner, 1994, S. 141 - 147).

 

Zwar wurden mit dem Gesetz über restriktive Handelspraktiken (1959)[228] rechtliche Regeln zum Schutz vor Monopolen und Kartellen formuliert, in der Praxis läßt das Gesetz der Regierung allerdings freie Hand. Jeder Art von Kartell oder Monopol wird zugestimmt, wenn es als politisch nutzbringend angesehen wird: "Turning first to cartels, the law appears to have been comprehensive, as the definition of what constitutes a cartel was very broad indeed. Any arrangement between business enterprises that imposed on any of them limiting provision of any sort came under the definition of a cartel. So, on the face of it, the law provided total protection from restrictive trade practices. In reality, however, it left so much room for discretion that it could be rendered totally ineffective" (Plessner, 1994, S. 143; vgl. auch Rubinstein, 1992, S. 219 - 236).[229]

 

3.4.3 Banken

 

Die Funktionen der Zentralbank von Israel sind im gleichnamigen Gesetz (1954)[230] festgelegt: "The functions of the Bank shall be to administer, regulate and direct the currency system, and to regulate and direct the credit and banking system in Israel, in accordance with economic policy of the Government." Weiterhin werden die Ziele der Geldpolitik genannt: Geldwertstabilität, hoher Produktions- und Beschäftigungsgrad, hohes Volkseinkommen und hohe Kapitalinvestitionen. Dazu besitzt die Zentralbank das Währungsmonopol, sie kann Offenmarktgeschäfte tätigen, die Höhe der Mindestrücklagen anderer Finanzinstitute festlegen und Maximalzinssätze für Kredittransaktionen bestimmen (vgl. Scheftelowitz, 1984, S. 22 f.). Bis zu dieser Stelle hätte ohne größere Abweichungen auch aus den Gesetzen zur deutschen Bundesbank zitiert werden können.


Im Gegensatz zur weitgehenden Autonomie der Bundesbank von der Bundesregierung ist die Zentralbank von Israel nicht unabhängig. Zwar muß die israelische Regierung den Vorsitzenden der Zentralbank von Israel bei Entscheidungen zur nationalen Wirtschaftspolitik konsultieren, seine Befugnisse sind aber rein beratender Natur. Dagegen hat die Regierung die gesetzliche Macht, dem Staatspräsidenten die Entlas­sung des Bankvorsitzenden vorzuschlagen, für den Fall daß: "such disagreement exists between the government and the Govenor [of the Bank of Israel] on basic questions of policy (...) as in the opinion of the government prevents efficient cooperation."[231] Darüber hinaus gestattet das Zinsgesetz von 1957[232] dem Finanzminister maximale Zinshöhen für verschiedene Arten von Finanztransaktionen festzulegen, sowie Konditionen und Zeiträume für diese zu bestimmen (vgl. Rubinstein, 1992, S. 151 ff.).

 

Ohne weitere gesetzliche Details aufzuzeigen, wird hier schon deutlich, daß sich auch der Kapitalmarkt im Einflußbereich der Regierung befindet. Die Folgen dieser Gesetzeslage schildern Razin und Sadka (1993, S.1 - 8): Die Regierung separierte den nationalen vom internationalen Kapitalmarkt und segmentierte den ersten in verschie­dene Sektoren mit unterschiedlichen Zinsraten, sowohl für Spareinlagen als auch für die Kreditvergabe. Sie entwickelte sich zum Hauptakteur auf dem Kapitalmarkt, was als einer der Gründe für die Inflation und Rezession der achtziger Jahre gilt. Kontroversen zwischen dem Finanzminister und dem Gouverneur der Bank von Israel in Fragen der Wechselkurs- und Zinspolitik bestimmten das Bild. Politische Macht­interessen, besonders bei bevorstehenden Parlamentswahlen (z.B. im November 1988), verhinderten eine vom Gouverneur angestrebte und an ökonomischen Sachverhalten orientierte Neubestimmung der Wechselkurspolitik. Erst die im Dezember 1988 gebildete Regierung vermochte eine stärker an ökonomischen Notwendigkeiten ausgerichtete Politik zu etablieren.[233]

 

Insgesamt kann damit festgestellt werden, daß der Staat bzw. die Regierung in allen wirtschaftlichen Bereichen kontrollierend und regulierend eingreift. In den verschie­denen Branchen werden dazu unterschiedliche Instrumente zum Einsatz gebracht. Das Maß dieser Einflußnahme übersteigt in allen Bereichen die zur Durchsetzung des öffentlichen Interesses notwendigen Maßnahmen. Trotz alledem wurden die Regeln des Marktes weder außer Kraft gesetzt noch geschwächt. Sie wurden lediglich beschränkt (vgl. Ben-Porat, 1993, S. 76, 175).[234]

 

Wieso Ben-Porat diesen Standpunkt vertritt, erscheint bei ausschließlicher Betrachtung des gesetzlichen Rahmens für wirtschaftliche Aktivität noch unverständlich. Die folgende Untersuchung der Wirkung von Handlungsrechten in den unterschiedlichen Eigentumssektoren soll darüber Aufschluß geben. Dabei wird besonders die politische Rolle des privatwirtschaftlichen Sektors das Vorhandensein marktwirtschaftlicher Regeln erklären.

 


4      Die Eigentumsverteilung in der Wirtschaftsordnung Israels -

        Wirkung von formlosen und formgebundenen Institutionen

 

Der institutionelle Rahmen, bestehend aus kulturell tradierten Normen und politisch erzeugten formalen Regeln, ist beleuchtet. Das Gewicht der Regierung im Hinblick auf die Bildung und Entwicklung der Wirtschaftsordnung wurde deutlich. Über die Festlegung der formalen Eigentumsverfassung wurde die gegenwärtig vorzufindende Eigentumsstruktur maßgeblich mitgeprägt.

 

Bei der folgenden Betrachtung wird die Wirkung kultureller Normen und politischer Entscheidungen auf das wirtschaftliche Verhalten der Menschen untersucht. Der Institutionentheorie von North folgend, kommen damit die Wirtschaftsorganisationen und ihre Unternehmer ins Spiel (vgl. North, 1992, S. 87 - 97). Die einzelnen Eigen­tumsformen spiegeln dabei eine unterschiedliche Verteilung von Handlungs- bzw. Eigentumsrechten innerhalb dieser Organisationen wider. Inwieweit die Art der Verteilung zu einem bestimmten Verhalten, der in den Unternehmen beschäftigten Menschen führt, soll hier beleuchtet werden. Ob diese Verteilung dann als effizient bezeichnet werden kann, wird im abschließenden Kapitel betrachtet.

 

Zunächst wird der private Wirtschaftssektor, wie auch später die übrigen Sektoren, quantitativ erfaßt. Der dabei vorzufindende Umfang privaten Eigentums an Produk­tionsmitteln gibt dann den Anlaß zur qualitativen Beurteilung privatwirtschaftlicher Macht. Es folgt ein Produktivitätsvergleich zwischen privatem, staatlichem und gewerkschaftlichem Sektor als mögliches Maß für die volkswirtschaftliche Effizienz der verschiedenen Eigentumsformen (Abschnitt 4.1).

 

Staats- und Parteiunternehmen stehen anschließend im Blickpunkt. Die Verflechtungsproblematik von Politik und Wirtschaft, innere und äußere Grenzen der Macht der Entscheidungsträger und damit verbunden die Ursachen für den beginnenden Prozeß der Privatisierung, werden betrachtet (Abschnitt 4.2).

 

Danach steht die Histadrut als Unternehmen und Gewerkschaft im Mittelpunkt. Der formal organisatorische Aufbau gibt Aufschluß über die Machtverteilung innerhalb des Unternehmens und über die Frage, inwieweit das Verhalten der dort Beschäftigten an ökonomisch rationalen Zielen orientiert ist. Weiterhin wird die Wirkung der Monopolstellung im Bereich der Arbeitnehmervertretung untersucht (Abschnitt 4.3).

 

Kibbutzim und Moschavim, als Sonderformen der Verteilung von Eigentumsrechten innerhalb unternehmerischer Organisationen, stehen am Ende der Betrachtung. Ideo­logische Grundlagen und die Diskrepanz zwischen politischer und wirtschaftlicher Macht sind hier von Bedeutung. Die einzelnen Siedlungsformen werden anhand der Unterschiede in der Verteilung von Handlungsrechten gegeneinander abgegrenzt. Am Beispiel der Kibbutzim werden das Motivations-, das Produktions- und das Gleich­heitsproblem - als maßgeblich verhaltensbestimmende Aspekte - dargestellt. Abschlie­ßend wird eine Studie betrachtet, die einen Produktivitätsvergleich zwischen koopera­tivem und manageriellem[235] Entscheidungsprozeß zum Inhalt hat (Abschnitt 4.4).

 

4.1   Private Unternehmen

 

Die bisher aufgezeigten Zusammenhänge legen den Schluß nahe, daß dem privatwirt­schaftlichen Sektor innerhalb der israelischen Wirtschaft eine geringe Bedeutung zukommt. Der Primat politischer Ziele vor ökonomischen Überlegungen, die sozialistische Ideologie der dominierenden Parteien und die weitreichende Regulierung und Kontrolle der Wirtschaft durch den Staat, sprechen deutlich gegen eine tragende Rolle der privaten Wirtschaft.

 

Ein Blick in die Wirtschaftsstatistik Israels bestätigt diese Vermutung allerdings nicht: Der Anteil der Privatwirtschaft am Nettoinlandsprodukt des Staates lag im Jahr 1959 bei 58,1% (Barkai, 1964, S. 26).[236] Vom Nettoprodukt der Landwirtschaft entfielen zu dieser Zeit gut zwei Drittel auf den privaten Sektor (Barkai, 1964, S. 33).[237] Dieser Anteil wurde vor allem von Farmern der ersten Einwanderergeneration (Biluim) erwirtschaftet. Bis heute leben diese und ihre Nachkommen in Siedlungen (Moschavot), deren Grundlage, im Gegensatz zu den später gegründeten Kibbutzim und Moschavim, das Privateigentum an sämtlichen Produktionsmitteln, einschließlich des Bodens, ist (vgl. Pallmann, 1966, S. 61 ff.). Entgegen der zionistischen Ideologie[238] beschäftigten sie arabische Lohnarbeiter und waren auf die Zitrus­produktion[239] spezialisiert. Das Dorf Petach Tikwa, in der Nähe von Tel Aviv, ist einer der ersten Moschavot und existiert auch heute noch in dieser Organisationsform (vgl. Sontheimer, 1968, S. 104 f., Plessner, 1994, S. 150 - 157).

Im Zuge der Entwicklung zu einem modernen Industrie- und Dienstleistungsstaat verlor der landwirtschaftliche Sektor insgesamt an Bedeutung. Mit einem fünfprozen­tigen Anteil der Landwirtschaft am Nettoinlandsprodukt von 1986 und einem gleich hohen Beschäftigtenanteil an der Gesamtzahl der Beschäftigten, spielt dieser Sektor heute keine tragende Rolle mehr (vgl. Wolffsohn, 1995, S. 420 - 423).

 

Im Bereich Industrie, Bergbau und Mienen wurden 1959 insgesamt 73,5% des Nettoproduktes von privaten Unternehmen erwirtschaftet (vgl. Barkai, 1964, S. 33).[240] Hier bestimmten vor allem kleine Betriebe - mit ein bis vier Angestellten - das Bild. Wegen der geringen Kapitalausstattung[241] der meisten privaten Unternehmer,[242] waren diese hauptsächlich in weniger kapitalintensiven Bereichen, wie der Leicht- und Textilindustrie, angesiedelt (Ben-Porat, 1993, S. 64 f., Sontheimer, 1968, S. 108; Shimshoni, 1982, S. 235).[243]

 

Im Baugewerbe dominierte zwar nach wie vor das Gewerkschaftsunternehmen Solel Boneh, das im Laufe des Zweiten Weltkriegs durch Aufträge der Alliierten zum größten Baukonzern des Landes gewachsen war, allerdings hatte auch in diesem Bereich im Jahr 1959 die Privatwirtschaft einen Anteil von 57,5% (vgl. Sontheimer, 1968, S. 108 f., Wolffsohn, 1982, S. 567). Ähnlich hohe Anteile der privaten Wirtschaft stellt Barkai (1964, S. 33) auch für die Bereiche Banken (89,8%) und Handel einschließlich anderer Dienstleistungen (82,5%) fest.[244]

 

Da schon in den fünfziger Jahren ein Verknüpfung und teilweise Verschmelzung von privaten, Gewerkschafts- und Staatsunternehmen einsetzte, ist eine scharfe Trennung der Eigentumsanteile der drei Bereiche, wie sie noch in der Untersuchung von Barkai vorgenommen wurde,[245] heute nicht mehr durchzuführen (vgl. Shimshoni, 1982, S. 232). Anhand verschiedener volkswirtschaftlicher Indikatoren kann allerdings eine Annäherung des aktuellen quantitativen Umfangs privater Wirtschaft gegeben werden:

 

Im Jahr 1985 befanden sich von den 123 größten Industrieunternehmen 75 in privater Hand. Darunter auch Clal Industries Ltd., neben Koor Industries Ltd.[246] (das der Histadrut gehört) und Israel Chemicals Ltd.[247] (in Staatseigentum), das drittgrößte Industrieunternehmen Israels (vgl. Dun/Bradstreet, 1986). Die Betrachtung der Eigen­tumsstruktur der 100 größten Unternehmen zeigt, daß sich im Jahr 1989 absolut 63 und relativ 45% dieser Unternehmen in privater Hand befanden. Im Jahr zuvor waren von 100 Beschäftigten 70 im privaten Sektor tätig (vgl. Wolffsohn 1991, S. 392 f.).

 

Im Rahmen eines Vergleichs der Anzahl aller industriellen Unternehmen im Jahr 1965 und im Jahr 1988, ist eine absolute Halbierung bei konstantem relativen Anteil an Privatunternehmen (ca. 94%) festzustellen (Tab. 4):

 

Tabelle 4: Anteil privater Unternehmen an der Gesamtzahl industrieller

               Unternehmen

 

 

 

1965

 

 

1988

 

 

Privat

 

23.422

 

9.993

 

 

Gesamt

 

24.796

 

10.554

 

 

 

Quelle:     Central Bureau of Statistics, 1966, S. 412; 1990, S. 416.

 

Das zeigt zum einen den hohen Anteil kleiner privater Betriebe und zum anderen, daß hier, das von modernen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaften bekannte Entwicklungsschema der Vermögenskonzentration, nicht zu einer signifikanten Veränderung der Eigentumsstruktur zwischen den Sektoren geführt hat. Insgesamt kann festgehal­ten werden, daß der Anteil der Privatwirtschaft am Nettoinlandsprodukt, von der Zeit der Staatsgründung bis Anfang der neunziger Jahre, stets zwischen 55% und 65% lag.[248]

 

Um auf die eingangs geäußerte Vermutung zurückzukommen, daß dem privaten Wirtschaftssektor nur eine geringe Bedeutung zukommt, stellt sich jetzt die Frage, wie die quantitativ gleichbleibend starke Rolle des privaten Sektors mit den weitgehend ambivalenten politisch-rechtlichen Rahmenbedingungen zu vereinbaren ist. Eine Argumentation zur Beantwortung dieser Frage kann in zwei Richtungen geführt werden:

 

   Die von ökonomischen Indikatoren angezeigte Dominanz der Privatwirtschaft relativiert sich, sobald das politisch-institutionelle Umfeld berücksichtigt wird. Anders als im gewerkschaftlichen und im öffentlichen Sektor ist der politische Organisationsgrad der Privatwirtschaft gering (vgl. Wolffsohn, 1995, S. 335 - 353). Ben-Porat (1993, S. 64) nennt zwar einige private Lobby-Gruppen,[249] stuft deren Einfluß - aufgrund der fehlenden Dachorganisation - gegenüber anderen Verbänden und der Regierung allerdings als begrenzt ein.

 

     Wird weiterhin die umfangreiche gesetzliche Regulierung und Kontrolle vieler Branchen berücksichtigt,[250] dann reduziert sich auch die Liste der Attribute, die üblicherweise mit dem Begriff Privatwirtschaft in Verbindung gebracht wird. Zwar ist die Zuordnung der Produktionsmittel zu privaten Eigentümern weitgehend erfüllt,[251] die notwendigen wirtschaftlichen Handlungsfreiheiten (individuelle Verfügungs- und Aneignungsrechte), welche im freien Wettbewerb über Angebot und Nachfrage zur Bestimmung von Marktpreisen für Güter führen, fehlen dahingegen häufig (vgl. Plessner, 1994, S. 141 ff.).

 

     Dazu kommt die permanente Abhängigkeit der gesamten Wirtschaft von Kapitalan­leihen des Staates (vgl. Wolffsohn, 1995, S. 379). Die für das enorme Wachstum der fünfziger und sechziger Jahre benötigten Investitionen in Reproduktion und Expansion wurden nahezu ausschließlich durch Staatsanleihen finanziert (vgl. Ben-Porat, 1993, S. 52 - 56, 72). Mit dem Instrument der Kreditvergabe für Investi­tionen war der Staat in der Lage, eine weitgehende Richtungsvorgabe der zukünf­tigen wirtschaftlichen Entwicklung vorzunehmen. Der Vergleich des durchschnitt­lichen Kapitalstocks pro beschäftigter Person im Jahr 1982 zeigt, daß der private Sektor, im Gegensatz zum Histadrutsektor und zum Staatssektor, nicht die erste Adresse bei der staatlichen Kreditvergabe war.[252]

 

     Das erklärt auch den hohen Anteil der Privatwirtschaft in weniger kapitalintensiven Branchen (vgl. Shapiro, 1993, S. 74 f.).[253] Die Kapitalabhängigkeit der Wirtschaft ist gleichzeitig der Ausgangspunkt zur Begründung des - trotz aller Einschränkungen - vorhandenen Umfangs der Privatwirtschaft.

 

   Um den Kapitalbedarf der inländischen Wirtschaft zu befriedigen, war und ist der Staat in hohem Maße auf ausländische Transferzahlungen angewiesen. So überstieg in den Jahren 1950 bis 1958 der Kapitalimport aus dem Ausland die gesamten Nettoinvestitionen in diesem Zeitraum (vgl. Patinkin, 1959, S. 92 f.). Für die Zeit­spanne von 1992 bis 1997 schätzen Razin und Sadka (1993, S. 122 f.) den Anteil externer Zahlungen am Bruttosozialprodukt auf 30 - 40%.[254] Die permanente wirtschaftliche Abhängigkeit von ausländischem Kapital ist eine der wesentlichen Ursachen für die kontinuierliche Präsenz eines umfangreichen privaten Wirtschafts­sektors:

 

     Wird berücksichtigt, daß die Hauptquellen der Transferzahlungen in den USA und in Westeuropa zu finden sind, dann zeigt sich, daß die Zielsetzung der Geld­geber[255], über rein wirtschaftliche und humanitäre Unterstützung hinaus, auch eine politische Dimension hat. Vor allem die USA sahen in Israel zu Zeiten des Kalten Kriegs eine westliche Bastion gegen einen sich ständig ausweitenden Kommunis­mus. So wie die Sowjetunion durch finanzielle und militärische Unterstützung Einfluß in den arabischen Nachbarstaaten zu gewinnen suchte, sah das westliche Lager die Notwendigkeit, in Israel ein Gegengewicht aufrecht zu erhalten. Aus diesem Grund wurden die sozialistischen Tendenzen innerhalb Israels stets kritisch beobachtet und beurteilt (vgl. Wolffsohn, 1995, S. 444 - 447). In diesem Zusam­menhang sind die Transferzahlungen als politisches Druckmittel zu bezeichnen. Im Falle einer stärkeren Hinwendung zum Sozialismus wäre das Druckmittel möglicherweise durch Einfrieren der Zahlungen zum Einsatz gekommen. Ben-Porat (1993, S. 70) beschreibt diese Abhängigkeit folgendermaßen: "In other words, at that period of the cold war, U.S. support might well have stopped, had Israel opted for a more socialist mode of production" und an anderer Stelle (S. 152) noch deutlicher: "The U.S. government, together with the World Bank, actually pressed Israel to move toward what they called a free market economy, thus encroaching on state/societal autonomy."

 

     Vor diesem Hintergrund erfüllte der private Wirtschaftssektor eine politische Alibifunktion. Im Vordergrund politischer Entscheidungen in Israel standen weniger die Vorzüge von freiem Wettbewerb und Marktwirtschaft an sich, sondern vielmehr die Vermittlung des Vorhandenseins der damit verbundenen Handlungs­rechte nach außen. Das erklärt auch die Diskrepanz zwischen dem statistisch starken Erscheinungsbild der Privatwirtschaft einerseits, und der ökonomischen Realität andererseits.[256]

 

Insgesamt kann damit festgestellt werden, daß sich die wirtschaftliche Stärke des privaten Sektors zwar nicht in politischer Macht widerspiegelt, daß aber umgekehrt der Handlungsspielraum der politischen Entscheidungsträger - im Hinblick auf mögliche Eingriffe in die Privatwirtschaft - durch äußere Einflüsse ebenfalls begrenzt ist.

 

Ein Produktivitätsvergleich zwischen den drei Sektoren soll als Indikator zur Beurteilung der Wirkung dieses institutionellen Rahmens auf das Verhalten der dort beschäftigten Menschen dienen. Dem Jahresbericht der Bank of Israel (1988) sind die folgenden Werte entnommen (Tab. 5):

 

Tabelle 5: Output und Kapitalstock je Beschäftigten im privaten-, staatlichen-

               und gewerkschaftlichen Sektor der Industrie

 

 

 

Kapitalstock

je beschäftigter

Person 1982a

 

Output

 je beschäftigter

 Person 1985

 

 

 

Staat

 

1.641

 

37

 

 

Gewerkschaft

 

1.146

 

29

 

 

Privat

 

669

 

18

 

 

a ) Das Jahr 1982 ist das einzige Jahr, in dem in dieser Form Daten über den Kapitalstock erstellt wurden.

 

Quelle:     Bank of Israel, Annual Report, 1988, S. 204.

 

Danach ist der Output pro Beschäftigten im Staatssektor am höchsten, es folgt der Gewerkschaftssektor und weit zurück der Privatsektor. Auf den ersten Blick ein unerwartetes Ergebnis. Werden allerdings die Produkte ins Verhältnis zum eingesetzten Kapital pro Person gestellt, dann ergibt sich ein erwartetes Resultat: Die Produktivität (Wirtschaftlichkeit), definiert als Quotient des Outputs pro Person zu eingesetztem Kapital pro Person, ist im Privatsektor, mit 18/669 = 0,0269 am höchsten. Es folgt der Gewerkschaftssektor mit einem Wert von 0,0253 und der Staatssektor mit 0,0225. Danach liegt die Produktivität im gewerkschaftlichen Bereich um 6% und im staatlichen Bereich um 17% unter der Produktivität des privaten Bereichs.

 

Das Verhalten der im Privatsektor beschäftigten Personen ist demzufolge am ehesten als gewinnorientiert bzw. ökonomisch rational zu bezeichnen. Dieser Sachverhalt ist auch dadurch zu erklären, daß die Manager der meist kleinen Betriebe in der Regel selbst die Eigentümer oder Verwandte der Eigentümer sind (vgl. Aharoni, 1991, S. 184). Damit ist die Verbindung von Entscheidung und Haftung - ein wesentlicher Anreiz für eine gewinnorientierte Motivation - in hohem Maße gewährleistet.

 

 

4.2   Staatsbetriebe und Parteiunternehmen

 

Im Vergleich zum privaten Bereich ergibt sich im staatlichen Wirtschaftssektor ein umgekehrtes Bild. Von einer rein statistischen Betrachtung ausgehend, könnte auf eine eher schwächere Position des Sektors geschlossen werden. Unter Berücksichtigung des gesamten Umfelds staatlicher Unternehmen wird allerdings deren Schlüsselposi­tion in der Gesamtwirtschaft deutlich. Zu diesem Umfeld zählen auch die Parteiunternehmen, besonders diejenigen der Regierungsparteien, obwohl sie statistisch in allen drei Sektoren erfaßt sind (vgl. Wolffsohn, 1995, S. 381 f.).[257] Weiterhin ist die Macht der Regierung bzw. der Parteien als Arbeitgeber und Eigentümer, sowohl im Hinblick auf eigene Unternehmungen, als auch hinsichtlich fremder Unternehmen, näher zu betrachten.

 

Trotz dieser zusätzlichen Aspekte gibt auch die Untersuchung der statistischen Daten Aufschluß über die Rolle des staatlichen Wirtschaftssektors: Am Nettoinlandsprodukt von 1959 hatte der Staat einen Anteil von 21,6%.[258] Am Nettoprodukt einzelner Branchen war der Staat zu dieser Zeit in folgendem Umfang beteiligt: Öffentliche Güter (Wasser und Elektrizität) 100%, Regierungsdienstleistungen 97%, Transport und Kommunikation 40,3% und Industrie 4,3% (vgl. Barkai, 1964, S. 26, 33).[259] Als auffällig bezeichnet Barkai (1964, S.34) den unüblich geringen Anteil im Transport­bereich und den hohen Anteil in der Baubranche. Für den ersten Fall macht er das Quasi-Monopol der Histadrut Kooperativen Egged und Dan im Bereich der Personen­beförderung verantwortlich.[260] Als Ursache für das starke Engagement im Baubereich nennt er die umfassenden Wohnungsbauprogramme der Regierung. Diese waren zwar zur schnellen Integration der hohen Einwandererzahlen notwendig, dienten gleichzei­tig aber auch zur Integration der Neuankömmlinge in die 'richtige' Partei.[261]

 

Der scheinbar geringe Staatsanteil in der Industrie relativiert sich, wenn berücksichtigt wird, daß große Geldmengen aus dem Entwicklungsbudget der Regierung[262] in Form von Darlehn in diese Branche geflossen sind; d.h. die Gelder wurden nicht zur Akquisition von Eigentumstiteln verwendet (Ben-Porat, 1993, S. 74).[263]

 

Größenordnung und Art der beschriebenen Anteile zeigen, daß der öffentliche Sektor schon Anfang der sechziger Jahre nicht auf die in westlichen Ländern üblichen Bereiche beschränkt war (vgl. Razin/Sadka, 1993, S. 198). Neben öffentlicher Verwaltung und lebensnotwendigen Versorgungsbetrieben befanden sich auch zahlreiche reine Wirtschaftsunternehmen in staatlicher Hand. Nach einer Aufzählung der größeren staatlichen Unternehmen kommt Sontheimer (1968, S. 126 f.) diesbe­züglich zu dem Ergebnis, daß es sich hierbei vor allem um wichtige Projekte im Entwick­lungsgebiet der Negev handelt, die für privates Kapital nicht interessant genug waren.

 

Der Vergleich von Sontheimers Aufzählung und Argumentation mit Plessners (1994, S. 182) Beschreibung staatlicher Aktivität in der Wirtschaft, ergibt für die neunziger Jahre ein anderes Bild:

"Some of the most important government corporations are in the defense industry. Included are Israel Aircraft Industries; and Elta Electronics. The government owns another large chunk of the defense industry in the form of two enterprises that do not even have the status of a corporation: the Maintenance and Restoration Centers, which maintain the military's mechanized equipment, also assemble Israel's main battle tank, the Merkava, and are run by the army's Quatermaster General; and Rephael, the big defense R&D organisation. Outside the defense sector, the government owns some of Israel's most important corporations. In terms of financial significance, the most important of these are, not necessarily in order, Israel Electric Company, the monopoly supplying the country's electricity; Israel Chemicals, a holding company that either wholly owns or has a majority interest in such subsidiaries as the Dead Sea Works, Israel Phosphates, Fertilizers and Chemicals, and a host of other companies at home and abroad that between them own all of Israel's mineral deposits. The government also owns Mekoroth, the monopoly which supplies Israel's water; Bezek, the telephone monopoly; and the country's sole railway. It also owns El-Al, Israel's airline, and has substantial interests in the country's refineries. In the financial sector the government owns an insurance company and has substancial interests in the Industrial Development Bank of Israel. It also owns, through various authorities, both of Israel's television stations, both radio networks and all ports and airports. It also owns and runs a network of hospitals" (vgl. dazu auch Ben-Porat, 1993, S. 68 f.; Wolffsohn, 1995, S. 384 f.).

 

Wird weiterhin berücksichtigt, daß die Regierung infolge der Finanz- und Aktienkrise von Oktober 1983[264] auch zum Hauptaktionär der vier umsatzstärksten Bankengrup­pen[265] Israels wurde - Razin und Sadka (1993, S. 202) sprechen von einer Nationali­sierung der Banken - dann wird deutlich, daß der Umfang staatlicher Aktivität in der Wirtschaft heute weit über das von Sontheimer geschilderte entwick­lungspolitische Engagement hinausgeht (vgl. Plessner, 1993, S. 38 f., 278 ff.). Vor diesem Hintergrund ist der für Anfang der neunziger Jahre von Ben-Porat (1993, S. 160) geschätzte Staatsanteil an der Wirtschaft (25%) eher als zu niedrig einzustufen. Auch wenn im Dezember 1990 nur etwa 75.000 Personen in diesem Sektor beschäftigt waren, was einem Anteil von 7% an der Gesamtzahl der Beschäftigten entspricht, ist die Zahl der Arbeitsplätze, die direkt oder indirekt vom Staatssektor abhingen, weit höher einzustufen (vgl. Razin/Sadka, 1993, S. 200; Plessner, 1994, S. 182).

 

In diesem Zusammenhang sind die Unternehmen der Parteien zu nennen. Vor allem die Linksparteien, die eine Versorgung der Mitglieder von der 'Wiege bis zur Bahre' anstrebten, wurden schon in der britischen Mandatszeit unternehmerisch aktiv.[266]
Da eine staatliche Partei- und Wahlkampffinanzierung erst in den späten sechziger Jahren eingeführt wurde, waren auch die übrigen politischen Gruppen auf diese Form der Eigenfinanzierung angewiesen.
[267] Zudem wurde die Haushaltspolitik der britischen Mandatsregierung als unzureichend angesehen, so daß diese durch eigene innerjüdische Aktivitäten ergänzt werden mußte (vgl. Wolffsohn, 1995, S. 381 f.).[268]

 

Die auf diese Weise zu Unternehmern gewordenen Parteien betätigten sich hauptsäch­lich in drei Branchen: Das Bankwesen[269] sicherte Vergünstigungen bei der Kreditver­gabe, die Druckindustrie erleichterte Informations- und Medienarbeit und der Bausektor ermöglichte die Wohnungsvergabe an Mitglieder und solche, die es werden wollten bzw. sollten (vgl. Wolffsohn, 1995, S. 382).

 

Welche Problematik sich mit der Verknüpfung von Parteien und Unternehmen ergibt, wird deutlich, wenn die Ziele der beiden Gruppen gegenüber gestellt werden: Während Parteien die Interessen einer Bevölkerungsgruppe und Regierungen die Interessen des gesamten Volkes vertreten sollten, stehen im Unternehmen in der Regel ökonomische Ziele und die Interessen der Beschäftigten im Vordergrund. Sind beide Gruppen, wie in der Partei- und auch in der staatlichen Unternehmung, miteinander verbunden, entsteht automatisch dann ein Interessenkonflikt, wenn - was die Regel ist - die Zielgruppen nicht identisch sind. Entweder werden die Interessen der unterneh­merischen oder der politischen oder beider Seiten vernachlässigt. Wolffsohn (1983, S. 565) schildert einen solchen Fall: "Als die Agudat Israel[270] im Jahr 1961 der Verlänge­rung der Militärverwaltung über die arabischen Israelis zustimmte, erhielt sie im politischen Tauschhandel die Genehmigung, eine eigene Bank zu eröffnen. Sie kam schon wenige Jahre danach durch äußerst zweifelhafte Transaktionen in die roten Zahlen. (...) Der hohen Verluste wegen mußte die Bank 1971 verkauft werden."

 

Insgesamt verloren die Parteiunternehmen, mit der Einführung und stetigen Erhöhung staatlicher Partei- und Wahlkampffinanzierung, ihre Aufgabe und aufgrund roter Zahlen - mitverursacht durch die allgemeine Wirtschaftskrise der achtziger Jahre[271] - auch ihre Bedeutung (vgl. Wolffsohn, 1995, S. 382; 1983, S. 562 - 570).

 

Um die Bedeutung des gesamten staatlichen Wirtschaftssektors zu erfassen, reicht - wie schon eingangs bemerkt - die quantitative Betrachtung des Anteils an der Gesamtwirtschaft nicht aus. Vielmehr ist eine qualitative Beurteilung erforderlich. Die Macht der Entscheidungsträger hinsichtlich des eigenen Sektors, aber auch im Bezug auf Einflußmöglichkeiten (z.B. durch Gesetze) auf den gewerkschaftlichen und den privaten Sektor, ist von Relevanz. Zwar kann Machtqualität schwer in Zahlen gemessen werden, die Beschreibung des Machtausmaßes ist dennoch möglich. Ben-Porat (1993, S. 73 f.) hat dies kurz und treffend formuliert: "Thus, the state became the patron of these sectors by various means such as allocating foreign capital for purchasing basic material; providing cheap loans to corporations and individuals or industrialists; purchasing shares in corporations in order to strengthen their financial position but without demanding the same share in management; subsidizing industrial and agricultural products; setting tariffs to protect local industry; regulating the exchange rate of currency; setting low rates of corporate taxes; and so forth." Die Macht der Regierung basiert also vor allem auf der Möglichkeit zur Regulierung und Kontrolle der gesamten wirtschaftlichen Aktivitäten im Land, sowie dem Monopol zur Rekrutierung und Allokation von ausländischem Kapital.[272]

 

Die Auswirkungen der direkten und indirekten Aktivitäten von Regierung und Parteien in der Wirtschaft hat Plessner (1994, S. 183) wie folgt beschrieben: Neben dem Umstand, daß sich die Regierung in ein Netz von Abhängigkeiten begibt, bietet das starke Engagement in der Wirtschaft weitreichende Möglichkeiten für Patronage und Vetternwirtschaft.[273] Aus ökonomischer Sicht liegt der größte Schaden dann in der Rekrutierung von Direktoren, deren einzige Qualifikation die Nähe zu den leitenden Ministern ist. Das Resultat sind Geschäftsleitungen, besetzt mit Personen, die inkompetent in der Ausübung ihrer Position sind.[274] Im schlimmsten Fall kommt überhaupt keine Besetzung der Geschäftsleitung zustande, da sich die zuständigen Ministerien nicht einigen können.[275] Die ökonomischen Auswirkungen dieser Umstände wurden in Tabelle 5 bereits dargestellt.

 

 

Die Grenzen der Staatsmacht werden erkennbar. Plessner (1994, S. 177) bezeichnet die Regierung als den allmächtigen Schwächling und bringt damit zum Ausdruck, daß sich die vermeintliche Stärke aufgrund umfassender Legislativmacht und weitreichendem wirtschaftlichem Engagement bei genauerer Betrachtung als Schwachstelle entpuppt. Sein Hauptargument basiert dabei auf der Feststellung, daß die zahlreichen Regierungsinterventionen Anreize für die jeweils am stärksten betroffenen Gruppen schaffen, eine Lobby (pressure group) zu bilden, um die Richtung der Intervention zu beeinflussen (vgl. Plessner, 1994, S. 185).[276] Die ebenfalls von Interventionen betroffenen Staats- und Parteiunternehmen sind in diesem Zusammenhang dann eher als Hindernis, denn als Machtinstrument der Regierung zu begreifen.

 

Neben den aufgezeigten inneren Grenzen der Macht, sind auch äußere Zwänge vorhanden, die den Handlungsspielraum der Regierung beeinträchtigen oder ein bestimmtes Handeln erzwingen: "Highly dependent on U.S. support, Israel was advised by a special team of economic advisers who examined the Israeli economy to move away from state support to free market (i.e., capitalist) policies" (Ben-Porat, 1993, S. 150; vgl. auch S. 152). Dazu kommen drei weitere externe Faktoren, die eine Richtungsbestimmung bzw. Vorhersage der wirtschaftlichen Entwicklung erschweren, nämlich

 

   erstens die Ungewißheit über die Anzahl der künftigen Einwanderer,

 

   zweitens die weitere politische Entwicklung im Nahen Osten und

 

   drittens die Unwissenheit über die Höhe zukünftiger ausländischer Transfer­zahlungen (vgl. Wolffsohn, 1995, S. 380).

 

Damit wird insgesamt deutlich, daß die langfristige wirtschaftliche Entwicklung fast zwangsläufig zu einer Marktwirtschaft führen muß. Zu viele Faktoren machen eine Planung und Lenkung der Wirtschaft unmöglich und bedingen damit eine marktwirt­schaftliche, dezentrale Organisation.

 

Neu ist diese Einsicht nicht, denn schließlich sind die genannten Aspekte nicht erst in jüngerer Zeit von Bedeutung. Schon 1952 entschied sich die Regierung zu einer 'Neuen Wirtschaftspolitik', die auch eine stärkere Unterstützung des privaten Wirtschaftssektors beinhaltete (vgl. Ben-Porat, 1993, S. 72). 1962 kam es zur zweiten und 1977 mit dem Wechsel zur Likud Regierung zur dritten Auflage der 'Neuen Wirtschaftspolitik'. Neben liberalisierenden Veränderungen bestand auch immer der Vorsatz, Staatsunternehmen durch Verkäufe zu privatisieren (vgl. Wolffsohn, 1995, S. 387 - 394). Der tatsächliche Prozeß einer Privatisierung setzte allerdings erst Anfang der achtziger Jahre ein und ging nur sehr schleppend voran.[277] Die Zahl der in Staatseigentum befindlichen Unternehmen reduzierte sich von 189 im Jahr 1981 auf 159 im Jahr 1988 nur geringfügig, da sich gleichzeitig die gesamte Wirtschaft in einem Konzentrationsprozeß befand (vgl. Ben-Porat, 1993, S. 162 f.). Noch 1993 beschrei­ben Razin und Sadka (S. 201 f.) das langsame Tempo der Privatisierung, sehen aber im Verkauf von 19% der Stammaktien des zweitgrößten Industriekonzerns in Israel (Israel Chemicals)[278], einen Indikator für die zunehmende Beschleunigung und Ernsthaftigkeit dieses Prozesses.

 

Dem Israel Jahrbuch (vgl. Greenwood, 1994, S. 148) ist zu entnehmen, daß sich Razin und Sadkas Einschätzung bestätigt. Im Februar 1993 wurden weitere 25% dieses Konzerns verkauft. Unter der Überschrift "Privatisation: Into second Gear" wird weiterhin über den Verkauf und die Vorbereitung des Verkaufs zahlreicher, großer Staatsunter­nehmen berichtet. Darunter die Telefongesellschaft Bezeq, die Fluggesellschaft EL-AL, verschiedene Ölfördergesellschaften (Magen Gas and Oil Resources, Nafta, Paz Oil) und auch die Industrial Buildings Ltd., die an die Jerusalem Economic Corporation - ebenfalls ein ehemaliger Staatsbetrieb - verkauft wurde. Beim zuletzt genannten Unternehmen ist zu beachten, daß es sich um einen Betrieb mit Landbesitz handelte: "It also sold the Jerusalem Economic Corporation, which, is really a real estate holding Company owing some of the choicest land in the city" (Plessner, 1994, S. 280). Ein Wandel formaler und informaler Handlungsrechte hat eingesetzt. Auch konfessionelle Beschränkungen spielen keine entscheidende Rolle mehr, wie der Verkauf der Getränkefirma Jachin-Chakal an den Coca-Cola-Konzern zeigt (Wolffsohn, 1995, S. 428).[279]


4.3   Histadrutwirtschaft

 

Die Histadrut ist die 'Allgemeine Organisation der Arbeit' in Israel. Als Nachfolger der 1911 gegründeten Vereinigung der Landarbeiter in Judäa wurde sie im Dezember 1920 als Arbeitnehmerorganisation von linkssozialistischen Parteien in Haifa gegründet (vgl. Sontheimer, 1968, S. 106 f.; Wolffsohn, 1995, S.335 f.). Malkosh (1961, S. 21) nennt die in der Verfassung der Histadrut verankerten Ziele und Zwecke: "Gewerkschaftswesen, wirtschaftliche und genossenschaftliche Unternehmen, gegenseitige Hilfe und Erziehung. Alle diese Tätigkeiten sind gleich wichtig und in der Struktur der Histadrut integriert, die auf diesen vier parallelen Gebieten gleichzeitig wirkt" (vgl. auch Wolffsohn, 1995, S. 337 f.).[280]

 

Als Repräsentant von anfangs etwa 5.000 Siedlern entwickelte sich die Histadrut durch Aktivitäten in den vier genannten Gebieten bald zur wichtigsten politischen und wirtschaftlichen Organisation innerhalb der vorstaatlichen jüdischen Gesellschaft (vgl. Wolffsohn, 1995, S. 335; Shalev, 1992, S. 24).[281] Da ein jüdischer Staat noch nicht existierte, wurden auch viele staatliche Aufgaben von der Histadrut übernommen. Darunter eine Sozialversicherung[282], Erziehungseinrichtungen[283] und eine Verteidi­gungsarmee[284] (vgl. Sontheimer, 1968, S. 107).

 

Mit den Aktivitäten auf unternehmerischem Gebiet wurden verschiedene Ziele verfolgt: Im Vordergrund standen politisch-nationale Gründe. Die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und damit eng verbunden das jüdische Kolonisationswerk, waren voran zu bringen (Sontheimer, 1968, S. 107).


Weiterhin sollte aus sozialistischen Motiven heraus eine Konkurrenz zur Privatwirtschaft aufgebaut werden[285] und schließlich bestand auch die Notwendigkeit zur Finanzierung der Parteien.[286]

 

Um diese Ziele zu verwirklichen wurde auf der zweiten Generalversammlung der Histadrut in Tel Aviv im Jahr 1923 eine Dachorganisation für die gesamte wirtschaft­liche Aktivität der Arbeiterwirtschaft gegründet: Die 'Allgemeine Assoziation der Genossenschaft der jüdischen Arbeit in Israel', die Hevrat Ovdim (Wolffsohn, 1995, S. 382 ff., Pirker, 1965, S. 60 f.). Wie im folgenden noch genauer ausgeführt wird, hatte der gewerkschaftliche Arm der Histadrut seit ihrer Gründung eine Monopolstellung auf dem Gebiet der Arbeitnehmervertretung, während der unternehmerische Arm bald in nahezu allen Wirtschaftsbranchen tätig war.[287]

 

Wegen dieser Doppelfunktion wird die weitere Untersuchung unter zwei Gesichts­punkten fortgeführt: Um insgesamt die Position der Histadrut in der israelischen Gesellschaft zu bestimmen, ist der direkte Einfluß der Hevrat Ovdim Unternehmen, deren wirtschaftliches Verhalten, die Machtposition der Manager und die Arbeits­situation der Beschäftigten zu beurteilen. Weiterhin ist der Einfluß der Histadrut als Gewerkschaft, sowohl auf die eigenen Unternehmen, als auch auf diejenigen des Staates und der Privatwirtschaft, einzuschätzen.

 

Im Jahr 1959 betrug der Anteil der Histadrutwirtschaft am Nettoinlandsprodukt 20,3%.[288] Am Nettoprodukt der Landwirtschaft hatte die Histadrut in diesem Jahr einen Anteil von 32% (vgl. Barkai, 1964, S. 26, 33).[289] Daran waren vor allem die insgesamt über 400 Kibbutzim und Moschavim beteiligt, die in der Hevrat Ovdim, welche als Dachverband fungiert, zusammengeschlossen sind (vgl. Wolffsohn, 1995, S. 335).

 

Auf dem Bausektor dominierte das Bauunternehmen Solel Boneh. Es war zu dieser Zeit schon international in Asien, Afrika und Europa tätig und erwirtschaftete im Jahr 1959 einen Anteil von 31,9% am Nettoprodukt der Baubranche. Im Transportsektor konnte im gleichen Jahr, vor allem durch das Monopol der Personenbeförderung, ein Anteil von 37% erzielt werden. Zum Anteil von 22,2% am Nettoprodukt der Industrie in diesem Jahr hat die Unternehmensgruppe Koor[290] maßgeblich beigetragen (vgl. Barkai, 1964, S. 33).[291]

 

Ausgelöst durch den langsamen Machtverlust der IAP, verbunden mit dem Regierungswechsel im Jahr 1977 und verstärkt durch die Wirtschaftskrise der achtziger Jahre, kam es zu einer Stagnation des unternehmerischen Arms der Histadrut. Im Jahr 1992 waren 14% der Beschäftigten in der Industrie bei der Hevrat Ovdim beschäftigt (vgl. Wolffsohn, 1995, S.426). Shalev (1992, S. 342) beziffert für Anfang der neunziger Jahre den Anteil der Histadrut in der Konstruktion auf 15% und rechnet insgesamt ein Drittel aller Beschäftigten zum Histadrutsektor.

 

Formalorganisatorisch gliedert sich Hevrat Ovdim in acht Sektoren: Landwirtschaft; Industrie und Produktion; Verkauf, Einkauf und Dienste; Finanzierung; Versicherung und Pensionen; Bauten und Wohnungsbau; Hauseigentum; soziale Dienste; Transport und Dienste (vgl. Pirker, 1965, S. 61). Weiterhin wird zwischen eigenen Unterneh­mungen und verbundenen Genossenschaften unterschieden (Abbildung 4).

 

Höchstes Organ der Histadrut und der Hevrat Ovdim ist die Generalversammlung.[292] Alle vier Jahre wird ähnlich der Knesset-Wahlen ein solches 'Parlament der Arbeit' gewählt. Stimmberechtigt sind alle Mitglieder der Histadrut, die auch automatisch Mitglied der Hevrat Ovdim sind und umgekehrt. Das sind in etwa 75% der Gesamt­bevölkerung, da ein Großteil der Bevölkerung in der Kupat Cholim, der Krankenkasse und Sozialversicherung der Histadrut, versichert ist, was die Mitgliedschaft im Gesamtverband voraussetzt. Die Generalversammlung wählt einen Generalrat (General Council), aus dem dann ein Exekutiv Komitee (bzw. Managing Board) hervorgeht. Dieses wählt das Exekutivbüro[293] (Vaada Meraketzet) und den General­sekretär (vgl. Pirker, 1965, S. 31, 49; Shalev, 1992, S. 24).[294]

 

Abbildung 4:            Die Struktur des Histadrut Wirtschaftssektors

 

 

Quelle:            Shalev, 1992, S. 343.

 

Bevor die Machtverteilung innerhalb der Hevrat Ovdim näher betrachtet wird, ist eine informale Handlungsregel zu berücksichtigen, die in allen Organisationen des Staates und der Histadrut eine entscheidende Rolle spielt. Es handelt sich dabei um das Prinzip des Parteienproporzes. Jede Frage, die es zu entscheiden gilt, wird politisiert. Parteipolitische Konstellationen und Strategien bestimmen den Verlauf der Diskussion und letztendlich auch die Entscheidung (vgl. Pirker, 1965, S. 49).

 

Entwickelt hat sich dieses Prinzip schon in der Mandatszeit. Wie im Abschnitt über Parteien und den Primat der Politik (2.5) dargelegt, existierten die Parteien vor dem Staat. Sie entwickelten sich zu Gesellschaften zur Kolonisierung des Landes und waren auf diese Weise bald in allen Lebensbereichen präsent. Am erfolgreichsten im Wirtschaftssektor waren die Arbeiterparteien mit der Gründung der Histadrut. Da es Parteien waren, die jene Organisation gründeten, wurde deren formale Struktur auch nach politischen Gesichtspunkten gestaltet. Bei den Wahlen zur Histadrut Haupt­versammlung werden Parteien gewählt, die proportional nach ihrem Stimmenanteil die Generalversammlung besetzen. Das Prinzip des Parteiproporzes wird dann weiterhin beibehalten bis zum obersten Gremium, dem Exekutivbüro (vgl. Shalev, 1992, S. 24 f.; Pirker, 1965, S. 49).

 

Da die Arbeiterparteien mit diesem Prinzip zum einen ihre Macht und Dominanz gesichert sahen und zum anderen eine demokratische Legitimationsgrundlage vorweisen konnten, etablierte es sich auch in der späteren Staatsverfassung. Bis heute werden die Parteien proportional über starre Listen in die Knesset gewählt. Shapiro (1993, S. 66 f.) spricht in diesem Zusammenhang von der Installation einer formalen bzw. prozeduralen Demokratie, die sich durch freie Wahlen und freien politischen Wettbewerb auszeichnet, gleichzeitig aber liberale Elemente, wie den Schutz von Individual- und Minderheitenrechten vermissen läßt (vgl. auch Medding, 1990, S. 5).

 

Dadurch erklärt sich einerseits die fortdauernde Dominanz der Arbeiterparteien in der Politik und der Wirtschaft Israels, andererseits wird deutlich, daß auch ohne umfas­sende Nationalisierung der Produktionsmittel weite Bereiche der Wirtschaft nicht vom Markt, sondern von politischen Kräften bzw. Parteien gesteuert werden. Das Verhalten der Manager, ob im staatlichen oder im gewerkschaftlichen Wirtschafts­sektor, richtet sich also nach politischen Konstellationen und nicht nach ökonomischen Notwendigkeiten (vgl. Shalev, 1992, S. 29 f.).

 

Für die Hevrat Ovdim ergibt sich nun die Frage, auf welcher Ebene die Leitung der Organisation erfolgt, also "inwieweit die Zentrale der Hevrat Ovdim planend, regulierend, kontrollierend in das Geschäftsgebaren der einzelnen Unterneh­men eingreift bzw. eingreifen kann" (Pirker, 1965, S. 88). Dazu aus einem Bericht der Histadrut über die formale Maschinerie der Hevrat Ovdim Zentrale: "Die General­versammlung und der oberste Rat der Histadrut sind die höchsten die Politik bestim­menden Autoritäten der Hevrat Ovdim. In der Durchführung der allgemeinen Histadrut-Wahlen konstituieren sich diese Organe als Organe der Hevrat Ovdim. In gleicher Weise stellt das Exekutivkomitee der Histadrut die Exekutive der Hevrat Ovdim dar, wenn Fragen der Histadrut-Wirtschaft entschieden werden müssen. Das Exekutivkomitee ernennt ein dreizehnköpfiges Sekretariat der Hevrat Ovdim mit dem Generalsekretär der Histadrut als Vorsitzenden, um die Durchführung der politischen Richtlinien in den laufenden Geschäften zu garantieren. Zu diesem Zweck ist das Sekretariat in vier Abteilungen organisiert, denen jeweils ein bedeutender Führer der Bewegung vorsteht. Das Sekretariat ist verantwortlich für die Richtlinien der Beziehungen in der Gesamtwirtschaft zwischen dem Histadrutsektor der Wirtschaft, dem staatlichen und öffentlichen Sektor und dem privaten Sektor, der Planung und Genehmigung neuer Unternehmen der Histadrutwirtschaft sowie für die Ernennung und Überwachung des Managements der Unternehmen im Eigentum der Histadrut sowie auch für die Koordination der Tätigkeit der autonomen genossenschaftlichen Gesellschaften der Gesamtbewegung" (Pirker, 1965, S. 88 f.).

 

Auf den ersten Blick stellt sich dieser Führungsaufbau als Prototyp einer zentral gelenkten Organisation dar. Bei der Gegenüberstellung der Führungsorganisation mit dem eingangs beschriebenen Umfang der wirtschaftlichen Aktivitäten der Hevrat Ovdim ist allerdings zu erkennen, daß der Führungskopf der Organisation offen­sichtlich relativ klein ist. Pirker (1965, S. 89) stellt weiterhin fest, daß der Führungs­apparat "sowohl personell wie auch in seiner formalen Organisation schwach ist." Er unterstreicht dies, indem er auf die Verschiedenheit der Führungsaufgaben hinweist. Das sind zum einen die Leitung der Zentralgenossenschaft bzw. Dachorganisation der Genossenschaften in Israel, zum anderen die Leitung der industriellen Holdinggesell­schaft, die alle Unternehmen, die sich im kollektiven Eigentum der Mitgliedschaft befinden, umfaßt. Daher ist zu folgern, daß die Zentrale der Hevrat Ovdim einen geringen Grad an Autorität und umgekehrt die Genossenschaften und Unternehmen "einen hohen Grad an Selbständigkeit und sogar der faktischen Autonomie" besitzen (Pirker, 1965, S. 89 f.).

 

Sind daher Unternehmen wie die Solel Boneh oder die Koor-Gruppe, die Pirker (1965, S. 87 f.) als Unternehmen kapitalistischen Typs bezeichnet, da sie eine "manageriell-autoritäre" Unternehmensleitung besitzen, vergleichbar mit privatwirtschaftlichen Unternehmen? Ist also das Verhalten der Manager und Angestellten dieses Sektors als ökonomisch-rational einzustufen? Einige Aspekte, die sich aus der bisherigen Unter­suchung ergeben, sprechen gegen ein solches Verhalten:

 

   Das Prinzip des Parteienproporzes auf allen Leitungsebenen führt zu einer Spolien-Bürokratie. Denjenigen, die aus politischen Auseinandersetzungen (z.B. bei Wahlen) als Sieger hervorgehen, fällt die Beute (Spolie) zu (vgl. Pirker, 1965, S. 23). Damit ist es notwendig, sich Kompetenz für politische Auseinander­setzungen anzueigenen. Diese ist allerdings nicht gleichzusetzen mit Kompetenz für wirtschaftliche Entscheidungen.

 

   Das hat zur Folge, daß ähnlich wie im Staatssektor, Positionen mit wirtschaftlich inkompetenten Personen besetzt werden. Zum einen steht aufgrund des Proporzprinzips nicht die Qualifikation, sondern die Zugehörigkeit zur 'richtigen' Partei im Vordergrund, zum anderen entstehen vielfältige Möglichkeiten für Vetternwirtschaft und Patronageverhalten.

 

   Ein weiterer Unterschied zum privaten Sektor, der sich im Verhalten der Beschäf­tigten bemerkbar macht, ist das Fehlen bestimmter Leistungsanreize, da "kein Teil der Profite der Hevrat Ovdim unter ihre Mitglieder verteilt werden darf" (Malkosh, 1961, S. 62).

 

   Der allgemeine Primat der Politik führt schließlich dazu, daß nicht ein ökonomisch- rationales, sondern ein politisch-rationales Verhalten vorherrscht: "Most managers in the public and Histadrut sector were aware of the fact that to continue in their job they had to cater to certain interests. They did not have to be profitable, but to make sure they maintained employment. Profitability was more a means to keep autonomy than a necessity" (Aharoni, 1991, S. 184). Die politische Notwendigkeit Arbeitsplätze zu schaffen bzw. zu erhalten, rangierte also auch in diesem Sektor vor der wirtschaftlichen Notwendigkeit eines ökonomisch rationalen Verhaltens.

 

Der Unternehmensbereich der Genossenschaften unter dem Dach der Hevrat Ovdim besitzt eine abweichende institutionelle Struktur.[295] Das läßt auf ein anderes Verhalten der dort Beschäftigten schließen. Im Gegensatz zu den eigenen Unternehmen der Hevrat Ovdim, besitzen alle Genossenschaften eine relativ autonome Eigenführung. Zu unterscheiden sind im genossenschaftlichen Bereich die Einkaufs-, Absatz- und Transportkooperativen einerseits und die Kibbutzim und Moschavim andererseits (vgl. Abbildung 4). Für diese ist aufgrund der Autonomie ein eher ökonomisch-rationales Verhalten der Beschäftigten zu erwarten, welches dem Verhalten der Mitglieder einer Genossenschaft deutscher Rechtsform ähnlich ist (Scheftelowitz, 1984, S. 14). Auf jene wird im folgenden Abschnitt ausführlich eingegangen.

 

Damit bleibt der Bereich der Arbeitnehmervertretung, als weiteres Tätigkeitsfeld der Histadrut, zu untersuchen. Hier stellt sich die Frage, ob und wie die Politik der Gewerkschaft Einfluß auf das Verhalten der Beschäftigten in den verschiedenen Eigentumssektoren ausübt. Dazu ist zuerst die Monopolstellung der Histadrut auf dem Gebiet der Arbeitnehmervertretung zu beleuchten.

 

Shalev (1992, S. 24) zeichnet ein deutliches Bild: "As a trade union, the Histadrut claims some three-quarters of all wage-earners as members and represents even more (about 85 per cent) in negotiating collective agreements, which are often legally binding on the entire relevant labour force. Palestinians living in occupied West Bank and Gaza are not eligible for Histadrut membership. But approximately three-quarters of all Israeli citizens - men, women, and children, Jews and non-Jews - belong to the 'Histadrut population' in the broadest sense; meaning that their medical care is provided by the Histadrut's Sick Fund (Kupat Cholim)."

 

Unter dem Begriff 'collective agreements' sind Tarifverhandlungen auf nationaler Ebene zu verstehen, deren Ergebnisse für nahezu den gesamten Arbeitsmarkt bindend sind. Offizieller Verhandlungspartner ist die PEA (Private Employers' Association) und inoffizieller Vermittler ist die Regierung.[296] Mit sog. 'side payments', wie Steuer­erleichterungen, Subventionen und anderen Finanzhilfen, kommt der Regierung eine wichtige Rolle bei den Verhandlungen zu. Der Hauptpunkt der Auseinandersetzung war in den zurückliegenden Jahren die Festsetzung des Lohnindex, der 'Cost Of Living Allowance' (COLA) genannt wird. Die Lohnhöhe ist dabei direkt an den CPI (Consumer Price Index) gekoppelt, der die Entwicklung der Inflationsrate widerspiegelt. Zur Verhandlung steht dann die prozentuale Höhe der COLA im Verhältnis zum CPI (Razin/Sadka, 1993, S. 8 f.). Einerseits stellt diese Art der vertraglichen Vereinbarung einen eleganten Weg zu späteren Nachbesserungen ohne Neuverhandlungen dar (vgl. Plessner, 1994, S. 195), andererseits ergibt sich aber auch die Möglichkeit, den Vertrag zu unterlaufen: Da der CPI aus einem repräsentativen Warenkorb ermittelt wird, "versteht es sich von selbst, daß die Regierung versucht war, durch Subven­tionierung bestimmter Gruppen von Waren zu bestimmten Zeitpunkten den Lebenshaltungskostenindex zu manipulieren - ohne Rücksicht auf die volkswirt­schaftlichen Rückwirkungen" (Pirker, 1965, S.114).

 

Die Rückwirkungen zeigten sich in der Wirtschaftskrise der achtziger Jahre. Der Mechanismus zwischen COLA-Vereinbarungen und inflatorischen Folgen ist leicht nachvollziehbar: "But if the workers are compensated for the higher food prices, then producers will face higher wage costs, thus aggravating their plight. If they have no other recourse, unemployment will follow. The alternative is to pump demand into economy through monetary expansion. When this is done, then prices will climb not only because of decreased supply, but also because of increased demand. Unemployment will thus be averted at the cost of inflation" (Plessner, 1994, S. 198 f.). Die Auswirkungen der Inflation auf eine Volkswirtschaft und auf das Verhalten der darin tätigen Personen brauchen hier nicht näher erläutert zu werden (vgl. dazu von Hayek, 1971, S. 422 ff.).

 

Insgesamt ist festzuhalten, daß die gesamte Wirtschaft einem institutionalisierten Arbeitsmarkt gegenübersteht, der im eigentlichen Sinn kein Markt mehr ist, da der Preis für Arbeit nicht über Angebot und Nachfrage gebildet wird. Damit ist die Möglichkeit, Anreize bzw. Motivation durch leistungsadäquate Bezahlung zu erzeugen, weitgehend ausgeschlossen. Im Hinblick auf eine Förderung ökonomisch-rationalen Verhaltens ist die Monopolstellung der Histadrut auf dem Arbeitsmarkt und die Art der Lohnvereinbarungen eindeutig als kontraproduktiv zu beurteilen.

 

Im Unternehmenssektor der Histadrut ist zwar eine relative Autonomie der eigenen Unternehmen gegeben, allerdings behindern Parteienproporz, Vetternwirtschaft, das Fehlen von Leistungsanreizen und der Primat der Politik ein ökonomisch rationales Verhalten der Beschäftigten dieses Sektors. Damit ist hier ein Verhalten vorzufinden, das vergleichbar ist, mit dem Verhalten der Beschäftigten des öffentlichen Sektors.

 

 

4.4   Ländliche Kooperationsformen

 

Die hier zu untersuchenden Siedlungsarten sind organisatorisch in der Histadrut zusammengeschlossen (vgl. Wolffsohn, 1995, S. 335). Da die Eigentumsverhältnisse innerhalb der Siedlungen deutlich von jenen zu unterscheiden sind, die in Histadrut-eigenen Unternehmen vorherrschen und zudem eine weitgehende Eigenständigkeit gegenüber dem Dachverband existiert, wird dieser Eigentumssektor hier gesondert betrachtet (vgl. Pirker, 1965, S. 77).

 

Bevor die wesentlichen Unterschiede zwischen den drei Siedlungstypen aufgezeigt werden, interessiert zunächst die wirtschaftliche und politische Bedeutung der Siedlungen innerhalb der israelischen Gesellschaft. Dazu ist es erforderlich, nochmals auf die Anfänge der Kolonisation zu blicken. Im zweiten Kapitel wurde gezeigt, daß die Okkupation von Land, zwecks Errichtung einer Heimstätte für das jüdische Volk, vorrangiges Ziel zionistischer Bestrebungen war. Die ZWO, als politisch und finanziell maßgebende Organisation für diese Aufgabe, kaufte mit dem Geld des JNF Land in Palästina. Über den Foundation Fund (Keren Hayesod)[297] finanzierte sie die Gründung von Kibbutzim und Moschavim auf den gekauften Grundstücken. Aufbau und Struktur dieser Siedlungen, bzw. die Art der Verteilung von Handlungsrechten, waren gut geeignet, die Kolonisten auf dem Weg zur Staatsgründung voran zu bringen (vgl. Plessner, 1994, S. 62 - 66; Daniel, 1976, Bd. I, S. 25).[298]

 

Auf diese Weise entwickelte sich vor allem der Kibbutz bald zum Vorbild für die neue jüdische Gesellschaft. "Der landwirtschaftliche Pionier, der Chalutz war das Ideal, und so sollte die ganze Gesellschaft werden; anders als in der Diaspora, wo die Juden ein Volk der Händler und des Dienstleistungsbereichs waren. Kurzum, der 'neue jüdische Mensch' sollte hier entstehen" (Wolffsohn, 1995, S. 343 f.). Die 'Eroberung der Arbeit', der Besitz der 'eigenen Scholle' und andere politisch - ideologische Ziele der Arbeiterparteien, konnten in den Kibbutzim und Moschavim verwirklicht werden (vgl. Pallmann, 1966, S. 26 f.).[299]

 

Die damalige wirtschaftliche Bedeutung der Siedlungen zeigt sich durch den Blick auf den Anteil der Beschäftigten im landwirtschaftlichen Bereich: Im Jahr 1936 waren 44,9% aller Beschäftigten in der Landwirtschaft tätig. Im Jahr 1945 waren es noch 32,1%, bis 1988 ging der Anteil auf 4,6% zurück. Gleichzeitig ging der Anteil der Landwirtschaft am Nettoinlandsprodukt von 11% im Jahr 1952 auf 5% im Jahr 1986 zurück (vgl. Wolffsohn, 1991, S. 381).

 

Beide Entwicklungen zusammen zeigen eine Verlagerung von der Landwirtschaft zu anderen Wirtschaftsbranchen und gleichzeitig den Ersatz menschlicher Arbeit durch Maschinen. Dieser Verlauf hat jedoch nicht auch dazu geführt, daß sich die Zahl der Kibbutzim und Moschavim reduziert hätte, vielmehr haben sich diese im Laufe der Zeit ökonomisch differenziert, d.h. sie sind selbst in anderen Wirtschaftsbranchen, vor allem im industriellen Bereich, tätig geworden.

 

Innerhalb der Siedlungen wurden Industrieanlagen errichtet. Diese produzieren hauptsächlich in den Bereichen Metall, Plastik, Nahrungsmittel, Holz und Möbel. Weiterhin wurden Kibbutzniks/Moschavniks zunehmend außerhalb ihrer Siedlung tätig. Sie arbeiten als Fachleute in Unternehmen in der freien-, der Histadrut- oder der staatlichen Wirtschaft (vgl. Wolffsohn, 1995, S. 348; Heinsohn, 1982, S. 90).[300]

 

Trotz der ökonomischen Differenzierung ist die wirtschaftliche Bedeutung der Siedlungen heute eher niedrig einzustufen. Wolffsohn (1995, S. 420) sieht u.a. in dieser Entwicklung die Ursache für den Verlust des ehemals hohen Sozialprestiges der Siedlungsmitglieder.

 

Von der schwachen wirtschaftlichen Position ist allerdings nicht auf eine schwache politische Stellung zu schließen. Wenn im zweiten Kapitel die verschiedenen Einwanderungswellen unterschieden wurden, dann auch deshalb, weil in der israelischen Gesellschaft das Senioritätsprinzip eine große Rolle spielt. Danach steht den zuerst gekommenen Olim das Recht zur Führung der Gesellschaft zu. Der ankommende Immigrant muß - unabhängig von seinen Fähigkeiten und seiner bisherigen Stellung - neu, d.h. von 'unten' anfangen. In Israel trifft dieses Prinzip auf ganze Gruppen, die Alijas, zu. "Familiäre und kommunalistische Beziehungen spielen [daher] in der Frage des sozialen Aufstiegs zu politischer Führung, in der israelischen Gesellschaft eine noch größere Rolle, als sie es in anderen Gesellschaftsordnungen tun" (Pirker, 1965, S. 39).[301] Vor diesem Hintergrund wird deutlich, daß den Kibbutzim und Moschavim, als Gründungsorganisationen des Staates, trotz ihrer wirtschaftlich schwachen Stellung, nach wie vor eine politisch machtvolle Position innerhalb der Gesellschaft zukommt.

 

Als Interessengruppe sind die Siedlungsorganisationen schwer einzuordnen, "da sie eine Zwitterstellung zwischen Partei, Parteikern, parteiinterner Fraktion bzw. Faktion und Verband einnehmen" (Wolffsohn, 1995, S. 344). Sie stellen das Gros der politischen Führer, da sie die Parteikerne der konkurrierenden Arbeiterparteien bilden (vgl. Wolffsohn, 1995, S. 343 ff.; Pirker, 1965, S. 42).

 

Die Auswirkungen dieser politisch machtvollen Position werden bei der Betrachtung der wirtschaftlichen Entwicklung der Siedlungsorganisationen erkennbar: Zu Beginn der achtziger Jahre befand sich die gesamte Wirtschaft in einer Krise, die auch die Kibbutzim und Moschavim in finanzielle Schwierigkeiten brachte. So hatten Ende 1989 allein die Kibbutzim etwa fünf Milliarden DM Schulden (vgl. Wolffsohn, 1991, S. 317, 386). An der Art und Weise der Bewältigung dieser Krise sind zwei Aspekte hervorzuheben:

 

   Die Banken zeigten großzügiges Entgegenkommen und erließen eine Milliarde DM Schulden. Die Regierung schrieb 650 Millionen DM ab und dehnte den Rück­zahlungszeitraum auf 25 Jahre aus. Damit wird zum einen der Primat der Politik auch in diesem Sektor deutlich und zum anderen die starke Position der Siedlungs­organisationen im politischen Entscheidungsprozeß (vgl. Wolffsohn, 1991, S. 317).

 

   Gleichzeitig kam es innerhalb der Siedlungsorganisationen zu einer Auflösung von Prinzipien und einer Abkehr von der Chalutz-Ideologie. Auswärtige Lohnarbeit der Mitglieder wurde erlaubt, Arbeiter, die nicht dem Kollektiv angehören, wurden zugelassen, Mieter wurden aufgenommen und die ehemals nur für Kibbutz-Kinder betriebenen Schulen auch für Kinder der Moschavim und Kinder aus den Städten geöffnet (vgl. Wolffsohn, 1991, S. 317).

 

Ob die Ursachen dieser Krise eher im makroökonomischen und gesamtwirtschaftlichen Bereich zu suchen sind, oder ob das "mikrosozialistische Experiment" der Gemein­schaftssiedlung gescheitert ist, läßt sich schwer beurteilen. Die folgende Betrachtung der handlungsrechtlichen Unterschiede zwischen den Siedlungstypen und die anschlie­ßende Untersuchung der Wirkung von Handlungsrechten auf mikroökonomischer Ebene - am Beispiel der Organisation eines Kibbutz' - soll Aufschluß über diese Frage geben.

 

Als maßgebende Unterscheidungskriterien zwischen den Siedlungen soll zum einen der Kooperationsgrad und zum anderen der Grad der Vergesellschaftung von Eigentums­rechten dienen (vgl. Pallmann, 1966, S. 54 ff.).

 

4.4.1 Die kooperative Kleineigentümersiedlung (Moschav Ovdim)

 

Zuerst entstand die Idee, einen anderen Weg bei der Gründung und beim Aufbau von kooperativen Siedlungen zu gehen, als ihn 1909 die Kibbutz-Bewegung eingeschlagen hatte. So wurde elf Jahre nach Gründung des ersten Kibbutz der erste Moschav Ovdim gegründet.[302] Er sollte als strukturelle und ideologische Antithese gegenüber den Kibbutzim verstanden werden (Daniel, 1976, Bd. I, S. 80).

 

Nach dem eingangs definierten Maßstab befindet sich der Moschav Ovdim am unteren Ende, was den Kooperations- und Vergesellschaftungsgrad anbetrifft, während der Kibbutz oben seinen Platz hat. Der bewirtschaftete Boden befindet sich im Moschav Ovdim zwar wie bei den übrigen Siedlungstypen auch im Staatseigentum, allerdings besitzt jeder Bauer seine 'eigene' Parzelle (Wolffsohn, 1995, S. 349 f.; Pallmann, 1966, S. 58). Die Landstücke werden für den Zeitraum von 49 Jahren vom Moschav Ovdim gepachtet und in Erbpacht an die einzelnen Siedler weiter gegeben. Die Äcker sind alle von möglichst gleicher Qualität und gleicher Größe. Es ist weder erlaubt, sie zu vergrößern, noch von anderen Farmern Parzellen anzumieten. Stirbt der Pächter, dann hat zunächst seine Familie das Recht, zu bestimmen wer die Parzelle übernimmt.[303] Verläßt ein Pächter mit seiner Familie die Kooperative, dann fällt das Landstück an diese zurück (vgl. Daniel, 1976, Bd. I, S. 80).

 

Die übrigen Produktionsmittel, mit Ausnahme von schwerem bzw. teurem Gerät (z.B. Mähdrescher, Schlepper etc.) befinden sich im Privateigentum der einzelnen Genossen (vgl. Pallmann, 1966, S. 58). Das Bewirtschaften des Bodens geschieht grundsätzlich individuell. Jede Familie bearbeitet ausschließlich ihre Parzelle. Demnach stehen auch die Erträge aus dem Boden ausschließlich den einzelnen Pächtern zu.[304] Dabei ist zu berücksichtigen, daß sowohl der Einkauf aller Produktionsmittel und vieler Konsum­güter, als auch die Vermarktung der erzeugten Produkte, obligatorisch kooperativ erfolgen. Individueller Ein- und Verkauf dieser Waren auf dem freien Markt sind nicht gestattet.

 

Die notwendigen Produktionsmittel und Konsumgüter werden über die Histadrut-Einkaufsgenossenschaft Hamashbir Hamerkazi bezogen. Die Vermarktung erfolgt über die Histadrut-Marketinggesellschaft Tnuva (vgl. Daniel, 1976, Bd. I, S. 79).

 

Damit sind die Verfügungsrechte der Einzelbauern stark auf die genossenschaftliche Gemeinschaft hin relativiert, während die Aneignungsrechte weitgehend exklusiv und individuell gestaltet sind.


Im Moschav Ovdim - wie auch in den anderen Siedlungstypen - gilt das Prinzip der Selbstarbeit und der gegenseitigen Hilfe. Selbstarbeit heißt, daß möglichst alle anfallenden Tätigkeiten von den Mitgliedern der Kooperative verrichtet werden sollen.[305] Das Prinzip der gegenseitigen Hilfe verpflichtet die Genossen bei Krankheit, Abwesenheit u.ä. eines Mitglieds, die notwendigen Unterstützungsleistungen zu erbringen (vgl. Daniel, 1976, Bd. I, S. 79 f.; Pallmann, 1966, S. 58 f.).

 

Im Habitatbereich befinden sich nahezu alle Anlagen (Kulturgebäude, Schulen etc.) im Kollektiveigentum. Die Wohnhäuser gehören rein rechtlich zwar ebenfalls der Gemein­schaft, da aber jede Familie ein eigenes Haus bewohnt und eventuell erbrachte Wertmehrungen am Wohnhaus, wie auch am gepachteten Boden, beim Austritt aus der Genossenschaft vergütet werden, ist die Klassifikation als Familieneigentum am treffendsten (vgl. Pallmann, 1966, S. 60, Plessner, 1994, S. 63).

 

Gegenüber den Betriebs- und Habitatkollektiven der Kibbutzim kann in den Klein­betrieben der Moschav Ovdim kein gleichermaßen elastischer Einsatz von Arbeits­kräften erfolgen. Administrative Funktionen und andere Dienste werden daher in der Regel von externem, angestelltem Personal verrichtet. Ein effektiver Einsatz der teuren Landmaschinen ist trotz der kooperativen Maschinenzentren oft nicht möglich, da häufig viele Bauern eine bestimmte Maschine gleichzeitig zu dem für sie optimalen Zeitpunkt einsetzen wollen. Die Folge ist ein niedriger Mechanisierungsgrad und die Spezialisierung auf arbeitsintensive Kulturen, wie Milchwirtschaft und Geflügelzucht. Weiterhin ist zu berücksichtigen, daß jede Familie einen eigenen Haushalt führt.

 

Damit zeigt sich, daß die Arbeitsbelastung der einzelnen Moschav Ovdim Mitglieder schon aus technischen Gründen wesentlich höher, ist als beispielsweise im Kibbutz. Andererseits sind die Leistungsanreize höher, da jede Familie einen eigenen Betrieb und Haushalt führt und die Erlöse der Arbeit weitgehend individuell und exklusiv zugeordnet werden. Gleichzeitig bietet der kooperative Rahmen - beispielsweise durch die Vermarktungsgarantie der hergestellten Produkte, die Verpflichtung zur gegen­seitigen Hilfe und auch durch die Sozial- und Altersversorgung über die Histadrut Krankenkasse Kupat Cholim - einen höheren Schutz, als in den Privateigentümer­siedlungen (vgl. Pallmann, 1966, S. 59 ff.).[306]

 

4.4.2 Der Kollektiv-Moschav (Moschav Schitufi)

 

Der erste Moschav Schitufi wurde 1936 in Galliläa gegründet. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen, die mit Kibbutzim und Moschavim Ovdim gemacht worden sind, sollten die Vorteile beider Siedlungstypen kombiniert und die Nachteile vermieden werden. Das Ergebnis ist eine Form von landwirtschaftlicher Siedlung, in der sich alle Produktionsmittel und Habitatanlagen im Kollektiveigentum befinden. Jede Familie bewahrt allerdings ihre Existenz als Einheit, indem sie ein eigenes Haus bewohnt und einen individuellen Haushalt führt (vgl. Daniel, 1976, Bd. I, S. 99).

 

Da die Philosophie und der strukturelle Aufbau dieser Siedlungen im wesentlichen auf den gleichen Prinzipien wie die Kibbutzim basieren, soll - neben des eigenen Hauses - noch ein weiteres Unterscheidungsmerkmal hervorgehoben werden.[307] Im Kibbutz wird ein Großteil der Mittelzuweisungen durch kollektive Dienstleistungen und Gutscheine für Naturalbezug getätigt. Dagegen wird im Moschav Schitufi der Hauptteil in Form eines periodischen Budgets - in eigener Siedlungswährung - an die Mitglieder ausgegeben. Dieses Geld kann in Landeswährung umgetauscht werden und steht damit für individuelle Konsumzwecke zur Verfügung. Das sog. 'freie Budget' und der eigene Haushalt sind die Hauptunterscheidungsmerkmale zum Kibbutz und gleichzeitig auch die Hauptgründe für den Eintritt in einen Moschav Schitufi(vgl. Pallmann, 1966, S. 55 - 58).

 

4.4.3 Der Kibbutz

 

Von den bisher betrachteten Siedlungstypen ist der Kibbutz sowohl bei der Intensität der Kooperation als auch im Grad der Vergesellschaftung von Besitzgütern an erster Stelle. Ein Blick in die Statuten der Vereinigten Kibbutzbewegungen[308] verdeutlicht die handlungsrechtliche Struktur innerhalb dieser Siedlungen:

"§3 Der Kibbutz ist eine freie Vereinigung von Personen zum Zweck der Errichtung, Integration und Bewirtschaftung einer kollektiven Siedlung, die nach den Prinzipien von gemeinschaftlichem Eigentum an Grundbesitz, eigener Arbeit, Gleichheit und Zusammenarbeit in den Bereichen der Produktion, des Konsums und der Erziehung organisiert ist. Der Kibbutz ist eine eigenständige Siedlung. Der Kibbutz versteht sich als integraler Teil der Arbeiterbewegung in Israel,[309] als Pionier des nationalen Neubeginns, und sein Ziel ist die Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft in Israel, die auf wirtschaftlicher und sozialer Gleichheit basiert.

 

§4 Jedes Mitglied des Kibbutz soll seinen ständigen Wohnsitz im Kibbutz nehmen, seine volle Arbeitskraft dem Kibbutz zur Verfügung stellen und sein ganzes Einkommen und Vermögen dem Kibbutz übertragen; der Kibbutz soll dem Mitglied seine Arbeit und alles, was damit verbunden ist, zuweisen, für seine Bedürfnisse und die seiner Angehörigen, die im Kibbutz wohnen, aufkommen" (zit. Heinsohn, 1982,
S. 157 f.).

 

Die angestrebte Kooperation erstreckt sich über alle Lebensbereiche. Sowohl im betrieblichen- als auch im Habitatbereich, wird das volle Engagement der Mitglieder für das Kollektiv erwartet und dafür die volle Versorgung der Kibbutzniks durch das Kollektiv garantiert. Verfügungs- und Aneignungsrechte sind damit vom Einzelnen auf das Kollektiv übertragen.[310] Anders als in den übrigen Siedlungstypen gibt es keine eigenen Haushalte und nur ein geringes 'freies Budget' (vgl. Pallmann, 1966, S. 24).[311] Über das Kapital des Kibbutz gibt Kapitel 4 der Statuten weitere Auskunft:

 

"§ 42 Der Kibbutz hat kein Aktienkapital. Der Kibbutznik hat keine Besitzrechte im Kibbutz. Der Kibbutz erhebt keinerlei Aufnahmegebühr.

 

§ 43 Der Kibbutznik hat keine persönliche Verantwortung für Schulden oder Verpflichtungen des Kibbutz, weder während seines Bestehens noch bei seiner Liquidation.

 

§ 44 Der Besitz des Kibbutz kann nicht unter seine Mitglieder verteilt werden, weder während seines Bestehens noch bei seiner Auflösung.

 

§ 45 Der Kibbutz verteilt keinen Gewinn in irgendeiner Form, und jeder Profit wird dem unabhängigen Kapital des Kibbutz hinzugefügt" (zit. Heinsohn, 1982, S.166).


Der gesamte Besitz des Kibbutz ist damit Gemeinschaftseigentum, der Rechtstitel ist der des Kollektiveigentums (vgl. Barkai, 1982, S. 23). Über die Verwendung und den Einsatz von Kapital und Arbeit bestimmen die Organe des Kibbutz. Diese werden von den Mitgliedern auf der Generalversammlung gewählt (Abb. 5):

 

Abbildung 5:            Struktur und Verwaltung des Kibbutz

 

 

Quelle:            Barkai, 1982, S. 21.

 

Die Vielzahl der Komitees und Leitungsfunktionen bedeutet auch, daß ein Großteil der Kibbutzniks an der Verwaltung der Gemeinschaft beteiligt ist: "Da zudem das Rotationsprinzip praktiziert wird, ist potentiell jedermann von Zeit zu Zeit mit Verwaltungs- und Leitungstätigkeiten befaßt. Wenn man also ein System der Leitung kommunaler Angelegenheiten als Selbstverwaltung bezeichnen kann, dann das des Kibbutz" (Barkai, 1982, S. 22; vgl. auch Pallmann, 1966, S. 24; Liegle, 1973, S. 22).


Im Hinblick auf die Frage, wie sich diese kollektive Organisationsform auf das (wirtschaftliche) Verhalten ihrer Mitglieder auswirkt, werden der Untersuchung von Barkai (1982, S.23 - 39) folgend, drei Bereiche aufgezeigt, in denen sich der Kibbutz von einer durch Manager geführten Unternehmung unterscheidet.

 

   Es ergibt sich ein Motivationsproblem. Trotz nicht vorhandener, differenzierter, materieller Vorteile bzw. Anreize des Einzelnen, müssen die Produktionseinheiten im ökonomischen Sinn effizient funktionieren, da sich der Kibbutz als Ganzes in einem wettbewerblichen Rahmen bewegt. Der Produktionssektor ist in Branchen unterteilt, die jeweils von einem Team geleitet werden. Das Team besteht aus einer Gruppe erfahrener Mitarbeiter, die der Branche für mehrere Jahre zugeordnet sind. Sowohl die Struktur innerhalb der Teams, als auch die Leitung der Branche sind formloser Natur, d.h. die formale Hierarchie tritt zugunsten einer informalen, vorwiegend auf Kompetenz und ähnlichen Fähigkeiten beruhenden Rangfolge in den Hintergrund (vgl. Barkai, 1982, S. 23 f.; Abbildung 5).

 

     Um das effiziente Funktionieren der so strukturierten Branchen zu gewährleisten, ist eine tiefergehende Motivation der Beteiligten erforderlich. Da Anreize nicht durch materielle Vorteile entstehen können, sind "Respekt und Achtung vor guter Arbeit und für den Erfolg bei der Wahrnehmung unternehmerischer Funktionen (...) zweifellos von Bedeutung für die Motivation des einzelnen zur Arbeit und zur Übernahme von Verantwortung im Kibbutz; entsprechende Unzufriedenheit mit Drückebergern stellt in einer eng verflochtenen Gemeinschaft - und dazu zählt selbst der größte Kibbutz - ein starkes Sanktionsmittel dar" (Barkai, 1982, S. 24 f.).[312] Entscheidend für die Bewältigung des Motivationsproblems und für das Maß des persönlichen Einsatzes ist die Ideologie und damit verbunden die intellektuelle Fähigkeit "der Mitglieder, komplizierte abstrakte Sachverhalte zu verstehen, zu verarbeiten und in Motivation umzusetzen" (Barkai, 1982, S. 25).

 

   Zweitens ergibt sich ein technisches bzw. ein Produkionsproblem. In einer idealen Marktwirtschaft sind die Produktionsfaktoren (relativ) frei miteinander kombinierbar. Dagegen sind im Kibbutz die Faktoren Boden und Arbeit in relativ konstantem Umfang vorgegeben und nach Qualität und Quantität determiniert. Damit sind die Kombinationsmöglichkeiten eingeschränkt. Ebenfalls vorgegeben sind die Preise für die hergestellten Produkte.


      Grundsätzlich lassen sich diese Schwierigkeiten mit einem mikroökonomischen Instrumentarium rechnerisch bewältigen. Unter Berücksichtigung der Konstanten wird eine Faktorkombination gewählt, die eine Maximierung der Differenz zwischen Erlösen und (alternativen) Kosten erbringt (vgl. Barkai, 1982, S. 26 f.).

 

     Dazu ist es notwendig, 'Schattenpreise' für Boden und Arbeit zu errechnen. Diese stellen die alternativen Kosten für Arbeit und Boden vom Standpunkt des Kibbutz dar. Ein echtes Problem tritt dann auf, wenn der 'Schattenpreis' der Arbeit den Marktpreis für Arbeit übersteigt. In diesem Moment steht der Kibbutz vor der Entscheidung, entweder von erfolgversprechenden Produktionszweigen Abstand zu nehmen, oder Lohnarbeiter einzustellen. Letzteres würde zwar zu einer Erhöhung des Kibbutz Einkommens führen, gleichzeitig aber gegen das Prinzip der Selbst­arbeit verstoßen. Eine Prinzipienaufweichung birgt allerdings wiederum die Gefahr der Beeinträchtigung der Arbeitsmotivation in sich, da diese größtenteils aus ideologischen Motiven abgeleitet ist. Schließlich würde die Rechtfertigungsgrund­lage des Kibbutz, als sozialistisches Kollektivgebilde in Frage gestellt. Daher wurde die teilweise Einstellung von Lohnarbeitern in den fünfziger und sechziger Jahren - zur Zeit der industriellen Expansion - stets als Überbrückungsmaßnahme deklariert (vgl. Barkai, 1982, S. 29 - 32).

 

   Damit ist auch schon der dritte Aspekt, nämlich das sozialistische Gleichheits­prinzip, tangiert. Durch die Auflösung der Verbindung von individuellem Produktionsbeitrag und persönlichem Einkommen - als Folge der Umsetzung des Gleichheitsprinzips - wird die Frage nach der Art der Allokation der Erträge aufgeworfen. Barkai (1982, S. 33) nennt in diesem Zusammenhang drei zu erfüllende Bedingungen: "Unterschiede des persönlichen Geschmacks müssen zugelassen werden, ferner die Anpassung des Lebensstandards an das Realeinkommen, und es muß in einem nicht-mechanistischen Sinn Gleichheit sichergestellt werden"; wobei die drei Bedingungen nicht notwendigerweise miteinander verträglich sind.

 

     Bei der Nahrungsmittelverteilung wurde durch den gemeinsamen Eßsaal und das zunehmend größere Angebot an verschiedenen Speisen den Bedingungen genügt. In anderen Bereichen gestaltet sich die "kollektive Konsumption" schwieriger. Es liegt auf der Hand, daß die individuellen Bedürfnisse zu unterschiedlich sind, als daß der Kibbutz ähnliche Systeme, wie bei der Nahrungsmittelverteilung, auf alle Konsumbereiche anwenden könnte.[313]

     Ein 'persönliches Budget' zur Befriedigung individueller Bedürfnisse war erforder­lich. Der Umfang, den dieses Budget haben soll, ist bis heute ein ständiger Streit­punkt. Die von Barkai (1982, S. 36 - 39) geschilderte Kontroverse zwischen Traditionalisten (kleineres freies Budget) und der individualistischeren Position der vorwiegend jüngeren Generation (größeres freies Budget) hat sich in den vergangenen Jahren eher verschärft, so daß eine Spaltung in zwei Lager zu erwarten ist.

 

Als Gründe, die trotz dieser Unterschiede und den daraus resultierenden Problemen, zur relativ beständigen Existenz der Kibbutz-Bewegung beigetragen haben, nennt Barkai (1982, S. 45) folgende:

 

   erstens die hohe interne Faktormobilität (economies of scale)

 

   zweitens der einfache Zugang zu Schulungs- und Lerneinrichtungen, was ebenfalls zu einer schnellen Qualitätsanpassung beiträgt und

 

   drittens die Verschmelzung von Zionismus und Sozialismus, als gelungene Verknüpfung von Pragmatik und Ideologie.

 

Die Wirksamkeit der genannten Faktoren belegt eine Untersuchung von Prof. Mellmann (Columbia University), die Daniel (1976, Bd. I, S. 59 - 61) im Abschnitt über die Effizienz von Kibbutz-Industriefirmen darstellt. Der Wissenschaftler unter­suchte Kibbutzim, die mit modernen Produktionsmethoden Standardprodukte für den offenen Markt produzieren. Der Management-Prozeß innerhalb der Kooperative wird im folgenden mit dem Ausdruck "cooperative decision-making" bezeichnet.

 

Diese Unternehmen werden verglichen mit korrespondierenden Firmen der Privatindustrie. Der Entscheidungsprozeß in den privaten Unternehmen wird als traditioneller Typ des autoritären Managements geschildert und in der weiteren Untersuchung mit dem Ausdruck "managerial decision-making" bezeichnet.

 

Die Industrieunternehmen sind in Branchen[314] eingeteilt und für jeden der vier untersuchten Indizes[315] ist ein Mittelwert und Durchschnitt über alle Branchen errechnet:

Die Produktivität ist gemessen als das Verhältnis von Umsatz zu geleisteten Arbeits­stunden (Tab. 6):

 

 

Tabelle 6: Produktivitätsindex in Kibbutzunternehmen und privaten Industrieunternehmen

 

 

 

Managerial decision making

 

 

Cooperative decision making

 

 

Mittelwert

 

10,76

 

13,61

 

 

Durchschnitt

 

10,36

 

12,53

 

 

 

Quelle:     Daniel, 1976, Bd. I, S. 60.

 

Die Produktivität der Privatunternehmen liegt zwar in einigen Branchen leicht über

der Produktivität der Kibbutzim, in den meisten Branchen ist dafür der Abstand zu den Kibbutzim um so größer. Damit ist insgesamt sowohl im Mittelwert, als auch im Durchschnitt die Produktivität in Kibbutz Unternehmen höher.

 

Die Profitabilität ist zum einen (1) gemessen als Profit in Prozent des investierten Kapitals und zum anderen (2) als Verhältnis von Umsatz zu Anlagevermögen (Tab. 7):

 

 

Tabelle 7: Profitabilitätsindex in Kibbutzunternehmen und privaten Industrieunternehmen

 

 

 

Managerial decision making

 

 

Cooperative decision making

 

 

 

 

 

(1)

 

(2)

 

(1)

 

(2)

 

 

Mittelwert

 

0,077

 

2,7

 

0,129

 

3,6

 

 

Durchschnitt

 

0,194

 

2,6

 

0,271

 

3,6

 

 

 

Quelle:     Daniel, 1976, Bd. I, S. 60.

 

In den Branchen Werkzeugbau und Apparatebau ist der prozentuale Anteil des Profits am investierten Kapital bei Privatunternehmen zwar höher, gleichzeitig aber das Verhältnis von Umsatz zu Anlagevermögen niedriger, als bei Kibbutzim. Insgesamt ist sowohl im Mittelwert, als auch im Durchschnitt aller Branchen, die Profitabilität in den kooperativ geführten Unternehmen deutlich höher.

Die Management-Effizienz ist gemessen als Nettoprofit in israelischen Pfund (IL)[316] pro Arbeiter in der Produktion (Tab. 8):

 

Tabelle 8: Profit je Arbeiter in der Produktion in Kibbutzunternehmen

               und privaten Industrieunternehmen

 

 

 

Managerial decision making

 

 

Cooperative decision making

 

 

Mittelwert

 

899 IL

 

1.912 IL

 

 

Durchschnitt

 

1.401 IL

 

1.937 IL

 

 

 

Quelle:     Daniel, 1976, Bd. I, S. 61.

 

Bis auf die Branchen Werkzeugbau und Apparatebau, wo der Profit in privaten Unternehmen deutlich höher ist, liegt der Profit in Kibbutzunternehmen teilweise 300% (Eisenguß) über dem von privaten Unternehmen. Damit ist auch hier ein klarer Vorsprung der kooperativen Firmen festzustellen.

 

Für den vierten Index wurden die Kosten des Managements ermittelt. Die Zahl der benötigten Manager pro 100 Arbeiter in der Produktion war der Maßstab. Es zeigte sich, daß bis auf die Branchen Maschinenbau und Werkzeugbau auch hier die Kibbutzunternehmen vorne lagen, d.h. niedrigere Managementkosten zu verzeichnen hatten.

 

Aus den ermittelten Daten geht insgesamt hervor, daß die Kibbutzim eine höhere Arbeitsproduktivität (26%), eine höhere Kapitalproduktivität (67%/33%), einen höheren Nettoprofit pro Arbeiter in der Produktion (115%) und niedrigere Managementkosten als vergleichbare private Unternehmen besitzen.

 

Ist daher der Schluß zu ziehen, daß jede Gesellschaft nach dem Kibbutzmodell organisiert sein sollte, da hier am ehesten ökonomisch effizient gewirtschaftet wird? Ohne die oben dargestellte Untersuchung insgesamt in Zweifel zu ziehen, sind einige Punkte zu nennen, die das Ergebnis relativieren:


   Die Untersuchung läßt offen, inwieweit die jeweiligen Unternehmen tatsächlich vergleichbar sind. Es wird lediglich von "corresponding plants of the traditional type" gesprochen, ohne einzelne Vergleichskriterien zu nennen.

 

   Wie in Abschnitt 4.1 und Tabelle 5 gezeigt, hängt die Arbeitsproduktivität auch vom eingesetzten Kapital pro Mitarbeiter ab. In der hier vorgestellten Untersuchung wird Arbeitsproduktivität allerdings definiert, als Umsatz im Verhältnis zu insgesamt geleisteten Arbeitsstunden.

 

   Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, daß sich eine Gesellschaft[317] ihre Mitglieder nicht aussuchen kann. Im Kibbutz findet eine solche Selektion beim Eintritt in die Kooperative statt. Nur Anwärter, die über ausreichend Motivation und Idealismus verfügen, um jene außergewöhnlichen Leistungen zu erbringen, werden aufgenommen.[318]

 

   Umgekehrt nehmen Beitrittswillige die gegebenen handlungsrechtlichen Regeln im Kibbutz bewußt in Kauf und sind damit auch eher bereit, diesen zu folgen.[319]

 

Damit ist gezeigt, daß ein Vergleich von Kibbutzunternehmen mit privaten Unternehmen schwierig ist. Eine Übertragung dieses Modells auf ganze (staatliche) Gesellschaften ist aufgrund der notwendigen Selektion der Mitglieder nicht möglich. Bei Kibbutzunternehmen handelt sich somit um einen Sonderfall, der eine Zwitterstellung zwischen Unternehmung und kommunaler Gesellschaft einnimmt.


5      Die Institutionenanalyse als Instrument zur Erklärung

        von Ordnungen

 

Zu Beginn war zu klären, aus welchen Gründen keine eindeutige Zuordnung der Produktionsmittel zu einem Eigentumssektor stattgefunden hat. Durch die These von der Interdependenz gesellschaftlicher Teilordnungen - mit Handlungsrechten als ordnungsbestimmender Kraft - konnte das Erkenntnisziel theoretisch formuliert werden. Es war nach der Erklärung der Evolution von Regeln zu fragen. Die Institutionentheorie von North führte zur Unterscheidung von informalen und formalen Regeln, deren Aufgabe die Verminderung der Unsicherheit menschlicher Interaktion ist. Um zu erklären, wie formlose Regeln entstehen, verweist jener auf die Kultur, verstanden als Information, die in der Gesellschaft weitergegeben bzw. vererbt wird (vgl. 1992, S. 44).

 

Das führte zur Untersuchung der kulturellen Ordnung des Judentums und den dort begründeten informalen Regeln. Es zeigte sich, daß die Regeln des Alten Testaments individuellen Besitz einerseits konservieren, und andererseits stark auf die soziale Gemeinschaft und Gott hin relativieren. Später wurde deutlich, daß im heutigen Staat ähnliche Handlungsregeln existieren. Die teilweise Vergesellschaftung von Produktionsmitteln, gesetzliche Bestimmungen zu Landbesitz und die Verbreitung kollektiver Siedlungsformen brachten dies zum Ausdruck.

 

Die Zeit der Diaspora verstärkte die Bedeutung der als Kulturerbe überlieferten Informationen und Regeln. Da während dieser Periode weder ein gemeinsames Land, noch eine gemeinsame Sprache existierte, bildeten diese Regeln die einzige Identifikationsgrundlage für eine jüdische Gemeinschaft. Weiterhin sind in der Diaspora die Wurzeln für Teile der zionistischen und sozialistischen Ideologie entstanden, die später bei der Wahl von Eigentumsregeln eine wichtige Rolle spielten.

 

Mit dem Baseler Programm wurden erste Handlungsregeln für den neuen Staat festgelegt. Indem das Handlungsziel, nämlich die Schaffung einer gesicherten Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina, definiert wurde, hatten in der Folgezeit alle diesem Ziel zweckdienlichen Handlungsregeln gute Aussicht auf Wahl und Beibehaltung. Für den Aufbau der jüdischen Wirtschaft und Gesellschaft in Palästina erschien es als zweckdienlich, sowohl Privatinitiativen, als auch kollektive Anstrengungen zu unternehmen. Das Nebeneinander verschiedener Eigentumsformen und verschiedener Träger wirtschaftlicher Aktivität brachte das Kolonisationswerk voran (vgl. Sontheimer, 1968, S. 108).

Die klare Zuordnung von Produktionsmitteln zu nur einem Sektor wäre zu dieser Zeit weder möglich gewesen, noch hätte sie eine Beschleunigung des Kolonisationstempos mit sich gebracht. Die Möglichkeit der Zuordnung war nicht gegeben, da es einen jüdischen Souverän, der durch die Festlegung des formalen handlungsrechtlichen Rahmens eine solche Zuordnung hätte treffen können, nicht gab. Auf informaler Ebene waren die jüdischen Verhaltensnormen in diesem Eigentumsbereich - durch den Einfluß anderer Kulturen und die eigentumsrechtliche Fremdbestimmung - zu unterschiedlich. Es konnte keine klare Festlegung der Eigentumsstruktur aufgrund intern bindender Rechtsnormen erfolgen. Weiterhin war durch Festlegung keine Beschleunigung der Kolonisation zu erwarten, da das englische Mandat, und die mit ihm verbundene Eigentumsverfassung für die jüdische Privatinitiative förderlich waren, während innere[320] und äußere[321] Institutionen gleichzeitig kollektive Bemühungen erforderten.

 

Die weitere Entwicklung der Eigentumsregeln zeigt, daß auch nach Erlangung der Souveränität keine eindeutige sektorale Zuordnung der Produktionsmittel erfolgt ist. Es wurde ein formal-gesetzlicher Rahmen entwickelt, der die schon vorhandene Dreigliedrigkeit[322] in der Eigentumsverteilung weiterhin zuließ. Zwar fand eine Eigentumskonzentration innerhalb der Sektoren statt, wesentliche Verschiebungen zwischen den Sektoren erfolgten jedoch bis in die späten achtziger Jahre nicht.

 

Mit North (1992, S. 44) argumentiert, könnte dies auf die Kontinuität informaler Regeln zurückgeführt werden. Aber auch im Bereich der formalen Regeln ist eine Kontinuität zu beobachten. Durch Anknüpfung an die englische und auch an die türkische Gesetzgebung fand hier kein revolutionärer Bruch statt. Die von North (1992, S. 90) beschriebene Verlaufsabhängigkeit technischen Wandels ist daher in diesem Fall zu erweitern, so daß von einer Verlaufsabhängigkeit gesellschaftlichen Wandels gesprochen werden kann. Der einmal eingeschlagene Weg, bzw. die einmal entstandenen und gewählten informalen und formalen Regeln, werden auch langfristig beibehalten. Alternative Entwicklungspfade im wirtschaftlich-technischen und im politischen Bereich bleiben außen vor, solange der gewählte Weg steigende Erträge verspricht.

 

Diese Einsicht ermöglicht die Vorhersage langfristiger Entwicklung dahingehend, daß ein bestimmter Entwicklungspfad beschrieben werden kann. Schwieriger gestaltet sich eine Prognose über die Wahl eines Pfades, die Breite des Pfades und die Stelle, an der ein Pfad möglicherweise verlassen wird. Hier spielt der Faktor Macht, bezogen auf einzelne Individuen oder auf Gruppen, eine wichtige Rolle. Ohne Persönlichkeiten wie Theodor Herzl, David Ben-Gurion oder auch Jitzchak Rabin wären sicherlich andere Pfade gewählt und Pfade an einer anderen Stelle verlassen worden. Da deren persönliche Nutzenfunktionen zu unterschiedlich und individuell sind - tiefe religiöse Überzeugungen, die Bindung an den Sozialismus und andere Faktoren ihr Verhalten beeinflußten - ist über das einfache Modell des Erwartungsnutzens keine kurzfristige Verlaufsbestimmung möglich.

 

Eine ex post Analyse läßt zwar Aussagen dergestalt zu, daß kurzfristiger institutio­neller Wandel aufgrund von Pfadabhängigkeit, Macht, Ideologie, Religion und anderer Faktoren in bestimmter Weise erfolgt ist. Aber eine kurzfristige ex ante Aussage, etwa derart, daß aufgrund dieser Faktoren ein Wandel in bestimmter Weise und zu bestimmter Zeit erfolgen wird, ist nicht haltbar.

 

Zuletzt wurde die Wirkung von Handlungsrechten und damit die Effizienz der gewähl­ten Institutionen untersucht. Anhand der realen Verteilung des Produktionsmittel­eigentums konnten die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Eigentumsformen betrachtet werden. Es zeigte sich, daß die wirtschaftliche Produktivität im privaten Sektor höher ist, als im gewerkschaftlichen bzw. staatlichen Sektor. Daher ist zu schließen, daß das Verhalten, der im privaten Sektor beschäftigten Menschen, am stärksten an ökonomischen Prinzipien ausgerichtet ist. Wird als Definition ökonomischer Effizienz, die Förderung des Wirtschaftswachstums zugrunde gelegt (vgl. North, 1992, S.82), dann war und ist der Privatsektor am effizientesten.[323]

 

Wie aber mehrfach angesprochen, stehen durch den 'Primat der Politik' ökonomische Interessen hinter politischen Zielsetzungen zurück. Damit muß in diesem Fall die Messung der Effizienz der gegebenen Institutionen anhand politischer Effizienz­kriterien erfolgen. Werden diese bezeichnet mit dem Grad der Verwirklichung und Sicherung staatlicher Souveränität, und dem Grad der Integration von Einwanderern, dann haben die gewählten Institutionen, und die damit verbundene Eigentumsverteilung ihre Aufgabe erfüllt, waren also effizient.

 

Zur Zeit ist eine starke Veränderung des institutionellen Rahmens und - damit verbunden - ein Wechsel der Effizienzkriterien zu beobachten. Durch das Ende des Kalten Krieges und den fortschreitenden Friedensprozeß mit den arabischen Nachbarn, bedarf es zur Sicherung der nationalen Souveränität, in Zukunft weniger Anstrengung als bisher. Gleichzeitig sind mit der Öffnung der osteuropäischen Grenzen, die vermutlich letzten größeren Einwanderungswellen nach Israel gekommen. Folglich werden sich die Prioritäten, an denen politisches und wirtschaftliches Handeln bisher orientiert war, verändern.

 

Ein Hinweis auf diese institutionelle Evolution ist die zunehmende Privatisierung staatlicher Betriebe - die parallel zu den oben beschriebenen Entwicklungen - Anfang der neunziger Jahre einsetzte. Ein weiterer Hinweis für den aktuellen Wandel sind die Aktivitäten von Chaim Ramon, der 1994 an die Spitze der Histadrut gewählt worden ist. Jener ist zur Zeit darum bemüht, die Aufgaben der Organisation auf die bloße Gewerkschaftstätigkeit zurückzuführen. Seine Pläne beinhalten die Privatisierung des größten Teils der Unternehmen unter dem Dach der Hevrat Ovdim.

 

Damit ist absehbar, daß langfristig der Pfad der privaten Marktwirtschaft mit überwiegend privatem Eigentum an Produktionsmitteln eingeschlagen wird. Daß dieser Weg gewählt wurde, ist unter anderem auf machtvolle Entscheidungen einzelner Persönlichkeiten zurückzuführen. Dazu zählt die Initiierung des Friedensprozesses durch Rabin und Perez ebenso, wie die radikalen Reformen von Ramon, der sich gegen machtvolle Funktionäre in der Histadrut durchzusetzen hat.

 

Insgesamt wurde die These von der Interdependenz gesellschaftlicher Teilordnungen - mit Handlungsrechten als ordnungsbestimmender Kraft - durch die vorliegende Untersuchung bestätigt. Die Institutionentheorie von North stellte zur Analyse dieser Interdependenz, und damit zur Erklärung von gesellschaftlichem bzw. institutionellem Wandel, ein geeignetes Werkzeug zur Verfügung.

 

                    

 



 

Fußnoten

 

 

[1]             Eine kapitalistische Ordnung wird hier aufgefaßt als Wirtschaftssystem dezentraler Planung, mit marktwirtschaftlichen Mechanismen (vgl. Leipold, 1988, S. 61 f.; Schüller, 1992b, S. 83).

 

[2]             Eine sozialistische Ordnung wird hier aufgefaßt als Wirtschaftssystem zentraler Planung, mit planwirtschaftlichen Mechanismen (vgl. Leipold, 1988, S. 61 f.; Schüller, 1992b, S. 83).

 

[3]             Die Begriffe 'kapitalistisch' und 'sozialistisch' sind in diesem Kontext als Schlagworte für zwei sich gegenüberstehende Ideologien zu verstehen. Eucken (1939, S. 79 - 91) unterscheidet zwischen Ordnungen mit zentralgeleiteter Wirtschaft und Ordnungen mit Verkehrswirtschaft. Eine detaillierte Beschreibung der Konzepte, die hinter den beiden Ideologien stehen, findet sich in Hensel (1992).

 

[4]             An den beiden Systemen des bis 1990 geteilten Deutschlands wird der Unterschied deutlich: Im Jahr 1982 wurden in der Bundesrepublik 89,3% der Bruttowertschöpfung aller Wirtschaftsbereiche von Privatunternehmen erwirtschaftet. Im gleichen Jahr war der Anteil privater Betriebe am Nettoprodukt der DDR 2,8%, während staatliche Betriebe 96,5% erwirtschafteten (vgl. Leipold, 1987, S. 38 f.).

 

[5]             Die Werte beziehen sich auf den geschätzten Anteil des jeweiligen Sektors am Nettoinlandsprodukt. Aufgrund der starken Verflechtung der drei Bereiche, hat -seit der Untersuchung von Barkai (1964)- keine exakte Ermittlung der Anteile mehr stattgefunden (vgl. Ben-Porat, 1993, S. 160). Dun und Bradstreet (1986, S. 4) gelangen zu einem ähnlichen Ergebnis wie Ben-Porat: Staatssektor 25%, Gewerkschaftssektor 27% und Privatsektor 48%; während Wolffsohn (1991, S. 343) dem Staats- und dem Gewerkschaftssektor jeweils ein Fünftel und dem Privatsektor drei Fünftel des Nettoinlandsprodukts zuschreibt.

 

[6]             Zur Unterscheidung der verschiedenen Eigentumsbegriffe vgl. Schüller (1986, S. 36). Genossenschaftliches Eigentum, als vierte in Israel vorkommende Eigentumsform, ist unter dem Sektor des Gesellschaftseigentums subsummiert. Die meisten Genossenschaften (Kibbutzim, Moschavim u.a.) sind in der Histadrut-Gewerkschaft, die als Dachvereinigung fungiert, zusammen­geschlossen (vgl. Abschnitt 4.3 und 4.4).

 

[7]             Die Möglichkeiten des wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns durch die Betrachtung historischer Abläufe aus ordnungstheoretischer Sicht zeigt Hensel (1992, S. 14 - 18) auf. Zur Schwierigkeit, wissenschaftliche Erkenntnis aus der Betrachtung der Geschichte zu erhalten, schreibt Popper (1974, S. XII): "Wenn es so etwas wie ein wachsendes menschliches Wissen gibt, dann können wir nicht heute das vorwegnehmen, was wir erst morgen wissen werden". Ohne diese Thematik zu vertiefen soll hier zum Ausdruck kommen, daß einerseits die Betrachtung der Geschichte wichtig und notwendig ist, andererseits aber die Grenzen eines möglichen Erkenntnisgewinns durch die "Offenheit der Geschichte" zu beachten sind. Vgl. dazu auch Dahrendorf (1979, S. 23).

 

[8]             Dabei muß berücksichtigt werden, daß in der hebräischen Sprache kein aktives Verb für Eigentum, im Sinne von 'gehören' existiert. Am nächsten trifft diese Bedeutung das Verb 'yeshil', das soviel wie 'in Beziehung stehen zu' bedeutet. Der Unterschied ist darin zu sehen, daß 'gehören' auch als 'gehorchen' interpretiert werden kann, also eine hierarchische Beziehung zum Ausdruck bringt, während 'yeshil' eher eine neutrale Beziehung beschreibt.

 

[9]             Im lateinischen werden diese Rechte mit den Begriffen 'usus', 'abusus' und 'usus fructus' beschrieben.

 

[10]            Zur näheren Betrachtung des Begriffs Institution vgl. Abschnitt 1.3.

 

[11]            Die Unterscheidung ist so zu verstehen, daß zwar alle Eigentumsrechte auch als Handlungsrechte bezeichnet werden können, umgekehrt aber nicht alle Handlungsrechte auch Eigentumsrechte im oben definierten Sinn darstellen. Beispielsweise sind Regeln für den Ablauf politischer Prozesse zwar Handlungsrechte (später auch Institutionen genannt) aber nicht Eigentumsrechte (später auch Property Rights genannt).

 

[12]            Die folgenden, aus dem Alten Testament zitierten Textstellen sind der Einheitsübersetzung der Bibel (1979) entnommen. Zitiert wird wie folgt: Die Bibel: [Buch Kapitel]: [Abschnitt].

 

[13]            Vgl. Abschnitt 2.1 und 2.2.

 

[14]            Vgl. Die Bibel: Levitikus 11:7.

 

[15]            Vgl. Die Bibel: Levitikus 11:8.

 

[16]            Vgl. Improvement of Agricultural Production (Livestock) Law, 5712 - 1952, Law of the State of Israel (LSI), Vol. VI, S. 34.

 

[17]            Vgl. dazu auch Abschnitt 2.5.

 

[18]            Vgl. Die Bibel: Exodus 22:24.

 

[19]            Vgl. Die Bibel: Levitikus 25:36 f.

 

[20]            Vgl. Die Bibel: Deuteronomium 23: 20 f.

 

[21]            Der in verschiedenen Religionen verankerte Brauch, an einem Tag der Woche nicht zu arbeiten, kann sowohl der kulturellen- als auch der Wirtschaftsordnung zugerechnet werden.

 

[22]            Vgl. die beiden oben ausgeführten Beispiele und North (1992, S. 58).

 

[23]            Der Umfang der dargestellten Ordnungen steht nicht in Relation zur Anzahl der darin enthaltenen Regeln.

 

[24]            Vgl. Eucken (1939). Eucken begründete den ordnungstheoretischen Institutionalismus und prägte den Begriff Wirtschaftsordnung (vgl. Schüller, 1985, S. 269). Zum "Denken in Ordnungen" vgl. auch Hensel (1992, S. 14 - 18).

 

[25]            Ein Überblick und Vergleich dieser Theorien findet sich im Aufsatz "Zur Ökonomik der Eigentums­rechte in ordnungstheoretischer Sicht" von Schüller (1988, S. 155 - 183).

 

[26]            "Die sozialen Entwicklungsgesetze beanspruchen (...) in der Lehre vom Historischen Materialismus dieselbe Verbindlichkeit wie die Gesetze der Mechanik" (Leipold, 1988, S. 16). Zum Historischen Materialismus vgl. Marx/Engels (1958, S. 9 ff.). Zum "Denken in geschichtlichen Entwicklungen" vgl. auch Hensel (1992, S. 11 - 14).

 

[27]            Eine klare Trennung zwischen Handlungsrecht und Institution war in der herangezogenen Literatur nicht zu finden. Die Hauptunterscheidung erfolgt hier dahingehend, daß unter dem Begriff Institution ein Handlungsrecht, aber auch eine Mehrzahl von Handlungsrechten zu einem bestimmten Sachverhalt gemeint sein kann. Die Definition von Leipold (1995, S. 4) kommt dieser Abgrenzung am nächsten: "Institutionen sind einzelne oder mehrere verbundene Regeln für das Verhalten von Individuen in sich wiederholenden sozialen Entscheidungssituationen."

 

[28]            Im englischen Sprachgebrauch wird nicht zwischen Eigentums- und Handlungsrechten unter­schie­den. Sie werden beide mit dem Begriff Property Rights bezeichnet. Da die Theorie von North auch die kulturelle und politische Ordnung einer Gesellschaft einbezieht, ist der Begriff Handlungsrechte, verstanden als erweiterte Definition von Eigentumsrechten, in diesem Zusammenhang treffender.

 

[29]            Zur Entstehung und zum Wandel von Institutionen vgl. auch Leipold (1989, S. 18) und (1995).

 

[30]            Den Begriff 'effizient' definiert North (1992, S. 82) als eine "vorhandene Menge von Beschrän­kungen, [die] Wirtschaftswachstum erzeugt."

 

[31]            Transaktionskosten sind Teil der Produktionskosten und setzen sich aus Aufwendungen zur Abgrenzung, dem Schutz und der Durchsetzung von Eigentumsrechten an Gütern zusammen (vgl. North, 1992, S. 33).

 

[32]            Vgl. Coase (1960, S. 1 - 44). Diese später als 'Coase Theorem' bezeichnete Erkenntnis besagt, daß Eigentumsrechte bei der Abwesenheit von Transaktionskosten allokationsneutral und damit ohne Einfluß auf die Zurechnung externer Effekte sind; vgl. auch Leipold (1989, S. 20).

 

[33]            Kultur definiert North (1992, S. 44) in Anlehnung an Boyd und Richerson (Culture and the Evolu­tionary Process, Chicago, 1985, S. 2) als "Übergang von Wissen, Werten und anderen verhaltens­relevanten Faktoren vermittels Lehre und Nachahmung von einer Generation auf die nächste."

 

[34]            Die erweiternde Funktion ist beispielsweise bei sog. Kavaliersdelikten zu beobachten. Dabei sind bestimmte Handlungen durch formale Regeln untersagt. Sie werden aber von der Gesellschaft beispielsweise aufgrund intern bindender Verhaltenscodizes geduldet oder sogar gefördert.

 

[35]            Das Modell des Erwartungsnutzens beschreibt die - der neoklassischen Theorie zugrunde liegende - Annahme, wie menschliches Verhalten zu erklären ist. Zur Darstellung und Kritik dieses Modells vgl. North (1992, S. 22 - 31).

 

[36]            Empirische Belege zu dieser Verhaltensannahme finden sich in Nelson/Silberberg (1987).

 

[37]            North (1992, S. 87) nennt "Vermögen, Einkommen oder andere (...) Zielgrößen" als Maximierungsziele.

 

[38]            Die Investitionen in Wissen und Fertigkeiten stellen eine Reaktion auf sich verändernde relative Preise dar. Das neu erworbene Wissen führt dann zu einer Neukombination der Produktionsfaktoren (vgl. North, 1992, S. 120, 123).

 

[39]            Zur Verlaufs- bzw. Pfadabhängigkeit vgl. North (1992, S. 114 - 119). Zum Zusammenhang von technischem und institutionellem Wandel vgl. North (1992, S. 123 f.).

 

[40]            Eine ausführliche Abhandlung zur jüdischen Wirtschaftsgeschichte findet sich in Gross (1975); eine umfassende Darstellung der Geschichte des jüdischen Volkes findet sich in Ben-Sasson (1978).

 

[41]            Im Sinne der in Abschnitt 1.2 gegebenen Definition werden die Vorschriften des Alten Testaments als informale Regeln aufgefaßt, da die Durchsetzung und Sanktionierung bei einer Nichtbeachtung durch die Familie bzw. das soziale Umfeld, und nicht durch den Staat erfolgen. Vgl. dazu North (1992, S. 43 - 64). Problematisch bei der Betrachtung dieser Regeln ist die Diskrepanz zwischen dem alttestamentarischen Ideal und der damaligen Realität. Inwieweit die niedergeschriebenen Regeln auch angewendet und befolgt wurden, ist heute nur noch schwer nachprüfbar. Damit ist fraglich, bei welchen Regeln tatsächlich eine kulturelle Tradierung stattfand und welche Regeln reine Wunschvorstellung blieben. Eine ausführliche Darstellung der heutigen Kenntnisse über die jüdische Wirtschaft in Palästina, zur Zeit der Mischna und des Talmud, findet sich in Ben-David (1974).

 

[42]            Vgl. beispielsweise Die Bibel: Exodus 20:1 - 20:17 (zehn Gebote); Exodus 25 - 31 (Anordnungen über Bundeslade, Zeltheiligtum und Priesterschaft); Levitikus 1 - 7 (Anweisungen für verschiedene Opfer); Levitikus 11 - 15 (Vorschriften über kultische Reinheit). Dazu bemerkt Paraskewopoulos (1989, S. 19): "Die Freude nach dem Gesetz zu handeln, ist das eigentliche Motiv der alttestamentlichen Ethik."

 

[43]            Der entscheidende Punkt dieser Aussage ist die Verwendung des Begriffs 'israelisch'. Damit wird zum Ausdruck gebracht, daß sich der Staat Israel hauptsächlich über die Religion definiert und legitimiert. Dies kann wiederum als Hinweis für die starke Interdependenz der gesellschaftlichen Teilordnungen in Israel gewertet werden.

 

[44]            Vgl. Die Bibel (1979, S. 15). Die Angaben sind der Einleitung zu den Schriften des Alten Testaments entnommen. Eine schematische Darstellung aller Schriften des Alten Testaments findet sich in Ben-David (1974, S. 11).

 

[45]            Mit dem Begriff 'Israel' wird im Alten Testament das jüdische Volk bezeichnet.

 

[46]            Vgl. Die Bibel: Exodus 19:5 und Exodus 34.

 

[47]            'Kanaan' wird der Landstrich westlich des Jordan bis zum Mittelmeer genannt. Die Landesgrenzen im Norden und Süden sind an verschiedenen Stellen des Alten Testaments unterschiedlich beschrieben; vgl. dazu Die Bibel: Genesis 15:18, Deuteronomium 1:7, 11:24, Ezechiel 47:13 und dazu ausführlich Wolffsohn (1993).

 

[48]            Vgl. Die Bibel: Numeri 34:2.

 

[49]            Vgl. auch Die Bibel: Levitikus 25:23: "Das Land aber soll nicht für immer verkauft werden, denn mein ist das Land, denn Schutzbürger und Beisassen seid ihr bei mir" und Fußnote 8.

 

[50]            Vgl. Die Bibel: Numeri 28.

 

[51]            Eine Ähnlichkeit alttestamentarischer Bestimmungen mit sozialistischen Ideen ist erkennbar. Auch Kuebel (1870, S. 27) und Paraskewopoulos (1989, S. 146 ff.) weisen auf ähnliche Ordnungsvorstellungen hin.

 

[52]            Zur Landnahme vgl. Die Bibel: Numeri 20:14 ff. und Abschnitt 2.2.

 

[53]            Vgl. Die Bibel: Numeri 26:52 ff. Die Verteilungsregel ist vermutlich so zu interpretieren, daß nur bei gleicher Stammes-, Geschlechter-, bzw. Familiengröße das Los entscheidet.

 

[54]            Vgl. Die Bibel: Numeri 33:50 ff.

 

[55]            Vgl. Die Bibel: Numeri 36:6 und auch Numeri 27:8 ff.: "Wenn jemand ohne Söhne stirbt, dann übertragt seinen Erbbesitz auf seine Tochter! Hat er keine Tochter, dann gebt seinen Erbbesitz seinen Brüdern! Hat er keine Brüder, dann gebt seinen Erbbesitz den Brüdern seines Vaters! Hat sein Vater keine Brüder, dann gebt seinen Erbbesitz dem nächsten Verwandten aus seiner Sippe."

 

[56]            Vgl. Die Bibel: Deuteronomium 25:25.

 

[57]            Vgl. Die Bibel: Levitikus 25:24.

 

[58]            Vgl. Die Bibel: Levitikus 25:25.

 

[59]            Die Bezeichnung dieses Jahres ist in der Literatur unterschiedlich. Es wird auch Halljahr oder Jobeljahr genannt (vgl. Kuebel, 1870, S. 30).

 

[60]            Vgl. Die Bibel: Levitikus 25:13.

 

[61]            Vgl. Die Bibel: Levitikus 25:15.

 

[62]            Städte sind im Alten Testament als Ansiedlung "die Mauern hat" definiert; vgl. Die Bibel: Levitikus 25:30.

 

[63]            Das wird auch durch die verschiedenen Strafregelungen bei einer Verletzung fremden Besitzes deutlich. Vgl. dazu Die Bibel: Exodus 22:1 - 15; Deuteronomium 27:17; Kuebel (1870, S. 34 f.) und van Oyen (1967, S. 172 f.).

 

[64]            Vgl. auch Fußnote 51.

 

[65]            Vgl. Die Bibel: Levitikus 25:21; Exodus 23:10 f.; Deuteronomium 15:1.

 

[66]            Vgl. Die Bibel: Levitikus 25:5 ff.

 

[67]            Beispielsweise: Die Bibel: Deuteronomium 23:25: "Wenn du in den Weinberg deines Nächsten kommst, magst du Beeren essen, soviel du Lust hast, bis du satt bist."

 

[68]            privare (lat.) = berauben.

 

[69]            Zwar ist hier nur der Besitz von Grund und Boden näher untersucht worden, dennoch hat diese Aussage auch für die übrigen Besitzgüter der damaligen Zeit Gültigkeit (vgl. Kuebel, 1870, S. 27).

 

[70]            Vgl. dazu Die Bibel: Exodus 22:25; Levitikus 25:36; Deuteronomium 22:19.

 

[71]            Eine weiterführende Untersuchung zu dieser Thematik findet sich in Goetz (1922). Dieser geht insbesondere auf die Konservierung von Familienbesitz und verschiedene Begrenzungen von Eigentumsrechten ein.

 

[72]            Die Volksstämme bezeichnen die zwölf Söhne Jakobs. Jakob zählt neben Abraham und Isaak zu den drei Stammvätern der Juden vgl. Die Bibel (1979, S. 16).

 

[73]            In diesem Zusammenhang bedeutet Exklusivität, daß Gott nur mit dem Volk Israel eine solche Verbindung eingegangen ist. Es handelt sich also um das 'Auserwählte Volk'.

 

[74]            Vgl. Die Bibel: Exodus 19:6.

 

[75]            Vgl. Die Bibel: Numeri 34:2.

 

[76]            Wie wichtig und weitreichend die symbolische Kraft dieser Stadt ist, wird zum einen am aktuellen Konflikt über die Hauptstadtfrage zwischen Juden und Palästinensern deutlich und zum anderen auch daran, daß drei Weltreligionen (Juden, Muslime und Christen) hier ihre Heiligtümer verehren.

 

[77]            Der Tempel war das religiöse Heiligtum der Juden. Der erste Tempel wurde 586 v. Chr. zerstört. Vom zweiten Tempel, der 515 v. Chr. eingeweiht wurde, ist heute nur noch die Westmauer (Klagemauer) erhalten.

 

[78]            Erez (hebr.) = Land.

 

[79]            Diese Aussage spricht nicht für Sombart's wissenschaftliche Methode.

 

[80]            Zur Historischen Schule vgl. Krüsselberg (1992, S. 65) und Popper (1974). Vgl. auch Fußnote 26.

 

[81]            Vgl. Abschnitt 2.3.

 

[82]            Friedrich Wilhelm der III erließ 1812 das Emanzipationsedikt von Preußen. Es umfaßt die Gewerbe­freiheit, die Freiheit der vertraglichen Vereinbarung, die Aufhebung der Leibeigenschaft und die bürgerliche Gleichstellung der Juden. 1830 erfolgte in Kurhessen durch Ständebeschluß ebenfalls die vollständige Emanzipation der Juden (vgl. Ben-Sasson, 1978, Bd. III, S. 94 - 110).

 

[83]            Dazu ausführlicher auch Abschnitt 2.4 und 2.5.

 

[84]            Der jüdische Hauptmann Dreyfus wurde 1895 wegen Spionage in Frankreich verurteilt und degradiert. Die Vorwürfe gegen ihn stellten sich als unbegründet heraus und das Urteil kann als antijüdisch inspiriert angesehen werden. Der Prozeß wurde von der Öffentlichkeit mit Parolen wie: "Tod den Juden" begleitet (vgl. Böhm, 1935, Bd. I, S. 156 f.; Ben-Sasson, 1978, Bd. III, S. 192 ff.).

 

[85]            Zion (hebr.) = Burg Davids bzw. Jerusalem = geistig, religiöses Zentrum des Weltjudentums.

 

[86]            Herzl, 1896, S. 39: "Zwei Gebiete kommen in Betracht: Palästina oder Argentinien."

 

[87]            Herzl, 1896, S. 44: "Die Jewish Company wird als Aktiengesellschaft gegründet, mit englischer Rechtssubjektivität, nach den Gesetzen und unter dem Schutze Englands."

 

[88]            Achad Haam, 1856-1927, (d.h. einer aus dem Volke, Pseudonym von Ascher Ginzberg) veröffentlichte 1889 einen Aufsatz unter dem Titel "Nicht dies ist der Weg", und kritisierte darin die ersten zionistischen Siedler (Biluim) in Palästina, indem er den Vorrang der geistig-kulturellen Erneuerung betonte (vgl. Ben-Sasson, 1978, Bd. III, S. 215 f.).

 

[89]            Vgl. zu diesem Aspekt Abschnitt 2.4 und ausführlich Abschnitt 2.5.

 

[90]            Dazu Rubner (1960, S. 1): "Collections were made amongst the Jewish communities of the world for the maintenance of those of their brethren who prayed near the Wailing Wall (...). These were known as the 'Halukah Receivers' as they depended for their upkeep on the generostity of Jews abroad."

 

[91]            Vgl. World Zionist Organisation (1897, S. 114, 119).

 

[92]            Tagebucheintrag vom 03.09.1897 in Wien, Bd. II, S. 24.

 

[93]            Die angesprochenen Anteile beziehen sich ausschließlich auf die Verteilung innerhalb der Gruppe der Juden. Vgl. zu diesem Punkt ausführlich Kap 4. Die strukturellen Veränderungen zwischen 'arabischem' und 'jüdischem' Besitz bleiben hier ausgeklammert. Eine umfassende Untersuchung dieser Thematik findet sich in: Kretzmer (1990).

 

[94]            Vgl. Abschnitt 2.5; Sontheimer (1968, S. 14 ff.) und Ben-Sasson (1978, Bd. III, S. 213 - 216).

 

[95]            Zur Bodengesetzgebung vgl. auch Abschnitt 3.2 und Sternberg (1921, S. 12).

 

[96]            a) Kauf und Verkauf von Immobilien unter Privatpersonen bedurfte der Zustimmung der Behörden.

              b) Dem türkischen Grundbuch lagen keine exakten Landvermessungsdaten zugrunde. Größe und Grenzen von Grundstücken waren ungenau beschrieben, Grenzstreitigkeiten daher üblich.

              c) Die Konstruktion der juristischen Person (Gesellschaft) existierte nicht. Grundstücke, auch wenn diese von Gesellschaften erworben worden waren, mußten auf den Namen natürlicher Personen eingetragen werden.

              d) Hypotheken waren als Verkauf mit Rückkaufrecht des Verkäufers konstruiert. Eine Rangfolge von Hypotheken (erste, zweite, dritte Hypothek) war nicht vorgesehen.

              e) Die Verfügungsrechte bezüglich der Veränderung des Bodens waren gesetzlich beschränkt. Sowohl das Herrichten des Bodens für Grundstücke als auch das Bepflanzen des Bodens bedurfte der behördlichen Genehmigung. Die Errichtung neuer Stadtteile und Kolonien wurde nur durch Erlaß der Zentralbehörde gestattet.

              f) Der größte Teil landwirtschaftlich genutzten Bodens war 'Miri' (Lehnsboden). Nach dem Tod des Eigentümers ging der Boden in den Besitz eines näheren Verwandten oder des Staates über. Testamentarische Verfügungen waren nicht möglich. (Zur Klassifikation von Landeigentum vgl. auch Abschnitt 3.2)

              g) Wurde landwirtschaftlicher Boden über einen Zeitraum von drei Jahren nicht bearbeitet, so fiel der Boden an den Staat zurück.

              h) Die Art der Steuerbemessung (Oscher) nach dem Bruttoertrag begünstigte Landwirte, die mit geringem Einsatz gute Erträge erzielen konnten (in fruchtbaren, leicht zu bewirtschaftenden Gebieten) und benachteiligte Landwirte, die mit hohem Aufwand ebenfalls gute Erträge erzielen konnten (in weniger fruchtbaren, schwer zu bewirtschaftenden Gebieten).

 

[97]            Das so gekaufte Land war allerdings häufig besiedelt bzw. bebaut, so daß die Juden zwar mit den ehemaligen. Eigentümern wegen der guten Geschäfte auch gute Beziehungen hatten, sich aber unter der einfachen Landbevölkerung Feinde machten, da diese der Kolonisation weichen mußte (vgl. Böhm, 1935, Bd. II, S. 416 - 424).

 

[98]            Vgl. Abschnitt 2.3.

 

[99]            Bis dahin wurde diese Aufgabe von der Jüdischen Palästinabank (Anglo Palestine Company, APC) betreut. Hauptaufgabe der Bank war die Organisation von kooperativen Kreditgenossenschaften mit Solidar­­haftung. Weiterhin stellte sie jüdischen Kolonisten Kredite zur Verfügung (vgl. Ruppin, 1919, S. 41).

 

[100]           Sowohl das Palästina Amt als auch die PLDC wurden von Dr. Arthur Ruppin gegründet und geleitet (vgl. Sontheimer, 1968, S. 24, 105). Über die Persönlichkeit Ruppins vgl. auch Plessner (1994, S. 62).

 

[101]           Vgl. Fußnote 96.

 

[102]           Die Jewish Colonisation Association (JCA) wurde 1891 vom jüdischen Philanthropen Baron Hirsch gegründet. Die Verfügungsrechte lagen bei jüdisch westeuropäischen Körperschaften (Alliance Israelite Universelle und Anglo Jewish Association). 1900 übernahm die JCA die Verwaltung der Rothschild Ländereien. Nach dem ersten Weltkrieg wurde sie in Palestine Jewish Colonisation Association (PJCA) umbenannt und setzte die Kolonisationstätigkeit weiter fort (vgl. Ruppin, 1919, S. 35 f.; Böhm, 1935, Bd. I, S. 113 f.).

 

[103]           Böhm (1935, Bd. I, S. 617 f.) nennt außerdem noch die Immobiliengesellschaft Palästina und das Palästina Industriesyndikat.

 

[104]           Vgl. unten und Sontheimer (1968, S. 25 f.).

 

[105]           Der Fonds wird häufig auch mit seinem hebräischen Namen Keren Kajemet Lejisrael (KKL) bezeichnet.

 

[106]           Der Kongreß wählte die Vertreter für das Zionistische Aktionskomitee (AC). Aus diesem wurden dann die Mitglieder für das EAC gewählt (vgl. Böhm, 1935, Bd. I, S. 221 ff.).

 

[107]           Der Verpachtungszeitraum von 49 Jahren könnte unter Berücksichtigung der Jubeljahr-Regel (vgl. Abschnitt 2.1) festgesetzt worden sein: "Die Prinzipien klingen an die altmosaische Gesetzgebung an, nach der es einen dauernden Privatbesitz an Land nicht geben soll, sie decken sich zugleich mit den modernen Bodenreformbestrebungen und mit der sozialistischen Forderung nach Gemeineigentum an Produktionsmitteln" (Böhm, 1935, Bd. I, S. 619).

 

[108]           Zu den Thesen, die in diesem Zusammenhang verabschiedet worden sind, vgl. Böhm (1935, Bd. II, S.128 - 131). Zur Londoner Konferenz und der Debatte über Landbesitz in Palästina vgl. insgesamt auch Plessner (1994, S. 66 - 70).

 

[109]           Vgl. Fußnote 102.

 

[110]           Vgl. Fußnote 103.

 

[111]           Der Wechsel der Mandatsmacht nach dem Ersten Weltkrieg brachte mit der Einrichtung eines Katasters zwar eine gewisse Erleichterung für den jüdischen Grunderwerb. Durch das Passfield White Paper jedoch, und die damit verbundene Kompromißpolitik der Engländer wurde die Kolonisation insgesamt, vor allem durch Einwanderungskontingente, behindert (vgl. Sontheimer, 1968, S. 48 ff.).

 

[112]           Kibbutz = Abwandlung von Kvutza (hebr.) = intime, kommunitäre Gruppe. Degania (hebr.) = Kornblume (In der Literatur ist auch die Schreibweise ohne 't' (Kibbuz) zu finden).

 

[113]           Moschav Ovdim (hebr.) = Arbeitersiedlung.

 

[114]           Vgl. zu diesen Eigentumsformen ausführlich Abschnitt 4.4 und zur Rechtsform Abschnitt 3.3.2.

 

[115]           Im Jahr 1949 existierten in Israel 211 Kibbutzim mit einer Bevölkerung von 63.518 Menschen. Zur gleichen Zeit lebten in 182 Moschavim 48.208 Menschen (vgl. Central Bureau of Statistics, 1952/53, S. 8). Zum Anteil der jüdischen Bevölkerung in Kibbutzim und Moschavim von 1914 bis 1983 vgl. Wolffsohn (1987, S. 63); vgl. auch Anhang H und I.

 

[116]           Das Palästina-Amt stattete die Siedler mit Lohnverträgen und Betriebsvermögen aus (vgl. Sontheimer, 1968, S. 106).

 

[117]           So ist auch später die nationale Verteidigungsarmee (Israel Defence Force, IDF) aus der Haganah, einer Selbstverteidigungsorganisation der Gemeinschaftssiedlungen, hervorgegangen (vgl. Sontheimer, 1968, S. 106).

 

[118]           Zur zionistischen Arbeiterbewegung und dem genannten Motiv vgl. Abschnitt 2.5.

 

[119]           Der hier dargestellte Sachverhalt beschreibt die wirtschaftliche Dimension des Motivs 'Eroberung der Arbeit' Zur politischen Dimension dieses Motivs vgl. Abschnitt 2.5.

 

[120]           Die in den beiden letzten Punkten beschriebene Sicherheits- und Versorgungsautonomie wurde vor allem durch die Einwanderer (hebr. Olim) der zweiten Alija verwirklicht. Dies wird als Grund für die spätere Berühmtheit und den (dominierenden) Einfluß dieser Gruppe in allen gesellschaftlich relevanten Positionen angesehen (vgl. Wolffsohn, 1995, S. 259). Dahingegen beschäftigten die 25.000 Einwanderer der ersten Alija (1881 - 1903) überwiegend billige arabische Lohnarbeiter und ließen ihre Siedlungen von arabischen Wachmännern sichern. Aus diesem Grund wertet Wolffsohn (1994, S. 259) deren Einfluß auf das Aufbauwerk als "recht wirkungslos."

 

[121]           Vgl. dazu auch ausführlich Abschnitt 4.4.

 

[122]           Dazu Sontheimer (1968, S. 43) :"Ende des Jahres 1920 gründeten die verschiedenen Gruppen der jüdisch-palästinensischen Arbeiterbewegung in gemeinsamer Aktion den allgemeinen Gewerkschaftsbund, die Histadrut, der sehr schnell zur stärksten politisch-wirtschaftlichen Organisation des Jischuv wurde. (...). Sie erfüllte gleichzeitig die Funktionen einer Zentralgewerkschaft und einer Unternehmerorganisation, einer Arbeitsvermittlung und eines Pionierinstituts. Die Histadrut errichtete Verkehrs- und Industrieunternehmen, Baugesellschaften und Konsumgenossenschaften, gründete Import- und Exportorganisationen und baute eine Krankenversicherung auf, die mit eigenen Kliniken die Einrichtungen der Hadassah ergänzte und nahezu die gesamte Bevölkerung gesundheitlich betreute. Neben diesen für die Einrichtung des Nationalheims grundlegenden Leistungen schuf und unterhielt sie ein weitverzweigtes Netz von Schulen, Einrichtungen zur Erwachsenenbildung, Theatern, Verlagen und Zeitungen und entwickelte sich damit zum wichtigsten Kulturträger des Jischuv." Zur Histadrut vgl. ausführlich Abschnitt 4.3.

 

[123]           Vgl. dazu Abschnitt 2.5 und Wolffsohn (1995, S. 258 - 261).

 

[124]           Eine detaillierte Darstellung des Umfangs staatlicher Wirtschaftsaktivitäten findet sich in Abschnitt 4.2. Vgl. auch Plessner (1994, S. 182 f.).

 

[125]           Während der überwiegende Teil der ersten Einwanderer aus ideologisch-religiösen Motiven freiwillig nach Palästina kam (diejenigen, die zu dieser Zeit wirtschaftliche Motive in den Vordergrund stell­ten, wanderten nach Amerika aus), bestand für die Einwanderer der dreißiger und vierziger Jahre in der Regel der Zwang, das Heimatland zu verlassen, da sie dort Verfolgung und Pogrome zu erwarten hatten.

 

[126]           Mit dem Begriff Netzwerk beschreibt Wolffsohn die Histadrut und deren zahlreiche Unternehmungen in allen Wirtschafts- und Gesellschaftsbereichen (vgl. Abschnitt 4.4 und Fußnote 122).

 

[127]           In diesem Zusammenhang zieht Pirker (1965, S. 28) Parallelen zum Vielparteiensystem und den "Weltanschauungsparteien" der Weimarer Republik.

 

[128]           Die Art der Unterscheidung hängt von den zu betrachtenden Inhalten ab. Unter sicherheitspolitischen Gesichtspunkten, die in der israelischen Bevölkerung einen höheren Stellenwert besitzen als wirtschaftspolitische Aspekte (vgl. Wolffsohn, 1995, S. 394), erscheint die Einteilung in "Tauben" und "Falken" als angebrachter (Wolffsohn, 1995, S. 154 - 171).

 

[129]           Choveve Zion (hebr.) = Liebende Zions.

 

[130]           Die Zionistische Weltorganisation (ZWO).

 

[131]           Shapiro (1993, S. 77) beschreibt die Schwäche der bürgerlichen Parteien:" But there was no middle class in the Jewish community on which the party could count. The middle-class Jews who came were primarily petty bourgeois, owners of small properties. The rest of the Jewish middle class, even the Zionists among them stayed outside of Palestine."

 

[132]           Die Kommunisten bildeten die einzige jüdisch-arabische Partei. Für sie stand der Klassenkampf vor zionistisch-nationalen Zielen (vgl. Wolffsohn, 1995, S. 142 f.).

 

[133]           MAPAI = Mifleget Poale Erez Israel (hebr.) = Partei der Arbeiter von Erez Israel.

 

[134]           Ahdut Hawoda (hebr.) = Einheit der Arbeit.

 

[135]           Poale Zion (hebr.) = Arbeiter Zions.

 

[136]           Hapoel Hazair (hebr.) = Der Junge Arbeiter.

 

[137]           "The Jewish Social Workers' Party in Palestine (Poalei Zion) aims at collectivisation of means of production and the building of society on a socialist basis. The only means (to achieve this) which the Party accepts is class warfare" (Preuss, 1965, S. 28).

 

[138]           Pirker (1965, S. 37) weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß (wirtschaftliche) Aufstiegs­chancen im Falle einer Immigration nach Amerika erhofft wurden und in Palästina nur insofern wirksam waren, "als sie im Geiste der zionistischen Ideologie, im Sinne ihres utopisch-heroischen Inhalts ganz beiseite gestellt werden mußten."

 

[139]           Dazu Sontheimer (1968, S. 102): "Die politischen Ziele wurden also nicht bewußt oder unbewußt von wirtschaftlichen Erfordernissen abgeleitet (...), sondern die wirtschaftliche Aktivität wurde den politischen Zielen untergeordnet, wirtschaftliche Entscheidungen waren ein Mittel, um politische Ziele zu verwirklichen."

 

[140]           Vgl. Ostrom, Vincent: The political Theory of a Compound Republic: A Reconstruction of the Logical Foundatios of Democraty as Presented in the Federalist, Blacksburg, 1971.

 

[141]           Vgl. beispielsweise Shapiros Unterscheidung in liberale und prozedurale Demokratie (1993, S. 65) und Meddings Unterscheidung in Majoritäts- und Konsensdemokratie (1990, S. 4 ff). Beide Autoren beziehen sich in ihrer Untersuchung auf das politische System in Israel.

 

[142]           Die hier gestellten Fragen zielen insgesamt darauf ab, das Vorhandensein konstituierender Prinzipien einer Wettbewerbsordnung zu untersuchen. Es wird davon ausgegangen, daß diese Prinzipien am ehesten dem Modell effizienten ökonomischen Tausches mit Transaktionskosten von Null entspre­chen (vgl. Eucken, 1939, 254 ff.; North, 1992, S. 129). Damit ist der oben definierte Standpunkt der idealen demokratischen Gesellschaft mit angenäherten Transaktionskosten von Null eingenommen.

 

[143]           Der Volksrat (Moetzet Haam) setzte sich aus dem Vorstand des Nationalrates (14 Mitglieder; vor­staatliche jüdische Regierung in Palästina), der Exekutive der Jewish Agency (11 Delegierte) und 11 Delegierten, die keinem der beiden Gremien angehörten, zusammen (vgl. Wolffsohn, 1995, S. 61 f.).

 

[144]           Zur Problematik der israelischen Staatsdefinition über die Religion vgl. Kretzmer (1990, S. 17 ff.).

 

[145]           Aus staatsrechtlicher Sicht bedarf es zur Etablierung eines Staates dem Staatsvolk, dem Staatsgebiet und der Staatsgewalt bzw. der Staatsqualität (vgl. Degenhart, 1991, Randnr. 83, § 2, S. 39).

 

[146]           Sontheimer (1968, S. 152 f.) nennt die ZWO, die Jewish Agency und den Nationalrat (Waad Leumi) als Exekutiven und Vorläufer der Regierung. Weiterhin "die Histadrut als Arbeitgeberorganisation mit gewerkschaftlichen, kolonisatorischen, sozialen, pädagogischen und kulturellen Funktionen; eine Verteidigungsarmee (Haganah) und mehrere militärische Organisationen (Stern Gruppe, Irgun Zwei Leumi); ein religiöses Gerichtswesen, [und] mehrere Institutionen, welche die Verbindung zwischen Diaspora und den Juden in Palästina aufrechterhielten" (vgl. auch Ben-Porat, 1991, S. 47; Pirker, 1965, S. 46 f.).

 

[147]           Die Schwierigkeiten, die bei dieser Eingliederung zu bewältigen waren verdeutlicht Wolffsohn (1983, S. 508) am Beispiel der Streitkräfte: "Bis zu der von (...) Ben Gurion befohlenen Beschießung der 'Atalena' einem Schiff, das Waffen und Munition für den Ezel (gemeint ist die oben genannte Gruppe Irgun Zwei Leumi; C.P.) an Bord hatte, war der Ezel ein Militär im Militär."

 

[148]           Der Staatspräsident beauftragt ein Knesset-Mitglied mit der Regierungsbildung (vgl. Wolffsohn, 1995, S. 113).

 

[149]           Zur Funktion des Staatskontrolleurs vgl. Wolffsohn (1995, S. 110 ff.) und Scheftelowitz (1984, S. 23 ff.).

 

[150]           Die Gründe für die fehlende Verfassung erläutert Kretzmer (1990, S. 7 - 16) im Kapitel "Israel's Constitutional and Legal System." Vgl. dazu auch Sontheimer (1968, S. 170).

 

[151]           Eine Aufzählung aller bisher verabschiedeten 'Grundgesetze' findet sich in Wolffsohn (1995, S. 62 f.).

 

[152]           Auch die wenigen Artikel, die nicht mit einer einfachen Mehrheit verändert werden können, sind durch den Erlaß anderer Gesetze von gleichem Rang auszuhebeln (vgl. Sontheimer, 1968, S. 170).

 

[153]           Die Konflikte können sowohl zwischen den unterschiedlichen Konfessionen, hervorgerufen durch differierende religiöse Gesetze entstehen, als auch innerhalb der Konfessionen, aufgrund unterschiedlicher Auslegung bzw. Wertung dieser Gesetze und keiner eindeutig festgelegten Gerichtshierarchie wie beispielsweise im Islam oder im Judentum.

 

[154]           Zur politischen Macht der jüdischen Religion vgl. Wolffsohn (1995, S. 327 ff.).

 

[155]           Im Jahr 1968 schlossen sich die MAPAI, Ahdut Hawoda und Rafi (gegründet von Ben Gurion nach seinem Austritt aus der MAPAI) zur IAP (Israelische Arbeiterpartei) zusammen (vgl. Wolffsohn, 1995, S. 145 und Abbildung 2, S. 6).

 

[156]           "Nationalisation of basic industries is rare, principally because few such industries existed at the establishment of the state. Some public utilities and basic industries establised later, have been publicly owned from the beginning. (...) No overall development plans have been carried out. Some projects were stretched over periods of years, but the Development Budget of the government is annual" (Rubinstein, 1992, S. 20 f.).

 

[157]           Declaration of the establishment of the State of Israel, LSI, Vol. I, S. 3. Vgl. auch Law of Return, LSI, Vol IV, S. 114: "Every Jew has the right to come to this country as an Oleh (Immigrant). Zu den weitreichenden Folgen dieser Regel vgl. auch Baker (1968, S. 39).

 

[158]           Law and Administration Ordinance, 5708 - 1948, LSI, Vol. I, S. 7 - 12.

 

[159]           Palestine Order in Council, 1922, Laws of Palestine, (zit. Drayton, 1934, Vol. III, Art. 46; S. 2580).

 

[160]           Vgl. State Property Law, 5711 - 1951, LSI, Vol. V, S. 45.

 

[161]           Vgl. in diesem Zusammenhang auch das Land Law, 5729 - 1969, LSI, Vol XXIII, S. 283.

 

[162]           Vgl. Absentees' Property Law, 5710 - 1950, LSI, Vol. IV, S. 68.

 

[163]           Aufgrund der Niederlage im israelischen Unabhängigkeitskrieg von 1948 verließ eine große Zahl überwiegend palästinensischer Araber das Land. Das Jahrbuch von 1959 (Greenwood, 1959, S. 74) beziffert den Umfang des Gebietes, welches durch das Gesetz über Eigentum von Abwesenden nationalisiert wurde, auf 325.000 ha. Ben-Porat (1993, S. 69) gibt eine detailliertere Darstellung: "the arab property that was handled by a special government related authority, (...) included 3.5 million dunams (1 Dunam = 1/10 ha.; C.P.) of orchards, vineyards, and so on, 45,000 apartments, 7,000 shops and some of their merchandise, 500 small craft shops, and 350 villages whose inhabitants left the country."

 

[164]           Vgl. Land Acquisition Law, 5713 - 1953, LSI, Vol. VII, S. 43.

 

[165]           Als Rechts- und Zuständigkeitsbereich des Staates wird das Gebiet definiert, das der Verteidigungs­minister als von der israelischen Verteidigungsarmee gehalten erklärt (Vgl. Wolffsohn, 1991, S. 18).

 

[166]           Vgl. Basic Law: Israel Lands and Israel Lands Law, LSI, 5720 - 1960, Vol XIV, S. 48. Vgl. in diesem Zusammenhang auch mit den Aussagen, die im Alten Testament über Landeigentum zu finden sind (Abschnitt 2.1).

 

[167]           Vgl. Agricultural Settlement Law, LSI, 5727 - 1967, Vol XXII, S. 105.

 

[168]           Vgl. Immovable Property Law, LSI, 5724 - 1964, Vol. XVII, S. 58.

 

[169]           Immovable Property Law, LSI, 5724 - 1964, Vol. XVII, S. 59. Vgl. auch: State Property Law, 5711 - 1951, LSI, Vol. V, S. 45: "Property includes immovable and movable property and rights and interests of any kind whatsoever." Damit gilt die oben gegebene Definition für alle Arten von Eigentum.

 

[170]           Vgl. auch Pledges Law 5727 - 1967, Vol XXI, S. 44.

 

[171]           Die Einrichtung der Treuhand ist vergleichbar mit der deutschen Rechtsform der Stiftung (vgl. Scheftelowitz, 1984, S. 44 - 51).

 

[172]           Vgl. in diesem Zusammenhang auch: Protection of Deposited Property Law, LSI, 5724 - 1964, Vol. XVIII, S. 20.

 

[173]           Vgl. beispielsweise das Shipping Law, LSI, 5725 - 1965, Vol. XVIII, S. 234 und das Standarts Law, LSI, 5713 - 1953, Vol. VI, S. 24.

 

[174]           Vgl. Contracts Law, 5733 - 1973, LSI, Vol. XXVII, S. 117; Standart Contracts Law, 5743 - 1982, LSI, Vol. XXXVII, S. 6; Law of Sale, 5728 - 1968, LSI, Vol. XXII, S. 107.

 

[175]           Vgl. Agency Law, 5725 - 1965, LSI, Vol. XVIIII, S. 231; Restrictive Trade Practices Law, 5719 - 1959, LSI, Vol. XIII, S. 159; vgl. dazu auch ausführlich Abschnitt 3.3 und 3.4.

 

[176]           Vgl. Succession Law, 5725 - 1965, LSI, Vol. XVIIII, S. 58.

 

[177]           Eingeschränkt wird dieses Recht durch die Erbrechte naher Verwandter, durch mögliche Forderungen von Gläubigern des Hinterbliebenen, und auch durch eine Begrenzung des Ausmaßes, in dem der Verstorbene seine Erben über die Art der Verwendung ihres Erbteils festlegen darf (vgl. Rubinstein, 1992, S. 42). Inwieweit religiöse Gerichtsbarkeiten in dieser Frage mitentscheiden, konnte der zugrunde liegenden Literatur nicht entnommen werden (vgl. auch Abschnitt 3.1).

 

[178]           Publiziert wurde die Mejelle zwischen 1867 und 1877 (vgl. Rubinstein, 1992, S. 48).

 

[179]           Als speziell geregelte Verträge nennt Rubinstein (1992, S. 48) den Verkauf, die Vermietung, das Pfand, die Treuhand, das Geschenk, die Vermittlung und andere.

 

[180]           "The terms of all contracts and agreements which are not forbidden by special laws and regulations and which are not contrary to morality (informale Regeln!; C.P.) and which do not disturb public order nor conflict with matters of personal status (...) are valid as regards the contracting parties" (Art. 64 Ottoman Code of Civil Procedure, 1914, (zit. Hooper, 1933, Vol II, S. 115 f.)).

 

[181]           Vgl. Contracts Law, 5733 - 1973, LSI, Vol. XXVII. Das sehr komplizierte und umfangreiche Vertragsrecht kann hier nur teilweise behandelt werden. Besonders im Bereich der Gesetze, die im Zusammenhang mit arbeitsrechtlichen Verhältnissen erlassen wurden, sind sehr detaillierte und in der Regel Arbeitnehmer-freundliche Regeln vorzufinden: Vgl. dazu: Collective Agrements Law, Hours of Work and Rest Law, Annual Leave Law, Employment of Women Law, Wage Protection Law, Severance Pay Law (vgl. Rubinstein, 1992, S. 57).

 

[182]           Zur Rechtsfähigkeit von 'Jedermann' vgl. Scheftelowitz (1984, S. 36 ff.).

 

[183]           In der Bundesrepublik Deutschland sind diese Rechte im Art. 14 (Gewährleistung von Privateigentum auch an Produktionsmitteln) explizit genannt und haben damit "den Rang eines elementaren Grundrechts" (Leipold, 1987, S. 39).

 

[184]           Vgl. oben und auch Abschnitt 3.3 und Kapitel 4.

 

[185]           Declaration of the establishment of the State of Israel, LSI, Vol. I, S. 3.

 

[186]           Vgl. dazu Kretzmer (1992, S. 238 - 249). Das Grundgesetz 'Freedom of Occupation' ist hier in einer nicht autorisierten englischen Übersetzung abgedruckt und von Kretzmer kommentiert.

 

[187]           Vgl. in diesem Zusammenhang auch Eucken (1939, 254 ff.).

 

[188]           Vgl. Art. 9 der Verfassung der ehemaligen DDR und Leipold (1987, S. 40 f.).

 

[189]           Partnership Ordinance, 1930, Laws of Palestine (zit. Drayton, 1934, Kap. 103, Sek. 2).

 

[190]           Partnership Ordinance, 1930, Laws of Palestine (zit. Drayton, 1934, Kap. 103, Sek. 18). Diese Rechtsform der Unternehmung ist vergleichbar mit der Offenen Handelsgesellschaft (OHG) im deutschen Unternehmensrecht. Vgl. dazu Handelsgesetzbuch (1897, § 105) und Wöhe (1990, S. 347).

 

[191]           Partnership Ordinance, 1930, Laws of Palestine (zit. Drayton, 1934, Kap. 103, Sek. 58). Diese Rechtsform der Unternehmung ist vergleichbar mit der Kommanditgesellschaft (KG) im deutschen Unternehmensrecht. Vgl. dazu Handelsgesetzbuch (1897, § 161) und Wöhe (1990, S. 347 f.).

 

[192]           Die Neufassung des Gesetzes zur Partnerschaft im Jahr 1975 brachte keine wesentlichen Änderungen mit sich (vgl. Scheftelowitz, 1984, S. 51 ff.).

 

[193]           Cooperative Societies Ordinance, 1929, Laws of Palestine, (zit. Drayton, 1934, Kap. 24, Sek. 4).

 

[194]           Cooperative Societies Ordinance, 1929, Laws of Palestine, (zit. Drayton, 1934, Kap. 24, Sek. 5). Das ist auch der Grund für die Verwendung des Wörtchens 'may' an der oben zitierten Stelle: Nicht jeder Art von Unternehmung wird das Annehmen dieser Organisationsform gestattet. Über die Zulassung entscheidet ein Registrar, der von der Regierung ernannt wird.

 

[195]           Vgl. Cooperative Societies Ordinance, 1929, Laws of Palestine, (zit. Drayton, 1934, Kap. 24, Sek. 5).

 

[196]           Vgl. Cooperative Societies Ordinance, 1929, Laws of Palestine, (zit. Drayton, 1934, Kap. 24, Sek. 16).

 

[197]           Vgl. Cooperative Societies Ordinance, 1929, Laws of Palestine, (zit. Drayton, 1934, Kap. 24, Sek. 17). Das ist einer der entscheidenden Unterschiede zu den verschiedenen Formen der Firma (vgl. Kap 3.3.3, Rubinstein, 1992, S. 84).

 

[198]           Vgl. Cooperative Societies Ordinance, 1929, Laws of Palestine, (zit. Drayton, 1934, Kap. 24, Sek. 19): "A registered society shall be entitled (...) to pledge its movable property and to mortage or charge all or any of its property, movable or immovable, in possession or in action."

 

[199]           Vgl. Cooperative Societies Law, 5725 - 1965, LSI, Vol XVIII.

 

[200]           Gemeint sind Dachorganisationen, die den Vertrieb oder den Einkauf für mehrere Genossenschaften tätigen (vgl. Abschnitt 4.3 und 4.4).

 

[201]           Vgl. Anhang H.

 

[202]           Zu Stellung und Aufgaben der Generalversammlung vgl. Abschnitt 4.4 und Abbildung 5, S. 91.

 

[203]           Zur Problematik der Beschäftigung von Lohnarbeitern in Genossenschaften vgl. Abschnitt 4.4.

 

[204]           Vgl. dazu unten.

 

[205]           Die auffällig niedrige Zahl eingetragener Genossenschaften ist vermutlich dadurch zu erklären, daß nur der jeweilige Dachverband von einzelnen Kibbutzim und Moschavim gezählt wurde. Detailliertere Angaben waren der vorhandenen Literatur nicht zu entnehmen.

 

[206]           Vgl. Companies Ordinance, 1929, Laws of Palestine, (zit. Drayton, 1934, Kap. 22) und Companies Ordinance, 5725 - 1965, LSI, Vol. XIX, S. 121.

 

[207]           Vgl. Companies Ordinance, 1929, Laws of Palestine, (zit. Drayton, 1934, Kap. 22, Sek. 3).

 

[208]           Zum deutschen Unternehmensrecht vgl. Wöhe (1990, S. 334 f.).

 

[209]           Diese Rechtsform der Unternehmung ist vergleichbar mit der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) im deutschen Unternehmensrecht. Vgl. dazu Gesetz betr. die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (1892, § 13) und Wöhe (1990, S. 348).

 

[210]           Diese Rechtsform der Unternehmung ist vergleichbar mit der Aktiengesellschaft (AG) im deutschen Unternehmensrecht. Vgl. dazu Aktiengesetz (1965, §§ 1, 3) und Wöhe (1990, S. 350).

 

[211]           Als weitere gesetzliche Möglichkeit ist vorgesehen, nur die Haftung von Direktoren nicht zu beschränken, vgl. Companies Ordinance, 1929, Laws of Palestine, (zit. Drayton, 1934, Kap. 22, Sek. 57 f.). Die Ausgestaltung dieser Rechtsform entspricht weitgehend der deutschen Kommandit­gesellschaft auf Aktien (KGaA). Vgl. dazu Aktiengesetz (1965, §§ 278 ff.) und Wöhe (1990, S. 350 f.).

 

[212]           Rubinstein (1992, S. 89) nennt in diesem Zusammenhang Unternehmen, deren Aufgabe nicht der Handel, sondern die Verwaltung von Land oder Investment Fonds ist.

 

[213]           Vgl. Improvement of Agricultural Production (Livestock) Law, 5712 - 1952, LSI, Vol. VI, S. 34.

 

[214]           Vgl. Seeds Law, 5716 - 1956, LSI, Vol. X, S. 99.

 

[215]           Vgl. Citrus Control Ordinance, Nr. 37, 1940, Palestine Gazette, Supp. I, Sek. 3.

 

[216]           Das Citrus Control Board besteht aus acht Vertretern der Produzenten und drei Vertretern der Regierung, vgl. Citrus Control Ordinance, Nr. 37, 1940, Palestine Gazette, Supp. I, Sek. 11 und auch Rubinstein (1992, S. 145).

 

[217]           Vgl. Plants and Plant Products Law, 5714 - 1954, Vol. VIII, S. 114.

 

[218]           Vgl. Plants and Plant Products Law, 5714 - 1954, Vol. VIII, S. 114.

 

[219]           Vgl. Vegetable Production and Marketing Board Law, 5719 - 1959, LSI, Vol. XIII, S. 245.

 

[220]           Vgl. in diesem Zusammenhang auch Abschnitt 4.3 und 4.4.

 

[221]           Vgl. Chamber of Advocates Law, 5721 - 1961, LSI, Vol. XV, S. 196; Medical Practioners Ordinance, 1947, Palestine Gazette, Sup. I, Sek. 3-6; Engineers and Architects Law, 5718 - 1958, Vol. XII, S. 124.

 

[222]           Vgl. Standarts Law, 5713 - 1953, LSI, Vol. VII, S. 24.

 

[223]           Vgl. Public Entertainments Ordinance, 1935, Palestine Gazette, Sup. I, Sek. 2 - 5; Press Ordinance, 1937, Palestine Gazette, Sup. I, Sek. 4, 5, 8, 10.

 

[224]           Vgl. Town Planning Ordinance, 1936, Palestine Gazette, Sup. I, Sek. 8 - 11.

 

[225]           Vgl, Commodities and Services (Control) Law, 5717 - 1957, LSI, Vol. XII, S. 24.

 

[226]           "The most important law in the arsenal that enables the government to interfere in the economy is the Commodities and Services (Control) Law of 1957. It virtually empowers the government to take over the marketplace and rule production, prices and distribution by decree" (Plessner, 1994, S. 141).

 

[227]           Die Entwicklung des CPI gibt die Entwicklung der Inflationsrate an; vgl. dazu auch Abschnitt 4.3.

 

[228]           Vgl. Restrictive Trade Practices Law, 5719 - 1959, LSI, Vol. XIII, S. 159.

 

[229]           Plessner (1994, S. 143 f.) weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß durch die weiche Formulierung: 'dient dem öffentlichen Interesse' nahezu jedes Kartell gerechtfertigt werden kann. Dieser Aspekt ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, daß vor allem die Regierung selbst, oder die der Regierung nahestehende Histadrut, Eigentümer von Kartellen und Monopolen ist (vgl. dazu ausführlich Kapitel 4).

 

[230]           Vgl. Bank of Israel Law, 5714 - 1954, LSI, Vol. VIII, S. 163.

 

[231]           Bank of Israel Law, 5714 - 1954, LSI, Vol. VIII, S. 166.

 

[232]           Vgl. Interest Law, 5717 - 1957, LSI, Vol. XI, S. 46.

 

[233]           "The national unity government (...) implemented a series of economic measures which deviated sharply from earlier policies. The measures included two realignments of the exchange rate, a new cost-of-living adjustment of wages, investment-promoting tax changes (...), a gradual lifting of some controls on international capital flow, and intensive exercise of moral suasion to reduce interest rates and financial margins in a concentrated banking industry" (Razin/Sadka, 1993, S. 5).

 

[234]           "Under state regulation the rules of the market did not disappear or were even weakened. They were just restricted" (Ben-Porat, 1993, S. 76).

 

[235]           Zu diesem Begriff vgl. Abschnitt 4.4.

 

[236]           Vgl. Anhang B.

 

[237]           Vgl. Anhang C.

 

[238]           Gemeint ist hier die 'Eroberung der Arbeit' durch das jüdische Volk, vgl. Abschnitt 2.4, 2.5 und 4.4.

 

[239]           Vgl. dazu die umfassende gesetzliche Regulierung dieses Bereichs (Abschnitt 3.4.1).

 

[240]           Vgl. Anhang C.

 

[241]           Vgl. Tabelle 5, S. 67.

 

[242]           Den Kreis der Personen und Gruppen, die im privaten Sektor tätig sind, beschreibt Ben-Porat (1993, S. 64) wie folgt: " farmers (Ikarim) in the veteran country towns (moshavot) the most prominent of them being orchad owners; industrial capitalists - individuals and corporations; financial capitalists - owners of banks, insurance companies, and the like; the petty bourgoisie and small employers; and certain groups of professionals."

 

[243]           Vgl. Anhang J.

 

[244]           Vgl. Anhang C.

 

[245]           Barkai benötigte 1964 bereits zwei einleitende Kapitel seiner Untersuchung, um die drei Sektoren zu definieren und abzugrenzen (vgl. S. 15 - 26).

 

[246]           Vgl. Abbildung 4, S. 78.

 

[247]           Zum Umfang dieser Industrieholding Gesellschaft vgl. Plessner (1994, S. 182).

 

[248]           Die Werte sind vom Verfasser anhand der zur Verfügung stehenden Quellen geschätzt; vgl. Fußnote 5.

 

[249]           "A few federations or associations representing the interests of certain factions existed - the Farmers Association (mainly citrus growers), the Industrialists Federation, the Crafts Federation and few others - but did not cooperate as one unified organisation" (Ben-Porat, 1993, S. 64).

 

[250]           Vgl. Kapitel 3.

 

[251]           Davon weitgehend ausgenommen ist das Eigentum an Boden, vgl. Abschnitt 3.2.

 

[252]           Vgl. Tabelle 5, S. 67.

 

[253]           Vgl. Anhang J.

 

[254]           Eine Tabelle über den Anteil ausländischer Zahlungen an den Einnahmen der Regierung während der Jahre 1950 bis 1991 findet sich in Wolffsohn (1995, S. 430).

 

[255]           Die wichtigsten Geldgeber sind jüdische Gemeinden in Europa, den USA und Kanada und die U.S.-Regierung. Von 1953 bis 1964 umfaßten deutsche Reparationszahlungen 17% des laufenden Zahlungsbilanzdefizits. In der Zeit kurz nach der Staatsgründung erfolgten weitere Zahlungen aus der Schweiz, aus Frankreich und aus England (vgl. Ben-Porat, 1993, S. 53 ff.; Wolffsohn, 1995, S. 429 - 432, 444 - 447).

 

[256]           Vgl. dazu Kapitel 3 und die Abschnitte 4.2, 4.3.

 

[257]           Zur Verflechtung im Bereich der Banken vgl. Anhang D.

 

[258]           Vgl. Anhang B.

 

[259]           Vgl. Anhang C.

 

[260]           Noch 1995 war der gesamte Sektor der Personenbeförderung in Händen der Histadrut. Zwar existieren staatliche Bahnlinien zwischen Tel Aviv, Jerusalem und Haifa, die Beförderung mit dem Bus ist allerdings schneller, billiger und bequemer. Vgl. Abbildung 4, S. 78 und Anhang J.

 

[261]           Zum Umfang der jährlichen Immigration vgl. Anhang A.

 

[262]           Ein Tabelle zum jährlichen Anteil des Entwicklungsbudgets an den Ausgaben der Regierung findet sich in: Wolffsohn (1995, S. 434); vgl. dazu auch Wolffsohn (1991, S. 401).

 

[263]           Die Gründe für diese Art der Beteiligung an der Wirtschaft sind in Abschnitt 4.1 aufgezeigt (Privatwirtschaft als Alibi).

 

[264]           Im Jahr 1984 erreichte die Inflationsrate einen Wert von 375% (vgl. Razin/Sadka, 1993, S. 19). Eine ausführliche Untersuchung und Analyse dieser Krise findet sich in Patinkin (1993, S. 103 - 128).

 

[265]           Bank Hapoalim, Bank Leumi Le Israel, Israel Discount Bank und United Mizrahi Bank (vgl. Razin/Sadka, 1993, S. 202).

 

[266]           Wolffsohn (1994, S. 381) nennt die Ahdut Hawoda und die späteren Nachfolgeparteien MAPAI und IAP. Vgl. auch Abbildung 2, S. 32.

 

[267]           Dazu Pirker (1965, S. 29): "Die politischen Parteien sind also nicht nur 'Weltanschauungsparteien', man kann sie auch als 'Wohlfahrtsparteien' bezeichnen - und sie vertreten nicht nur Ideen und Programme, sondern auch ganz massive, ökonomische Interessen."

 

[268]           Vgl. auch Abschnitt 2.5 (Parteien als Gesellschaften zur Kolonisierung des Landes).

 

[269]           Zur Verflechtung israelischer Banken mit Parteien oder öffentlichen Organisationen vgl. Anhang D.

 

[270]           Zur Agudat Israel vgl. Abbildung 2, S. 32.

 

[271]           Vgl. Patinkin (1993, S. 103 - 128).

 

[272]           Dazu Ben-Porat (1993, S. 73): " Both the private sector and the Histadrut were restricted by state regulations concerning foreign currency. Hardly anything could be purchased abroad, except for certain materials or goods that did not require foreign currency" (vgl. auch Ben-Porat, 1993, S. 185).

 

[273]           Vgl. zu diesem Problemfeld auch die Ausführungen zur Histadrut in Abschnitt 4.3.

 

[274]           Zum Verhalten der Manager in Staats- und Histadrutunternehmen vgl. auch Aharoni (1991, S. 184).

 

[275]           "For example, as these lines are written, Israel Chemicals has no board because the ministers of finance and of industry and trade are on such bad terms that neither will approve the appointments of the other"; insgesamt sind 13 Ministerien für die wirtschaftlichen Aktivitäten der Regierung zuständig (Plessner, 1994, S. 183).

 

[276]           Vgl. dazu die Ausführungen zur Institutionentheorie von North in Abschnitt 1.3 und auch ausführlich Buchanan/Tullock (1962).

 

[277]           Die Ursachen der späten Wende könnten theoretisch mit der Pfadabhängigkeit gesellschaftlicher Entwicklung erklärt werden. Dieser Aspekt wird im abschließenden Kapitel noch einmal aufgegriffen.

 

[278]           Vgl. Dun/Bradstreet (1986, S. 9).

 

[279]           Insgesamt ist es schwierig, in diesem Zusammenhang fundierte Aussagen über die Wirkung informaler Regeln zu treffen. Beispielsweise ist das ungeschriebene Gesetz, kein Land an Angehörige anderer Konfessionen zu verkaufen, von großer Bedeutung, kann in seiner Wirkung aber nur schwer erfaßt werden, da eine quantitative Aussage über das Ausmaß der Befolgung dieser Regel kaum möglich ist.

 

[280]           Wenn die Histadrut im folgenden zuerst als Unternehmensholding und dann als Gewerkschaft untersucht wird, so sagt dies, im Sinne von Malkosh's Darstellung, nichts über den Stellenwert der beiden Tätigkeitsfelder aus.

 

[281]           Die vorstaatliche jüdische Gesellschaft wird in der Literatur mit dem Begriff 'Yishuv' bezeichnet.

 

[282]           Die Kupat Cholim "ist die größte Krankenkasse des Landes, in der 70 % der Gesamtbevölkerung versichert sind" (Wolffsohn, 1995, S. 338 f.); vgl. auch Shalev (1992, S. 24).

 

[283]           Eine Jugendorganisation, Berufs- und Abendschulen für Erwachsene etc. (vgl. Pirker, 1965, S. 11).

 

[284]           "Als Nachfolgeorganisation (der 1909 gegründeten Haschomer (hebr.) = Wächter; C.P.), allerdings unter dem Einschluß aller Arbeiterparteien sowie unter Federführung der Histadrut-Gewerkschaft wurde die Hagana (=Verteidigung) am 15.06.1921, nach den blutigen Zusammenstößen zwischen Juden und Arabern im April 1920 und Mai 1921, gegründet" (Wolffsohn, 1995, S. 188).

 

[285]           Zu privatwirtschaftlichen Aktivitäten vgl. Kapitel 2, zur englischen Gesetzgebung (Förderung der Privatinitiative) vgl. Kapitel 4.

 

[286]           Pirker (1965, S. 29) bezeichnet die Histadrut als den "ökonomischen Interessensektor einer Partei, nämlich der MAPAI."

 

[287]           Pirker (1965, S. 75) zitiert aus den Gründungszielen der Histadrut, um deren "gesellschaftlichen Universalismus" aufzuzeigen. Dort sind in 14 Punkten alle gesellschaftlich relevanten Tätigkeitsfelder aufgezählt.

 

[288]           Vgl. Anhang B.

 

[289]           Vgl. Anhang C.

 

[290]           Koor Industries Ltd. war 1985, mit einem Umsatz von knapp zwei Milliarden US $ der mit Abstand größte Industriekonzern Israels. Es folgten Israel Chemicals Ltd (staatlich) und Clal Industries Ltd (privat) mit jeweils etwa 750 Millionen US $ Umsatz (vgl. Dun/Bradstreet, 1986, S. 9).

 

[291]           Vgl. Anhang C.

 

[292]           Vgl. zum organisatorischen Aufbau der Histadrut: Anhang G. Die Generalversammlung ist im Anhang mit 'Conference of Histadrut/Conference of Hevrat Haovdim' bezeichnet.

 

[293]           Das Exekutivbüro ist im Anhang mit 'Governing Committee/Secreteriat' bezeichnet.

 

[294]           Vgl. Anhang G.

 

[295]           Die Abweichung ist zum einen in der Rechtsform der Unternehmungen und zum anderen in der Art und Intensität der Anbindung an die Dachorganisation Hevrat Ovdim begründet.

 

[296]           Dabei gilt es zu berücksichtigen, daß in der Regel sowohl der Staat, als auch die Histadrut, von den gleichen Parteien bzw. Koalitionen regiert wurden.

 

[297]           Zu diesem Finanzfonds vgl. Plessner (1994, S. 63).

 

[298]           Vgl. dazu Abschnitt 2.3.

 

[299]           Zu den weiteren Zielen der Arbeiterparteien vgl. Abschnitt 2.4. und 2.5.

 

[300]           Eine Liste führender Kibbutz Unternehmen mit Umsätzen, Beschäftigten und Branchenangabe von 1985 findet sich in: Dun/Bradstreet (1986, S. 54).

 

[301]           Pirker vergleicht hier die israelische Situation mit der Einwanderung in die USA.

 

[302]           Sontheimer (1968, S. 102) beschreibt die wirtschaftlichen Aktivitäten der Einwanderer zu dieser Zeit: "Sie brauchten sich daher nicht dem objektiven Sachzwang einer schon funktionierenden Wirtschaftsordnung anzupassen, sondern konnten an einem Nullpunkt beginnen, experimentieren und ohne Rücksicht auf hemmende Traditionen (Das ist zu bezweifeln!; C.P.) versuchen, die wirtschaftlichen Aufgaben mit neuen Methoden zu lösen und politische Gesichtspunkte bei wirtschaftlichen Entscheidungen stärker zu berücksichtigen. Ein starkes voluntaristisches Element und der Primat politischer Ziele gegenüber rein wirtschaftlichen Überlegungen wurden daher kennzeichnend für die wirtschaftliche Aktivität der jüdischen Einwanderer."

 

[303]           Kretzmer (1990, S. 67, 75) zieht hier die Verbindung zu biblischen Traditionen: "According to biblical sources every family was entiteled to a plot of land that would pass from father to first-born son for generations. This plot was called the nakhala  i.e., heriage or estate."

 

[304]           Es sind allerdings drei Arten von Abgaben zur Finanzierung der Siedlergemeinschaft zu entrichten: Eine Kommission für die kollektiv verkauften Produkte, ein Preisaufschlag für die kollektiv einge­kauften Konsumgüter und Produktionsmittel und eine direkte Steuer (vgl. Pallmann, 1965, S. 59).

 

[305]           Vgl. zu den Wurzeln dieses Prinzips Abschnitt 2.3.

 

[306]           Zu den Privateigentümersiedlungen (Moschava) vgl. Abschnitt 4.1.

 

[307]           Die Organisation des Arbeitsbereichs im Moschav Schitufi ist identisch mit der Organisation im Kibbutz vgl. unten.

 

[308]           Im Jahr 1979 schloß sich der Ichud Hakibbutzim (die Kibbutzorganisation der Hapoel Hazair und der MAPAI) und der Kibbutz Hameuchad (die Kibbutzorganisation der Ahdut Hawoda) zur Vereinigten Kibbutzbewegung zusammen. Daneben existiert noch der Kibbutz Haartzi, die Kibbutzorganisation der Mapam, einer Partei, die 1948 aus abgespaltenen Gruppen der Poale Zion und der Ahdut Hawoda gegründet wurde (vgl. Wolffsohn, 1995, S. 144 f., 344 ff. und Abbildung 2, S. 32).

 

[309]           Gemeint ist hier die Histadrut.

 

[310]           Dazu schreibt Preuss (1958, S. 66): Der Kibbutz ist "die einzige vollkommene, integrale, allumfassende Genossenschaft (...) die in der Welt existiert."

 

[311]           Nach einer bestimmten Zeit wohnen die Kibbutz Mitglieder zwar auch in eigenen Wohnungen, nicht aber als Familie, da alle Kinder gemeinsam in separaten Gebäuden untergebracht sind. Ein eigener Haushalt existiert nur begrenzt, da beispielsweise die Mahlzeiten in einer Art Mensa gemeinsam eingenommen werden und die Wäsche in einer Großwäscherei gewaschen wird (vgl. Liegle, 1973).

 

[312]           "Der Ausdruck 'Einstellung zur Arbeit', der aus der Kibbutz-Sprache in eine hebräische Redewen­dung verwandelt worden ist, teilt im Kern mit, daß Selbstdisziplin am meisten zählt. Selbstdisziplin, die von der sozialistischen Maxime 'Jeder nach seinen Fähigkeiten' und dem puritanischen Konzept der 'menschlichen Erfüllung' durch Arbeit gespeist wird" (Barkai, 1982, S. 25).

 

[313]           "Es ist sicher kein Zufall, daß es die Frauen waren, die den Trend zur individuellen Wahl der Kleidung eingeleitet und vorangetrieben haben" (Barkai, 1982, S. 35).

 

[314]           Die untersuchten Branchen gliedern sich in: Werkzeugbau, Apparatebau, Eisenguß, Plastikverarbeitung, Maschinenbau, Nahrungsmittel und Instandhaltung.

 

[315]           Produktivität, Profitabilität, Management-Kosten, Management-Effizienz.

 

[316]           Dies war die Bezeichnung der israelischen Währung. Zusammen mit einer Abwertung erfolgte 1980 die Umstellung auf den 'Schekel'. Im Herbst 1985 wurde jener im Verhältnis 1000:1 gegen den 'Neuen Israelischen Schekel' (NIS) ausgetauscht. (vgl. Wolffsohn, 1991, S. 354 - 360).

 

[317]           Der Kibbutz kann nicht als reines Unternehmen aufgefaßt werden, da sich der größte Teil des kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Lebens der Mitglieder, innerhalb der Kooperative abspielt. Damit ist der Kibbutz in diesem Zusammenhang als Gesellschaft zu definieren und eher mit anderen Gesellschaften, als mit einzelnen Unternehmen, zu vergleichen.

 

[318]           Das entspricht in etwa dem Vergleich einer privaten Hochschule mit Eingangstests und einer öffentlichen Hochschule ohne diese Tests. Zum einen ist das Leistungsniveau der Bewerber für eine private Hochschule in der Regel höher, zum anderen ist die Motivation der dann ausgesuchten Bewerber größer, als bei einer öffentlichen Hochschule ohne Eintrittsschranken.

 

[319]           Auf die Wirkung handlungsrechtlicher Bestimmungen in Kibbutzim auf Kinder, die dort geboren und aufgewachsen sind, kann hier nicht weiter eingegangen werden. Vgl. dazu ausführlich Liegle (1973).

 

[320]           Beispielsweise die sozialistische Ideologie der Einwanderer und der Wille zur 'Eroberung der Arbeit', abgeleitet aus den negativen Erfahrungen der Diaspora.

 

[321]           Beispielsweise die Notwendigkeit Arbeit und Kapital zusammenzuführen, das Land tatsächlich, d.h. physisch in Besitz zu nehmen und auch große Immigrantenzahlen zu integrieren.

 

[322]           Der staatliche Eigentumssektor ist durch die später eingegliederten Kolonisationsorganisationen und deren Eigentum auch in der vorstaatlichen Periode schon angelegt.

 

[323]           Die Unternehmen der Kibbutzim bleiben aus Gründen, die in Abschnitt 4.4 ausführlich dargelegt worden sind, bei diesem Effizienzvergleich außen vor.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Anhang A: Volkswirtschaftlich relevante Daten

Jahr

Bruttoin-landsprodukt in Mio US $ 1990

Immigranten absolut

Infla-tions-rate

Import-überschuß in Mio US $

1990

Staats-quote. in Mio US $  1990

Arbeits-losen-quote

in %

Zivile Arbeiter in 1000

Jüdische Bevölkerung absolut

1881 - 1903

 

25.000

 

 

 

 

 

 

1904 - 1918

 

40.000

 

 

 

 

 

 

1919 - 1923

 

35.000

 

 

 

 

 

 

1924 - 1931

 

82.000

 

 

 

 

 

 

1932 - 1939

 

265.000

 

 

 

 

 

 

1940 - 1948

 

75.000

 

 

 

 

 

806.000

1950

3.453

170.563

-6,6

1.425

1.710

 

 

1.370.100

1952

4.677

24.610

57,7

1.242

2.254

 

 

1.629.500

1954

5.504

18.491

12,2

1.180

2.683

 

 

1.717.800

1956

6.803

56.330

6,4

1.528

3.164

 

 

1.872.400

1958

7.927

27.290

3,4

1.546

3.731

 

 

2.031.700

1960

9.515

24.692

2,9

1.511

4.379

 

736

2.150.400

1962

11.597

61.533

9,5

2.236

5.366

3

818

2.331.800

1964

13.915

55.036

5,2

2.771

6.534

3

884

2.525.600

1966

15.390

15.957

8

2.172

7.258

7

943

2.657.400

1968

18.189

20.703

2,1

3.206

8.420

6

970

2.841.100

1970

22.139

36.750

6,1

5.125

9.557

3

1.001

3.022.100

1972

27.621

55.888

12,1

4.315

11.112

2

1.077

3.225.000

1974

30.569

31.981

39,7

7.593

16.598

3

1.131

3.421.600

1976

32.363

19.754

31,3

6.462

16.517

3

1.169

3.575.400

1978

34.296

26.394

50,6

6.083

15.505

3

1.255

3.737.600

1980

36.950

20.428

131

3.926

14.911

5

1.318

3.921.700

1982

39.032

13.723

120,3

5.966

14.901

5

1.367

4.063.600

1984

41.039

19.981

373,8

5.048

15.144

6

1.444

4.199.700

1986

44.151

9.505

48,1

4.706

14.228

7

1.472

4.331.300

1988

47.989

13.034

16,3

6.578

16.380

6,4

1.553

4.476.800

1990

51.225

199.516

17,2

5.860

15.498

9,6

1.650

4.821.700

1991

53.837

176.100

19

10.766

16.495

10,6

1.770

5.058.800

1992

55.445

77.057

12

10.245

16.383

11,2

1.858

5.195.900

1993

55.890

76.805

11

12.494

17.195

10

1.946

5.320.000


Quelle: Central Bureau of Statistics, verschiedene Jahrgänge.


Anhang B: Israels Nettoinlandsprodukt nach Sektoren

Quelle: Barkai, 1964, S. 26.


Anhang C: Israels Nettoinlandsprodukt nach Sektoren und Branchen

Quelle: Barkai, 1964, S. 33.


Anhang D: Verflechtung von Banken mit Parteien und öffentlichen Organisationen

Quelle: Wolffsohn, 1987, S. 38.


Anhang E: Anteil der Histadrut am Nettoinlandsprodukt nach Branchen

Quelle: Aharoni, 1977, S. 177 ff.


Anhang F: Beschäftigtenanteil der Histadrut nach Branchen

Quelle: Aharoni, 1977, S. 177 ff.


Anhang G: Organisationsstruktur der Histadrut


Anhang H: Bevölkerungsentwicklung in Kibbutzim

Quelle: Maron, 1993, S. 88 f.


Anhang I: Quellen der Bevölkerungszunahme in Kibbutzim

Quelle: Maron, 1993, S. 88 f.


Anhang J: Eigentumsstruktur in der israelischen Wirtschaft

Quelle: Shimshoni, 1982, S. 234 f.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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